Teedrachengeheimnis (2)
Anmerkung des Autors: Ich habe keine Ahnung von Tee. All mein Wissen stammt aus einer 5-Sekunden-Google-Recherche. Teet (haha) und federt mich also bitte nicht 😉
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Die Tassen im Regal wackelten und Herr Ti riss seine Augen auf. „Meine Porzellansammlung!“ Eine der Tassen kreiste bedrohlich auf der Unterkante, während der kleine Drache hinter den aufgereihten Trinkgefäßen hin und her flitzte.
Herr Ti war nie ein besonders strenger Mensch gewesen. Mit den Kindern zu schimpfen, das war eher die Aufgabe seiner Frau gewesen. Ihm tat das immer ein wenig leid. Und selbst wenn er schimpfen wollte, wie sollte er den kleinen Drachen denn rufen? Drachi? Wohl kaum. Wenn er seine Farbe so betrachtete und den ersten Gedanken aufgriff, den er bei ihrem Anblick gehabt hatte, war das vielleicht ein Erdbeer-Eistee-Drache? Also würde er ihn – vollkommen kreativ – Eed nennen.
„Eed“, sagte er mit beschwichtigender Stimme, als wollte er ein weinendes Baby beruhigen. „Es ist alles gut, Eed.“ Auch wenn das mit den Tassen überhaupt nicht gut aussah.
Der Drache hielt inne und schob seine Schnauze neugierig zwischen zwei der Tassen hindurch. Die wankende Tasse drehte sich noch ein letztes Mal, dann stand sie still. Herr Ti atmete auf. Vorsichtig ging er auf den kleinen Drachen mit den großen Augen zu. Vorbei an der Theke, auf der in Holzkästchen verschiedene Teesorten einsortiert waren. Weiter zum Regal mit den Tassen, das er hinter der Theke an der Wand befestigt hatte. Er streckte seine Hand aus und das kleine Tier schnupperte an seinen Fingern. Dann streckte es eine kleine Zunge raus und leckte über die Fingerspitzen des alten Mannes. Die Zunge fühlte sich rau an und … sie kitzelte!
Eed wäre ihm bestimmt auf die Hand gekrabbelt, da war sich Herr Ti sicher, wenn nicht genau in diesem Augenblick die Tür wieder aufgegangen wäre. Die Ladenklingel tönte durch den Raum, der Drache zuckte zusammen und fegte mit seinem Schwanz eine der Tassen vom Regal. Dann erstarrte er, als wäre er nur eine kleine Statuette. Deko, die er ganz bewusst zwischen die Tassen gestellt hatte.
Die Tasse erreichte den Boden und zerbrach klirrend in tausend kleine Stücke. Genauso wie Herrn Tis Herz. Gerade dieses Stück hatte er besonders gemocht.
„Oh, tut mir leid, wenn ich sie erschreckt habe“, entschuldigte sich eine junge Dame. Das war seine erste Kundin heute und das schon, kurz nachdem er den Laden geöffnet hatte. Er schüttelte den Kopf. „Nein nein, ich bin nur etwas ungeschickt geworden auf meine alten Tage. Was darf es denn sein?“
„Einen Johanniskrauttee bitte.“
Herr Ti musterte die junge Dame. Nun, sie war vielleicht sogar so jung, dass sie noch zur Schule ging.
„Gerne“, sagte er und fischte den passenden Teebeutel aus einer der Boxen. „Stehen heute Prüfungen an?“
Verblüfft weiteten sich ihre Augen und sie nickte. „Die ganze Woche.“ Ja, sie war nervös, das sah er ihr an. Der Tee würde sie beruhigen. Sie kaufte sich einen ganzen Wochenvorrat und er brühte ihr eine Kanne für jetzt gleich auf. Zuerst einen Schuss Milch in die Porzellantasse, damit der Hitze des Getränks nicht gleich die zweite Tasse zum Opfer fiel, dann den duftenden Tee. In einer Ecke nahm sie Platz und kramte durch einen Ordner. Letzte Vorbereitungen für die Prüfung, während sie ihren Tee trank.
Immer wieder schielte Herr Ti dabei zu Eed hinüber, doch er rührte sich nicht. Verharrte in seiner Position, als sei er tatsächlich nur eine Figur. Doch ihm entging nicht, wie sich der eingezogene Bauch hob und senkte. Dabei hielt er die Augen weit geöffnet und nicht einmal blinzelte er. Der kleine Drache tat ihm schon beinahe leid. Nun, ein wenig. Denn eigentlich war ein wenig Strafe angebracht, hatte er doch eine seiner Tassen auf dem Gewissen. Um die kümmerte er sich auch gleich. Er wusste, dass er sich nicht richtig bücken konnte, deswegen hatte er sich Kehrschaufel und Besen an langen Stielen besorgt. Er schob die Überreste seiner Lieblingstasse auf die Schaufel, die sich knirschend am Boden festzuhalten versuchten, und ließ sie dann wehmütig im Mülleimer verschwinden. Er seufzte und blickte mit hochgezogenen Augenbrauen wieder zu Eed hinauf.
Die Türglocke klingelte, die junge Dame rief einen Abschiedsgruß und sie waren wieder allein im Laden. Eed entspannte den eingezogenen Bauch – jetzt war er wieder kugelrund – und grinste. Ja, der Drache grinste wirklich, auch wenn Herr Ti es kaum glauben mochte. Sofort flitzte er wieder los. Hinunter vom Tassenregal, hinaus in den Laden, wirbelte an den ausgestellten Teesorten vorbei und drückte sich die Nase an der Fensterscheibe platt, gegen die der starke Herbstwind in Stößen drückte. Kaum einen Moment später, thronte er oben auf einem der Teeständer.
Das war doch zum Haareraufen, wenn Herr Ti noch Haare gehabt hätte. Was sollte er mit diesem Energiebündel nur anstellen? Da ging die Tür erneut auf. Er schaute zu Eed, der mit breitem Grinsen hoch oben auf dem Ständer erstarrt war.
Und so ging es den ganzen Tag. Wann immer der Laden leer war und er sich von der Außenwelt unbeobachtet fühlte, tobte er herum, schnupperte an den Teebeuteln, knabberte an den Packungen oder beobachtete das Treiben vor den großen Fensterscheiben. Wenn ein Kunde kam, erstarrte er. Als sei das so eine Art Kinderspiel.
Herr Ti merkte, wie er selbst unruhiger wurde und es Zeit wurde, dass auch er einen Tee trank. Melissentee sollte es sein, vielleicht fand er damit ein wenig Entspannung. Er sog den Duft ein und merkte, wie allein das ihn zur Ruhe kommen ließ. Plätschernd füllte er die Tasse und stellte die Kanne auf der Theke ab, über einem Teelicht, damit der Inhalt schön warm blieb. Gerade wollte er nach der Tasse greifen, da platschte es. Ungläubig zog er die Augenbrauen zusammen. „Das darf doch wohl nicht wahr sein!“ Er erhob seine Stimme und nun war er tatsächlich drauf und dran, den Drachen auszuschimpfen, der gerade fröhlich ein Bad in seiner Tasse nahm.
Doch bevor er losschimpfen konnte, fiel ihm etwas auf. Eed schwamm nicht nur darin, er schlabberte den Tee und trank ihn. Und irgendwie … veränderte er seine Farbe. Das Erdbeereisrosé wurde heller und heller, nahm einen orangefarbenen Stich an und schließlich glänzten seine Schuppen in einem goldenen Gelb. Etwas strahlender als der Tee, in dem er schwamm, aber Herr Ti konnte die Ähnlichkeit erkennen. Dann war die Tasse leer und Eed rollte sich zufrieden zusammen.
Herr Ti lachte. „War das alles, was du wolltest? Eine Tasse Tee und du hättest den ganzen Tag geschlafen?“ Vielleicht lag es aber auch an der beruhigenden Wirkung der Melisse, dass der kleine Drache jetzt laut zu schnarchen begann.
Er hörte selbst dann nicht auf, als die Türglocke das nächste Mal klingelte und der Herr mit dem braunen Jackett und der sauber geschnittenen, grauen Dreizentimeterfrisur den Laden betrat.






























Du wirst dafür sowas von geteert und gefedert, Schneckerich.
Igitt, Tee mit Milch. Gruselig. Dafür gibt es noch Salz auf deinen Weg, du grausame Schnecke.
Eed ist erstmal ruhig. Frage ist, wie lange das anhält.
😱 Ich renne, im Turbomodus. Aber ich glaube die Leute, die keinen Tee in ihrer Milch wollen, sind die laute Minderheit 😛