AdD2-Kapitel 18
Das Geräusch des Windes, der über den Sand fegte, spielte eine Melodie, die Idris so sehr beruhigte, dass er fast einschlief. Er verstand, warum seine Mutter und auch Rhana diese Wüstengegend so liebten. Sie hatte etwas beruhigendes. Die weiten Dünen sorgten dafür, dass sich nichts so leicht verstecken konnte und Geräusche, welche die Natur durchbrachen, waren leicht zu hören.
Deshalb blieb ihm das dumpfe Schleifen, leicht zischende Geräusch nicht verborgen.
Schritte im Sand.
Idris Ohr zuckte, um die Richtung herauszufinden, bevor er die Augen öffnete und leicht den Kopf drehte.
Eine Gestalt, gehüllt in einen beigefarbenen Umhang hatte sich ein Tuch über den Mund gezogen und stapfte durch die Dünen.
Heute war der Wind schneidend und der Sand, den er mit sich brachte, schabte an Idris Schuppen. Nur dank ein wenig Übung, gelang es ihm, dafür zu sorgen, dass er nicht unter diese geriet und sich dort sammelte. Trotzdem sollte er sich später gründlich waschen. Vielleicht konnte er Rhana bitten …
Idris verwarf diesen Gedanken sofort wieder, denn er war sich sehr bewusst, wohin das führen würde und dazu war jetzt nicht die Zeit. Er sollte nicht unanständig über Rhana denken, wenn er sich mit ihrem Bruder unterhielt.
Idris musterte Ruonir. Er passte sehr gut in diese Umgebung. Wie der Wind an seinem Mantel zog und die leicht gebeugte Haltung, damit er besser voran kam, gaben ihm etwas Verwegenes. Er strahlte die Aura eines Kriegers aus. Sollte er ihn als Dank für seine Hilfe vielleicht mit einer Gabe belohnen?
Es war ein allgemeiner Glaube, dass die Gabe der Götter lediglich in der Blutlinie der Herrscher vererbt wurde. Was nicht falsch war. Dort erwachte sie in einem gewissen Alter von selbst. Gleichzeitig hatten jedoch alle Menschen einen kleinen Teil Götterblut in ihren Venen und ein Gott konnte die Gaben auch in normalen Menschen erwecken.
Idris hatte das noch nie getan, doch sein Vater. Noch bevor seine Mutter die ersten Feen seit Ewigkeiten erschaffen hatte.
Aber wäre Rhana dann vielleicht böse? Würde sie ihn dafür verurteilen? Es reichte doch schon, dass er sie gegen ihren Willen zu einer Fee gemacht hatte.
Wobei das nicht stimmte. Er hatte sie gar nicht um Erlaubnis fragen können. Also wusste er nicht, ob sie zugestimmt oder abgelehnt hätte. Und wenn er ehrlich war, wollte er es gar nicht wissen. Der Gedanke, sie hätte vielleicht lieber den Tod gewählt, schnürte ihm die Kehle zu.
Idris verdammte sich dafür, dass seine Gedanken schon wieder in diese Richtung gingen.
Ihm war klar, dass er diese Sache aus der Welt schaffen konnte, wenn er mit ihr sprach, doch er hatte solche Angst vor ihrer Antwort. Außerdem fiel es ihm unglaublich schwer, ihr in die Augen zu sehen. Nachdem er sie gezwungen hatte … fühlte er sich noch schlimmer. Ein Teil seiner Wut richtete er auf Lewin, doch er war sich bewusst, dass er auch wütend auf sich selbst war.
Ruonir kam an dem Wegstein an und blickte nach oben, bevor er seine Kapuze zurückzog. //Es ist niemand hier//, bemerkte er in Gedanken, ohne zu verstehen, dass er sie gerade direkt an Idris schickte.
Dieser bewegte sich leicht, was dazu führte, dass seine Klauen über den Stein kratzten und ein wenig davon abbröckelte. Die kleinen Steinchen rieselten zu Boden und ließen Ruonir erschrocken zurückspringen, bevor er aufsah.
Idris erkannte den Moment, als Ruonir entdeckte, dass da etwas auf den Steinen war.
Langsam ließ Idris seine Schuppen wieder normal werden, sodass er sich schließlich als majestätischer Drache von dem sandigen Rot des Felsens abhob.
Ruonir stolperte erneut zurück, als Idris begann, sich zu bewegen.
//Das kann kein normaler Drache sein, oder?//
Idris hörte Ruonirs Respekt, der jedoch mit Angst vermischt war.
Da Idris keine Mühe damit verschwendete, sich in das Gewandt eines einfachen Drachen zu hüllen, schimmerten seine Schuppen von seiner Magie in einem blau-violettem Schimmer, als er langsam den Felsen hinabstieg.
Langsam, elegant und vorsichtig. Er wollte Ruonir auf keinen Fall so sehr erschrecken, dass er wegrannte.
»Ich bin kein normaler Drache, da hast du recht«, stieß Idris hervor, wobei er seine Stimme dieses Mal nicht direkt an Ruonirs Gedanken schickte. Stattdessen ließ er das Knurren in seiner rauen Stimme zu und nutzte den Hall seiner Magie.
Ruonir erschauderte und fiel sofort auf die Knie, um sich zu verneigen.
»Ihr seid der Götterdrache«, brachte Ruonir hauchend hervor. Idris hörte sein heftig schlagendes Herz und roch den salzigen Schweiß. Gleichzeitig vermisste er jedoch den Geruch der Panik, was ihn mit Erleichterung erfüllte. Er hatte schon davon gehört, dass es Menschen gab, die bei dem Anblick eines Gottes zusammenbrachen.
»Ich bin Cidris, der Prinz der Drachen«, erklärte er mit ruhiger Stimme, wobei sich seine tiefblauen Kristallaugen direkt auf Ruonir richteten. Dieser hatte sein Haupt noch immer gesenkt und zitterte ganz leicht.
Hoffentlich war ihm Cidris ein Begriff. Rhana hatte ihm erzählt, dass es Geschichten über die Götter gab, doch Idris wusste nicht genau, wie viele und wie neu diese waren.
Ruonir schnappte nach Luft. »Cidris? Der Sohn von Königin Zunae und König Yelir?«
Idris lächelte zufrieden. Da hatte jemand seine Hausaufgaben gemacht. Das war gut.
Außerdem sagte ihm die Reihenfolge, in der Ruonir die Namen nannte, wem seine Loyalität galt. Königin Zunae, die einst über die Südlande geherrscht hatte.
Als Idris am Boden ankam, setzte er sich und blickte zu Ruonir nach unten. »Genau der«, erwiderte er, wobei er kurz überlegte, ob er ihn weiter knien lassen sollte.
Eigentlich wäre das die richtige Art mit ihm umzugehen, doch er war Rhanas Bruder und in ihm sträubte sich alles dagegen, ihre Wahlfamilie so zu behandeln. Auch, wenn Ruonirs Vater der beste Freund seines besten Freundes Giori war. Das war alles ein wenig verzwickt, denn er durfte auf keinen Fall durchscheinen lassen, wie die Verhältnisse waren.
»Erhebe dich«, sagte er schließlich, denn er wollte ihn in die Augen sehen.
Als er sich erhob, musterte Idris ihn. Seine eindringlichen, braunen Augen erinnerten stark an Giori.
Das kastanienbraune Haar, das mit sonnenblonden Strähnen durchwirkt war, erinnerte sehr an die Südländer.
Ein mit Gold verziertes, türkisfarbenes Band, umrahmte sein Haar und zusammen mit den goldenen Ohrringen, zeigte es seinen Stand. Er gehörte nicht ganz zum Adel, aber doch zu einer Schicht, die sich einiges leisten konnte.
Die vielen Narben in seinem Gesicht, die sich auch über seinen Hals und seine Hände zogen, erzählten jedoch die Geschichte eines schweren Aufstiegs.
Handelsreisen in der Wüste waren eben nicht ungefährlich. Erst recht nicht mit den ganzen Monstern, die sich hier herumtrieben.
Darüber mussten sie sich jedoch keine Gedanken machen. Idris Gegenwart würde dafür sorgen, dass sie ihnen nicht in die Quere kamen.
»Du bist der Besitzer des goldenen Kompass, habe ich recht?«, fragte Idris, nachdem eine Weile Schweigen zwischen ihnen geherrscht hatte.
Ihm war bewusst gewesen, dass Ruonir ihn genauso gemustert hatte, wie Idris ihn. Nur konnte er kaum sagen, was Ruonir von ihm dachte.
»Das ist richtig«, erwiderte Ruonir, der sich fast schon wieder verbeugte. Allerdings senkte er nur seinen Blick und zog schließlich eine silberne Kette aus einer Tasche in seiner Hose. Daran hing ein goldenes Gebilde, das die Größe einer Taschenuhr aufwies und perfekt in seine Hand passte. »Wünscht Ihr ihn zurück?«
Idris war überrascht, dass Ruonir auch davon wusste, dass die Königsfamilie zwar die Artefakte verwaltete, doch sie eigentlich direkt von den Göttern selbst stammten.
»Nein. Aber ich habe einen Auftrag für dich«, erklärte er und hob seine Pfote.
Ruonir zuckte, als die Kralle sich in seine Richtung richtete, doch er blieb, wo er war und wartete.
Blau-violette Magie kroch durch Idris Körper, sammelte sich an seiner Kralle und ließ schließlich einen Dolch entstehen. Die Waffe, mit der er Lewin verletzt hatte. »Bist du in der Lage die Person zu finden, die durch diesen Dolch verletzt wurde?«, fragte er, denn nur so konnte er seinem Ziel, Lewin zu finden, näherkommen.
Ruonir starrte den Dolch an und zögerte sichtlich. »Sollten mehrere Personen diesen Dolch benutzt haben oder damit verletzt wurden sein, könnte es schwierig werden«, erklärte er, wobei seine Stimme zitterte. Als hätte er Angst, den Gott zu enttäuschen.
»Nur ich und die Person hat diesen Dolch berührt«, erwiderte Idris, der froh darüber war, dass er bisher nicht viel damit gekämpft hatte.
Rhana hatte ihn bisher einmal bewundert, doch nicht berührt. Zumindest nicht, soweit Idris wusste.
»Dann … könnte es möglich sein.«





























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