Mirani-Kapitel 18

~Mirani~

Die Wärme von Ashers Hand drang durch die Kälte, die mich eingenommen hatte, brannte fast auf meiner Haut und verankerte mich auf eine seltsame, ungewohnte Art mit dem Hier und Jetzt.
Ich spürte sie und wusste, dass ich nicht in dieser dunklen, engen Zelle hockte. Nie dort gewesen war. Und doch … das, was ich gesehen hatte, saß mir tief in den Knochen. Als hätte ich es selbst erlebt.
Das war die Gefahr meiner Gabe im Bezug auf Lebewesen. Ich war nicht einfach nur ein unbeteiligter Zuschauer.
Sobald ich die Augen schloss, war ich in einem dunklen Raum. Gehalten von Ketten, die zu dünn waren, um gegen meine Kraft anzukommen. Doch ich besaß keine Kraft mehr. Ich fühlte mich müde, erschöpft und alles tat weh. Selbst das Atmen.
»Erzählt mir davon«, bat Asher mit einem gewissen Drängen. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Er brauchte diese Informationen, um sein Rudel zu retten, doch ich wusste nicht, was ich ihm geben konnte.
Ich hatte die Tortur kurz vor dem Tod ertragen, um herauszufinden, wie der Mann hieß und woher er kam. So hatte ich einiges erfahren und doch lag das, was wichtig war, in verwischter Schwärze.
Außerdem fiel es mir sehr schwer, alles zu ordnen. Die Schmerzen und die Hoffnungslosigkeit, die mich ergriffen, waren zu stark. Dabei hatte ich nur die Kette berührt. Es war seltsam. Die Kette selbst hätte keine derartige Wirkung haben sollen. Sie war kein Lebewesen, oder?
»Seine Karawane«, setzte ich flüsternd und mit rauer Stimme an. Mühsam versuchte ich, meinen Blick auf das zu richten, was vor der Folter war. Vor dem Moment, in dem sich sein Leben geändert hatte, doch es fiel mir schwer.
Meine Hand krallte sich in Ashers, während ich versuchte, den Mut zu fassen.
Ich spürte überrascht, wie seine Hand meine vorsichtig umschloss. Sein Blick dabei fest auf mich gerichtet und ich wünschte mir, dass er mich in seine Arme nahm. Mir war klar, dass wir uns nicht kannten, doch er war der einzige Wolf, den ich ohne Probleme berühren konnte. Ich wusste nicht wieso und im Moment war es mir auch egal. Ich wollte Wärme und Geborgenheit zwischen dieser Kälte und Angst.
»Du musst nicht, wenn es dir zu schwer fällt«, sagte er schließlich. »Ich dachte nur, es könnte dir helfen, es auszusprechen.«




Ich biss unruhig auf meiner Unterlippe herum, während ich mit mir rang. Er hatte recht, dass es helfen könnte, doch das hieß, ich musste es erneut durchleben.
»Mutter sucht nach Informationen«, sagte er plötzlich, als würde er das Thema wechseln wollen. »Du warst uns schon jetzt eine große Hilfe. Überanstreng dich nicht«, bat er, was mich überraschte. Ich hatte damit gerechnet, dass er mich drängen würde. Immerhin ging es hier um Leben und Tod. Doch er unterschied sich von seiner Mutter, von der ich erwartete, dass sie mich jeden Moment mit ihrer Alpha-Aura zwang. In seinen Augen stand Sorge und keine kalte Berechnung.
Meine Haut kribbelte, während die Kälte mich erneut umfing. Ich griff seine Hand fester. »Könntest du …«, setzte ich an, bevor ich mir auf die Zunge biss. Das, was ich fragen wollte, fühlte sich zwar richtig an, doch ich wusste, dass es falsch war. Ich kannte Asher nicht. Wir waren uns erst vor wenigen Tagen begegnet, doch die Aura, die er ausstrahlte, beruhigte mich. Lag das daran, dass er ein Alpha war? Aber gerade dann sollte sie mich stören. Mir das Gefühl geben, ihm aus dem Weg zu gehen. Doch so war es nicht. Es war das Gegenteil.
Aber selbst dann war es nicht in Ordnung, wenn ich ihn danach fragte, mich in den Arm zu nehmen. Er hatte nichts mit mir zu tun. Er war nicht mein Bruder.
Bei dem Gedanken daran, wie gern ich mich in dessen Arme geflüchtet hätte, traten mir erneut die Tränen in die Augen. Er war immer der Jüngere gewesen und doch hatte er mich schon als Kind regelmäßig in seine Umarmungen geholt. Ich vermisste die Wärme dieser.
»Sag mir, wie ich dir helfen kann«, erwiderte Asher, wobei sein Blick fest auf mich gerichtet war.
Ich spürte, wie mir die Hitze in meine Wangen stieg und wandte den Blick ab. »Mir ist kalt«, flüsterte ich, spürte aber nicht die Kraft, mich sonderlich zu bewegen. Jedes meiner Glieder fühlte sich bleischwer an und selbst mein Geist war nicht dazu zu bewegen, mehr zu tun, als abzudriften.
»Ich hole dir eine Decke«, schlug Asher vor und erhob sich, doch ich ließ ihn nicht los. Ich wollte nicht, dass er ging.
Als er dies bemerkte, blickte er von meiner Hand zu mir, was dazu führte, dass ich meinen Blick sofort abwandte. Es war mir unglaublich peinlich, aber ich hatte niemanden sonst.




Er stieß den Atem aus. »Mirani«, sagte er sanft und die Art, wie er meinen Namen aussprach, ließ meinen Körper kribbeln. »Ich habe das Verbot, dich zu berühren, schon so oft gebrochen. Deine Mutter wird nicht begeistert sein.«
Ich presste einen Moment die Lippen zusammen, während ich darüber nachdachte, was ich sagen wollte. »Diese Regel ist dazu da, um mich zu schützen. Aber deine Berührungen … schaden mir nicht. Ich sehe … nichts.«
Asher blinzelte mich überrascht an. »Gar nichts?«, fragte er, wobei er seinen Blick fast lauernd zusammenkniff.
Ich fühlte mich zunehmend unwohler und konnte seinen Blick nicht erwidern, weshalb ich unruhig umhersah. »Wenn ich mich direkt darauf konzentriere. Aber nicht, ohne dass ich es will.«
Ashers Lippen verzogen sich. »Was war bei dem Wolf? Du hast bei ihm auch nichts gesehen, oder? Auch nicht, als du dich konzentriert hast?«
Ich schüttelte meinen Kopf. »Da war gar nichts. Nicht einmal ein Flüstern.«
Asher senkte seine Lider und ich spürte seinen Blick mehr, als dass ich ihn sah. Er war bohrend, aber nicht kalt. Nicht, als würde er mir Böses wollen, aber als wäre er sehr neugierig und wollte Antworten. »Was möchtest du von mir?«, fragte er, wobei seine Stimme einen leicht rauen Ton hatte.
Ich schwieg. Schon jetzt war es mir unangenehm, das Thema überhaupt angesprochen zu haben. Einen fremden Mann zu fragen, ob er mich in den Arm nahm … was dachte ich mir nur dabei? Und wieso fühlte es sich gar nicht so falsch an, wie es das sollte?
»Nicht so wichtig«, murmelte ich, konnte aber nicht verhindern, erneut zu zittern.
Asher fuhr sich durch seine dunklen Locken. Eine Geste, die mich überraschte und ihn nicht mehr ganz so distanziert wirken ließ. »Du bist unmöglich«, grummelte er, bevor er sich neben mich setzte und mich sanft in seine Arme zog.
Ich spürte die Hitze seiner Haut, die auf meiner eiskalten förmlich brannte. »Du bist wirklich kalt«, stellte er stirnrunzelnd fest und begann damit, meine Arme zu reiben. Ich ließ es zu und entspannte mich in seiner Umarmung immer mehr. Das Gefühl, die Kälte würde endlich von mir abfallen, sorgte dafür, dass ich sogar die Augen ein wenig schloss und tief ausatmete. Für den Moment genoss ich die Ruhe, doch ich wusste, dass die Bilder mich bald erneut verfolgen würden.



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