Mirani-Kapitel 14


~Mirani~
Neugierig geworden, trat ich hinaus auf das Deck und richtete meinen Blick auf den Horizont.
Das erste, was ich sah, war Weiß. Weiß wie Salzkristalle, die sich über Felsen legten. Weiß wie Muschelkalk unter der Sonne.
Die Häuser, die sich an der Küste erstreckten, schienen aus Licht selbst gebaut. Hell, weich und schimmernd. Zwischen den strahlenden Fassaden spannten sich Tücher in Sand- und Blautönen wie schlafende Segel.
Der Sonnenfalter glitt langsam durch das Wasser, während das Hafenbecken immer näherkam.
War das die Hafenstadt Tahr’Asif?
Ein natürliches Felsriff hieß uns willkommen. Die halbkreisförmige Form ließ die Wellen brechen wie atmende Kreaturen.
Der Duft des Meeres mischte sich mit dem Geruch nach Hitze und Fisch. Kein frischer Duft wie in meiner Heimat, sondern schwer und gesättigt. Nach Salz, Fisch und Seetang. Darunter ein Hauch von Feuer. Meine Nase kribbelte. Es war nicht angenehm, aber hatte etwas Lebendiges.
Die Menschen am Hafen sahen zu uns, während wir einliefen. Ich spürte Asher, der sich näherte und kurz darauf neben mir an der Reling zum Stehen kam. »Mutter hat gesagt, sie hat uns angekündigt«, erklärte er, ohne dass ich fragen musste. Daher hielt ich meinen Blick weiter auf unser Ziel gerichtet und beobachtete das geschäftige Treiben.
Die Menschen am Hafen luden in geschmeidigen Bewegungen Amphoren aus Booten oder befestigten Netze. Alles folgte einem eigenen Rhythmus. Gemächlich, aber zielgerichtet.
Ich lehnte mich vor, um die Stadt besser zu sehen. Die Gassen waren eng und verwinkelt. Ein Labyrinth aus Lehm, Muschelornamenten und Schatten. Obwohl es so geschäftig war, wirkte es doch irgendwie ruhig. Der Wind, der durch die Safir-Schächte an den Dächern strich, dämpfte das Stimmengewirr und die Rufe.
Hinter dem Hafen lagen höhere Gebäude. Sie glänzten anders als die weißen Häuser, doch ich wusste nicht wieso.
Warme Hitze mischte sich mit der frischen Luft des Meeres und es wurde immer heißer. Der Geschmack von trockener, salziger Luft legte sich auf meine Haut. So ganz anders als in meinem Nebelwald.
Das hier war nicht meine Heimat und doch bekam ich ein bekanntes, vertrautes Gefühl. Früher war ich viel gereist, doch in der Dämmerwüste war ich nie gewesen.
Meine Finger kribbelten vor Aufregung. Es hatte eine Zeit gegeben, in der ich es geliebt hatte, neue Orte zu entdecken. Eine Zeit, in der alles noch gut gewesen war.
Langsam schob sich der Sonnenfalter in das Hafenbecken. Fast so, als hätte er vergessen, dass er einmal geflogen war.
Das Knarren des Holzes und das leise Schmatzen der Wellen an der Bordwand begleiteten jedes Stück, das wir näher rückten.
Ich hatte das Gefühl, dass sich das Schiff benahm wie ein verletztes Tier, das die letzte Strecke eher kroch.
Die Hafenmauer aus hellem Stein war von Salz leicht gebleicht und vom Wind abgeschliffen. Große, gegossene Eisenringe glänzten matt. Überall an ihnen lagen Boote vertäut. Einige einfach und mit geflickten Segeln, andere mit Netzen an den Seiten.
Menschen standen bereits an der Kante und beobachteten uns. Manche hielten Krüge oder Körbe, andere schirmten ihre Augen mit den Händen ab, um besser zu sehen.
Die Kleidung, die sie trugen, unterschied sich von denen, die bei uns üblich waren. Hier herrschte leichte Kleidung, die gegen den Sand schützte. Schleier schützten Nase und Mund und trotzdem blickten sie aufmerksam in unsere Richtung. War das Neugier in den Augen?
Kannten sie den Sonnenfalter?
Als das Schiff schließlich nah genug war, griff Asher nach einem Tau, das er hinüber zu einem jungen Mann warf.
Dieser fing es, bevor er es fachmännisch und mit flinken Bewegungen an den großen, metallenen Ringen vertäute.
Als der Sonnenfalter schließlich zum Stehen kam, stieß das Holz sanft gegen die Steinmauer. Der leichte Aufprall war kaum spürbar und trotzdem durchlief mich ein leichtes Zittern.
Das hier war also die Dämmerwüste.
Die Hitze lag schwer auf meiner Haut und mein Atem ging bereits schwer. Schon jetzt sehnte ich mich nach Abkühlung. Nach dem sanften Nebel, der meine Haut kühlte.
Asher neben mir schob einen langen Steg hinab, der von Arbeitern fachgerecht befestigt wurde. »Sei vorsichtig, wenn du den Steg entlang gehst«, sagte Asher.
Ich erinnerte mich an den Moment, als er mir seine Hand angeboten hatte. Dieses Mal würde ich sie annehmen, um zu testen, doch es kam nicht dazu. Stattdessen hielt er gebührenden Abstand.
Das ließ mich fast seufzen. Aber was hatte ich auch erwartet? Natürlich wusste er jetzt, wo das Problem war. »Willst du nicht?«, fragte er und legte seinen Kopf schief.
Ich lächelte zögernd und bedeutete Asher, dass er gehen sollte. Es fühlte sich falsch an, zuerst auszusteigen.
Asher hob eine Augenbraue, bevor er voranging.
Ich folgte vorsichtig, da ich dem Steg nicht ganz traute.
Als ich schließlich auf dem Holz am Boden stand, fühlte ich mich genauso unruhig, wie auf dem Schiff, dabei schwankte es nicht mehr. Das war gut, auch wenn ich mich mit der Zeit daran gewöhnt hatte.
»Das hier ist Tahr’Asif«, sagte Asher, während wir auf seine Mutter warteten, die sich noch um das Schiff kümmerte. Ich wusste nicht genau, was sie tat, hörte sie aber im Hintergrund arbeiten. »Die einzige Hafenstadt der Dämmerwüste.«
Die Luft hier war dicker, als wäre sie mit Salz beladen. Der Wind, der hier unablässig durch die Stadt strich, trug Stimmen, Düfte von Kräutern, Fisch und heißem Metall mit sich.
Und die Hitze nahm zu.
»Ist es weit von hier?«, fragte ich, denn ich wusste nicht genau, wie lange ich diese Hitze aushalten würde.
»Leider ja. Wir müssen mit der Karawane reisen. Glaubst du, du kannst einen Burnus anziehen?«, fragte er zögerlich.
Ich runzelte die Stirn. »Burnus?«, fragte ich, weil ich nicht wusste, was er damit meinte.
»Einen … Mantel«, sagte er schließlich, wobei ich bemerkte, dass er sich mit den Worten nicht sicher war. »Um dich vor Wind und Sand zu schützen.«
»Einen Mantel?«, fragte ich entsetzt, denn der Schweiß sammelte sich bereits in meinem Nacken. Die Hitze brannte auf meinem Kopf, dabei war es noch recht zeitig am Morgen und die Sonne stand noch nicht hoch genug.
Ich war das erste Mal froh, dass ich meinen Anzug nicht trug, denn in diesem hätte ich noch mehr geschwitzt.
»Sonst bekommst du Sonnenbrand. Deine Haut ist … empfindlicher als unsere«, erklärte Asher, der mich dabei nicht ansah.
Zögerlich blickte ich über die Männer und Frauen, die hier arbeiteten. Sie alle trugen die ein oder andere Art eines Mantels. War das ein Burnus?
»Dann muss das wohl«, murmelte ich, während ich den Nebel vermisste. Ob es sehr auffällig wäre, wenn ich mich in diesen hüllte? Aber damit würde ich die Aethelhain-Inseln schwächen.
»Dann sollten wir zuerst einen für dich kaufen«, erklang Zahiras Stimme, die hinter uns das Schiff verließ.
Die Menschen zogen sich etwas zurück und flüsterten, als wir an ihnen vorbeiliefen. Sie erkannten Zahira und Asher. Ich sah Anerkennung und Respekt in ihren Blicken. Für mich hatten sie jedoch nur fragende Blicke übrig. Ich verstand nicht genau, warum.
Es fühlte sich falsch an, so flankiert von Zahira und Asher durch die Hafenstadt zu laufen.
Ich fühlte mich fehl am Platz, denn ich fiel auf. Meine silbernen Haare und meine blasse Haut, sah man hier nirgends.
Die Hitze, die auf meine Haut prasselte, war unangenehm und als wir den Steg verließen und durch den festgetretenen Sand liefen, der als Straße diente, bemerkte ich, dass auch der Boden sehr heiß war. Meine Schuhe waren nicht dafür geeignet und nach nur wenigen Schritten spürte ich den Sand darin.
Ich gab mir große Mühe, nicht meinen Mund zu verziehen. Das hier war ganz und gar nichts für mich. Hoffentlich konnte ich meiner Aufgabe bald nachgehen und dann wieder in meine Heimat zurückkehren.




























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