Mirani-Kapitel 12


~Mirani~
Ich lehnte mich auf den Tisch zurück und blickte in den dunklen Himmel voller Sterne. Es war ein schönes Bild, das ich sehr selten so zu Gesicht bekam. Der seichte Nebel meiner Heimat ließ es nur selten zu, dass ich die Sterne so klar erkennen konnte.
Die kühle Brise, die ständig um mich wehte, ließ mich immer wieder schaudern, doch noch wollte ich mich nicht zurückziehen.
Asher hatte mir meine Kleidung gebracht und darauf bestanden, dass ich mich ausruhte, obwohl meine Verletzungen schon lange verheilt waren. Auch der Schmerz in meinem Knöchel war nicht mehr der Rede wert. Trotzdem hatte Asher darauf bestanden, dass ich mich so wenig wie möglich bewegte.
Ich ließ es zu, denn den Himmel zu beobachten, hatte etwas überraschend Beruhigendes. Wären da nicht immer mehr dichte, graue Wolken, die das friedliche Bild trübten.
Trotzdem blieb ich, um mir alles anzusehen. Dabei bemerkte ich, wie der Wind stärker wurde und das Schiff immer mehr schwankte.
Als ich mich schließlich aufsetzte, spürte ich einen Schauer, der mir über den Rücken wanderte. Nur wenig später öffnete sich der Himmel und eiskalter Regen prasselte wie kleine Nadelstiche auf mich nieder.
Ich hörte Asher leise fluchen, der wenig später in meine Richtung gerannt kam. »Du solltest unter Deck gehen«, wies er mich an und deutete mir, ihm zu folgen, hielt dabei aber einen gebührenden Abstand. Außerdem bemerkte ich, dass sich seine Kleidung etwas geändert hatte. Er trug eine längere Tunika, die durch den Regen völlig durchnässt wurde, und dünne Handschuhe.
Weil ich mich mit Schiffen nicht auskannte, nickte ich, doch als ich komplett hinaus in den Regen trat und den leichten Schutz des Pavillons verließ, rutschten meine Füße über das nasse Holz. Zusammen mit dem Schaukeln des Schiffes schwankte ich mehr, als dass ich lief. Ich brauchte meine ganze Konzentration, um nicht hinzufallen.
Stattdessen wankte ich von einem Halt zum anderen, bis ich es endlich zur Tür geschafft hatte, die unter Deck führte. Mittlerweile machte der Regen es auch schwer, etwas zu sehen.
Fast wünschte ich mir, dass Asher mir helfen würde, doch ich war so daran gewöhnt, alles allein und ohne Kontakt zu machen, dass dieser Gedanke nur einen kleinen Moment anhielt. Als ich endlich aus dem Regen raus war, atmete ich tief aus, doch die Treppe nach unten war gar nicht so einfach.
Meine Kleider machten die Holzstufen nass und als ich fast angekommen war, rutschte ich aus und taumelte die letzten Stufen, sodass ich am Ende nur schlecht als recht ankam. Zum Glück fiel ich nicht, denn das wäre durchaus peinlich gewesen.
Überrascht sah ich mich um. Das Licht wirkte fremd. Anders, fast falsch. Die Laternen flackerten an den Wänden. Ich erkannte die Runen, die rund um das Feuer angebracht waren. Schutz vor einem Brand? Vermutlich, doch um das genauer beurteilen zu können, würde ich sie mir näher ansehen müssen. Dafür war jetzt keine Zeit.
Ich fühlte mich nicht sonderlich wohl hier unten. Die Luft war stickig und feucht. Gleichzeitig roch es nach Öl, altem Holz und Metall. Kein Geruch, der mir sonderlich zusagte. Nichts im Vergleich zu dem angenehmen Geruch meines Waldes, wenn der Regen auf das Moos fiel.
Außerdem hörte ich den Regen auf das Deck hämmern. Es ließ mich die ganze Zeit zucken und dröhnte in meinen Ohren.
Als ich mich langsam bewegte, knarzte und ächzte es unter mir. Vorsichtig tastete ich mich an den Wänden entlang, weil ich Sorge hatte, dass ich erneut ausrutschte. Gleichzeitig hatte ich aber auch Angst, dass das Schiff auseinanderbrach.
Je weiter ich mich bewegte, desto mehr bekam ich das Gefühl, ins Maul eines Monstrums zu gehen. Hoffentlich würde ich nicht lange hier bleiben müssen.
»Hier entlang«, sagte Asher, der vor mir ging, aber immer wieder zu mir zurückblickte und auf mich wartete.
Die Gänge waren eng und durch das schlechte Licht, konnte ich nicht genau sagen, wo ich hintrat. Überall gab es Kisten, Taue und andere Dinge, die ich nicht einordnen konnte. Die Unordnung musste durch den Sturz verursacht worden sein. Einmal musste ich sogar über Holzplanken steigen. Ein Eimer vielleicht?
Als Asher die Tür erreichte und sie öffnete, trat ich nur zögerlich ein.
Der Raum war klein und hatte kaum mehr Platz als für ein Bett. Sofort spürte ich die Enge in meiner Brust. Das Atmen fiel mir zunehmend schwerer. »Du kannst dich umziehen. Ruf, wenn etwas ist«, sagte Asher, der hinter mir die Tür schloss.
Ich versteifte mich panisch, weil das Gefühl, eingesperrt zu sein, mich packte. Dann schwankte das Schiff so sehr, dass ich den Halt verlor und auf das Bett fiel. Für einen Moment stieg mir der Geruch von Lavendel in die Nase und ich fragte mich, ob das daran lag, dass ich mir wünschte, wieder in meiner Hütte zu sein. Doch das war ich nicht.
Ärgerlich, weil ich es dadurch nass gemacht hatte, drückte ich mich ab, nur um erneut den Halt zu verlieren und gegen die Wand zu schlagen und auf meiner Truhe zu landen.
Hier war ich vielleicht vor dem Regen geschützt, doch nicht vor den Wellen, die das Schiff schwanken ließen. Wie kam Asher nur so gut damit klar?
Mühsam richtete ich mich auf und hielt mich an dem Netz fest, das in der Nähe meines Bettes an der Decke angebracht war.
Da mein Bett in einer Nische in der Wand eingelassen war, gab es zwar mehr Platz, doch nicht genug. Gleichzeitig war das im Moment gut, denn so fiel ich nicht sonderlich weit, bevor eine Wand mich hielt.
Irgendwie schaffte ich es, mich auszuziehen und meine Haare zu trocknen, doch als ich versuchte, das Kleid aus meiner Truhe zu holen, wurde ich erneut herumgeschleudert. Ich stieß gegen die Wand und der Deckel der Truhe schlug auf meine Hände.
Schmerzen zuckten durch meine Finger und mein Geduldsfaden riss.
Ich stieß einen Schrei aus und trat gegen die Truhe, um meine Frustration etwas zu entladen.
Keine Minute später wurde die Tür aufgerissen. »Ist alles in Ordnung?«, fragte Asher, der mich anstarrte, als würde er davon ausgehen, dass ich verletzt war.
Ich blickte zurück, bevor mir bewusst wurde, dass ich nackt war.
Schon wieder.
Röte stieg mir ins Gesicht und ich hob das Kleid, um mich zu verstecken. In dem Moment wurde ich erneut durchgeschüttelt, verlor den Halt und landete am Boden.
Knurrend richtete ich mich irgendwie auf, bevor ich mir das Kleid überstreifte. So war wenigstens mein Körper verdeckt. »Du kannst wieder hersehen«, murmelte ich, als ich bemerkte, dass Asher zwar noch in der Tür stand, aber den Blick abgewandt hatte.
Als er zu mir schielte, räusperte er sich leise. »Kannst du aufstehen?«, fragte er, als würde er davon ausgehen, dass mein Fuß noch immer Probleme machte. Dabei tat dieser kaum noch weh. Nur konnte ich einfach keinen Halt finden. Das hier war keine Umgebung, in der ich mich zurechtfand. Das Schwanken sorgte auch dafür, dass mein Magen unruhig grummelte.
»Ja«, murmelte ich und zog mich langsam an der Wand hoch.
Allerdings schaffte ich es nicht, stehenzubleiben. Es war leichter am Boden zu sitzen, als zu stehen, weshalb ich nach vorn taumelte. Direkt in Asher hinein.
Ich spürte die Wärme, die durch seine Kleidung drang und meine Wange berührte. Obwohl wir keinen direkten Hautkontakt hatten, stellte ich mich darauf ein, zu sehen, was er vor kurzem getan hatte, doch Asher legte seine Hände an meinen Bauch, dort wo mein Kleid am dicksten war und schob mich Richtung Bett. Nur wenig später fand ich mich mit klopfendem Herzen darauf sitzend wieder.
»Am besten bleibst du auf dem Bett«, sagte er und zog sich sofort von mir zurück.
Panik machte sich in mir breit, als mir klar wurde, dass er mich wieder allein lassen wollte. Ich hob meine Hand, um ihn aufzuhalten, doch die Angst vor seiner Vergangenheit war größer, weshalb ich sie wieder zurückzog.
»N… nicht«, setzte ich an, schaffte es aber nicht, Worte hervorzubringen. Stattdessen sah ich eine Welle gegen das kleine, runde Fenster peitschen, die das Schiff erneut schwanken ließ.
Ein quietschendes Wimmern verließ meine Lippen, während ich mich festkrallte, um nicht erneut zu fallen.
Asher stieß die Luft aus, schloss die Tür und ließ sich dann vor mir am Boden nieder. »Mutter hat gesagt, ich soll auf dich aufpassen. Keine Sorge. Ich fasse dich nicht an«, sagte er und hob seine Hände. An diesen waren mir bereits die Handschuhe aufgefallen, doch ich fragte mich, warum er sie mir so direkt zeigt. »Ich trag sogar Handschuhe, wie dein Bruder.«
Ich spürte Hitze in mein Gesicht schießen und senkte den Blick. Scheinbar verstand er jetzt auch, warum sich Kaelen so benommen hatte. Es war mir peinlich, dass er glaubte, er müsste das tun. Aber eigentlich war es gut, da er so uns beide schützte. Auch, wenn es ihm egal zu sein schien, dass ich seine gesamte Vergangenheit offenlegen könnte.
Ich lächelte zögerlich, da seine Bemerkung mir ein wenig Ruhe gab. Er nahm mich ernst, dabei hatte ich geglaubt, dass es ihm einfach egal war. Da lag ich wohl falsch.
Ich hoffte nur, dass ich mit meiner Einschätzung dieses Schiffes ebenfalls falsch lag. Hoffentlich war es nur ein kurzzeitiger Käfig, der mir Schutz bot und mich nicht in die Tiefe der See zog. Einmal abgestürzt waren wir immerhin schon.




























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