Kapitel 11 – Die Kerkeranlage
Grobkörniges Salz–kein Zweifel!
Ein Beweisstück, das überall auf dem Bett verstreut lag und nun fern vom Trubel von der Prinzessin in aller Ruhe begutachtet werden kann. Samira ist die Art von Mensch, die gern ins Gespräch kommt und ihren Horizont erweitert. Gespräche mit dem Küchenpersonal haben sie näher an das Mineral gebracht. Vielerlei Anwendungsgebiete und den unfassbaren Wert von Salz sind ihr durchaus bewusst. Auch in der Sammlung Rufe aus der Dunkelheit kam der Gebrauch von Salz zum Einsatz. Als Schutz vor negativen Energien. Ähnlich wie weißer Salbei. Jareds Plan ist geglückt. Cassandra wurde vertrieben. Ihr Schrei mag ihr Gemach erschüttert haben, aber der Rest des Palastes blieb verschont. Daher macht sich Ava zum Gespött. Ihre Warnungen und ihre Panik werden größtenteils belächelt. Teilweise hinterfragt.
Die Überforderung steht Ava wahrlich ins Gesicht geschrieben. Der starken Frau entgleiten die Gesichtszüge und der Mund bleibt vor Unglauben weit geöffnet. Der Griff um Samira löst sich und die starke Leibwächterin setzt sich auf die nächstgelegene Bank, um dort ihren Kopf zu umfassen. Eine Gelegenheit, die Samira nutzt, um sich von einem kleinen Beistelltisch die cremefarbene Tischdecke zu schnappen und zu einem Beutel umzufunktionieren, um das Beweismittel sicher zu verwahren. Jared soll sich glücklich schätzen, dass Samira gebremst wurde. In ihr kocht so viel Wut und sie fürchtet, ihre Gewitterwolke verliert an Größe, desto mehr Zeit vergeht. Wie gern würde sie jetzt kehrt machen, aber Ava in diesem verzweifelten Zustand allein zu lassen ist keine Option. Daher führen ihre Beine sie zu ihrer Freundin, wo sie auf dem weichen Polster ebenfalls Platz nimmt.
Das geschäftige Treiben im Palast beobachtet Samira seit klein auf gern. Daher vergeht ein wenig Zeit, in der ihre Beine spielerisch durch Luft baumeln, bis ihr das eigentliche Vorhaben in den Sinn kommt. Spielerisch boxt sie Ava gegen die Schulter, um es gleich zu bereuen. Die Rüstung ist härter als Stahl. Knochenbrechend, wenn sie nicht aufpasst. Aber der Klang traumhaft schön. Der dumpfe Schmerz in der Hand daher schnell vergessen und Samira hält bereits nach etwas Ausschau, womit sie auf der Rüstung trommeln könnte, um Musik zu erzeugen. Schöne Melodien lockern schließlich die Stimmung auf und Samira kann ihrem inneren Kind kaum widerstehen. Avas müde Augen fixieren sie jedoch seitlich und es kostet der Leibwächterin einige Sekunden, um die entscheidende Frage zu stellen.
„Ihr habt das Beben doch auch bemerkt oder, Eure Hoheit?“
„Naja ein Beben ist vielleicht der falsche Ausdruck. Es war mehr eine kleine Erschütterung.“
Maßlos untertrieben und doch keimt Hoffnung in Samira, dass Ava ihre Sicht anfechtet. Lügen ist eine Kunst, die Samira wahrlich nicht beherrscht. Daher dreht sie sich schwitzend um. Mit dem Rücken zu ihrer Freundin.
„Hast du schon gehört? Die Elfe im Kerker soll Selbstgespräche führen. Sie behauptet felsenfest, sie unterhalte sich mit Prinzessin Cassandra. Ob ihr Wahn ein Zeichen einer ansteckenden Krankheit ist?“
Das Getuschel zweier Dienstmägde weckt Samiras Neugier. Obwohl Ava Beistand braucht, tragen ihre Beine sie zu den beiden jungen Frauen, die ertappt aufblicken und ins Schwitzen geraten.
„Eure Hoheit.“ Ein kurzer Knicks und die Erste will schon verduften. „Verzeiht bitte, aber die Arbeit ruft.“
Ehe sich Samira versieht, stellt sie sich ihr in den Weg. Somit läuft ihr der Fang direkt in die Arme. Samira brennen viele Fragen auf der Zunge. Nervös faltet sie ihre Hände ineinander und ihr Fragespiel beginnt. Viel bringt die Prinzessin dabei nicht in Erfahrung. Denn die Information wurde durch ein Gespräch zweier Wachen aufgeschnappt und wer weiß, wie lange sich dieses Gerücht schon im Umlauf befindet. Wie viel Wahrheit steckt noch dahinter und wie viel wurde bereits hineininterpretiert?
Ein Besuch im Kerker wird zu ihrem neuen Ziel. Vorher hat sie jedoch eine Mamutsaufgabe zu bewältigen, denn Ava muss erst einmal überzeugt werden. Von Gerüchten hält ihre Leibwächterin relativ wenig und belächelt die Aussagen sogar. Aber Samiras Trauer scheint dem Unterfangen einen Hauch einer Chance zu ermöglichen, daher begleitet Ava sie hinab in die Kerkeranlagen. Wie ein Rammbock eröffnet sie der Prinzessin eine Schneise an den Wachen vorbei. Durch spärlich beleuchtete Gänge. All die Entschlossenheit weicht von Samira, als sie die erste Maus an ihr vorbeihuschen sieht. Ihr Schrei schallt in dem kargen Gemäuer. So wie das Lachen einer Wache, deren Kollege ihm darauf einen Rippenstoß verpasst und böse anfunkelt.
Kaum blicken sich Samira und der belustigte Soldat in die Augen, teilt der junge Mann ihr mit: „Die Kerker sind nicht für Euch gemacht, Prinzessin. Ihr ruiniert Euch Eure Kleider.“
In der Tat vernachlässigt die Putzkolonne diesen Bereich des Schlosses. Auf dem Boden befindet sich ordentlich Dreck und Staub, der mit jedem Schritt aufgewirbelt wird, und die Luft riecht abgestanden und feucht. Jenen Gefangenen gebührt ihr Mitleid. Besonders der Elfe.
„Eure Hoheit?“ Ava macht kehrt und tritt nah an sie heran. „Hat sich Eure Meinung geändert? Wir können jederzeit umkehren.“
Das amüsierte Grinsen des Wachmannes entgeht der Prinzessin nicht. Provoziert bleckt sie die Zähne und schüttelt eisern den Kopf. Die Umstände mögen erschütternd sein und doch würde sie erst ruhigen Gewissens den Untergrund verlassen können, sobald sie die Elfe gesprochen hat. Ava scheint ihr diesen Wunsch von den Lippen abzulesen, denn sie ergreift erneut die Führung.
Allein wäre die Prinzessin verloren in dem Labyrinth aus Türen und Gängen. Es geht tiefer in den Untergrund als sie annahm. Die Gänge werden schmaler und zwischendurch verschluckt die Dunkelheit kleine Treppen. Zum Glück warnt Ava sie immer rechtzeitig vor, ansonsten hätte sich Samira bereits dreimal am Boden liegen gesehen. Die Frage, wie weit die Zellentür der Elfe entfernt ist, liegt ihr bereits auf der Zunge, als Ava Schritte an Größe verlieren und sie mit ihrer biestigen Art jene Wachen verscheucht, die in dem Bereich seelenruhig Alltagsgespräche führen. Jene Soldaten genießen Avas Respekt und räumen freiwillig das Feld, sobald sie entdeckt wird. Eine kurze Schlüsselübergabe und schon stürmen die Leute an Samira vorbei. Anders als ihre Leibwächterin sieht die Prinzessin den beiden Wachen hinterher, bis sie mit der Dunkelheit eins werden. Erst das laute Quietschen der rostigen Gittertür weckt ihre Aufmerksamkeit. Statt die Gefangene anzuschauen, fixiert Ava mit grimmiger Miene Samira an.
„Seid Ihr Euch sicher?“
Statt sich zu wiederholen, tritt Samira entschlossen in die Gefangenzelle hinein, die so finster ist, dass sie ihre eigene Hand vor Augen nicht sieht.
Ein Rascheln und Ava schiebt Samira ruckartig in den Hintergrund. Gerade rechtzeitig, denn die Gefangene stürmt wie wild geworden herbei und streckt ihre Hände gierig nach Samira aus. Die Fingerspitzen berührten nur kurz den Hals der Prinzessin. Die rostigen Gitterstäbe fangen Samiras Körper auf, während Ava mit Wucht ausholt und mit einem Faustschlag die Elfe gnadenlos zu Boden befördert.



























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