Mirani-Kapitel 2

~Asher~

Ich war schon viele Male auf den Aethelhain-Inseln gewesen. Für mich waren diese nebelumwobenen Wälder immer ein langweiliger Ort. Selbst während der Ballsaison.
Das einzig Positive an den Feiern waren die Gäste. Schöne Frauen und alte Bekannte.
Hier, im tiefsten Inneren der Nebelwälder, spürte ich jedoch die drückende Präsenz der alten Macht. Sie lag kalt auf meiner Haut und trübte meine Sinne.
Kein Wunder, dass die Herrscher, die Familie Nebelweiss, hier lebten und dass diese Wälder verboten waren.
Ich hasste die großen Bäume, die ständig von Nebelschwaden umgeben waren. Auch das silberne Moos fühlte sich unangenehm an. Mir fehlte der heiße Sand und die trockene Luft.
Auf mich wirkte der Wald wie ein Gefängnis. Ein falscher Schritt und ich würde nie wieder herausfinden.
Warum hatte Mutter nur darauf bestanden, dass ich mitkam? Wenn sie etwas mit dem Oberhaupt des Nebelweiss Rudels zu besprechen hatte, konnte sie das doch auch ohne mich tun. Sie brauchte mich nicht, war sie doch stark genug. Ich könnte mich zuhause in den Freudenvierteln herumtreiben und nach einer Gelegenheit für die Nacht suchen, oder meinen Vorrat an Raq’har aufstocken. Aber nein. Stattdessen war ich hier, um meinen Vater zu vertreten.
Vater hatte viel um die Ohren, aber ich war nicht sein Nachfolger! Rashid hätte hier sein sollen. Aber vermutlich hatte er schon wieder mit der Sahir-Familie zu tun. Warum machten die immer zu den ungünstigsten Zeiten Ärger?
Wäre das nicht, müsste ich nicht in dieser langweiligen Hütte sitzen. Wenn wenigstens die Unterhaltung interessant wäre. Aber nein, beide Frauen sprachen nur über Politik und ich blendete das Gespräch bereits aus.
Stattdessen konzentrierte ich mich auf die Hütte.
Sie war nichts im Vergleich zu unserem Anwesen. Wüsste ich nicht, dass der Nebelweiss-Clan wirklich hier lebte, hätte ich geglaubt, ich war falsch.
Doch die Frau, die mir gegenüber saß, war eindeutig Maeve Nebelweiss. Die Alpha des Rudels. Ihre Aura kitzelte auf meiner Haut und reizte meine Instinkte.
Sie saß meiner Mutter und mir ruhig gegenüber, obwohl ihre Erscheinung sie mehr wie eine Figur aus einem Gruselmärchen wirken ließ.
Der Umhang aus dunklen Eulenfedern, den sie trug, war ein so krasser Kontrast zu ihrer silbrig weißen Erscheinung, dass ich nicht genau wusste, ob sie damit etwas verstecken wollte.




»Danke, dass Ihr so schnell reagiert habt«, sagte meine Mutter, die ich noch nie so ruhig während einer Verhandlung erlebt hatte. Obwohl sie erhaben auf dem Sitzkissen saß, wirkte sie doch auf eine Art entspannt, die ich nicht nachvollziehen konnte. Meine Sinne waren angespannt, denn ich erwartete jederzeit Probleme. Es gab keine Besuche von Alphas in einem fremden Territorium, die ohne Ärger verliefen. Warum sollte es hier anders sein?
Ich achtete auf jedes Geräusch, jeden Duft und jede Bewegung. Was, wenn das hier ein Hinterhalt war?
Meine Hand wanderte immer wieder über den versteckten Dolch, den ich einfach nicht hatte ablegen können. Seine Gegenwart beruhigte mich, auch wenn eine einfache Waffe gegen Zauber nicht sonderlich effektiv wäre.
Maeve gehörte nicht zu den Personen, die während der Bälle anwesend war. Über sie wusste ich nicht sonderlich viel. Nur über ihren Sohn Kaelen, der sie normalerweise während öffentlichen Auftritten vertrat. Wäre er nicht so ein Langweiler, hätte ich mich vielleicht näher mit ihm befasst. Das hätte mir jetzt zumindest ein wenig Sorge genommen, denn ich wusste einfach nicht, wie ich das Clanoberhaupt des Rudels einschätzen sollte.
Ihre Bewegungen waren geschmeidig und zeigten kein Zeichen von hohem Alter, als sie vorsichtig Tee in kleine Tassen füllte. Nicht einmal ihre Fingernägel, auf die ich einen kurzen Blick erhaschen konnte, zeigten, dass sie eine der ältesten Werwölfe war, die es auf der Welt gab. Niemand wusste genau, wie alt sie war. Selbst, wenn ich ihr so nah gegenüber saß, war es schwer, das einzuschätzen. Dabei war allseits bekannt, dass Werwölfe, die ein gewisses Alter überschritten, teilweise ihren Wolf nicht mehr verstecken konnten. Spitze Zähne, lange Klauen, Fell über der Haut. Bei ihr war nichts davon zu sehen. Oder verbarg sie es mit dem Eulenfederumhang?
Ihre Hände und Zähne konnte ich prüfen, doch Fell konnte auch auf ihrem Rücken wachsen. Dort, wo sie es verstecken konnte.
Egal, wie ich es betrachtete, ich fühlte mich in diesem, von Nebelschleiern durchzogenen Raum, völlig falsch. Der Drang nach draußen zu gehen und zwischen den Bäumen, über das silbrige Moos zu rennen, war zu stark. Er lud mich förmlich dazu ein, mich zu verlaufen. Es kostete mich große Anstrengung, dagegenzuhalten, als würde mein innerer Wolf draußen etwas jagen wollen.




Ging es Mutter auch so?
Ich schielte zu ihr. Ihre goldenen Augen hatten einen warmen Glanz, den ich nicht ganz einordnen konnte. So hatte sie noch nie jemanden angesehen, während sie mit diesem verhandelt hatte. Was war ihre Beziehung zu der Ahnin der Aethelhain-Inseln? Warum waren sie so vertraut miteinander?
Obwohl es kein direktes Licht in diesem Raum gab, schimmerten Mutters blonde Zöpfe doch, als wären sie mit Gold durchzogen. Nicht einmal der Goldschmuck in ihren Haaren konnte damit mithalten. Ein eindeutiges Zeichen ihrer Macht.
Mit ihrer schwarzen Haut, die von leuchtenden Tätowierungen überzogen war und der roten Robe, wirkte sie hier völlig fehl am Platz und ich vermutlich auch. Dabei hatte ich meine Kriegskleidung gegen eine Kombination aus Tunika und Hose getauscht, die eher gedeckt war. Doch in Tradition unserer Lande war sie dennoch mit feinen Gold- und Silberfäden verziert. Immerhin war ich der Sohn des Alphas, wenn auch nicht der nächste in der Rangfolge.
»Ich kann Euch noch nicht versichern, ob sie Euch helfen wird«, erinnerte Maeve, die eine Teetasse zu mir schob.
Ich war so abgelenkt gewesen, dass ich nicht genau wusste, über wen sie sprachen. Die Hilfe, die Maeve angeboten hatte?
Der Duft von Lavendel stieg mir in die Nase und ich rümpfte diese. Das war definitiv nicht mein Fall.
Während der Mondenklave hatte Maeve Mutter ihre Hilfe angeboten. So viel wusste ich. Das war auch der Grund, warum wir hier waren. Warum jetzt auf einmal diese Unsicherheit? Wen hatte sie im Sinn und warum konnte sie, als Alpha, das nicht einfach festlegen?
»Die Bedingungen, die Ihr geschickt habt, haben bereits darauf hingedeutet, dass sie eine sehr … eigene Persönlichkeit ist«, erwiderte Mutter mit einer gewissen Vorsicht in der Stimme.
Die Bedingungen.
Ich verzog den Mund. Die Anforderungen an ihre Umgebung waren eine Beleidigung und die Tatsache, dass wir sie nicht einmal berühren durften … was dachte sich Maeve dabei? Es war ein Wunder, dass Mutter überhaupt zugestimmt hatte. War sie wirklich so verzweifelt?
Meine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als das Geräusch sanfter Schritte meine Ohren streifte. Sie waren gedämpft, weshalb ich glaubte, sie wären noch weit entfernt, doch da täuschte ich mich.




Kaelen betrat den Raum und neigte gegenüber seiner Mutter leicht den Kopf. Er sah langweilig wie immer aus, weshalb ich auch mehr oder weniger an ihm vorbeisah. Dabei bemerkte ich etwas hinter ihm.
Silbernes, wellenartiges Haar umspielte einen schlanken Körper, der in einem schwarzen Aufzug steckte. Er hob sich stark von den eher weichen Tönen des Hauses ab und doch verschmolz die junge Frau mit ihrer Umgebung. Nur ihr rundes, fast ein wenig kindlich anmutendes Gesicht lag frei, sodass ich ihre blasse Haut erkennen konnte.
Dann erblickte ich ihre silbernen Augen. Sie strahlten so kalt wie Eis und ließen mich kurz schaudern.
Ihre Aura fühlte sich seicht, unscheinbar an. So, als wäre die Frau nicht sonderlich relevant.
War sie eine Omega? Das würde erklären, warum ich sie kaum spürte. Omegas waren keine Gefahr, doch trotzdem reagierte mein Körper auf sie. Es war, als würde sie alle meine Sinne berühren.
Vorsichtig versuchte ich, ihren Geruch aufzuschnappen, doch da war nichts. Als würde sie nicht in dieser Sphäre existieren.
Ich lehnte mich instinktiv nach vorn, als würde es mir erlauben, eine deutlichere Aura zu spüren, doch sie blieb unscheinbar. Selbst, als ich all meine Sinne auf sie fokussierte. Versteckte sie sich hinter Kaelen? War sie vielleicht eine Dienerin?
Wenn ich sie nicht anblickte, würde ich sie vermutlich vergessen. Ihre Präsenz ging zwischen uns drei Alpha komplett unter. Und trotzdem … fühlte ich ihren Blick.
Kaelen betrat mit einem großen Schritt den Raum und wandte sich dann um. Er nickte einmal und machte dann einen Schritt zur Seite.
Dabei dachte ich immer, er wäre ein Gentleman. Ihr gegenüber wirkte sein Verhalten aber fast distanziert.
Die Frau, die im Schatten der Vorhänge verweilte, blickte sich um. An ihrem Ohr schimmerte etwas und ich erkannte einen Ohrring in Form einer kleinen Axt. Ein sehr unpassender Schmuck für jemanden wie sie. Ihre Augen wanderten zu Mutter, die von ihr eingängig gemustert wurde. Mutter hingegen hatte ihren Blick auf Kaelen gerichtet und schien die Frau gar nicht wahrzunehmen. Eine gewisse Anspannung hatte sie gepackt, auch wenn sie diese gut versteckte.
Ich wandte meinen Blick wieder zu der Frau, deren Blick mich direkt traf.




Kälte durchzuckte mich und meine Nackenhaare stellten sich auf. War das eine Warnung?
Warum hatte ich plötzlich das Gefühl, ihr besser nicht näherkommen zu wollen? Mich von ihr fernzuhalten? Dabei konnte ich beim besten Willen keine Aura bei ihr spüren, die dieses Gefühl bestätigt hätte. Sie war nicht gefährlich. Sie war einfach nur … da.
Plötzlich zuckte ein Lächeln über ihr Gesicht und als sie vorsichtig eintrat, war die Kälte verschwunden. Stattdessen hatte sie etwas Unschuldiges, Ruhiges an sich, das ich auch bei Maeve spürte. Für mich jedoch noch ein Grund mehr, mich anzuspannen und jede ihrer Bewegungen zu betrachten. Meine Finger zuckten bereits. Jederzeit bereit, nach meinen Dolchen zu greifen.
»Mutter. Ihr habt nach mir verlangt?«, fragte sie mit einer Stimme, die mich an das Flüstern des Windes erinnerte. Gleichzeitig war ein rauer Ton zu hören, den ich nicht einordnen konnte. War sie krank?
Wer war diese Frau? Sie nannte Maeve Mutter. Hatte diese noch ein anderes Kind als Kaelen? Stimmten die Gerüchte, dass sie eine Omega-Tochter hatte, die sie versteckte? War diese Frau diese Tochter?
Die junge Frau trat vorsichtig auf uns zu, blieb jedoch in einem Abstand zu uns stehen, der nichts mehr mit Respekt zu tun hatte. Hatte sie Angst vor uns? Ein natürliches Gefühl für einen Omega, doch warum roch ich ihre Nervosität nicht?
Als sich Kaelen in ihrer Gegenwart positionierte wie ein Wachhund, wurde meine Vermutung bestätigt. Das beruhigte mich etwas. Angst war ein ganz natürliches Verhalten von Omegas gegenüber Alphas.
Gleichzeitig spürte ich aber auch ein Gefühl von Frust. Als würde ich unüberlegt handeln, während wir hier nur zu Gast waren. Für wie dumm hielt mich Kaelen?
Maeve erhob sich, doch sie trat nicht auf ihre Tochter zu. Stattdessen wahrte sie einen ähnlichen Abstand wie Kaelen. Hatte ich mit meiner Vermutung recht und es handelte sich wirklich um die ausgestoßene Tochter, die in aller Munde war?
»Darf ich Euch meine Tochter Mirani vorstellen?«, fragte Maeve, wobei Liebe in ihrer Stimme mitschwang. Eine Tatsache, die mich aus dem Konzept brachte. Wenn dies die ausgestoßene Tochter war, woher kam dann diese Liebe? Wie konnte sie derartige Gefühle haben, wenn sie doch eine deutliche Distanz zu ihr wahrte, als würde sie auf keinen Fall mit ihr in Berührung kommen wollen? »Das ist Zahira Amqar und ihr Sohn Asher«, stellte Maeve weiter vor.




Ob sie uns kannte? Meine Familie war vielleicht in der Dämmerwüste von Th’Sharik bekannt, aber auf den Aethelhain-Inseln?
Die junge Frau machte eine leichte Verneigung, was ihr Haar sanft über den schwarzen Anzug gleiten ließ. Jetzt, wo sie aus dem Schatten getreten war, konnte ich auch endlich ihren Körper genauer betrachten.
Dieser hatte eine angenehme Sanduhrform und dazu war sie mit langen Beinen gesegnet. Eine wunderschöne Frau, die genau meinem Geschmack entsprach. Würde ich ihr in den Tavernen von Zer’Tahl, unserer Hauptstadt, begegnen, hätte ich sie sofort zu meiner Sammlung an Trophäen hinzugefügt. Doch so löste sie nur ein leichtes Feuer in mir aus, das durch meinen Körper floss.
Ich konnte nicht leugnen, dass schöne Frauen eine gewisse Anziehung auf mich hatten. Sie kitzelte meine animalischen Triebe. Allerdings wusste ich auch, dass mich nicht die Frau selbst reizte, sondern die Tatsache, dass ich sie nicht haben konnte. Eine Nacht mit ihr würde genauso enden wie mit allen anderen Frauen, die nicht gehalten hatten, was ihre Körper versprachen.
Doch die Jagd … diese würde sicherlich nicht leicht werden und das ließ meinen Körper vor Vorfreude kribbeln.
Es würde nicht einfach werden, sie nach dieser Verhandlung erneut zu sehen, doch jetzt, da ich wusste, dass sie existierte, würde ich mich davon nicht abhalten lassen.
Wie schnell sie wohl meinem Charme verfallen würde? Ich hoffte nicht zu schnell, sonst würde ich die Lust verlieren.
»Was kann ich für den Alpha des Dämmersandrudels tun?«, fragte ihre zarte Stimme und riss mich so aus meinen Gedanken.
Es überraschte mich, wie gelassen sie blieb, obwohl sie wusste, wer ihr gegenüber saß.
Maeve deutete auf ein Kissen am Boden. Dort lag der Ring, den mir meine Mutter vor kurzem vermacht hatte. Er war ein Familienerbstück und Symbol unserer Macht. »Würdest du uns bitte ein paar Dinge über dieses Artefakt verraten?«, fragte Maeve. Vorsichtig, fast zögerlich, als würde sie damit rechnen, dass Mirani ablehnte.
Konnte sie das? Als Alpha war Maeve hier das Gesetz. Oder lag es daran, dass sie ihre eigene Tochter nicht drängen wollte?
Mir war klar, dass Maeve wollte, dass Mirani ihre Gabe einsetzen sollte. Selbst als Omega sollte sie eine besitzen, wenn sie zur Familie Nebelweiss gehörte. Nur war sie vielleicht darin nicht sonderlich gut, oder aber ihr fiel es schwer. Möglicherweise konnte sie ihre Gabe auch nicht einfach so aktivieren. Das alles hatte ich im Zusammenhang mit Omegas schon gehört, auch wenn ich mich eher selten mit diesen umgab.




Mein Blick blieb starr auf Mirani gerichtet. Was würde sie jetzt tun?
Mirani blickte von ihrer Mutter zu mir und dann auf das Artefakt. Als sie einen Schritt darauf zu machte, hatte ich das Gefühl, sie würde zögern.
Erneut hob sie den Blick, bevor sie mich und Mutter betrachtete. Ich konnte ihren Blick nicht einschätzen, weshalb ich mich etwas versteifte und sie abwartend anblickte. Das Silber ihrer Augen hatte etwas Tiefes, Altes, das ich nicht ganz benennen konnte.
Vorsichtig nestelte sie mit ihren Fingern an ihrem Arm. Ein Teil ihres Anzuges löste sich und gab die blasse Haut ihrer zarten Hände frei.
Ihr ganzer Körper war durch den Anzug versteckt und ich fragte mich, ob sie damit vielleicht eine Entstellung verbergen wollte. Nur deuteten ihre Finger oder ihr Gesicht nicht darauf hin.
Mit einem leichten Zittern streckte sie ihre Hand nach dem Ring aus. Dann berührte sie diesen leicht.
In diesem Moment machte Kaelen einen langen Schritt auf sie zu, sodass er ihr nun näher stand. Die Rolle als stummer Zuschauer passte so gar nicht zu ihm, doch da ich seine Schwester gerade faszinierender fand, beachtete ich ihn kaum.
Miranis Augenlider flackerten unruhig, was sie wirken ließ, als wäre sie verrückt.
Sie nutzte ihre Gabe!
»Das Artefakt hat erst vor ein paar Wochen ihren Besitzer gewechselt. Es wurde an den jungen Mann übergeben, der hier im Raum sitzt. Die vorherige Besitzerin war seine Mutter«, murmelte sie mit einer Stimme, die irgendwie abwesend und weit entfernt wirkte. »Es wurde lange Zeit in einer Schatulle in einem versteckten Fach im Schrank aufbewahrt und ursprünglich war der Ring ein Hochzeitsgeschenk eines Mannes mit einem weißen Bart und goldenem Kopftuch.«
Mir stockte der Atem. Sprach sie von meinem Vater? Kannte sie diesen? Warum beschrieb sie ihn, statt seinen Namen zu nennen?
Ich schielte zu meiner Mutter, die ebenfalls kerzengerade lauschte.
»Kannst du noch etwas weiter zurück gehen? Kannst du herausfinden, wer den Ring geschaffen hat?«, fragte Maeve weiter, die Mirani jedoch sehr genau betrachtete.
Mirani schluckte und befeuchtete sich dann die Lippen. »Bevor das Artefakt zu diesem Mann kam …« Ein Schauer ließ sie erzittern und ich konnte sehen, dass sie kurz zögerte. »Er war das Geschenk eines Vaters an seinen Sohn, aber davor … war es Grund für einen tragischen Verrat«, flüsterte sie zitternd, als würde sie gleich zusammensacken.




Das Artefakt war Grund für einen Verrat? Das war mir neu. Was wollte sie damit sagen?
Was tat sie da überhaupt? Woher bekam sie diese Informationen? Stimmte, was sie sagte?
Ich schielte zu Mutter, die kreidebleich geworden war.
Kein gutes Zeichen.
Als ich wieder zu Mirani blickte, zog diese schnell ihre Hand zurück. Ihr Gesicht ebenfalls bleich und ihr Blick aus weit aufgerissenen Augen auf Maeve gerichtet.
Mit einer Bewegung gab Mirani Maeve etwas zu verstehen.
Überrascht sah ich zu, wie sich Maeve erhob und zu Mirani begab statt anders herum. Dann beugte sie sich etwas vor. Noch immer mit einem guten Abstand, den Mirani nur soweit überwand, dass sie ihrer Mutter etwas ins Ohr flüstern konnte.
Ich lauschte sofort, verstand jedoch kein Wort.
Maeve nickte ruhig. Sie wirkte auf mich immer, als ginge sie nichts etwas an. Nicht einmal jetzt. »Würdet Ihr mir für einen Moment folgen?«, fragte sie an meine Mutter gerichtet. Die Stimmung im Raum war plötzlich anders. Als hätte ein Geheimnis das Licht der Welt erblickt, das verborgen bleiben sollte.
Mutter erhob sich. Ihre Bewegungen vorsichtig und angespannt. »Mach keinen Unsinn«, warnte sie mich leise, bevor sie Maeve langsam in einen anderen Raum folgte.
Ich blieb zurück, was mir jedoch ganz lieb war. So bekam ich mit, wie Kaelan nach Mirani griff, die sich jedoch schnell entwand, bevor er sie berühren konnte. Dann sackte sie schwer atmend und zitternd auf einem Kissen zusammen.
Was war nur los mit dieser Familiendynamik und wer war diese Frau, die einfach mit einer einzigen Berührung die halbe Familiengeschichte recherchiert hatte?

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