Kapitel 7

Die tödliche Waffe saust über ihre Köpfe hinweg, während Clive sich mit Sina unter der scharfen Messerklinge hinweg duckt. Ein eisiger Luftzug über ihnen, während das Schwert das eigentliche Ziel verfehlt.

 

Welch ein Glück, dass Clive instinktiv reagierte. Schnell genug. Er sah Sina schon aufgespießt auf dem gepflasterten Boden liegen. Schnell verbannt er dieses grauenvolle Bild aus seinem Kopf.

 

Ihnen bleibt kaum Zeit, schließlich holt ihr Attentäter erneut aus. Eilig schnappt sich Clive Sina und führt sie in den Hintergrund. Hauptsache fort von der Gefahr. Er bildete die schützende Mauer zu ihr und richtet sich auf, um im nächsten Moment zu erstarren. Panik bricht um sie herum aus. Die Sklaven vor der Kutsche laufen davon und drängen sich an ihm vorbei. Doch der Alchemist hat nur Augen für den angehaltenen Söldner, der das Schwert gegen ihn wendet, statt zum Schutz. Linus Entschluss steht fest in Stein gemeißelt, das verraten seine strengen Züge. Die Entschlossenheit, die er Clive entgegen schmettert. Ein wütendes Schnaufen wie ein erzürnter Bulle mit dem Blick auf Sina gerichtet lässt Clive ahnen, dass der Söldner das Urteil einer Hexe selbst in die Hand nehmen mag.

 

Ein Gespräch mag viele Probleme aus der Welt schaffen, doch dafür müssen sich beide Parteien öffnen. Eine Bedingung, die nicht gegeben ist. Linus blendet seinen Freund aus. Er hat die Ohren auf Durchzug. Clive ruft ihn zwar erbost, aber der Söldner schiebt ein Bein vor und verlagert sein Gesicht nach hinten. Er hebt das Schwert, als wolle er Sina mit einem Sturmangriff aufspießen. Einen Anblick, den der Alchemist schon einmal zu sehen bekommen hat. Eilig dreht er sich um.

„Zur Seite, Sina! Schnell!“

Blindes Vertrauen beweist sie ihm und gehorcht. Gerade rechtzeitig, denn nur wenige Sekunden später und Linus hätte sie aufgespießt. Die Dame keucht vor Entsetzen, als habe sie die Fähigkeiten eines Söldners unterschätzt. Hilfesuchend blickt sie zu Clive, der sie heranwinkt. Ihre Beine reagieren zuerst langsam, nehmen mit jedem weiteren Schritt aber mehr Fahrt auf. Fast angekommen übernimmt Clive die Führung. Fort von der Kutsche. Zurück zum Marktplatz, um dort eine neue Fluchtroute anzustreben.



 

„Ich kriege dich noch, Hexe!“

Linus Ruf trieft vor Verachtung. Er unterschätzt Clive und gewährt ihnen einen Vorsprung. Clives Herz schlägt unterwegs so wild, dass er befürchtet, es würde ihm gleich aus der Brust springen. Alles wäre sicherlich einfacher, wenn er die Stadt besser kennen würde. Auf dem Marktplatz herrscht noch immer großer Tumult. Die Anzahl der Soldaten hat sich verringert und auch von Cuno fehlt jeder Spur. Doch die Sklavenhändler und auch die Artisten setzen sich zu Wehr. Sie legen sich verbal und auch mit Waffen zur Wehr. Doch statt das Zentrum anzusteuern wählt Clive die nächstbeste Abzweigung. Fern vom Marktplatz. Er hofft, dass seine Wahl sie in keine Sackgasse lotsen wird. Denn das wäre das Ende ihrer Reise. Was auch geschieht, er wird diese arme Frau mit seinem Leben verteidigen. Ihre erst kürzliche Freiheit soll sie noch viel länger auskosten können. Wenn möglich wünscht er ihr ein sorgloses und glückliches Leben.

 

Falsche Hoffnungen zeigen erneut, wie naiv Clive sein kann. Der Söldner hat sich von Anfang an verdächtig verhalten und es ärgert Clive, dass er alle Warnzeichen ignorierte. Er war geblendet, schließlich ist Linus in seiner Heimat kein unbeschriebenes Blatt. Pflichtbewusst und verlässlich hieß es von Clives Mentor. Jemand, der sich an Gesetze und Regeln hält und keine Ausnahmen macht. Linus hat Talent, ohne Frage. Gerade deshalb, wurde er für diese Reise angeheuert. Und doch hoffte Clive, die Reise habe die beiden geformt und aufgrund ihrer Freundschaft hätte der Alchemist auf ihn zählen können. Eine falte Fehleinschätzung, die ihm nun zu Kosten kommt. Linus mag bislang nur auf Sina fokussiert sein und doch fürchtet Clive, dass der Söldner auch über Rebellen richten wird. Linus erweist sich als großes Problem. Denn selbst wenn dem Alchemisten erfolgreich die Flucht mit Sina gelingt, wird Linus Meldung an die Söldnergilde und dem Magisterturm erstatten. Ein weiteres Szenario, dass Clive verhindern muss. Denn abgesehen von seiner Strafe, wären somit noch andere Personen in Gefahr. Darunter der Graf und auch Cuno. Daher benötigt Clive genügend Distanz zur Bedrohung, um nach einer Lösung zu suchen. Ein sicheres Versteck, ohne Linus aus den Augen zu verlieren. Denn sobald der Söldner die Jagd aufgibt und einen Boten ins Spiel holt, ist alles vorbei.



 

Im Kampf wird Clive dem Söldner nicht gewachsen sein. Daher nutzen die beiden jede Versteckmöglichkeit, die sie auf ihren Weg durch die dunklen Gassen finden. Als sie hinter einen Stapel Kisten pausieren und keuchend nach Luft rinnen, entdeckt er Linus aus der Ferne. Der Söldner beweist sich als sehr aufmerksam. Ein wahrer Bluthund, den sie so schnell nicht loswerden. Je weniger Schritte zwischen ihnen liegen, desto bedrohlicher und größer wirkt Linus auf den Alchemisten.

 

Clives Brustkorb hebt und senkt sich vom langen Sprint, sein Atem geht unregelmäßig. Seine Oberschenkel und Lungen brennen fürchterlich. Sein Körper stößt an seine Grenzen. Ein Nachteil als fauler Akademiker. Nur kürz lässt Clive die Umgebung auf sich einwirken. Die wenigen Läden um sie herum sind geschlossen und sonst befinden sich vor Ort nur Wohnhäuser. Die Flucht wirkt zwecklos, daher muss jetzt ein Plan her. Denn die Konfrontation wirkt unausweichlich. Im Schnelldurchlauf ruft sich der Alchemist den Inhalt des Koffers vor Auge. Substanzen, die ihm helfen können. Doch alles hätte einen bitteren Nachgeschmack. Vielleicht sogar tödlich. Alles, was er einsetzen könnte, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit dem Söldner schaden, wenn nicht sogar für sein gesamtes Leben einschränken. Clive mag Linus nicht für den Tod seines Freundes und auch nicht für das Ende seiner Karriere verantwortlich sein. Wenn möglich, dann bevorzugt er eine friedvolle Alternative.

 

Ein Mauzen durchbricht die Stille. Der Söldner schreckt zurück, als sich ihm eine schwarze Katze nähert. Das Fellknäuel verschmilzt fast mit der Finsternis, nur die sonnengelben Augen stechen aus der Dunkelheit hervor. Bereits in den vergangenen Wochen wurde Clive Zeuge von Linus abergläubischen Verhalten. Der Söldner wirkt auf Anhieb und furchtlos, nur das Thema Flüche und dunkle Magie lehrt ihn das Fürchten.  Stirnrunzelnd beobachtet Clive, wie sein ehemaliger Beschützer verzweifelte Versuche startet, um das Tier zu verscheuchen. Der Söldner ahmt einen knurrenden Hund nach, woraufhin die Katze den Kopf schief legt. Neugierig beobachtet das Tier Linus und rührt sich dabei nicht von der Stelle. Gefrustet tritt Linus einen Stein fort und geht auf Abstand. Sein Verhalten lockt eine zweite Katze an. Ebenfalls schwarz wie die Nacht und spindeldürr. Mauzend nähert sich das Tier, woraufhin Linus rückwärts läuft.



„Wiegt euch vorerst in Sicherheit!“, brüllt er mit einem Grinsen voll Wahn, „Aber diese Nacht wird die Hexe nicht überstehen! Ich finde einen anderen Weg!“

„Warum umgeht er die Tiere nicht einfach?“, spricht Sina ihre Verwirrung aus.

Ein interessanter Punkt. Doch Samtpfoten aller Arten haben Linus schon immer in die Enge getrieben und aus zwei Straßenkatzen wird eine ganze Horde. Linus zieht sein Unheil unbewusst an. Eine Angst, die er kaum überwunden bekommt. Im Nachhinein erinnert sich er Alchemist, dass selten das Thema Hexe zur Sprache kam und Linus immer voller Verachtung und Zorn sprach. Sicherlich steckt eine Geschichte dahinter. Eine, die er besser in Erfahrung gebracht hätte, bevor die Mission gestartet hat. Doch wer weiß, ob Linus bereit wäre, über die Schrecken der Vergangenheit zu sprechen. Eher unwahrscheinlich. Sein Begleiter hütete die Büchse seines vergangenen Lebens eisern, als hause darin ein Monster.

 

Linus kehrt zurück zum Marktplatz, sodass Clive für einen kurzen Moment aufatmet. Der Söldner versicherte, dass die Hetzjagd nicht endet, damit besteht Hoffnung, dass vorerst nichts nach außen sickern wird. Das gibt ihm die Zeit, die er benötigt, um einen Plan zu schmieden. Sein Blick schweift umher, vielleicht findet er den einen oder anderen Anhaltspunkt, um herauszufinden, wo er ungefähr stecken könnte.

Sina ist nicht dumm und erkennt: „Du wirkst verloren.“

„Zur Kutsche können wir nicht zurück, wenn möglich, laufen wir zum Anwesen“, teilt er ihr seinen Plan mit.

Ein Blick in ihre wunderschönen, ozeanblauen Augen helfen ihm, sein wildschlagendes Herz zu beruhigen. Ihre Anwesenheit hat eine beruhigende Wirkung auf ihn, dabei steht sie nur da und betrachtet ihn stumm.

 

Der Graf sollte über die Situation informiert werden. Sina allein losschicken oder sie an einen Soldaten anzuvertrauen wäre mit zu viel Gefahr verbunden. Clive wurde Zeuge, wie die Menschen auf Sina reagieren, daher mag er sich nicht von ihr trennen und ihren Schutz selbst gewährleisten. Linus wird sicherlich ebenfalls das Anwesen des Grafen ansteuern. Schließlich kam ein Handel zustande. Ohne die Heilung der Grafentochter wird Clive nicht die Stadt verlassen. Linus kennt den Alchemisten zu gut, daher stehen die Chancen hoch, Linus unterwegs oder am Anwesen zu treffen. Zeit, um sich auf den großen Moment vorzubereiten.



Die kühle Nachtluft durchflutet seine Lungen und die Sterne strahlen bereits am Himmel. Ihr Weg mag führt sie durch die Straßen von gepflegten Wohnvierteln. Unter anderen Umständen wäre dieser Spaziergang sogar romantisch bei all den vielen prächtigen Rosenbeeten und im glanzvollen Laternenschein. Doch auch wenn die beiden Linus vorerst abgehängt haben, bleibt Clive wachsam. Die Erschöpfung zeichnet sich bei Sina ab. Ihre Augen drohen zuzufallen und ihr Körper schwankt verdächtig. Die Gefangenschaft hat sicherlich viel von ihr abverlangt. Tage und Nächte volle Sorge. Sicherlich kam sie nicht auf ein gesundes Trinkvolumen. All die Anspannung fällt langsam von ihr. Das Adrenalin gab ihr den Kick, den sie brauchte, um zu überleben. Nun aber wird sich ihr Körper nach ein wenig Ruhe sehnen. Nach einer kurzen Pause, um neue Kraft zu tanken.

„Verzeih mir, Sina. Ich wünschte, du hättest dich bereits während der Kutschfahrt ausruhen können“, unterbricht er die Stille.

Er führt sie zu einer Treppe, die zu einer höheren Ebene eines Hauses führt. Er platziert sie direkt an dem Mauerstück, sodass sie ein wenig versteckt zur Ruhe kommen kann.

 

Ein warmherziges Lächeln soll sie aufmuntern, doch kaum neigt er den Kopf, fällt seine Brille hinab. Sina fängt diese, ehe sie zu Bruch geht und betrachtet das Model misstrauisch.

„Was ist das?“

Wie unangenehm. Seine Wangen röten sich. Auch wenn er sich längst mit seiner schlechten Sehkraft abgefunden hat, wird es gerade jetzt unangenehm für ihn. Schließlich lässt ihn dieses Assecoire seltsam aussehen.

„Eine Brille, ich sehe sehr schlecht.“

Er hätte mit einigen Fragen gerechnet, stattdessen begutachtet sie seine Sehhilfe weiter.

 

„Du hast mein Leben gerettet, Sina. Dafür habe ich mich noch nicht bedankt.“

Die Sache mit dem Pfeilhagel blieb bislang unkommentiert und doch will er nicht seine Manieren vergessen. Sina mag aufblicken und seine Worte kurz auf sich einwirken lassen, und doch bevorzugt sie das Schweigen. Ihre ausdruckslose Miene bleibt nichtssagend. Clive kann unmöglich erkennen, was in ihr vor sich geht.

Der Moment der Stille endet, als Sie ihm die Brille mit einer Frage reicht: „Warum hast du mich gerettet?“



„Ich kann den Sklavenhandel nicht gutheißen, ich hätte mir nie verziehen, wenn ich nichts gegen deine Versteigerung unternommen hätte.“

Und wieder lässt sie seine Antwort im Raum stehen, dabei würde er nur zu gern wissen, wie sie darüber denkt.

 

Den Kopf richtet Sina Richtung Himmel mit einem langen Seufzen und einem erneuten Blick, der an Heimweh erinnert. „Ich gehöre hier nicht hin.“

Es muss schwer sein, von der Heimat getrennt zu sein. Geplagt von einer Ungewissheit über eine mögliche Rückkehr.

„Deshalb bringe ich dich nach Hause.“

 

Ihre Lippen presst sie zu einem schmalen Strich zusammen und ein Glänzen in ihren Augen lassen ihn unterdrückte Tränen vermuten.

„Ich bezweifle, dass dies möglich ist.“

Erneut zweifelt sie an seinem Vorhaben. Daher möchte er ihre Denkweise verstehen und hinterfragt: „Wie kommst du darauf?“

„Ihr bezeichnet mich als Hexe, aber ich bin keine Hexe“, behauptet sie noch immer. Überzeugter denn je.

Und doch wurde er Zeuge eines Wunders, das er sich nicht erklären kann.

„Du hast einen Pfeilhagel aufgehalten.“

„Das habe ich, aber das war nichts besonders.“

Sina leugnet diesen Trick nicht, aber das widerspräche allem.

Statt sich darauf festzubeißen, kommt er auf einen anderen Punkt zurück. „Was hat es mit deinen Flügeln auf sich? Kannst du damit fliegen?“

Sie blinzelt verwundert und starrt ihn an, als hätte er eine selten dämliche Frage gestellt. Eine ganze Weile herrscht diese peinliche Stille zwischen ihnen. Er wollte schon das Thema wechseln, da kommt sie ihm zuvor.

„Hast du solche Flügel schon mal gesehen?“

Sein Blick haftet auf ihre wunderschönen Schwingen. Der Anblick hypnotisiert ihn eine ganze Weile. So viele Fragen wirbeln ihm durch den Kopf, er wüsste zu gern mehr darüber.

Wie sich die Flügel wohl anfühlen mögen?

Ob er sie ohne Bedenken berühren könnte, ohne ihr damit zu schaden? Schließlich schadet den Mensch einem Schmetterling, wenn er die Flügel berührt.

Wie sie wohl an die Flügel gekommen sein mag?

Ob sie beim Umziehen stören?

 

Gedankenverloren blickt Clive auf. Sina betrachtet ihn mit solch einer Intensität und Neugier, sodass er sich an ihre Frage erinnert. Ein Räuspern und er gesteht ihr: „Nicht an einem Menschen.“



„Ich bin auch kein Mensch oder eine Hexe“, teilt sie ihm mit gedämmter Stimme mit.

Das Gespräch wird in eine kuriose Richtung gelenkt. Clive beginnt zu zweifeln. Würde sie nicht so bitter ernst reinblicken, hielt er das Ganze für einen Scherz.

„Was bist du dann?“

Eigentlich traute er sich kaum, solch eine Frage zu stellen. Nach dem Unbehagen von gerade eben, hätte er auch nicht mehr mit einer Antwort gerechnet.

„Eine Fee“, verkündet sie stolz und lächelt zum ersten Mal in seiner Gegenwart.

Ein ehrliches Grinsen. Voller Wärme und Sonnenschein. Sina verhält sich, als würde er mit dem Begriff etwas anfangen können. Keine Erklärung, kein Hinterfragen, einfach Stille und Neugier. Doch eine Fee kam in keiner ihm bekannten Lektüre vor.

Verwirrt legt Clive den Kopf schief. „Was ist eine Fee?“

Sina vergisst ihre Lage und muss laut losprusten. Einerseits mag er sich für sie freuen. Für ihre plötzliche Sorglosigkeit und zurückkehrende Freude, aber anderseits spielt Linus weiterhin den Bluthund. Sina verhält sich zu laut, das könnte ihnen zum Verhängnis werden.

 

Zum Glück fängt sich Sina von allein. Clive mag sie ungern tadeln, denn nach all der Zeit in Gefangenschaft sei ihr etwas Spaß und Freude gegönnt. Doch Sina weiß ihn zu überraschen, schließlich fragt sie aus heiterem Himmel: „Unser Jäger wirkte wie ein Freund von dir. Ein Freund, der sich wegen meiner Befreiung gegen dich gewandt hat.“

Die Entwicklung schmerzt Clive noch immer. Der Alchemist war gern mit Linus unterwegs und lernte seine Gesellschaft zu schätzen.

„In der Tat. Linus wurde angeheuert, um mich zu beschützen. Wir haben uns immer gut verstanden. Auch wenn er sich gegen mich gewandt hat, mag ich ihn als Freund betiteln. Denn wer weiß, vielleicht bekomme ich ihn doch noch zu besinnen. “

Sie betrachtet ihn mit hochgezogener Augenbraue und fragt nun genauer nach: „Wieso? Warum sollte man dich beschützen? Bist du ein Prinz oder irgendwas in der Art?“

Kaum ist es ausgesprochen, blickt der Alchemist zu sich hinab und mustert seine Kleidung. Er ist nicht wie der Adel gekleidet, woraufhin er sich fragen muss, wieso Sina so etwas in den Raum wirft.

„Ähm …nein, ich werde einfach nicht gerne gesehen und trete eine gefährliche Reise an, wodurch ich auf Schutz angewiesen bin.“



„Warum wirst du nicht gerne gesehen?“

Sie durchlöchert ihn mit Fragen. Einen Wissendurst, den er begrüßt, auch wenn sie sehr forsch und misstrauisch klingt. Doch sie verweilen bereits zu lange an jenen Ort. Länger als geplant.

„Reden wir doch im Anwesen weiter, ich würde gerne weiter.“

 

Die Fee schüttelt entschlossen ihr Kopf, bevor sie ihn fragt: „Sag mir, Clive, bist du ein böser Mensch?“

Verblüfft über ihre Frage blinzelt er verdattert. Ihm fehlen zuerst die Worte. In seinem ganzen Leben bekam er die Frage noch nie zu hören. Beunruhigt blickt er zurück in die vergangenen Stunden. Auf der Suche nach Hinweisen, die ihn wie einen bösen Menschen aussehen lassen könnten.

„Wie kommst du darauf?“

„Nun ja, du sagtest, du wirst nicht gern gesehen und ich weiß nicht Recht, was ich von dir halten soll“, spricht sie über ihr Misstrauen.

Seufzend legt er den Kopf in den Nacken und blickt hinauf in den Sternenhimmel. Der leuchtende Anblick der unzähligen, funkelnden Sterne hilft ihn, die Gefahr durch Linus kurz auszublenden.

Aber hat er ihr Vertrauen womöglich verspielt?

Solange er ihr keine Antwort liefert, wird sie sicherlich nicht gewillt sein, ihm zu folgen. Nur muss er sich kurz halten.

 

„Ich bin ein Alchemist, Sina. Ich werde zwar geduldet und dennoch nicht gern gesehen. Ich helfe kranken Leuten. Nicht jeder ist darüber erfreut, schließlich werden Krankheiten als göttliche Strafe betrachtet.“

Seine Antwort scheint sie zu beschäftigen, schließlich runzelt sie die Stirn und beginnt den Boden anzustieren. Die Uhr tickt bedrohlich und Clive meint sich schon einzubilden, Linus Schritte zu hören.

„Sina, wir sollten weiter. Bevor …“

Es ist bereits zu spät. Linus hat sie gefunden. Der Söldner springt die Treppen über ihnen hinunter. Mit dem Schwert voran. Zum Glück handelt Sina reflexartig, als sein Schatten das Unheil ankündigt. Sie springt rechtzeitig fort und nimmt schockiert Abstand, während das Schwert sich in die steinerne Treppe bohrt und zu Brechen droht.

 

Der Söldner kann so froh sein, dass das Schwert in einer winzigen Nische gelandet ist, sonst hätte er seine Waffe aufgeopfert.

Hier und jetzt ist Clives Chance.



Der Alchemist erhofft sich, bei seinem Wegbegleiter durchzudringen: „Sie stellt keine Bedrohung da, Linus. Bevor du zu schnell urteilst, solltest du ihr erst mal zuhören.“

„Pah! Damit ihre manipulierenden Worte mein Urteilsvermögen vergiften!“, brummt der Söldner.

Clive wappnet sich mit einem tiefen Atemzug vor dem, was folgt. Denn er mag nicht aufgeben, bei Linus durchzudringen. Nur muss er härtere Geschütze auffahren.

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