Kapitel 15 – Entwischt
Ein Bär trotzt Kälte und Eis. Solch ein Tier ist wahrlich zu fürchten. Ein Treffer mit den Pranken bringt selbst eine Elfe zu Fall. Riley irrte sich in Ava. Damit steht er nicht allein in der Welt da. Viele belächeln die Geschichten über Samiras Beschützerin. Ava wurde mal wieder unterschätzt. Nur befindet sich in einem Zustand der Raserei. Außer Kontrolle. Wenn Samira nicht einschreitet, wird die Elfe in Kürze zerfetzt. Zum Glück eilt Riley herbei, denn Samira rutscht erneut auf der Eisfläche aus und findet Halt in seinen Armen. Die Verwirrung in seinem hübschen Gesicht entlockt ihr ein Grinsen. Ein kurzer Dank und sie schreitet vorsichtiger Richtung Tisch.
„Ava, ich brauche sie lebend!“
Der Anblick, der sich ihr hinter dem Tisch bietet, lässt die Prinzessin staunen. Denn Ava ist ein strategisches Genie, wenn es um den Kampf geht. Die gezielten Schnitte an den Unterarmen machen die Hände unbrauchbar, somit kann das anmutige Geschöpf keinerlei Magie mehr verwenden. Damit muss das anmutige Geschöpf ordentlich an Stärke einbüßen.
Trotz der Lage lächelt die Elfe überheblich und spielt somit mit ihrem Leben. Denn Ava mag sich erhoben haben, aber sie schnauft provoziert. Dabei gilt die Aufmerksamkeit der Elfe nicht der Leibwache, sondern der Person, die sie aus der Reserve gelockt hat. Aus der Finsternis tritt jemand an das Geschehen heran. Cassandras Gestalt wirkt verändert, verzerrter und dunkler. Begleitet von schwarzen Rauchschwaden und heißen Dampf erschüttern ihre Schritte den Boden. Ein bedrohlicher Schatten verdeckt die Hälfte ihres Gesichtes und doch stechen rotglühende Augen hervor.
Selten wird Ava bleich um die Nase, aber als sie sich mit gebleckten Zähnen umdreht, entgleiten ihr sämtliche Gesichtszüge. Bewusst dreht sich Samira um zu Riley, der sich sein Schwert zurückgeholt hat. Auch seine schockgeweiteten Augen liegen auf Cassandra, somit muss sich Samira nicht mehr verstellen und kann handeln. Mit klopfenden Herzen wagt sie sich an die Akrobatik und verflucht ihre Garderobe. Der Kleiderrock erweist sich als hinderlich und macht ihren mutigen Sprung über den Tisch zur Lachnummer. Dabei haben ihre Arme nicht den Dienst versagt. Würden sich ihre Beine nicht im Stoff verfangen, dann wäre sie sicher auf oder sogar über den Tisch gesprungen. Nun aber plumpst sie mitten auf die Tischplatte. Zwischen all dem Geschirr.
Sämtliche Augenpaare ruhen damit auf ihr. Auch Cassandra hält inne. Mit glühenden Wangen erhebt sich Samira und ekelt sich im gleichen Moment, denn ihre rechte Hand packt in den Tomatenreis. Frustriert über den misslungenen Rettungsversuch lässt Samira die Hand sinken und findet nicht mal mehr den Mut, aufzublicken. Der Schrecken ist daher groß, als zwei kräftige Arme sie vom Tisch ziehen und ihr nachträglich Halt am Boden gegeben wird. Riley hat sein Schwert weggepackt und schenkt ihr ein sanftes Lächeln, das die dunklen Wolken in ihrem Kopf verdrängt und die warmen Sonnenstrahlen rauslockt. Zu kurz blicken sich beide an, denn der Paladin hat die Bedrohung nicht vergessen und tritt von der lebendenden Prinzessin fort.
„Wo zum Henker…“ Avas Brüllen ist alarmierend. „Sie ist weg! Die Gefangene ergreift die Flucht!“
Ava blendet Cassandra aus. Sie steuert den Flur an und spielt auf Befehlshaberin. Cassandra hingegen dreht sich gezielt zu Riley um.
„Beschütze meine Schwester! Ich schnappe sie mir und knechte sie bis in alle Ewigkeit an meine Schwester!“
Ihre Stimme hallt alarmierend durch die Räumlichkeit. Der Zorn ist spürbar und erschwert das Atmen.
Empört zieht Riley die Luft ein. „Bist du verrückt, Cassandra? Sie hat eine Verabredung mit dem Henker!“
„NEIN! Sie nimmt meinen fehlenden Platz ein! Überzeuge meinen Vater und vereitle die Hinrichtung!“
Wild entschlossen stürmt Cassandra schließlich los. Richtung Fenster. Ohne Scheu springt sie hinaus, als wüsste sie, wo sich die Maus versteckt. Riley hingegen seufzt laut und fasst sich verzweifelt an den Kopf.
„Sie verlangt das Unmögliche von mir! Als hätte ich ein Mitspracherecht! Als könnte ich den König überzeugen!“
Er denkt laut. Zu Samiras Vorteil. Damit spielt er ihr in die Karten.
„Sir Riley“, flötet Samira und packt feste an seiner Schulter zu, „ich finde, wir sollten uns mal unterhalten.“
Furchterfüllt schluckt der edle Ritter. Als habe ihn ein Eiszauber getroffen, rührt er sich nicht von der Stelle und wirkt festgefroren. Brav wie ein Hündchen lässt er sich zum Tisch führen, wo sie ihn auf den Stuhl hinab drückt, um kurz darauf ihm gegenüber Platz zu nehmen. Quälend langsam schiebt Samira alles an Geschirr beiseite, damit sie sich mit dem Tagebuch auseinandersetzen kann. Daher will sie sich an einem kleinen Gesprächsprotokoll bedienen. Aus Sorge, die Hälfte von seiner Version geht vergessen. Ein Griff zu einem warmen Handtuch und die Überreste des Tomatenreises sind fortgewischt.
Hilfesuchend blickt sich Riley um und startet einen Versuch, um zu entkommen.
„Ich sollte Ava ablösen. Meine Gefangene ist mir entwischt und irgendwie haben sich die Rollen vertauscht. Ava sollte hier sitzen. Oder ein anderer Leibwächter. Am besten die ganze Gruppe, denn Ihr unterschätzt den Feind.“
Seine vielleicht gutgemeinte Kritik nimmt Samira als Angriffsfläche. Streng und tadelnd starrt sie ihn an und löst anscheinend Unbehagen in ihm aus. Denn Cassandras Freund rutscht bis ans Ende der Stuhllehne und erinnert sie mehr an ein eingeschüchtertes Reh als an einen stolzen Paladin.
„Seid unbesorgt, Sir Riley. Ava ist eine pflichtbewusste Frau. Sie wird freiwillig nicht zurückkehren. Selbst wenn wäre sie mir hier nicht von Nutzen. In ihren Augen hat sie einen großen Fehler gemacht und sich auf das Unterfangen eingelassen. Nun wird sie die Suppe auslöffeln und hat Vertrauen darin, dass Ihr den fehlenden Posten einnehmt.“
„Ich bin verloren.“
Sein Nuscheln erhellt ihre Miene. Diese Seite an ihm findet sie wahrlich niedlich.
Das Tagebuch ist gerade aufgeschlagen, da betreten die Zwillinge das Gemach.
„Samira, geht es dir geht?“
Jared spricht, als sei nie etwas geschehen. Entschlossen stampft er auf sie zu, aber sie hebt mahnend die Hand.
„Ihr nervt!“, rutscht es ihr heraus, denn die beiden sind wahrlich dabei, Riley eine Chance zur Flucht zu verschaffen.
„Wie bitte?“, reagiert Savas empört.
Sie seufzt laut und bemerkt, wie Riley sich bereits hochkämpft. Mahnend zischt sie seinen Namen, um darauf ihre zwei Beschützer zu verscheuchen. Das Biest in ihr erwacht, denn sie ist ihren Ziel so nah, und die beiden Zwillinge haben ein schlechtes Timing.
Ruhe kehrt endlich ein, als beide Brüder vor die Tür verbannt sind. Samira hat sie persönlich begleitet und hinausgeworfen. Es kostet ihr ein paar Atemzüge, um die Beherrschung zurückzuerlangen. Vergebens. Riley hat seine Unsicherheit abgelegt und strahlt vor Entschlossenheit. Er marschiert entschlossen an ihr vorbei. Gegen Cassandras Wunsch.
„Verzeiht, aber ich werde hier nicht still sitzen bleiben. Savas und Jared…“
Kaum fällt der Name aus seinem Mund, gerät er ins Stocken. Sicherlich wegen der Sache von vorhin. Kurz gerät sein Tatendrang ins Wanken, aber dann ballt er die Hand zur Faust und schlägt diese gegen seinen Brustpanzer, als müsse er aus einem Alptraum erwachen. „Savas wird über Euch wachen. Ich schnappe mir seinen Bruder und jage der Elfe hinterher.“
Damit reißt Samiras Geduldsfaden endgültig. Schnell wie der Wind überholt sie ihn und presst ihren Körper gegen die Flügeltüren.
„Haltet ein! Denn ich fordere Antworten! Über meine Schwester! Ihr könnt Sie sehen, leugnet es nicht!“
Aber Riley schnappt sich ihre zierliche Gestalt und schiebt sie behutsam zur Seite.
„Verzeih, Samira. Später komme ich auf Euch zurück. Versprochen. Aber nun muss ich gehen und ich lasse mich nicht bremsen. Selbst von dir nicht.“
Es zeigt Wirkung, dass er sie auf Augenhöhe anspricht. Ihr Zorn verpufft augenblicklich. Fast hätte sie ihn willenlos passieren lassen, aber kaum drückt er die Türklinken hinab, trifft sie einen Entschluss.
„Ich begleite dich!“



























Kommentare