Kapitel 1

1

Augsburg, Juni 2024

 

»Er ist wieder da«, flüsterte Lea ihrer Freundin zu.

Marijke nahm einen Schluck von ihrem Latte macchiato und verbrannte sich die Zunge. »Wer?«, fragte sie mit einer Grimasse.

»Jetzt tu nicht so. Er ist fast jedes Mal zur gleichen Zeit hier wie wir.«

»Wir sind aber nicht jedes Mal zur gleichen Zeit hier.«

»Genau. Es ist gerade so, als würde er uns abpassen.«

»So ein Quatsch.« Prüfend drehte sich Marijke um. Da saß er. Wie schon so oft am Tisch neben dem Eingang des Cafés, das so praktisch um die Ecke der Universität lag. Er war attraktiv, das musste sie zugeben. Ein schmal geschnittenes Gesicht unter hellbraunen Haaren und ein charmantes Lächeln, mit dem er sie jetzt bedachte, als er ihren Blick erwiderte. Schnell drehte sie sich zurück und suchte Zuflucht in ihrer Tasse.

»Und?«, grinste Lea. »Er interessiert sich ganz eindeutig für dich.«

»Oder für dich.«

»Ich fürchte nein.« Ihre Freundin hob die Schultern und ließ sie theatralisch wieder fallen. »Er hat eindeutig nur Augen für dich.«

»So ein Pech, dass ich derzeit nicht auf der Suche bin.« Marijke konnte den bissigen Unterton in ihrer Stimme nicht vermeiden.

»Ach komm schon, es ist drei Wochen her seit dem Desaster mit Dominik. Es wird Zeit, dass du dich wieder umschaust.«

Marijke seufzte. Seitdem sie sich von ihrem Freund getrennt hatte, wollte Lea sie ständig verkuppeln. Sie meinte es gut, aber langsam nervte es.

»Ich hab für eine Weile genug von den Männern«, bekräftigte sie. »Und ich wäre dir dankbar, wenn du das akzeptieren könntest.«

Lea lehnte sich zurück und hob entschuldigend die Hände. »Sorry, ich will dir da nicht dreinreden.« Sie sah auf die Uhr. »Ich muss auch los. Sehen wir uns morgen?«

»Na klar.« Marijke lächelte die Freundin an. »Sei nicht böse, ja?«

»Bin ich nicht.« Lea grinste. »Ich will nur nicht, dass du als alte Jungfer versauerst. Also an deiner Stelle würde ich mir das Schnuckelchen dort nicht ganz verprellen. Du könntest ja wenigstens mal mit ihm reden.«

»Könnte ich«, murmelte Marijke. Will ich aber nicht, setzte sie in Gedanken hinzu. Sie wartete, bis Lea ihre Handtasche von der Stuhllehne genommen hatte, und stand dann auf, um sich von ihr mit einer Umarmung zu verabschieden.



Natürlich konnte Lea es nicht lassen, dem Unbekannten ein »Hallo und Tschüss« zuzuwerfen, was er mit einem »Auch Hallo« erwiderte.

Marijke spitzte die Ohren. Er hatte eine angenehme Stimme. Doch da war etwas, das sie aufhorchen ließ. Ein vertrauter Klang, ein Akzent, der eine Saite in ihr zum Klingen brachte und ihre Neugier weckte.

Sie trank ihren Latte aus, nahm ihren Rucksack und hängte sich die Jacke, die sie an diesem warmen Tag definitiv nicht gebraucht hätte, über den Arm.

»Bist du Holländer?«, fragte sie, als sie an dem Tisch am Eingang vorbeikam.

Er lachte sie an. »Nein.«

Mist. Dann hatte sie sich doch getäuscht. Wie peinlich. So fing man eigentlich kein Gespräch an.

»Ich bin Niederländer«, ergänzte er und lächelte triumphierend.

Marijke fühlte, wie sie rot wurde. Diese Falle hatte sie sich selbst gestellt und war prompt hineingetappt. Doch ihr gefielen der süffisante Ton und das selbstgefällige Lächeln nicht.

»Na denn, entschuldige meinen Fauxpas«, sagte sie steif und wandte sich zum Gehen.

»Nein, bitte warte.« Hastig sprang er auf. »Es tut mir leid, ich wollte dich nicht belehren. Es ist nur, dass viele Deutsche den Unterschied zwischen Holland und Niederlande nicht kennen.«

»Die meisten schon«, widersprach sie, blieb jedoch stehen. Nachdenklich musterte sie ihn. Ihr gefiel seine Stimmfarbe. Sein Deutsch war alles andere als fehlerfrei und der Akzent war deutlich zu hören, aber er löste durchaus Interesse in ihr aus.

»Du bestimmt auch?« Fragend hob er die Augenbrauen.

Was sollte das werden? Wollte er ihr Wissen testen? Das konnte er haben. »Holland ist nur ein Teil des Landes. Genauer gesagt, sind Südholland und Nordholland zwei Provinzen von zwölf in den Niederlanden.«

Er lachte. »Jetzt bin ich aber schwer beeindruckt. Und ich wette, du könntest sie sogar aufsagen.«

»Könnte ich. Doch da möchte ich dich lieber an Google verweisen. War’s das nun mit der Fragestunde?«

»Sorry. So war es nicht gemeint.« Er streckte ihr die Hand hin. »Ich bin Arjen.«

»So wie der Fußballspieler?«

Er verdrehte die Augen, lachte dann aber gutmütig. »Weißt du, dass neun von zehn Leuten, denen ich mich vorstelle, mir diesen Spruch hinknallen?«



Marijke lächelte. »Das ist das Risiko in der Nähe von München. Hier in Augsburg ist Arjen Robben immer noch bestens bekannt.« Sie streckte ihm die Hand hin. »Ich heiße Marijke. Aber nicht mit ei, sondern mit ij.« Gespannt wartete sie auf seine Reaktion. Die auch prompt kam.

»Das ist die holländische Schreibweise.«

»Nein, die niederländische.«

»Ooch.« Er legte sich die Hand vor die Augen. »Gut, das habe ich verdient. Magst du dich setzen?«

Zögernd nahm Marijke das Angebot an. Das war eigentlich nicht geplant gewesen. Aber der Schlagabtausch gefiel ihr und es war lange her, dass sie mit einem Landsmann gesprochen hatte.

»Bist du Niederländerin?«

»Ja, ich bin da geboren und habe die ersten acht Jahre meines Lebens dort verbracht. Wo kommst du her?«

»Aus Noord-Brabant. Aus Den Bosch, oder besser gesagt, ’s-Hertogenbosch, wie es offiziell heißt.«

Eine kalte Hand griff nach Marijkes Herz. Jetzt durfte sie nicht aus der Rolle fallen. »Eine schöne Stadt«, meinte sie betont gleichmütig.

»Warst du mal dort?«

»Ja, aber das ist ewig her«, antwortete sie wahrheitsgemäß.

Arjen sah auf die Uhr. »So ein Mist, ich habe noch einen Termin. Sehen wir uns wieder? Ich würde dich gern besser kennenlernen.«

Was sollte sie nur antworten? Es konnte gefährlich werden, wenn sie ihre Worte nicht vorsichtig wählte. Marijke stellte fest, dass Arjen ihr nach dem ersten Patzer sympathisch war. Sie mochte das offene Lächeln und die warmen braunen Augen, die sie allerdings an Dominik erinnerten. Doch den musste sie irgendwann endgültig aus ihrem Herzen verbannen.

»Wie es aussieht, bist du sowieso ständig hier, wenn ich mit meiner Freundin Kaffee trinken gehe«, gab sie zurück. »Also heißt die Antwort vermutlich ja.«

»Und wie wäre es ohne Freundin? Nur wir zwei? Ich würde dich gern zum Essen einladen. Morgen Abend?«

Na, der ging aber ran. Doch warum eigentlich nicht? Es war viel zu lange her, dass sie ausgegangen war. »Na gut«, stimmte sie zu. »Gib mir mal deine Kontaktdaten, ich muss noch abklären, ob ich morgen Zeit habe. Ich melde mich dann bei dir.«

 

Beschwingt lief Marijke zur Straßenbahn, die direkt vom Augsburger Universitätsgelände abfuhr. Sie hatte sich schon lange nicht mehr so gut gefühlt. Während sie wartete, schloss sie die Augen und hielt ihr Gesicht in die Sonne. Vielleicht war Leas Rat ja doch nicht so übel. Nur weil ein Mann sie enttäuscht hatte, musste das ja nicht für alle gelten.



Die Tram kam. Sie brauchte nur ein paar Minuten bis zum Stadtteil Haunstetten, wo sie wohnte. Auf dem Weg nach Hause verdrängte Marijke die Gedanken an Arjen und plante den restlichen Tag. Sie würde noch eine Ladung Wäsche in die Maschine werfen und staubsaugen sollte sie unbedingt auch mal wieder. Dafür würde es schnelle Küche geben, vielleicht einfach nur Spaghetti. Zum Ausgleich würde sie sich morgen Abend etwas richtig Feines gönnen. Der Plan gefiel ihr.

Ihr Hochgefühl verebbte abrupt, als sie um die Ecke bog und Dominik auf der Bank vor ihrem Haus sitzen sah. Ihr Herz begann sofort, aufgeregt zu klopfen. Sie ärgerte sich darüber, doch sie machte sich nichts vor. Bis vor Kurzem war dieser Mann die Liebe ihres Lebens gewesen, so ein Gefühl konnte man nicht einfach ausknipsen. Die letzten drei Wochen war sie durch die Hölle gegangen. In den ersten Tagen hatte sie sich jeden Abend in den Schlaf geweint, seine Kontaktversuche jedoch rigoros abgeblockt und schließlich seine Nummer in ihrem Handy gesperrt. Aber jetzt saß er hier. Die Sonne schien auf das gebräunte Gesicht unter den dunkelblonden Haaren und sie musste sich zusammenreißen, um ihm nicht in die Arme zu fliegen. Sie wusste, dass sie ihm nur zu vergeben brauchte, damit alles wieder wie früher wurde. Aber das war unmöglich. Er hatte sie betrogen, das durfte sie nicht vergessen und auf keinen Fall verzeihen.

Dominik war aufgestanden und wartete mit einem verlegenen Lächeln auf sie. Am liebsten wäre sie weggelaufen, doch das war keine Lösung.

Sie biss sich auf die Lippe, um nicht zu weinen. Sie wollte ihm durch die Haare fahren, über den Dreitagebart streichen, der ihm ein leicht verwegenes Aussehen gab, und in diesen liebevollen Augen versinken, die ihr das Gefühl gegeben hatten, für ihn das Wichtigste auf der Welt zu sein. Der Knall, mit dem sie auf dem Boden der Tatsachen angekommen war, tat immer noch scheußlich weh. Ihr Herz brannte schmerzhaft, während sie zögernd einen Fuß vor den anderen setzte.

»Was willst du?«, fragte sie eisig, als sie in Hörweite war.

»Mit dir reden.«

»Es gibt nichts zu reden.«

»Ricky, bitte lass es mich erklären.«

»Nenn mich nicht so«, fuhr sie auf. »Das darf nur mein Vater.«



»Ich durfte es auch«, wandte er traurig ein.

»Aber jetzt nicht mehr. Dieses Recht hast du verspielt.« Marijke schluckte. Es war nur ein Name, warum machte sie deswegen so ein Theater? Weil es etwas war, das sie mit ihrem Vater verband. Rick und Ricky, das unschlagbare Duo. Sie hatte Dominik in diese Zweisamkeit aufgenommen, mit ihm vier wundervolle Jahre verbracht, doch er hatte alles kaputtgemacht.

»Es tut mir so leid.« Er brach ab und seine Augen wurden feucht.

Gewaltsam riss Marijke sich zusammen. Nein, sie würde ihm nicht tröstend die Hand auf den Arm legen. Sie würde ihn auch nicht küssen, obwohl sich alles in ihr danach sehnte. Vielleicht half es, an Arjen zu denken, um dieses unsinnige Verlangen zu bekämpfen.

»Es hatte nichts zu bedeuten«, stammelte Dominik und fuhr sich nervös durch die Haare, die eine Nuance heller waren als Arjens.

»Nichts zu bedeuten?« Fassungslos schleuderte Marijke ihm die Worte entgegen. Das Verlangen, ihn zu küssen, war wie ausgelöscht. Da war er wieder, dieser Hass, der sie in den letzten drei Wochen aufrecht gehalten hatte. Sie zog ihr Handy aus der Hosentasche, öffnete Whatsapp und hielt ihm das Foto vor die Nase, das er ihr geschickt hatte. Sie bemühte sich krampfhaft, es nicht anzusehen, es tat einfach zu weh, ihn im Bett mit einer anderen Frau zu sehen. Sie war eine schwarzhaarige Schönheit, die überlegen und wissend in die Kamera grinste. Neben ihr lag Dominik und auch wenn die Bettdecke ein Stück weit hochgezogen war, waren sie doch eindeutig nackt. Die Krone des Ganzen war aber sein Text: »Sorry, ich trenne mich von dir. Ich habe meine Traumfrau gefunden und du bist es leider nicht.«

Es hatte so weh getan, das zu sehen. Trotzdem hatte sie die Zeilen so oft gelesen, dass sie sich in ihr Hirn eingebrannt hatten.

Dominik wand sich unbehaglich. »Ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern, dir das geschickt zu haben. Ich war anscheinend ziemlich dicht.«

»Das ist deine Entschuldigung?« Verächtlich kräuselte Marijke die Oberlippe. »Warum gehst du nicht einfach zu deiner Traumfrau und lässt mich in Ruhe?«

»Ich hab keine Ahnung, wo sie ist«, murmelte er, dann ruckte sein Kopf hoch. »Sogar wenn, würde es nichts ändern. Ich will sie nicht wiedersehen. Ich liebe dich, Ricky, nur dich.«



»Sorry, aber das glaube ich dir nicht. Sonst hättest du das nicht getan. Ich habe übrigens auch jemanden kennengelernt. Es ist aus, Dominik.«

»Sag das nicht, Ricky. Ich mache es wieder gut.«

»Das kannst du nicht. Und du sollst mich nicht Ricky nennen. Verschwinde jetzt. Und komm nicht zurück.«

Marijke war froh um ihre Wut, denn sonst hätte sie seinen Anblick nicht ertragen. Mit hängenden Schultern und mit vor Kummer verzerrtem Gesicht stand er vor ihr. Sie verschränkte die Arme vor der Brust, um einen unsichtbaren Wall zwischen ihnen zu schaffen. Schließlich wischte sich Dominik über die Augen und schniefte.

»Ich wollte dich nie verletzen. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist, um so etwas zu tun. Ich muss hackevoll gewesen sein. Es tut mir einfach nur leid. Bitte gib mir eine Chance, es wieder gutzumachen.«

»Hör auf, Dominik, es hat keinen Sinn. Sogar, wenn du stockbesoffen bist, schreibst du keine solche Whatsapp, wenn nicht ein Körnchen Wahrheit darin steckt. Ich vermute, du wolltest dich schon die ganze Zeit von mir trennen und hast dich nicht getraut. Bis du auf dieser Fortbildung in München deine Traumfrau kennengelernt hast. Da gibt es nichts gutzumachen, denn du hast dich entschieden. Also lass mich in Ruhe.« Marijke wandte sich ab und nestelte den Haustürschlüssel aus ihrem Rucksack. Sie fühlte Dominiks Blick im Rücken, doch sie drehte sich nicht mehr um. Erst als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, lehnte sie sich dagegen und begann zu weinen.

 

Eine Stunde später lag sie auf ihrem Bett und musste sich immer wieder Tränen aus den Augen wischen. Der Hass war verschwunden und hatte einer unendlichen Leere Platz gemacht. Diese Leere, die vorher Dominik ausgefüllt hatte mit seinem fröhlichen Lachen, seiner freundlichen Art und der Kunst, sie in jeder Lebenslage aufmuntern zu können. Vielleicht könnte sie ihm sogar diesen Betrug verzeihen, aber wer sagte denn, dass es nicht wieder passierte? Anscheinend stand Dominik gar nicht auf blonde Frauen, sondern auf schwarzhaarige. Und da hatte er sich einfach die nächstbeste mit ins Bett genommen. Sie schluchzte und wischte sich erneut über die Augen. Als sie sich zur Seite drehte, fiel ihr Blick auf Ollie, ihren Freund aus der Kindheit, der im Regal stand. Sie streckte den Arm aus, um den Plüschelefanten zu sich zu holen. Mit seinen großen Ohren trocknete sie ihre Tränen. »Was meinst du?«, flüsterte sie. »Soll er doch mit seiner Traumfrau glücklich werden. Er verdient mich gar nicht.« Ollie nickte zustimmend, als sie leicht gegen seinen Kopf drückte. Marijke lächelte verhalten und ließ ihre Gedanken zu Arjen wandern. Sofort fühlte sie sich etwas besser. Sie würde das Date morgen genießen und abwarten, was kam. Und Dominik konnte bleiben, wo der Pfeffer wuchs.



Als sie die Haustür hörte, zuckte sie zusammen. Mist. Sie hatte weder gewaschen noch gekocht. Schuldbewusst stand sie auf, rieb sich kurz über das Gesicht und verließ ihr Zimmer.

»Hallo Pa«, rief sie betont fröhlich. »Du bist früh.«

Rick warf einen Blick auf seine Uhr. »Nicht wirklich.« Er musterte sie und kniff die Augen zusammen. »Was ist los, Kleines? Hast du geweint? Denkst du wieder an Dominik?«

Einen Moment lang versuchte Marijke, die Fassung zu bewahren, doch dann warf sie sich in die Arme ihres Vaters und weinte sich an seiner Schulter aus.

»Er hat hier auf mich gewartet«, erklärte sie, nachdem sie sich ein wenig beruhigt hatte.

Rick seufzte. »Du konntest ihm nicht ewig aus dem Weg gehen, das war unvermeidlich.« Er strich ihr beruhigend über den Rücken. »Du hättest ihm sagen müssen, dass er auf mich warten soll.«

Trotz ihrer Tränen musste Marijke grinsen. Als sie ihrem Vater Dominiks Whatsapp gezeigt hatte, war sie für einen Moment sicher gewesen, dass er schnurstracks zu ihm fahren und ihn durch die Mangel drehen würde. Die Weisheit seiner vierundvierzig Jahre hatte ihn zurückgehalten. Zumindest behauptete er das. Aber Marijke wusste, dass Rick ihrem Freund nur zu gern die Meinung sagen würde. Vielleicht war es besser, wenn die zwei Männer nicht aufeinandertrafen.

Sie drückte sich von ihm weg. »Es ist alles gut, Pa, ich schaff das schon.« Sie versuchte ein Lächeln, das ihr sogar gelang und den besorgten Ausdruck in seiner Miene milderte. »Ich habe heute jemanden kennengelernt, er will mich morgen zum Essen einladen.«

»Hey, das ist toll«, freute sich Rick.

»Ich habe noch nicht zugesagt. Ich sagte, ich muss mal schauen, ob ich Zeit habe.«

»Warum hast du ihm nicht erzählt, dass du erst deinen gestrengen Pa um Erlaubnis bitten musst?« Jetzt blitzte schon wieder der Schalk aus seinen dunklen Augen.

»Und riskieren, dass er die Einladung zurücknimmt, wenn er erfährt, dass ich mit meinem Vater zusammenwohne?« Marijke wurde ernst. »Trotzdem wollte ich zuerst mit dir darüber reden. Aber jetzt komm erst mal richtig rein.«

Rick warf ihr einen nachdenklichen Blick zu, dann hob er seinen Aktenkoffer auf, den er zuvor einfach auf dem Boden abgestellt hatte, und legte ihn auf die Garderobe. »Seit wann musst du Dates mit mir besprechen? Du bist alt genug, um dir deine Freunde selbst auszusuchen.«



»Oh danke.« Marijke lief in die Küche und holte einen Topf aus dem Schrank. Inzwischen knurrte ihr Magen und der Gedanke ans Abendessen ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen. »Spaghetti okay?«, rief sie in Ricks Richtung. »Oder möchtest du uns Fannkuchen machen? Wäre auch mal wieder fein.«

Wie immer lächelte er kurz über den Insider-Witz, der ihn an eine längst vergangene Zeit erinnerte. »Ich würde mich heute lieber von dir bekochen lassen.« Er folgte ihr und nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank. »Spaghetti klingt gut. Also was ist mit dem Knaben, dass du meinen Input brauchst?«

»Er ist Holländer. Aus Den Bosch.«

Ricks Hand zitterte unmerklich, als er das Bier einschenkte. »Den Bosch ist groß«, sagte er dann leise. »Und du bist erwachsen. Ich glaube nicht, dass es Probleme gibt.«

»Und wenn doch?«

»Gefällt er dir?«

»Ja, schon irgendwie.«

»Dann mach einen Schritt nach dem anderen. Du musst ihm ja nicht gleich unsere ganze Lebensgeschichte auf die Nase binden.«

»Wie recht du hast.« Marijke stellte den Topf mit Wasser auf die Herdplatte und schaltete sie an. »Ich kümmere mich mal um die Wäsche. Gibst du nachher die Spaghetti rein?« Im Hinausgehen küsste sie Rick auf die Wange. »Bist eben doch der Beste.«

Gedankenversunken sah er ihr nach. Zum ersten Mal seit Wochen schien sie etwas positiver gestimmt zu sein. Er gönnte ihr eine neue Liebe von Herzen, aber musste der junge Mann denn ausgerechnet aus ’s-Hertogenbosch stammen? Die Niederlande, so weit weg und doch unablässig in seinem Hinterkopf. Fahrig strich er sich durch die schwarzen Haare und ließ es zu, dass seine Gedanken zurück in die Vergangenheit gezogen wurden, als eine einzige Entscheidung sein ganzes zukünftiges Leben beeinflussen sollte.

 

Wie gut gefällt dir dieses Buch?

Klicke auf einen Stern zum bewerten.

Durchschnitt 0 / 5. Anzahl: 0

Bisher keine Bewertungen

Kommentare