Kaffeedrachenprinzessin (1)
Der Pappbecher landete klappernd in der Halterung und der Kaffee schoss mit Hochdruck hinein. Dampfend, schwarz und bitter, so wie Patrizia ihn mochte. Ihre Tante sagte immer, dass genau das der Grund war, warum dieses Biest von einem Kaffeedrachen genau sie ausgewählt hatte. Gleiches und Gleiches fand sich eben. Doch sie war sich sicher, dass sie über weitaus mehr Vorzüge verfügte, als ihre Tante ihr zugestand. Ihre Verbissenheit zum Beispiel. Sich nicht alles gefallen zu lassen. Nicht zu ruhen, bis nicht auch der Letzte ihrer Feinde unter der Erde lag. Alles Dinge, die eine Drachenprinzessin brauchte, um zu überleben und irgendwann den Thron zu besteigen.
Sie schnappte sich den brühend heißen Becher und hängte ihn in der speziellen Schulterhalterung ein, damit das kleine Biest etwas zu Trinken hatte. Und da steckte es schon die Schnauze aus seinem Versteck und fauchte. Für die wenigen Normalos, die sie sehen konnten, war Desi eine Ratte. Nur Eingeweihte erkannten, was sie wirklich war. Ein kleiner schwarzer Kaffeedrache und Anwärterin auf den Thron des Getränkedrachenimperiums.
Patrizia schnappte sich ihren eigenen Becher, drehte sich um und beobachtete die Eingangshalle ihrer Schule. Die Klausur würde in ein paar Minuten beginnen und die letzten Schüler trudelten ein. Sie entdeckte Marco und als er entdeckte, dass sie ihn entdeckt hatte, zuckte er zusammen, zog den Kopf ein und rannte auf das Klassenzimmer zu.
„Ja, hau ruhig ab“, zischte sie. „Mistkerl!“
Marco war der bestaussehendste Kerl ihrer Stufe. Und sie waren gefühlte 765 Teeniedramafolgen umeinander herumgetänzelt, bis er endlich gepeilt hatte, dass sie die Richtige war und sie geküsst hat. Der überdurchschnittlich hohe Schulwechsel ihrer Klassenkameradinnen hatte mit ihrem Erfolg natürlich nichts zu tun. Die Idylle hatte nur drei Tage gehalten, denn dann war Stephanie aufgetaucht, und hatte ihm sofort den Kopf verdreht. Als hätten die Autoren der 765 vorigen Folgen den Zuschauern kein Happy End zumuten wollen.
Sie hatte ihm die letzten zwei Wochen das Leben zur Hölle gemacht. Es konnte ihr niemand nachweisen, aber er wusste genau, dass sie es war. Und nun war Stephanie an der Reihe. In der Drachenwelt wäre die Sache schnell erledigt gewesen, doch hier musste sie sich an Regeln halten und kreativ sein. Und nur deswegen war sie überhaupt noch am Leben.
Da kam Stephanie auch schon. Hatte sich wohl als Letzte ins Klassenzimmer schleichen wollen. Ihre verdammten blonden Locken wehten im Herbstwind und die Eingangstür schloss sich hinter ihr. Sie sah … erstaunlich entspannt aus. Warum? Sie sah zu ihr rüber und … wagte es, zu lächeln.
Patrizia biss wütend die Zähne zusammen und stapfte auf sie zu. Jeder ihrer Schritte hallte durch den Raum, in dem sich jetzt nur noch sie beide befanden. Desi wurde unruhig. Freudig unruhig. Sie würde Spaß daran haben, Stephanies Schnürsenkel durchzubeißen oder ihren Rucksackgurt. Der Schreck auf ihrem Gesicht, wenn sie den Schuh verlor oder der Rucksack auf geisterhafte Weise von ihrem Rücken rutschte, war sicher unbezahlbar. Jetzt, da die Klausuren zusätzlichen Druck auf sie ausübten, würde es sicher nicht mehr lange dauern, bis auch sie einknickte und von der Schule flüchtete. Patrizia erwiderte das Lächeln, siegessicher.
Dann prallte sie auf eine Wolke aus Teegestank und ihr Lächeln erstarb. Johannisbeere? Sie rang nach Luft, hustet und hielt sich ihren schwarzen Ärmel vor die Nase. Hatte sie etwa einen Teedrachen dabei? Sie musterte Stephanie von oben bis unten, dann den Raum. Nein, nirgendwo der verräterische Glanz, den so ein Mistvieh ausstrahlen würde. Das hätte der ganzen Sache echt die Krone aufgesetzt.
Stephanie nutzte ihre Chance, betrat den Klassenraum und ließ ihr die Tür offen. Was? Dachte sie etwa, wenn sie ihr nicht die Tür vor der Nase zuknallte, würde sie ihr verzeihen? Niemals! Sie stapfte hinterher und knallte nun selbst die Tür.
Herr Meier, ihr Mathelehrer, ignorierte den Lärm. Sah konzentriert auf den Stapel Klausuren, den er gleich austeilen würde. In Wirklichkeit hatte auch er Angst. Was in der Klasse passierte, das entging den Lehrern nicht. Aber sie konnten nichts tun. Wenn irgendwem in der Klasse ein Unglück widerfuhr, saß Patrizia unschuldig an ihrem Platz. Einem Tisch für zwei, den sie aber für sich ganz alleine hatte.
Herr Meier teilte die Klausuren aus und als er bei ihr war, schepperte es zwei Reihen vor ihr. Der Lehrer drehte sich um.
„Tut mir leid“, entschuldigte sich Stephanie, krabbelte unter dem Tisch auf dem Boden herum und sammelte den Inhalt ihres Mäppchens auf. Aus dem Augenwinkel sah Patrizia, wie ein Schemen in ihren Rucksack zurück huschte. Selbst wer in der Lage war, Drachen zu sehen, konnte Desis Bewegungen kaum folgen. Sie war der schnellste Drache, den sie kannte. Vielleicht sogar der Schnellste der lebte.
Dann begann die Klausur. Dass Patrizia sich außerordentlich gut darauf vorbereitet hätte, wäre gelogen gewesen. Sie hatte die vergangenen Tage schließlich mit Wichtigerem zugebracht. Aber sie befand sich schon so lange in diesem Zustand, zwischen Schule und dem Aufrechterhalten ihrer Macht, dass sie sich daran gewöhnt hatte. Ihre Noten waren immer noch vernünftig. Wenigstens soweit im Rahmen, dass bei ihrer Tante keine Alarmglocken schrillten.
Das Zimmer war vom Krakeln der Stifte und dem Stöhnen der Schüler erfüllt, als der nächste Anschlag geschah. Es raschelte und regnete Blätter. Die Hälfte von Stephanies Klassenarbeit lag vor ihrem Tisch auf dem Boden verteilt.
„Stephanie, was ist denn heute mit dir los?“, fragte Herr Meier. „Mathe macht dich doch sonst nicht so nervös.“
„Tut mir leid, Herr Meier.“
Patrizia grinste. Innerlich natürlich. Nach außen gab sie weiter die konzentrierte Schülerin, die versuchte, nicht an den Aufgaben zu verzweifeln.
Und so ging es noch eine Weile. Mal wackelte der Tisch, mal traf Stephanie was an der Schulter. Am Ende war sich Patrizia sicher, dass sie ihr diese Arbeit gewaltig versaut hatte. Doch warum sah sie dann immer noch so gelassen aus? Aus der Ferne wirkten ihre Blätter gut gefüllt, als hätte sie tatsächlich jede Aufgabe geschafft.
Untergrub Stephanie etwa ihre Autorität, indem sie sich weigerte, nervös und gehetzt zu sein? Mit Sicherheit! Sie würde sie verfolgen und herausfinden, was die Quelle ihrer Ruhe war.




























Sie entdeckte Marco und als er entdeckte, dass sie ihn entdeckt hatte, zuckte er zusammen, zog den Kopf ein und rannte auf das Klassenzimmer zu. – Ich habe entdeckt, dass du gern entdeckt verwendest, Schneckerich.
Als hätten die Autoren der 765 vorigen Folgen – Wäre da für vorherig statt vorig. Vorig hat bei mir die Bedeutung von „unmittelbar davor“, also vorige Folge. Bei der Menge dann eher vorherige.
Von Patrizias bin ich kein Fan. Hab mit einer schlechte Erfahrungen gemacht. Die war auch biestig. Von daher: Steph, mach das Prinzeschen fertig, damit ihr ein Zacken aus ihrem Krönchen bricht.
Ha, Patrizia ist gemeinsam mit ihrem Drachen ja absichtlich garstig und soll nicht gemocht werden. Zumindest nicht ohne gewaltige Entwicklung.