Mirani-Kapitel 33


~Asher~
Irgendwie konnte ich Mirani dazu überreden, wenigstens einen Mantel zu tragen. Das einfache Kleid, das an ihrem Körper wundervoll aussah, würde sie nicht gegen die Hitze schützen. Ihre blasse Haut durfte auf keinen Fall Sonnenbrand bekommen. Das könnte ich mir nie verzeihen, da sie sich auch nicht mit der Wüste auskannte. Wir waren zwar gereist, doch ich glaubte nicht, dass sie die Sonne wirklich einschätzen konnte.
In der Wüste geborene Wölfe konnten ihr Fell dazu nutzen, um ihre Haut zu schützen. Zudem war unsere wesentlich dunkler, sodass selbst längere Sonneneinstrahlung nicht so viel Schaden anrichtete.
»Es ist wirklich super warm«, bemerkte sie, als wir hinaustraten und sie mit der Hand ihre Augen abschirmte.
Unsere Innenhöfe waren voller Pflanzen, die in der kargen Wüste wachsen konnten. Darunter auch viele Palmen und Dattelbäume, die uns nun ein bisschen Schatten spendeten.
Ich war mir unsicher, ob es wirklich gut war, Mirani in die Stadt zu bringen, denn hier in den Innenhöfen gab es wenigstens Wasserläufe, die sie abkühlten.
»So ist es bei uns immer. Aber wenn wir erst gehen, sobald es dunkel wird, wird es sehr kalt«, bemerkte ich, wobei ich eine Frage darin mitschwingen ließ. Vielleicht konnte sie mit Kälte besser umgehen.
Ich sah, wie sie die Lippen leicht verzog und dann ihre Hand senkte, ehe sie sich die Kapuze überwarf. »Und wo sollen wir bis dahin warten?«, fragte sie und schritt langsam die Treppe in den Garten hinab.
Ich blickte zurück zu der Tür, die in meine Räumlichkeiten führte. Hier zu bleiben gefiel mir gar nicht. Der Gedanke, noch länger mit meiner Familie unter einem Dach zu bleiben, ließ mir einen kalten Schauer über den Rücken wandern.
»Außerdem hast du gesagt, dass du mir die Stadt zeigst«, sagte sie und als ich zu ihr blickte, hatte sie sich zu mir umgedreht. Sie ging rückwärts, hatte die Hände hinter ihrem Rücken und schenkte mir ein strahlendes, aufforderndes Lächeln.
In dem Moment hatte ich das Gefühl, die Kälte, die sich um mein Herz gelegt hatte, schmolz und das Gefühl, flüchten zu müssen, verstummte.
Sofort setzte ich mich in Bewegung, um nicht zu weit von ihr entfernt zu bleiben.
Obwohl sie nach Lavendel duftete, einen Geruch, den ich sonst nicht so mochte, löste er doch Ruhe in mir aus. Vielleicht lag es auch daran, dass unter dem Lavendel ein leichter Moosgeruch lag. Kombiniert mit frischem Gras nach einem Regenschauer.
Ich legte ihr einen Arm um die Taille, weil mir gerade danach war, ihre Nähe zu spüren.
Es war mir egal, ob uns jemand sah oder nicht, doch als Rashid um die Ecke gebogen kam und vor uns stehenblieb, wünschte ich, ich hätte meine Sinne nicht zu sehr auf Mirani gerichtet, dann hätte ich ihn bemerkt.
Sein Blick glitt abwertend über uns und seine Lippen umspielten ein Lächeln. »Eine niedere Omega. Das passt zu dir«, sagte er herablassend. »Sie kann vermutlich genauso wenig wie du.«
Ich spürte, wie Mirani in meinen Armen erzitterte und sich Fell über ihre Arme zog. Um zu bemerken, dass sie wütend war, musste ich sie nicht sehen.
»Hast du nichts Besseres zu tun?«, fragte ich und wollte Mirani an ihm vorbeiführen, damit wir gehen konnten, doch mein Bruder blockierte den Weg.
»Tatsächlich habe ich nach unserem Gast gesucht«, sagte er mit einem Grinsen. Er spuckte das Wort Gast auf eine so unangenehme Weise aus, dass ich ein ganz schlechtes Gefühl bekam.
Ich spürte, wie Mirani stehenblieb und den Kopf hob. »Wenn du etwas von mir möchtest, solltest du dich erst einmal in Höflichkeit üben«, sagte sie mit einer so schneidenden Stimme, wie ich sie noch nie bei ihr gehört hatte.
Sie musste es mir nicht sagen, denn als ich ihren Blick sah, wusste ich, dass sie sich mit Rashid anlegen würde.
Panik durchflutete mich. Was sollte ich tun? Ich durfte es nicht eskalieren lassen.
Rashid ließ seine Aura frei, die sich drückend auf mich legte und meine Sinne vernebelte, sodass mir das Denken schwerfiel.
»Wie kannst du niedere Omega es wagen, so mit einem Alpha zu sprechen?«, knurrte er und seine Augen funkelten angriffslustig.
Mein Herz setzte einen Moment aus und ich hoffte, Mirani kam wieder zur Vernunft.
Vorsichtig löste sie sich von mir und legte eine Hand auf meine Brust. Sie lächelte, als sie zu mir aufblickte. Nichts wies darauf hin, dass Rashids Aura sie beeinflusste. Etwas, was ich so noch nie gesehen hatte. Es faszinierte mich, doch die Angst kehrte zurück, als sich Mirani wieder Rashid zuwandte. »Du bist nur ein aufgestiegener Beta. Kein richtiger Alpha. Das allein sorgt dafür, dass ich dich nicht ernst nehmen kann«, sagte sie ihm direkt ins Gesicht.
Mir blieb der Atem weg, bei dieser Aussage. Nur ein aufgestiegener Beta? Kein richtiger Alpha?
Rashid knurrte. »Was willst du damit sagen?«, fragte er, wobei seine Aura zunahm.
Instinktiv ließ ich meine ebenfalls frei, um mich davor zu schützen und auch Mirani darin einzuhüllen, so gut es ging. Es würde ihr nur besingt Schutz bieten, doch zumindest wollte ich etwas tun.
»Du bist nicht als Alpha geboren. Dein Stand ist nichts wert«, sagte sie ohne mit der Wimper zu zucken.
Und dann ging alles ganz schnell.
Rashid bewegte sich. Fell zog sich über seinen Arm und seine Krallen schossen in Richtung von Miranis Gesicht.
In dem Moment, in dem ich einen Schritt machte, um einzugreifen, bewegte sich Mirani. So schnell, dass ich ihren Bewegungen kaum folgen konnte.
Sie duckte sich unter dem Angriff weg und schlug ihre Faust direkt in Rashids Magen.
Ein Glimmen von Macht schlug mir entgegen. Eine Aura, die weder meine, noch die meines Bruders war. Eine Aura, die pure Macht ausstrahlte.
Rashid krümmte sich, spuckte Blut und sackte nach Luft ringend auf die Knie, da stand Mirani schon wieder neben mir, als wäre nichts gewesen.
Mein Herz schlug mir bis zum Hals und mein Kopf versuchte, herauszufinden, was gerade geschehen war.
Was war gerade geschehen? Hatte Mirani ihn mit einem einzigen Schlag niedergestreckt?
Wie war das möglich?
Was hatte ich da gerade gespürt? Es war, als wäre für einen Moment ein Alpha anwesend gewesen. Einer, der so stark war, dass er offensichtlich seine Aura komplett verbergen konnte. Aber wie war das möglich?
Rashid rappelte sich langsam auf, rang aber immer noch um Atem.
»Was hast du gemacht?«, keuchte er und blickte wütend zu Mirani auf.
Als mir klar wurde, dass Mirani ihn geschlagen hatte, blickte ich sofort zu ihr, doch sie wirkte ruhig. Nicht, als würde sie von Erinnerungen heimgesucht werden.
»Ich habe mich lediglich gegen deinen Angriff gewehrt«, behauptete sie unschuldig. Womit sie auch recht hatte, nur hatte vermutlich niemand gesehen, wie genau sie das getan hatte.
»Du«, knurrte Rashid, der sich nur langsam erhob.
Er war ein Krieger und stark. Dass ein einziger Schlag ausgereicht hatte, ihn solche Schmerzen zu verursachen, war kaum zu glauben.
»Ich?«, fragte Mirani unschuldig.
Ich kam nicht umhin, sie zu bewundern. War das die Mirani, die auch gegen die Rakshasa gekämpft hatte? Kein Wunder, dass sie eine solche Menge besiegt hatte.
»Damit wirst du nicht durchkommen«, knurrte er wütend. »Ich wusste doch, dass du gelogen hast. Du hast auch bei Nael nichts gesehen und es nur vorgespielt.«
Auf Miranis Gesicht erschien ein überraschter Ausdruck. »Wie kommst du denn auf diese Idee?«, fragte sie und hockte sich zu Rashid. Ihre silbernen Augen musterten ihn eindringlich.
Sie war ein Raubtier, doch von ihr ging keine Aura aus, die dieses bestätigte. Trotzdem umgab sie eine Kraft, die ich nicht beschreiben konnte.
Rashid wollte etwas sagen, doch stattdessen spuckte er Blut.
Mirani lachte leise. »Dass deine Heilung noch immer nicht weiter ist, beweist, dass du es nicht wert bist, dich Alpha zu nennen. Du kannst ja nicht einmal gegen mich gewinnen.«
Mirani erhob sich und schenkte mir ein Lächeln. Eines, das mir einen Schauer über den Rücken jagte, weil es so gar nicht zu dem Bild passte, dass sie gerade gezeigt hatte. Es war zärtlich und fröhlich. Als könnte sie keiner Fliege etwas zu Leide tun. »Gehen wir«, sagte sie und hakte ihren Arm unter meinen, als wäre nichts gewesen.
Ich blickte kurz zu meinem Bruder und konnte nicht anders, als zu lächeln. Dass er ständig auf alles und jeden herab sah, hatte sich nun endlich gerächt. Doch ich machte mir dennoch Sorgen.
»Hast du keine Angst, dass er dich verrät?«, fragte ich leise. Mittlerweile war ich mir sicher: Sie war keine Omega. Da war mehr, doch sie wollte es verstecken.
»Und sich die Blöße geben, gegen eine Wölfin verloren zu haben, die er als Omega bezeichnet hat?«, fragte sie, wobei die Worte, die sie wählte, mein Gefühl verstärkte. Sie hatte nie gesagt, dass sie eine Omega war, aber warum spürte ich dann überhaupt nichts?
Plötzlich blickte sie auf ihre Hände und runzelte die Stirn, als wäre ihr gerade etwas eingefallen.
»Was ist? Hast du dich dabei verletzt?«, wollte ich wissen und nahm ihre Hände sofort in meine. Die weiße Haut war unverletzt und nicht einmal eine Schramme war zu sehen.
»Ich … da waren keine Erinnerungen«, murmelte sie leise. »Ich habe den Sog gespürt, aber … Er hat mich nicht überwältigt.«































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