Mirinia-Kapitel 18

Kapitel 18

Die nächsten zwei Wochen verbrachte Mirinia sicher behütet in der Residenz, welche der Königin gehörte. Cassian leistete großartige Arbeit und verkaufte alles, was unnötig war. Daher bestand ihr Zimmer mittlerweile auch nur noch aus einem Bett, einem Kleiderschrank und einen Schreibtisch. Für Mirinia reichte das, denn sie mochte es nicht, in Prunk zu ertrinken. Sie schätzte zwar auch Kunst, doch diese würde sie nicht in ihrem Zimmer lagern. Hier verbrachte sie sowieso nicht sonderlich viel Zeit. Ihr Augenmerk würde später auf anderen Räumen liegen.

Als sie heute Morgen erwacht war, hatte sie sich stark und erholt gefühlt. Also würde sie sich auf den Weg zum Dorf machen.

Hier war mittlerweile auch alles so weit geregelt, wie es ging. Ihr Plan, um die Sklavenhändler zu überführen, stand und Cassian hatte mit der finanziellen Planung für das Dorf auch ganze Arbeit geleistet. Der Verlust der Windmühle traf die Dorfkasse zwar hart, doch nicht so, dass sie es nicht überleben würden.

Sobald die Sklavenhändler beseitigt waren, konnten sie komplett loslegen. Bis dahin mussten sie noch die Füße stillhalten, doch Mirinia hatte sich bereits überlegt, wie sie diese aus ihrem Loch locken konnte. Dazu war das kleine Haus, das sie am See plante, perfekt. Immerhin hatte sich scheinbar nichts daran geändert, dass sie Mirinia verkaufen wollten. Also sollten sie es versuchen.

Mirinia griff zu ihrem leichten Mantel. Es wurde kühler und der Herbst stand an. Für sie waren diese Temperaturen eigentlich angenehm, da sie in kaltem Wasser aufgewachsen war, doch ihr Hof bestand auf einen Mantel, damit sie nicht fror. Vielleicht konnte sie diesen verschenken.

„Ich mache mich jetzt auf den Weg ins Dorf“, bemerkte sie an Cassian gerichtet, der am Schreibtisch saß und einige Finanzdokumente durchging.

Er hob lediglich zur Verabschiedung eine Hand, weil er noch zu sehr in seine Arbeit vertieft war.

Mirinia ließ das lächeln und sie wandte sich an Evel. Diese wirkte verstimmt, wehrte sich aber nicht dagegen, dass Mirinia ging. Diese wusste, dass es Evel nicht so sehr störte, dass sie ins Dorf ging. Das Problem war eher, dass die Vampirin unterfordert war. Hier gab es keine richtigen Gefahren, gegen die sie kämpfen konnte. Nicht einmal in den nahen Bergen.



Das hieß, sie war nicht ausgelastet, denn als Kriegerin und auch als Vampirin lag ihr das Kämpfen im Blut.

Bisher hatte es Mirinia geschafft, sie anderweitig zu beschäftigen, doch hier gab es niemanden, den sie ausbilden konnte. Bis auf Dylan, der jedoch ein Magier war und damit unterschied sich die Art, wie sie Sternenstaub nutzten, zu sehr.

„Wir bleiben dabei, dass du verkündest, dass du am See ein Haus bauen möchtest?“, fragte Evel, die ihre Königin nach draußen begleitete.

Die Angesprochene nickte. „Ja. Es wird den Sklavenhändlern ein Dorn im Auge sein und sie werden angreifen“, bemerkte sie. Vermutlich würden sie so zwar nur die Handlanger erwischen, doch besser als gar nichts.

Evel schnaubte leise. „Darf ich den Anführer töten?“, fragte sie direkt, denn sie wusste, dass Mirinia es nicht so mit endgültigen Entscheidungen hatte. Darum zögerte diese auch.

„Ich möchte ihn verhören“, gab sie an, damit Evel wusste, dass sie zumindest diesen am Leben lassen sollte. „Und die anderen sind vermutlich Dorfbewohner. Darum möchte ich nicht, dass ihnen etwas passiert.“

Frustriert stieß Evel den Atem aus. Sie hatte damit gerechnet und trotzdem war sie nicht begeistert.

Mirinia verabschiedete sich von Evel, welche in die Luft abhob, um von dort aufzupassen.

Dann machte die sich auf den Weg ins Dorf.

Als sie die alte Steinmauer passierte, suchte sie instinktiv die Umgebung nach Dylan ab, doch er war nirgendwo zu sehen.

Auch, als sie das Dorf betrat, konnte die niemanden auf den Straßen sehen. Für einen Moment setzte ihr Herz aus, als ihr Kopf sich die schlimmsten Dinge ausmalte. War vielleicht etwas vorgefallen, seitdem sie im Herrenhaus war?

Angespannt von ihren eigenen Gedanken lief sie schneller und direkt auf die Taverne zu. Hoffentlich waren sie dort.

Schon von draußen hörte sie Stimmen, die sie erleichtert ausatmen ließen. Scheinbar hatten sie eine Art Versammlung.

„Stürmen wir das Herrenhaus“, erklang eine Stimme, die Mirinia einen unangenehmen Schauer über den Rücken jagte. Warum wollen sie die Königliche Residenz stürmen?

„Zeigen wir der Königin, dass wir nicht einfach zulassen, dass Bewohner unseres Dorfes verschleppt werden“, rief eine weitere Stimme, die Mirinia als Micas identifizierte.



Sie schnappte mach Luft, bevor die die Tür öffnete und eintrat.

Die Gruppe war so aufgestachelt, dass sie Mirinia gar nicht bemerkten. Selbst, als diese sich räusperte, reagierte niemand. Darum entschied sie sich, einen schrillen Pfiff auszustoßen, den sie mit ein wenig Magie versetzte, sodass er mit wenig Aufwand laut im Raum widerhallte.

Fast sofort schossen alle Blicke zur Tür. „Ich störe nur ungern, aber ohne Heilerin solltet ihr gar nicht auf die Idee kommen, irgendwas zu stürmen“, bemerkte sie, weil sie ihnen nicht das Gefühl geben wollte, dass ihre Entscheidung schlecht war. Was sie zwar war, doch sie verstand den Grund. Zumindest glaubte sie das.

Die Menge bewegte sich, weil sich Dylan durch diese drängte, bevor er mit schnellen Schritten auf sie zukam und dicht vor ihr stehenblieb. Sein dunkler Blick musterte sie eingängig, bevor er erleichtert ausatmete. „Geht es dir gut?“, fragte er skeptisch.

Mirinia nickte. „Ja. Es war tatsächlich ein Heiler da, der sich um mich gekümmert hat“, erklärte sie und blickte an Dylan vorbei zu den anderen, die sie alle betrachtete. „Außerdem durfte ich mich dort ein wenig ausruhen und wurde auch verpflegt“, fügte sie hinzu. Erleichterung machte sich auf den Gesichtern der Leute breit, als auch schon Ava aus der Menge gestürzt kam und Mirinia umarmte.

Diese war für einen Moment so perplex, dass sie die Umarmung einfach erwiderte. „Dir geht es gut“, jubelte sie und Mirinia fragte sich, was ein Kind bei einer solchen Besprechung zu suchen hatte.

„Geht es. Und ich habe mit der Königin gesprochen. Sie erlaubt mir am See ein Haus zu bauen und stellt sogar die Materialien. Dafür soll ich euch kostenlose Heilung anbieten. Also haben wir alle was davon.“

Ungläubigen Blicke mischten sich mit Verwunderung. „Die Königin stellt dir ein Haus, damit du uns behandeln kannst?“, fragte Magarith, die scheinbar noch nicht so ganz verstand, dass Mirinia das ernst meinte.

Diese nickte mit einem breiten Lächeln. „Ich verspreche auch, es nicht zu übertreiben“, erklärt sie gut gelaunt.

Mirinia erkannte, dass untereinander Blicke ausgetauscht wurden, bevor Micas überrascht fragte: „Und du würdest uns wirklich heilen?“, wollte er wissen.



Seine Worte sorgten dafür, dass Mirinia rot im Gesicht wurde und peinlich berührt den Kopf senkte. „Natürlich. Aber ich bin … wie gesagt, nicht so gut. Es könnte also sein, dass es lange dauert und ich nur wenig an einem Tag schaffe“, bemerkte sie. Immerhin war sie auch nicht vorrangig eine Heilerin, sondern eine Königin. Trotzdem beherrschte sie die Theorie ihres Handwerks.

Erneut sahen sich die Leute gegenseitig an, bis Magarith an Mirinia getreten kam und ihre Hände packte. „Wir hatten noch nie einen magischen Heiler im Dorf, aber du bist auch willkommen, ohne etwas Derartiges zu tun. Denk nur nicht, du müsstest, damit wir dich hier akzeptieren. Du hast uns deutlich gezeigt, was du im Notfall kannst und auch, dass wir dir wichtig sind.“

Mirinia spürte, wie ihr die Tränen kamen. Ihre Worte berührten sie sehr.

„Ich möchte mich trotzdem irgendwie einbringen, wenn ich schon hier wohne“, sagte sie und drückte leicht Magariths Hände. „Und jetzt, da ich sowieso nicht mehr verbergen kann, dass ich Magie besitze … will ich sie auch zum Helfen einsetzen.“

Ein Schnauben seitens Dylan erklang. „Sag das bloß nicht. Das wird hier schamlos ausgenutzt.“

Mirinia musste fast lachen, hielt dich aber zurück. Wie sie wohl Dylans Magie ausnutzten? Vermutlich musste er überall helfen. Bei der Mühle hatte er auch viel mit angepackt. Was bei Mirinia für Fragen sorgte. Hatte er gewusst, dass die Mühle brennen würde? Aber hätte er dann geholfen die Bewohner zu beschützen?

Das waren Dinge, die sie hoffentlich später herausfinden würde. Erst einmal musste sie das als Vorwand nehmen, um Dylan einzusperren. Zu seiner eigenen Sicherheit. Auch, wenn das Mirinia Bauchschmerzen machte. Ihn einzuweihen war zu unsicher. Dazu konnte sie ihn noch zu wenig einschätzen.

„Komm erst mal und setz dich“, sagte Magarith schließlich und zog sie mit sich zu einem Tisch.

Also setzte sie sich, bekam einen Wein und sollte erzählen, wie es ihr ergangen war.

Dabei spürte sie sich zuhause und willkommen. Ein ganz anderes Gefühl als in ihrer eigentlichen Heimat.

Würde es so bleiben, wenn sie wussten, dass sie die Königin war?

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