Kapitel 33
Jade
„Aha“ mache ich und kann es mir kaum vorstellen. Wie soll das auch funktionieren? Es dabei belassen, zucke ich mit den Schultern.
„Wie weit ist es dann noch zu deinem Ort?“ wechsle ich das Thema. Besorgt schaut Mathias zu mir. „Alles gut? Soll ich dir Fiona abnehmen?“ Eine Augenbraue hoch ziehend frage ich ihn „Weißt du wie viel ich durch die Gegend schleppe, wenn ich arbeite?“
Mathias stutzt. „Stimmt, für deinen Job muss du fit sein. Verzeih meine Besorgnis.“ „Schon vergessen, aber du hast meine Frage nicht beantwortet.“ erwidere ich. Nachdenklich schaut Mathias durch die Gegend. „Und wage es nicht Kai über diesen Rudel-Ping oder wie es heißt zu fragen.“ warne ich ihn.
Ertappt zuckt Mathias zusammen. „Nun, ich gebe es zu, ich weiß es nicht. Klär mich auf.“ schmunzelnd sage ich „Nun, die Schutzkleidung an sich wiegt schon so bis zu 25kg. Dann kommt die Sauerstoffflasche hinzu und jeweils was dann noch benötigt wird, wodurch es schnell zu 45kg Gewicht kommen kann. Manchmal eine Kreissäge oder den Spreizer müssen wir auch tragen. Hinzu wirken auf dem Wasserschlauch Kräfte, wo wir dagegenhalten müssen. Dagegen ist dieser Spaziergang mit Fiona auf dem Arm, wirklich nur ein Spaziergang.“
Bewundernd schaut Mathias zu mir. „Du bist wirklich unglaublich.“ Verlegen schaue ich weg und gehe weiter.
Es dauert tatsächlich nicht mehr lange und wir sind da. Mathias hält verschwörerisch zwei Büsche auseinander, hinter denen ein Tunnel zum Vorschein kommt. Wir gehen hindurch. Auf der anderen Seite komme ich aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Es ist eine Lichtung, die komplett von einer kleinen Klippe umgeben ist. Auf der gegenüberliegenden Seite gibt es einen Wasserfall, der in einem kleinen See mündet.
Schmetterlinge und Bienen fliegen herum. An der einen Stelle sehe ich gerade so noch zwei Hasen davon hoppeln. Die Vögel veranstalten ein wahres Konzert. Und dennoch ist es einfach friedlich.
„Wow“ hauche ich überwältigt. „Wir nennen es die Mondlichtung und den Mondsee. Die Legende besagt, dass ein Teil vom Mond vor langer Zeit hier einschlug und diese Oase des Friedens erschuf, als Rückzugsort für uns Werwölfe und andere bedürftigte Tiere. Schließlich würde man nie vermuten, dass es hier diesen Ort gibt. Selbst wir können ihn nicht kategorisieren. Er muss durch Magie geschützt sein. Umso wertvoller ist er für unser Rudel. Sollten wir mal angegriffen werden, zieht sich unser Rudel hierher zurück.“
„Angegriffen?“ frage ich verunsichert. Mathias seufzt. „Ich werde ehrlich sein Jade. Nicht alle Rudel leben friedlich, wie unseres. Wobei unserer auch nicht gerade friedlich ist. Aber wir haben Glück mit unseren Nachbarn. Abgesehen von anderen Rudeln, gibt es auch noch die Rouges. Werwölfe, die ihren Verstand aus dem einen oder anderen Grund verloren haben. Hin und wieder greifen die uns auch an. Aber es ist schon lange her, dass jemand aus unserem Rudel deswegen starb. Wir haben starke Kämpfer und sind auch etwas gefürchtet, worauf ich ehrlicherweise Stolz bin. Du brauchst keine Sorge zu haben. Fiona und du, ihr seid in Sicherheit. Ich werde nicht zulassen, dass euch etwas passiert.“ spricht er bestimmend.
„Aha“ mache ich nur und wende mich wieder der kleinen Oase zu. Darüber werde ich nicht nachdenken. Ich habe auch einen ziemlich riskanten Job gewählt, obwohl ich Fiona habe.
Ich suche einen schönen Platz für die Decke und breite sie aus. Auf dieser setzte ich Fiona ab, die sich begeistert umschaut. Auch Mathias stellt seine Sachen ab. „Ich habe die Stimmung ruiniert oder?“ fragt er geknickt.
„Hm, etwas. Aber mein Beruf ist ebenfalls riskant. Von jeder Schicht könnte ich nicht mehr zurück kommen. Ich würde sogar fast behaupten, dass es bei euch dann sicherer wäre.“ meine ich schmunzelnd. Mathias Blick aber verdunkelt sich. „Versprich mir, dass du alles in deiner Macht tun wirst, um wieder zurück zu kommen! Wenn nicht für mich, dann für Fiona!“
„Das werde ich, versprochen.“ sage ich von seinen Worten gerührt. Wir packen die Mitbringsel weiter aus und genießen währenddessen die Ruhe und den Frieden, der hier herrscht.
Fiona ist ganz begeistert von den Tieren die hier herumschwirren. Während sie auf ihrem Beißring herumkaut, beobachtet sie die Umgebung aufmerksam.
Zwischen Mathias und mir herrscht eine angenehme Ruhe. Still bietet er mir Kekse an. Dankbar lächle ich ihm zu und nehme mir einen. Wir alle genießen die Ruhe, hier an diesem friedlichen Ort.
Nach einiger Zeit beginnen Mathias und ich leise miteinander zu reden, um die Ruhe des Ortes nicht zu stören. Er berichtet mir von seiner Jugend und was er alles angestellt hat. Bei der einen oder anderen Geschichte muss ich Schmunzeln.
Auch ich beginne ihm einige Geschichten zu erzählen. Ohne es wirklich zu merken, erzähle ich ihm auch von John.
„John muss ein wirklich toller Mann gewesen sein.“ spricht Mathias. Ich verstumme und versinke in meinen Gedanken. Erst jetzt wird mir klar, dass ich ohne Trauer über John erzählt habe. Auf meine Gefühle achtend spreche ich „Ja, das war er.“
Eine leichte Melancholie befällt mich, doch ansonsten, geht es mir überraschend gut.
„Worüber denkst du nach, dass du dein Gesicht so verziehst?“ fragt mich Mathias sanft. „Das ist das erste Mal, dass ich frei über John reden kann.“ erwidere ich.
Mathias nickt verstehend. „Ich vergaß, der Ort heilt auch. Du musst mir glauben, ich wollte dir nicht deinen Schmerz nehmen. Aber das hätte der Ort auch nicht geschafft, wenn du nicht sowieso auf dem Weg der Verarbeitung wärst.“ sagt er reuevoll.
Überrascht schaue ich zu ihm. „Das kann der Ort?“ „Naja, der Frieden, der hier herrscht, geht auf einen über. Wenn man emotional aufgewühlt ist, legt es sich und man kann klarer darüber denken, wodurch es sich meistens auch klärt.“ erklärt Mathias.
Verstehend nicke ich. „Das trifft ziemlich gut auf mich zu. Ich fühle mich in meinen Gefühlen geordneter. Ich liebe John, dass werde ich immer tun, nicht zuletzt, weil er mir Fiona geschenkt hat. Aber er wird leider nie wieder ein aktiver Teil meines Lebens werdens. Schließlich ist er an einem Ort, wo ich ihm jetzt nicht folgen kann.“
Während ich spreche, höre ich Mathias mehrmals knurren. „Ich weiß, du willst das nicht hören. Aber wenn du willst, dass ich dir eine Chance gebe, muss du meine Vergangenheit akzeptieren. Und zu dieser gehört John. Aber leider ist es vergangen. Du könntest ein Teil unserer Zukunft werden, wenn du das Vergangene tolerierst.“ spreche ich entschieden zu ihm.
Wie ein gerügter Junge, neigt Mathias seinen Kopf. „Verzeih mir und meinem Wolf. Wir sind dabei es zu akzeptieren, aber wir sind leider auch sehr besitzergreifend.“
Ich nicke verstehend. Zaghaft frage ich „Magst du, vielleicht, also magst du mir deinen Wolf zeigen? Ich bin neugierig. Und dieses Mal habe ich keine Angst.“
Mathias schmunzelt und zieht sein Shirt über den Kopf. Nach Luft schnappend, schaue ich schnell weg, während er sich auszieht, um sich zu verwandeln.
Nur wenige Augenblicke später, stupst mich eine feuchte Wolfsnase an, woraufhin ich den Blick zum Wolf lenke.
Bevor ich irgendwie reagieren kann, quietscht Fiona auf und stürzt sich regelrecht auf Mathias. Mathias legt sich sanft hin, woraufhin sich Fiona bei seinem Bauch in sein Fell kuschelt.
„Habt ihr das schon öfters gemacht?“ frage ich ihn, ohne meinen Blick von Fiona zu wenden. Als keine Antwort kommt, blicke ich in seine Augen und schalte mich dann selber. Wie soll Mathias als Wolf auch antworten?
„Habt ihr..“ fange ich wieder an und ich sehe den Wolf nicken. Seine Augen schauen schuldbewusst aus. „War sie ängstlich?“ frage ich weiter. Nun schüttelt der Wolf seinen Kopf.
Beruhigt nicke ich. „Das war sie schon bei eurer ersten Begegnung nicht. Sie ist so mutig.“ erinnere ich mich.
Wir bleiben für eine Weile so sitzen, beziehungsweise liegen. Fiona streichelt das Fell von Mathias und brabbelt vor sich hin. Neugierig schaue ich auch zu Mathias. Er scheint es zu spüren und legt seinen Kopf auffordernd in meinen Schoß.
Ich lasse mich nicht lange bitten und streiche ihm über den Kopf. So vergeht in stiller Harmonie der Tag.






























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