Ascardia-Kapitel 2

~Ascardia~

   Ich hatte mit dem Leben abgeschlossen, als mir schwarz vor Augen wurde, darum war ich verwirrt, als ich etwas Kaltes an meiner Wange spürte.
   Mit Mühe schaffte ich es, meine Augen zu öffnen, doch die erwartete Schwärze, die ich im tiefen Ozean erwartet hatte, blieb aus.
   Es war kühl, aber nicht die schneidende Kälte des Wassers.
   Und sollte ich nicht nass sein?
   Ein unbekannter Duft stieg mir in die Nase. Süß und lieblich, aber mit einer leicht metallischen Note, wie ich ihn noch nie zuvor wahrgenommen hatte. Die Luft war rein. Kein Schwefel, kein Staub. Einfach nur … Luft.
   Leise stöhnend richtete ich mich auf, wobei meine Finger über den viel zu glatten Boden strichen. Das konnte unmöglich der Meeresboden sein.
   Entsetzt stellte ich fest, dass ich mich in einer riesigen Halle befand.
   Der Boden war so glatt, dass ich mich darin spiegeln konnte und die Wände waren mit so vielen Farben geschmückt, dass ich nicht einmal richtig verstand, was ich sah. Waren das Bilder, die ich nur aus Erzählungen kannte?
   Fasziniert sah ich mich um, während ein Murmeln und Tuscheln meine Aufmerksamkeit auf eine Gruppe von Frauen zog. Sie standen dicht an dicht gedrängt, während ich abseits lag.
   Was war hier los?
   Ich erkannte keines der Gesichter, doch im Gegensatz zu mir wirkten sie gut genährt und gesund. Sie konnten also unmöglich aus dem Gluthain kommen. Aber was machten sie hier mit mir?
   Waren wir vielleicht alle gestorben?
   Ein Geräusch ertönte, als würde jemand etwas auf den Boden stampfen. Es hallte an den Wänden wider und ließ mich schaudernd meinen Blick wenden.
   Eine riesige Tür öffnete sich wie von Geisterhand und ein Mann trat ein.
   Wobei Mann nicht das richtige Wort war.
   Ein … Wesen.
   Seine Haut war genauso blass wie seine Haare. Sie umspielten seine breiten Schultern und tanzten in einem Wind, den ich nicht spüren konnte.
   Dann bemerkte ich seine Augen.
   Sie sorgten dafür, dass ich das Atmen vergaß.
   Wie zersplittertes Glas … So etwas hatte ich noch nie gesehen.
   War ich vielleicht gar nicht mehr am Leben? War ich gestorben? War das hier der Himmel oder sogar die Hölle, von der Rashid gesprochen hatte? Anders konnte ich mir das hier nicht vorstellen. Es war so ganz anders als alles, was ich kannte.




   Seine Schritte waren elegant, als er durch den Raum schritt. Er würdigte keinen von uns eines Blickes.
  Stille war eingekehrt, die ich gut verstehen konnte. Mir selbst fiel erst wieder ein, dass ich atmen musste, als mir schwindlig wurde. Darum schnappte ich nach Luft und durchbrach ungewollt die Stille.
   Sofort richteten sich diese faszinierenden, wie gruseligen Augen auf mich.
   Kalt und unnahbar starrten sie mich an.
   Ich war Rashid gegenübergetreten, der als Alpha eine drückende Aura hatte, doch das war nichts im Vergleich zu diesem Mann.
   Seine Präsenz nahm mich so stark ein, dass ich den Mann, der direkt neben ihm lief, erst jetzt richtig wahrnahm.
   Im Vergleich wirkte er warm und trug ein charmantes Lächeln auf den Lippen.
  Seine schwarzen Locken und die sanft gebräunte Haut ließen ihn viel umgänglicher, ja menschlicher wirken. Wobei ich beide nicht gerade als Menschen bezeichnen würde.
   Waren das die Götter, von denen Rashid und seine Familie gesprochen hatte? War ich ihnen wirklich geopfert wurden?
   »Da hat sich etwas zu uns verwirrt, das nicht hier sein sollte«, bemerkte der Schwarzgelockte, während auch er mich anstarrte. Ich hatte das Gefühl das Lächeln auf seinen Lippen ließ seine tiefgrünen Augen kalt.
   Der Weißhaarige ließ sich elegant auf einem großen Stuhl nieder und stützte sein Kinn auf seine Faust, während sein Blick über uns wanderte.
   »Was soll das? Warum bin ich hier?«, rief ich, wobei es meinen ganzen Mut brachte, um Wörter zu formen.
   Ich sah, wie ein Hauch von Überraschung über das kantige, blasse Gesicht huschte, das eher einer Skulptur glich.
   Sofort hatte ich wieder seine volle Aufmerksamkeit, erwiderte seinen Blick jedoch ernst und ohne meine Angst zu zeigen. Ich zuckte nicht einmal mit einer Wimper.
   Der Mann legte den Kopf schief und musterte mich.
   Er ähnelte den Salamandern in meiner Heimat, wenn diese eine Beute gefunden hatte.
   Ich straffte meine Schultern. Auf keinen Fall würde ich seine Beute sein.
   »Dieses Mal scheinen einige interessante Objekte darunter zu sein«, sagte er schließlich, wobei seine Stimme so schneidend klang, dass ich das Gefühl hatte, Klingen würden über meine Haut fahren.




   Der Schwarzhaarige neigte leicht seinen Kopf. »Was ist Euer Wunsch, Fürst?«, fragte er, wobei sein Lächeln nicht ganz zu seinen Worten passte. Allerdings war meine Aufmerksamkeit zu sehr von diesem anderen Mann gefangen.
   Fürst.
   Was war das für ein Begriff? Ich hatte so etwas noch nie gehört und konnte es nicht einordnen.
   War das vielleicht sein Name?
   Er schnippte mit den Fingern. Kühle Luft umfing mich. Sie zog an meinen Haaren, hob mich in die Luft und löste das Seil, das meine Beine noch immer hielt. Alles, ohne mich dabei zu verletzen oder auch nur ansatzweise an das Gefühl von Rashids Händen heranzukommen. Fast … zärtlich?
Einfach so. In einem Fingerschnippen.
   Wie war das möglich?
   Die anderen Frauen schnappten nach Luft und begannen zu tuscheln, verstummten aber recht schnell wieder.
   »Ayden. Kümmer dich um die Neuzugänge und verteile sie. Mich interessiert nur diese da.«
  Die Stimme des Fürsten war gelangweilt und er machte eine wegwerfende Handbewegung, während er über unser Schicksal entschied, als wären wir alle Vieh.
   Warum war ich hier? Was hatte er mit mir vor?
   Hatte ich überhaupt eine Chance zu fliehen, wenn er nur ein Fingerschnippen brauchte, um mich von meinen Fesseln zu befreien? Ich wollte mir lieber nicht vorstellen, was er sonst noch mit mir anstellen könnte.

Kommentare