Ascardia-Kapitel 3

~Ascardia~
Der Schwarzhaarige, der wohl auf den Namen Ayden hörte, klatschte plötzlich in die Hände.
Erneut öffneten sich die Türen wie von Zauberhand und eine Gruppe von Leuten kam hineingestürmt.
Ich traute meinen Augen nicht, denn es handelte sich um ältere Damen, die alle edle Kleider trugen. Dazu Schmuck, den ich noch nie gesehen hatte. Sie schimmerten und strahlten, wie kleine Kunstwerke.
Mein Herz setzte einen Moment aus, als Ayden ihnen Anweisungen gab. »Diese da«, sagte er und deutete auf mich. »Sorgt dafür, dass sie herzeigbar ist. Die anderen könnt ihr wegbringen«, befahl er.
Die Horde an Frauen vollführte einen Knicks, den ich ihnen nicht zugetraut hätte. Wie schafften sie das, obwohl ihre Haut schon so in Falten hing. Noch nie hatte ich so alte Frauen gesehen. Wie hatten sie bisher überlebt? Wer kümmerte sich um sie? Wie jagten sie ihr Essen?
Verwirrt sah ich zu, wie sich die Menge teilte und die meisten von ihnen die anderen, jungen Frauen umkreisten.
Sie sprachen etwas, doch ich verstand nicht was, war ich doch so sehr auf die beiden Frauen fokussiert, die direkt auf mich zukamen.
Ein Knurren verließ meine Lippen, während ich meine Finger krümmte. Meine Krallen waren vielleicht nicht die Stärksten, aber diese Frauen schienen mir keine Kämpfer zu sein. Ich würde nicht gegen sie verlieren.
Zögerlich blieben sie stehen und blickten sich kurz fragend an. Dann trat eine nach vorn. Das Rascheln ihres Kleides und der feine süße Duft, der von ihr ausging, war mir so fremd, dass ich mich sofort bedroht fühlte.
Sie sollte mich nicht anfassen!
Knurrend fuhr ich meine Krallen aus und schlug nach ihr, um ihr zu zeigen, dass sie nicht einfach so näherkommen konnte.
Ich wusste nicht, was sie von mir wollte und ich würde nicht zulassen, dass sie mich verletzte.
Nur knapp verfehlte ich das Fleisch der Frau, streifte eine Verzierung ihres Kleides und riss es ab.
Nach Luft schnappend, wich sie zurück, wobei ihr Blick anklagend auf mich gerichtet war.
»Was für ein Wildfang«, seufzte der weißhaarige Mann, was mich erneut schaudern ließ.
Die Erinnerung, wie er mich einfach mit einem Schnippen in die Luft gehoben hatte, packte mich und löste Panik in mir aus.
Ich sollte nicht hierbleiben. Es war besser, wenn ich nicht herausfand, was sie mit mir vorhatten.
Ohne darüber nachzudenken, nutzte ich die Verwirrung der beiden Frauen, preschte auf sie zu und zwischen ihnen hindurch, direkt auf die große Tür zu, die noch immer offen stand, weil die anderen Frauen hinausgeführt wurden.
Mein Ziel war klar und ich hatte schon die Freiheit im Blick, als meine Füße plötzlich keinen Halt mehr fanden.
Ohne zu verstehen wieso, fand ich mich im freien Flug wieder und sah den Boden plötzlich näherkommen.
Scheiße. War ich so erschöpft, dass meine Beine mir nicht mehr gehorchten?
Ich kniff die Augen zusammen und erwartete den harten Aufprall, doch er kam nicht. Stattdessen hatte ich das Gefühl, erneut gefesselt zu sein. Nicht mit Seilen, sondern von der Luft selbst.
Ich blinzelte irritiert, um zu verstehen, was los war. Da bemerkte ich, dass ich in der Luft hin und ganz langsam zu Boden segelte.
Mein Herz drohte mir aus der Brust zu springen und mein Blut rauschte so laut in meinen Ohren, dass ich nichts mehr hörte.
Als vor meinen Blick plötzlich Ayden auftauchte, zuckte ich heftig zusammen.
Er lächelte, als wäre nichts gewesen, hockte sich zu mir und musterte mich. »Ich weiß nicht, was du denkst, wohin du gehst, aber in deinem Zustand solltest du nicht daran denken, das Schloss zu verlassen«, sagte er. Seine Stimme sanft und warm, doch das Grün seiner Augen funkelte kalt, fast belustigt.
»Komm, ich helfe dir, aufzustehen.« Er reichte mir seine Hand und blickte mich abwartend an.
Mir wurde ganz kalt, als mir klar wurde, dass es kein Vorschlag, sondern ein Befehl war.
Ein Befehl gepackt in Wärme und Zärtlichkeit.
Was sollte ich jetzt tun?
Ich war nicht in der Lage, wegzurennen und mein ganzer Körper zitterte und schmerzte. Aber ich konnte doch nicht einfach so nachgeben.
Ohne zu reagieren, starrte ich seine Hand an, während Ayden abwartend zurückblickte.
»Steh auf«, befahl schließlich die kalte, schneidende Stimme des Fürsten.
Ein Zucken lief durch meinen Körper und er versteifte sich. Dann bewegten sich meine Arme und Beine, ohne dass ich es wollte.
Als wäre ich eine Puppe an Fäden, setzte ich mich auf, ohne dass mein panischer Versuch, mich dagegen zu wehren, Früchte tragen konnte.
Ayden lächelte noch immer und nahm meine Hand, bevor er mich hochzog.
Schwindel überkam mich und Schwärze tanzte einen Moment vor meinen Augen, doch mein Körper wankte nicht einmal.
»Lass das«, knurrte ich irgendwie, auch wenn sich meine Lippen nicht bewegten und man die Worte kaum verstand.
Ein Lachen erklang, doch ich konnte meinen Kopf nicht drehen, um zu sehen, woher es kam. War das der Fürst oder dieser Ayden?
Es klang kalt und herablassend, weshalb ich es eher dem Fürsten zuschrieb. »Ayden, kümmer dich um sie, bevor sie die Diener verletzt«, erklang der harsche Befehl.
Ayden verneigte sich leicht, bevor er nach meiner Hand griff. »Mach keinen Unsinn«, tadelte er mich, doch sein Lächeln milderte seine Worte. Wäre da nicht dieser Blick, der mir durch und durch ging.
So nah, wie er mir war, erkannte ich die goldenen Sprenkel in den grünen Augen, die für ein unheimliches Schimmern sorgte.
Ich knurrte erneut, wehrte mich dieses Mal aber nicht, als er mich mit sich zog.
Noch immer spürte ich diese seltsame Kraft, die mich vorwärts zwang, doch als mich Ayden aus dem Raum führte, stolperte ich und stieß gegen ihn, weil ich mich plötzlich wieder bewegen konnte.
Verfluchte Scheiße, wo war ich hier nur hineingeraten.
»Vorsicht«, tadelte Ayden. Er hielt mich mit seinen großen, starken Händen aufrecht, sodass ich nicht fiel. Dann stellte er mich wieder auf meine Füße und wartete sogar, bis das Zittern nachgelassen hatte.
Ich musste eine schreckliche Erscheinung abgeben. Wenn ich an die anderen Frauen dachte … vornehm gekleidet und erhaben. Ich dagegen musste schäbig in meine abgeranzten Kleidern aussehen.
Warum hatte er sich ausgerechnet mich ausgesucht, wenn er doch die Wahl zwischen so vielen Schönheiten hatte? Was wollte er mit einem halbverhungerten Wesen wie mir?
Ayden musterte mich. »Komm jetzt endlich, damit ich dich vorzeigbar machen kann«, seufzte er schließlich, packte meine Schultern und schob mich dann langsam voran, als würde er erwarten, dass ich gleich wieder fiel.
Was durchaus geschehen konnte. Ich spürte, wie mich meine Kraft verließ.
Die Angst und das Adrenalin, das mich aufrecht gehalten hatte, ließ nach und die Erschöpfung und Müdigkeit kam zurück. Mein Magen knurrte nicht mehr vor Hunger, sondern schmerzte dauerhaft.
Ich hatte das letzte bisschen Kraft zusammengesammelt, um mich zu behaupten und war gescheitert. Mein Körper gab seinen Widerstand auf und so ließ ich mich einfach vorantreiben, ohne zu wissen, was mich erwartete.
Ein Leben als Sklave?
Vielleicht war das sogar besser als das Leben, das mich im Gluthain erwartet hätte. So oder so hatte ich eigentlich schon viel zu lange überlebt.





























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