Adora-Kapitel 14

Tage nach dem grausamen Fund war die Stimmung im Schloss angespannt. Die Hochzeit zwischen Prinz Rayan und Prinzessin Rosalia stand an, doch Adora konnte sich nicht recht für die beiden freuen. Was wohl auch daran lag, dass sie Rayans Berührungen nicht mehr aus dem Kopf bekam.
An dem Abend, an dem sie am See gesessen und der Natur gelauscht hatten, hatte er sie immer wieder gestreichelt und sie sogar in den Arm genommen. Es war ein wundervolles Gefühl gewesen.
Ein Gefühl, an das sie sich gern erinnerte.
„Ihr seht aus, als wärt Ihr gedanklich wo anders“, bemerkte Palmira, die Adora dabei half, das Kleid anzuziehen, das für sie an diesem Tag gedacht war. Sie hatte die ehrenvolle Aufgabe den Schleier der Braut zu halten, auch wenn sie diese gar nicht kannte. Bisher war sie Prinzessin Rosalia nur sehr selten begegnet, doch die Prinzessin hatte scheinbar nichts dagegen.
Eigentlich wäre es Palmiras Aufgabe gewesen, doch Adora hatte sie bereits in ihrer Position als Hofdame von Prinz Rayan abgelöst.
Das machte sie heute nervös. Bisher hatte sie Prinzessin Rosalia nur aus der Ferne gesehen und nie das Bedürfnis verspürt, ihr näherzukommen. Die Vorstellung, dass sich Prinz Rayan heute Abend mit ihr zurückziehen würde, um die Hochzeitsnacht zu vollziehen, machte ihr zu schaffen. Es erschreckte sie, was die Sorgen nur noch größer machte. Sie sollte nicht so denken und vor allem sollte sie es Rosalia nicht neiden.
Ein Klopfen ertönte, dann trat Aaron herein. Er würde Rosalia in Vertretung ihres Vaters, der nicht mehr unter ihnen weilte, zum Altar führen. Königin Rosanna, die Mutter von Prinzessin Rosalia, würde nicht anwesend sein. Etwas, was Adora seltsamerweise beruhigte.
Sie verstand nicht, warum Prinz Rayan diese Frau heiratete. Das Volk war nicht so gut auf die Hochzeit zu sprechen, auch wenn Adora durchaus die Vorteile einer solchen sah. Dennoch war die ganze Familie der Prinzessin sehr verhasst.
Adora rügte sich in Gedanken selbst. Sie sollte nicht urteilen, ohne alle Hintergründe zu kennen. Es gab keinen Grund, Prinzessin Rosalia als schlecht anzusehen, wo sie diese doch gar nicht kannte.
„Ihr seht wunderschön aus“, flüsterte Palmira.
Adora lächelte schief. „Ihr tut fast so, als wäre ich die Braut. Ich bin nur die Schleierträgerin. Ich sollte nicht so gut aussehen. Die Aufmerksamkeit sollte auf der Braut liegen.“
Es klopfte und kurz darauf kam Aaron in den Raum. Er trug eine schwarze Weste mit roten Verzierungen und schwarze Hosen. Beides war recht einfach gehalten, sodass er zwar edel aussah, aber nicht weiter auffallen würde.
Adora, die in letzter Zeit viel mit Aaron getan hatte, schenkte ihm ein Lächeln. Dabei sah sie, dass er sie anstarrte. Dann kam er auf sie zu und küsste ihre Hand. „Ihr seid schöner als die Braut“, bemerkte er schmunzelnd.
Adora wandte sich an Palmira. „Ich sagte doch, das sollte nicht passieren“, sagte sie unruhig. Sie wollte niemanden den großen Tag verderben.
Aaron lachte. „Ihr könntet auch einen Sack tragen und wärt immer noch wunderschön“, bemerkte er, was Adora die Stirn runzeln ließ.
War das Kompliment ernst gemeint?
Adora konnte nicht verhindern, dass ihr Gesicht heiß wurde. Sie senkte den Blick. „Ihr seid zu freundlich“, flüsterte sie, fühlte sich aber unwohl.
Aaron lachte und reichte ihr den Arm. „Lass uns die Braut abholen“, sagte er, wobei er belustigt klang. „In diesem Falle beneide ich meinen Bruder überhaupt nicht. Ich kann mir wenigstens aussuchen, wen ich heiraten will“, bemerkte er, wobei sich Adora fragte, ob das mit dem Kompliment zusammenhing. Es war schwer, diese Dinge nicht in Verbindung zu bringen.
Schließlich traten sie in das Zimmer, in dem Rosalia fertig gemacht wurde. Sie trug ein wunderschönes, weißes Kleid. Ihre blonden Haare waren hochgesteckt und sie stand elegant vor dem Spiegel, während eine Dienerin ihr Blumen in die Haare steckte, an denen sie den Schleier befestigte.
Adora fand sie wunderschön, doch sie wirkte eher wie eine Puppe und nicht wie ein Mensch. Sie war so ausdruckslos. Selbst jetzt, wobei sie doch vor Glück strahlen sollte. Oder wenigstens irgendeine andere Regung zeigen.
Als sie schließlich Adora und auch Aaron zunickte, zierte für einen Moment ein Lächeln ihre Lippen.
Sofort fühlte sich Adora schuldig, weil sie so schlecht über diese Frau dachte. Sie war wahrscheinlich nur aufgeregt und nervös. Immerhin würde sich für diese jetzt alles ändern.
„Wunderschön seht Ihr aus“, bemerkte Aaron, der sich vor ihr verneigte und ihr dann den Arm reichte.
Adora hingegen knickste und machte sich stumm auf den Weg, um den langen Schleier vom Boden aufzulesen, damit dieser nicht dreckig wurde.
„Ich danke Euch. Ich hoffe sehr, Euer Bruder sieht das auch so“, antwortete Rosalia, wobei Adora sich fragte, ob sie Gefühle in der Stimme hatte. Es war sehr schwer, aus diesen Worten etwas herauszulesen.
„Er ist ja nicht blind“, lachte Aaron, bevor er sie aus dem Raum führte. Draußen war bereits alles vorbereitet und die Gesellschaft wartete.
Es war Rayans Wunsch trotz der Jahreszeit im Freien zu heiraten. Adora wusste, dass er die Natur sehr liebte und möglichst viel Zeit dort verbrachte.
Adora blendete die anderen Menschen aus. Sie mochte keine Menschenmassen und wusste, dass auch Rayan diese Hochzeitsgäste auf das Minimum reduziert hatte. Es waren nur diejenigen anwesend, die wirklich wichtig waren. Das waren jedoch immer noch genug, um den Innenhof zu füllen.
Langsam schritt Adora hinter der Braut her und hielt ihren Schleier. Dabei fiel ihr Blick auf Rayan. Er war in Weiß gekleidet, allerdings war die Weste mit vielen, goldenen Ornamenten verziert. Somit passte seine Aufmachung gut zu dem Kleid seiner Braut.
Die Kleidung unterstrich seine Statur und machte ihn in Adoras Augen wundervoll.
Einfach anziehend und attraktiv.
Adora senkte den Blick, als die Braut schließlich neben dem Prinzen stand. In ihren Gedanken wünschte sie sich für einen Moment, dass sie an ihrer Stelle wäre, doch das war nicht gerecht. Sie mochte Rayan sehr, doch ihn heiraten? Das würde sie sich nicht trauen. Sie hatte weder den Status noch die Beziehungen für eine solche Hochzeit. Woher sie kam, wusste sie bisher auch immer noch nicht. Vielleicht war sie sogar nur ein Mädchen von einem Bauernhof. Überhaupt nicht das, was sich für einen Prinzen gehörte.
Adora hörte, wie der Geistliche die Worte sprach, die das Paar aneinanderbinden würde. Das ging mit vielen großen Gesten und am Ende band er ihnen in einem symbolischen Akt der Zusammengehörigkeit die Hände aneinander. Das Band, das er dafür nutzte war aus Seide und ebenfalls weiß mit goldenen Ornamenten.
Adora trat zur Seite, als sich die Braut drehte. Nun blickte das Ehepaar in die Menge. Eigentlich hätte der Geistliche nun die Krone nehmen und sie über Rosalia halten müssen, doch Rayan war noch kein König. Zudem schien es nicht, als würde er Rosalia die Ehre einer Mitregentschaft einräumen.
Adora wusste auch warum. Seine Berater hatten zwar darauf gedrängt, doch Rayan vertraute ihr nicht. Er würde es später nachholen, sollte er der Meinung sein, diese Frau war gut für sein Reich.


































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