DBdD-Kapitel 29

Es war spät und Yelir machte sich Sorgen, weshalb er persönlich das Zimmer neben seinem aufsuchte. Überrascht stellte er fest, dass Belle bereits vor der Tür auf und ab lief.
Als diese ihn bemerkte, änderte sie sofort ihre Haltung und blockierte die Tür. »Eure Hoheit. Lady Zunae geht es heute Morgen nicht gut«, sagte sie, versuchte aber ruhig zu bleiben und ihm ihre Sorge nicht zu zeigen.
Yelir hob eine Augenbraue, bevor er Belle deutete, zur Seite zu gehen. Er wollte selbst sehen, was los war. »Sie hat einen Termin.«
Belle blickte Yelir unschlüssig an. Zunae hatte sie gebeten, bei Yelir eine Ausnahme zu machen und ihn einzulassen, wenn er wollte. Trotzdem machte sie sich Sorgen, als sie vorsichtig zur Seite trat. »Bitte berührt sie nicht«, sagte sie unschlüssig. »Ich möchte nicht, dass jemand verletzt wird.«
Yelir runzelte die Stirn, als er die Tür öffnete und eintrat.
Es war überraschend warm im Raum. Für seinen Geschmack zu warm, doch wenn sie es so wollte, war das so.
Yelir blickte auf das Bett, in dem sie lag. Die Decke war weggestrampelt und Zunae mit Schweiß bedeckt. Ihr Atem ging schwer, während sie sich wandte. Immer wieder gab sie wimmernde Laute von sich und krallte sich in ihr Kleid.
Yelir blieb mitten im Zimmer stehen und versuchte, herauszufinden, was los war. Magie strömte aus ihr heraus, doch ansonsten schien sie nicht verletzt.
Vorsichtig trat Yelir an das Bett heran. »Zunae«, sagte er, um sie zu wecken. Allerdings reagierte sie nicht.
Stattdessen schnappte sie wieder nach Atem und wandte sich hin und her.
Obwohl Belle ihn gewarnt hatte, machte er noch einen Schritt auf sie zu und legte eine Hand auf ihre Schulter.
Sofort versteifte sie sich und Magie trat aus.
Dann riss sie mit einem panischen Schrei die Augen auf, ehe sie nach Yelir schlug. Dieser wich zurück, hielt ihre Hand fest und trat schnell wieder vor, um zu verhindern, dass Zunae aus dem Bett fiel.
»Ich bins«, sagte er beruhigend und hielt sie sanft. Sie zitterte und rang nach Atem.
Ihre Finger krallten sich sogar in seine Arme, was ihn besorgte. Sie brauchte eine gefühlte Ewigkeit, bis sie sich beruhigt hatte und zu Yelir aufsah. Dann sah sie sich hektisch um, weil sie nicht sofort verstand, wo sie war.
»Hattest du einen Traum?«, fragte er sanft, denn die Panik und ihr Geständnis, das sie Visionen von ihrem Tod hatte, gaben ihm einen guten Hinweis darauf, was los war.
Zunae nickte schwach. Sie erinnerte sich daran, dass Yelir ihr gesagt hatte, sie solle mit ihm darüber sprechen, doch sie wusste nicht, wo sie anfangen sollte.
»Feuer«, brachte sie schließlich mit zitternder Stimme hervor. »Ich war darin eingeschlossen.«
»Konntest du den Ort erkennen?«, wollte Yelir wissen, der sich gleich Sorgen machte, ob das erneut ein Anschlag auf sie war oder nur ein Traum.
»Die Flure«, flüsterte sie mit rauer Stimme und drückte sich Haltsuchend an Yelir. Es war ihr egal, dass sie sich kaum kannten oder er der König eines fremden Reiches war. Sie brauchte Nähe, um zu wissen, dass sie nicht allein war.
Yelir strich ihr beruhigend über den Rücken. Er wollte sich gar nicht vorstellen, wie schlimm es war, immer wieder seinen eigenen Tod zu sehen. Allerdings sah er such das Positive. Er konnte es verhindern, wenn er davon wusste. »Welche Flure? Hast du einen Hinweis für mich?«
Zunae überlegte einen Moment, bevor sie den Kopf schüttelte. »Ich … Da war zu viel Feuer«, flüsterte sie. Die Erinnerungen daran, wie die Flammen an ihrer Haut geleckt hatten, ließen sie erzittern. Ihre Arme brannten, als wären sie wirklich verbrannt und ihre Kehle war noch immer rau, als hätte sie den Rauch eingeatmet.
Yelir strich ihr weiter beruhigend über den Rücken. »Ich werde dafür sorgen, dass die Flure, die du nimmst, regelmäßig kontrolliert werden«, versicherte er, denn das war das einzige, was er im Moment für sie tun konnte.
Als sie langsam nickte, schob er sie ein Stück von sich, bevor er in einer zärtlichen Geste eine ihrer nassen Strähnen aus ihrem Gesicht schob. Sie war ganz blass und wirkte erschöpft.
Einem Instinkt folgend, hob er sie auf seine Arme. Zunae gab einen überraschten Laut von sich und krallte sich an Yelir, weil sie nicht ganz verstand, was vor sich ging. Sie brauchte noch, um die aktuelle Situation und ihre Vision auseinanderzuhalten. Es hatte sich durch Yelirs Eingreifen so angefühlt, als hätte er sie auch in ihrer Vision gerettet, weshalb sie nun nicht wusste, ob das wirklich der Fall war oder nicht. Außerdem brauchte ihr Körper noch einen Moment, um wieder richtig zu funktionieren. Was Yelir nicht entgangen war.
Mit Zunae auf den Arm trat er zur Tür und wies Belle an, ein Bad vorzubereiten. Immerhin hatte Zunae Termine und konnte diese so kaum wahrnehmen.
Sofort lief Belle los, um seiner Aufforderung nachzukommen. Dabei versuchte sie das seltsame Gefühl zu unterdrücken, das sich in ihr breit machte. In den Südlanden kannte jeder die Regel, dass Zunae während einer Vision nicht berührt werden durfte. Allerdings wusste auch jeder, dass sie Visionen hatte. Yelir wusste es nicht. Es wunderte sie also nicht, dass er die Regeln gebrochen hatte. Viel mehr wunderte es Belle, dass Zunae ihn weder angegriffen zu haben schien, noch wirkte sie selbst verletzt. Nur erschöpft. Etwas, das Belle so nicht kannte, weshalb sie auch mit dem Schlimmsten gerechnet hatte.
Yelir trat mit Zunae im Arm in den Flur. Der Weg zum Badezimmer war nicht weit, doch ein Flur trennte ihr Zimmer vom Bad. Ein potentieller Ort zum Sterben. Etwas, das er verhindern musste. Er konnte sich nicht leisten, sie zu verlieren.
Ein leichtes Zittern ging durch ihren Körper, das nur Yelir wahrnahm, weil sie so nah an ihn gedrückt war. Auch bemerkte er, wie sich ihre Finger in seinen Arm krallten. Nach außen zeigte sie die Angst jedoch nicht. Eine starke Frau, wie Yelir wieder einmal feststellte.
Ohne auf die Idee zu kommen, sie abzusetzen, machte er sich langsam auf den Weg zum Badezimmer.
Er nutzte es nur selten, da er sich in dem Raum wusch, in dem sich auch seine Soldaten nach dem Übungen reinigten. Daher war er überrascht, als er den Raum komplett vorbereitet vorfand.
Da es im Moment außer Belle und Jane keine Diener im Schloss gab, ging er davon aus, dass diese es gewesen waren, die ihn gereinigt und instand gesetzt hatten. Unwissend, dass Zunae einen Großteil der Arbeit mit ihrer Magie bewerkstelligt hatte.
Yelir bemerkte auch die neue, in den Boden eingelassene Wanne, die mit Wasser gefüllt war. Dieses dampfte und duftete nach Lavendel.
Er kam nicht umhin, zu bemerken, wie gut die beiden Frauen waren. Da er selbst eher ohne Diener aufgewachsen war, verstand er nicht, wie es ihnen möglich war, die Bedürfnisse ihrer Königin so gut zu verstehen.
Als er eingetreten war, setzte er Zunae vorsichtig ab, deren Hand noch in sein Oberteil gekrallt war.
Obwohl sie halbwegs aufrecht stand, spürte er noch immer ihr Zittern. »Kannst du …«, setzte sie an, doch als ihr bewusst wurde, was sie gedachte zu fragen, hielt sie inne. Ihr war klar, dass sie Yelir nicht an sich heranlassen durfte. Das würde nur sehr schmerzhaft für sie beide werden. Also würde sie nicht fragen, ob er bei ihr bleiben konnte. Vor der Hochzeit und ihrer ersten gemeinsamen Nacht vermutlich auch eine seltsame Bitte. Zumindest in den Nordlanden.
Zunae hatte jedoch auch noch nie vorher das Bedürfnis gehabt, nicht allein zu sein. Zu Hause in den Südlanden hatte sie die Einsamkeit immer begrüßt. Vermutlich, weil sie sich dort sicher gefühlt hatte. Hier aber hatte sie das Gefühl, nur in Yelirs Gegenwart war sie sicher.
»Ich werde die Bewerber hinhalten. Wenn du aber in einer Stunde nicht da bist, schaue ich nach dir«, erklärte Yelir, der sich Sorgen machte, dass sie noch einmal in eine Vision gezogen wurde und sich dabei verletzte. Er konnte sich auch vorstellen, dass sie in der Wanne, die seiner Meinung nach für eine Person zu groß war, ertrank. In diesem Punkt musste er jedoch auf ihre beiden Kammerzofen vertrauen.
Für ihn kam gar nicht in Frage, im Bad zu bleiben, während Zunae sich im Wasser entspannte. Das gehörte sich einfach nicht, auch wenn die Vorstellung ein seltsames Ziehen in seinem Magen auslöste. Die Frage, wie sie darauf reagieren würde, wenn er es anbot, machte sich in seinem Kopf breit, weshalb er das Bad sofort verließ. Er wollte auf keinen Fall etwas Dummes tun. Er brauchte diese Frau. Nicht nur für den Frieden. Auch für sein Land.
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