Kapitel 2 – Das Friedensangebot
Sandra
Eine leichte Böe streift das Gesicht. Kleine Schneeflocken tanzen hinab vom Himmel und lassen das Herz höher schlagen. Zwei Tage darf Sandra mit ihren Liebsten an diesen idyllischen Ort verbringen. Die Stille ist eine Wohltat für die Ohren. Einfach fort vom Stadtlärm. Ab und zu zeigen sich ein paar Vögel in den Bäumen und selbst ein Eichhörnchen lässt sich von der Terrasse aus erblicken. Die Hütte lädt ins Warme ein und doch mag Sandra länger im Freien entspannen. All die vielen Eindrücke in den ruhigen Wäldern und allein die traumhafte Kulisse laden den Geist zum Entspannen ein. Die Sonne strahlt hell am Himmel und ihr Licht lässt all die Kristalle glitzern und funkeln. Ein tiefer Atemzug und Sandra vergisst all ihre Sorgen. Alles wirkt perfekt, bis ein störendes Summen die Stille unterbricht. Ein Geräusch, das sie sofort zuordnen kann und ihr das Lächeln nimmt. Tatsächlich erblickt sie die Drohne von Mandy. Ein Flugobjekt, das Aufnahmen von der Umgebung macht. Fassungslos dreht sie sich um. Auf der Suche nach Hendrik, den sie nicht lange suchen muss. Ihr Freund kam angeschlichen und lächelt verlegen, als sie ihn bemerkt.
„Ich war nicht schnell genug“, ärgert er sich leise.
„Warum macht Mandy Aufnahmen von der Hütte?“
Sandra wählt gezielt einen vorwurfsvollen Ton und dann entdeckt sie auch noch die Kamera in seiner Hand. Genervt legt sie den Kopf schief und dreht sich weg. Die Antwort kann er sich sparen, denn er hörte ihr mal wieder nicht zu. Dieses Wochenende sollte ihnen allein gehören. Sein Equipment hätte er besser zu Hause gelassen. Ständig ist er unterwegs. Von einem Spot zum nächsten und sie verbringt die Nächte einsam und allein.
Aber was hat sie erwartet?
Wie konnte sie so dumm sein und glauben, dass er und Mandy keine Story aus ihrem Kurzurlaub machen?
Ihre Fans brauchen Futter!
Seine Beiträge gehen viral!
Er lebt für die Kamera und vergisst, was wirklich wichtig ist!
Erkennt er denn nicht, wie unglücklich sie ist, weil sie zu wenig Zeit füreinander haben?
Sandra wünscht sich, sie wäre gelassener und weniger verbittert wie Mandys Ehefrau. Denn die freut sich für Mandy und hat ihr eigenes Abenteuer am Start. Eine große Tour durch Frankreich. Sie ist genauso gelassen wie Mandy selbst. Nur Sandra ist die große Spaßbremse im Boot.
„Alles okay?“ Hendrik klingt aufrichtig besorgt. „Wenn es dich stört, dann spreche ich mit Mandy darüber?“
Sandra arbeitet kurz an einem Fakelächeln, denn sie will nicht, dass die Stimmung bereits am Anfang kippt. Schwungvoll dreht sie sich um und überspielt geübt ihre wahren Gefühle. Sie lächelt Hendrik ins Gesicht und schüttelt den Kopf.
„Nein. Alles gut.“ Dennoch startet sie einen Versuch, ihm die Augen zu öffnen. „Aber die Kamera ist doch nicht rund um die Uhr an oder?“
Die Finger jucken. Sandra muss den Gedanken schnell verwerfen, nach dem doofen Ding zu greifen und es über die Terrasse zu werfen. In der Hoffnung, die Kamera rollt tief hinab und lässt sich nicht mehr auffinden.
„Nein, keine Sorge. Wollen wir uns die Hütte ansehen?“
Ein Blick hinauf zu der lärmenden Drohne und die Entscheidung ist schnell getroffen. Mit einem Nicken macht sich Sandra auf zum Eingang.
„Wow, Schatz.“ Hendrik bremst sie und führt sie zur Seite. Denn in die Ecke versteckt sich unter einem Abdeckung ein Whirlpool, der bereits auf die 37 Grad vorgeheizt wurde und einladend blubbert. Warmer Dampf steigt auf und Sandra sieht sich bereits dort drinnen sitzen. Sie kann es kaum erwarten, in ihren Bikini zu schlüpfen.
„Deine Begleitung“, erwähnt Hendrik nachdenklich, „hast du etwas von ihr gehört?“
„Nein, aber er trifft sicherlich gleich ein.“
Hendrik runzelt überrascht die Stirn. „Er?“
Das Lächeln auf ihren Lippen schwindet. Sie hat zu schnell und unüberlegt gesprochen.
„Ja, hast du mit einer Freundin gerechnet?“
„Schatz, jetzt bin ich aber neugierig. Hast du einen Arbeitskollegen eingeladen?“
Allein der Gedanke an den fehlenden Gast verbessert ihre Laune. „Besser, Hendrik. Aber ich verrate nichts, vertraue mir.“
Tatsächlich wirkt er damit besänftigt. Er fokussiert sich eher auf die Hütte und öffnet ihr die Pforten in ihren Unterschlupf. Einladend winkt er sie hinein in die wohltuende Wärme. Die Wangen brennen leicht beim Eintreten und auch die Hände tauen langsam unter den Handschuhen auf. Es ist die Inneneinrichtung, die ihr den Atem verschlägt, denn Fotos können manipuliert werden, aber die hellen Räumlichkeiten mit den großen Glasfenstern und dem schlicht modernen Design wirkt viel überzeugter und edler als die Fotos.
Ungefragt hilft Hendrik ihr aus dem Mantel. In Momenten wie diesen erinnert er Sandra daran, warum sie sich für ihn entschied. Wie aufmerksam er sein kann. Es fühlt sich an, als gehöre der Urlaub nur ihnen. Das täuschende Gefühl lässt ihr Herz höher schlagen und verleitet sie dazu, ihm um den Hals zu fallen. Ein Kuss auf die Wange und sie drückt ihren Kopf an seinen. Seine starken Arme legen sich um ihre Taille. Er nimmt einen kräftigen Zug von ihrem Parfüm nach Vanille und Pfingstrose, das er so liebt. Gemeinsam gleitet ihr Blick durch ihre Unterkunft. Direkt am Eingang befinden sie sich in einer modernen Küche mit Essbereich. Eine Eckbank steht direkt an der Fensterfront. Auf dem Tisch findet sich passend zur Adventszeit ein großer Kranz, der zum Glück nicht allzu kitschig gestaltet wurde. Die Weihnachtskugeln passen zu dem weißgoldenen Design der Einrichtung. Die Hochglanzmöbel befinden sich in einem makellosen Zustand. Die kleine Küchenzeile versteckt sich am Treppengeländer.
Sandras Neugier gilt einem Loch, worin ein Netz gespannt wurde und freie Sicht auf die nächste Etage gibt.
„Ist das eine Hängematte?“
„Jo!“ Hendrik strahlt über beide Ohren, als könne er es kaum erwarten, sich dort oben breitzumachen. „Wie geil ist das denn?“
Sandras Augen beginnen zu strahlen, als sie aus dem Augenwinkel heraus eine kleine Sauna ausmacht.
„Schatz! Schau mal!“ Freudig führt sie ihn an der Hand nach links. Vorbei an dem Badezimmer, das gleich gründlich auf Sauberkeit inspiziert wird. Eins der wichtigsten Kriterien bei Sandra. „Eine Sauna, Schatz!“
Auch Hendrik staunt nicht schlecht. „Wow. Dein Ernst? Wusstest du davon?“
Sandras gute Laune schwindet mit einem Schlag, denn es gibt etwas, das sie ihm nicht verraten hat. Bislang kannte sie nur das Ziel, wenige Fotos und was sie ungefähr erwartet, aber das war schon alles. All das hier ist ein Friedensangebot, das von einem anderen Kopf geplant wurde. Von jemand, dem sie schon immer blind vertraut hat und ihr Herz fürchterlich schmerzte, als sich ihre Wege über einen längeren Zeitraum trennten.
„Nein. Ich wusste nichts über die Sauna“, gesteht sie ihm leise.
Aber Hendrik registriert ihr schlechtes Gewissen nicht und beschäftigt sich vielmehr mit der Bedienung und den Möglichkeiten des Schwitzkastens. Sandras Herz wird nun ganz schwer, denn obwohl die Freude groß war, wieder von einem alten Freund zu hören, hat sie vielleicht voreilig auf das Friedensangebot zurückgegriffen. Dabei weiß sie gar nicht, wie sie ihrem alten Freund nach der letzten Auseinandersetzung unter die Augen treten soll.
Eine Ablenkung muss schnell her! Daher tritt sie in das kleine, aber feine Badezimmer mit einer ebenen Dusche, die durch eine schicke Glasfront abgetrennt ist. Unter ihrer strengen Inspektion besteht die Räumlichkeit mit Bravour. Schließlich geht es hinauf in den lichtdurchfluteten Schlafbereich. Das Doppelbett befindet sich nah der Hängematte und hat einen tollen Ausblick durch die gläserne Front. Für Privatsphäre ist jedoch wenig Freiraum. Es gibt keinen Sichtschutz, aber das ist okay, dann sie ist nicht hier, um die Zeit mit Hendrik im Bett zu verbringen. Auch wenn der kuschelige Schlafbereich verlockend nach ihr ruft. Die zwei Einzelbetten sind direkt neben an und sind durch eine dünne Wand getrennt. Es gibt keine Tür, sondern nur einen Durchgang. Das ist zwar ungewöhnlich, aber für Sandra auf keinen Fall störend. Das Zimmer mit den Einzelbetten hat sogar Zugang auf den kleinen Balkon. Die Hütte an sich mag klein sein, aber dafür sehr geräumig. Aus wenig Platz wurde das Bestmögliche herausgeholt und ihnen fehlt an nichts. Komfort gibt es reichlich. Die Matratzen und auch die Sitzpolster sind angenehm weich. Hier haben sie sicherlich eine tolle Zeit. Sofern ihr Plan aufgeht und Hendrik bereit ist, zu vergeben und zu vergessen. Hoffentlich …
































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