DBdD-Kapitel 13

Als Zunae ihre Augen aufschlug, brauchte sie einen Moment, um zu verstehen, wo sie sich befand.
Ihr Kopf dröhnte, als sie sich langsam aufsetzte und umsah.
Der Raum war klein und erdrückend. Ohne Licht, was ihr im Moment ganz gelegen kam, denn so musste sie nur mit den Nachwirkungen ihrer Vision klarkommen und nicht mit der Helligkeit.
Noch immer blitzten Bilder vor ihrem inneren Auge auf. Verschwommen, kaum greifbar. Sie ließen einen dumpfen Schmerz in ihrer Schläfe pochen, weshalb sie sich diese rieb. Allerdings unterdrückte sie den Impuls, sich einfach wieder zurück ins Bett zu werfen. Wurde sie am Morgen erwartet und kam jemand, um sie abzuholen? Belle hatte gestern etwas in diese Richtung angedeutet, nachdem sie ihr Essen gebracht hatten. Yelir wollte mit ihr speisen.
Zunae hoffte wirklich, dass es sich dabei nicht um Frühstück handelte. Sie fühlte sich nicht danach, jetzt Gesellschaft ausgesetzt zu sein. Erst recht nicht, weil sie ihren Traum noch nicht ganz verstand. Er hatte etwas sehr Drängendes.
Leise stöhnend erhob sich Zunae aus dem Bett, um langsam zum Schrank zu taumeln. Er war nur wenige Schritte entfernt, was dafür sorgte, dass sie sich an diesem festhalten konnte, als sie ankam.
Als sie in den Spiegel blickte, der dort hing, verzog sie leicht das Gesicht. Es waren nicht ihre wild zerzausten, roten Haare, die von Schweiß durchnässt waren, sondern die deutlich sichtbaren, blauen Abdrücke an ihrem Hals, die man durch ihr leichtes Kleid gut sehen konnte.
Fingerspuren.
Ein frustriertes Seufzen entwich ihr. Sie war einfach zu empfindlich.
Obwohl sie nur selten Schmerzen hatte, waren die Spuren doch immer deutlich zu sehen.
Zunae öffnete ihre Truhe, die Belle neben den Kleiderschrank gestellt hatte, um die Kleider durchzusehen. Schließlich entschied sie sich für ein Model, das zwar ihr Dekolleté freiließ, aber trotzdem einen hohen Kragen hatte. Ein Kleid, das bei ihr zu Hause sehr beliebt war. Dass es hier vermutlich zu viel zeigte, war ihr egal. Sie würde sich nicht den Standards hier beugen, wenn sie ihr nicht gefielen.
Vorsichtig fuhr sie über ihren Anhänger und legte einen Finger auf eine der blauen Blumen. Ihr Artefakt war offen sichtbar, doch bisher war sie noch nicht darauf angesprochen worden. Ob es geschah, wenn Yelir ihr die Kette überreichte?




Noch verstand sie nicht, was es mit dieser auf sich hatte, doch sie war wichtig.
Gedankenverloren sah sich Zunae um. Sie wünschte sich ein Fenster, um andere zu beobachten und die Gegend zu sehen, doch gleichzeitig hatte sie das Gefühl, dass sie so geschützt war. Es war seltsam, da sie bisher nie in solchen kleinen Räumen geschlafen hatte.
Das Fehlen von der Möglichkeit herauszufinden, wie spät es war, verunsicherte sie etwas. Vielleicht war es schon weit nach Mittag?
Ein dumpfes Klopfen erklang und ließ Zunae heftig zusammenzucken. Hitze schoss durch ihren Körper und ihre Finger verkrampften sich. Mit wild schlagendem Herzen sah sie sich um. Warum reagierte sie so? Es war nur ein Geräusch. Ein Klopfen. Doch ihr Körper schien mehr zu wissen als ihr Verstand.
Noch einmal kontrollierte sie ihren Kragen und hoffte, dass niemand die blauen Flecke sehen würde. Es war ihr peinlich, dass ihr Körper so schwach war und sie wollte auf keinen Fall so gesehen werden. Daher öffnete sie auch mit erhobenem Haupt die Tür, nur um Charlet zu entdecken.
Das braune Haar war streng nach hinten gesteckt, das hochgeschlossene Kleid bis zum Hals verschnürt. Es zeigte kaum eine Spur weiblicher Rundungen und ließ Zunae die Stirn runzeln. War das die Mode hier? Oder wollte diese Frau absichtlich jede Anziehung zunichte machen?
Zunae konnte sich nicht vorstellen, etwas so Einengendes zu tragen.
So wie Zunae die ältere Dame musterte, wurde auch sie gemustert. Ihr entging nicht, dass Charlet auf sie hinabblickte und die Nase rümpfte. Sie empfand die Kleidung als zu aufreizend und provokant. Ein völliges Unding, doch sie hielt den Mund. Bis sie den Kragen entdeckte. »Du trägst einen Kragen und dazu eine solche Kette?«, fragte sie entsetzt, denn das konnte sie nicht dulden. Der blau schimmernde Anhänger zog zu viel Aufmerksamkeit auf ihre Brüste. Von diesen zeigte sie viel zu viel. Wollte sie ihre armen Söhne damit etwa gefügig machen? Ihr war bewusst, was für Trümpfe eine Frau hatte und diese Prinzessin schien sie alle nutzen zu wollen.
Zunae hob die Hand und öffnete den Kragen leicht. Die blauen Fleck kamen zum Vorschein. »Ich bin sicher, dass es besser ist, wenn niemand diese hier sieht. Oder wollt Ihr riskieren, dass es jemand meinen Schwestern weiterträgt?«, fragte sie provokant. Die abschätzige Art der Frau trieb Zunae dazu, sie zu provozieren. Angst vor ihr hatte sie keine. Sie kannte die Stellung der Frauen in dieser Gegend, würde sich selbst jedoch nicht fügen.




Charlets Augen weiteten sich theatralisch. »Wie ist das geschehen?«, fragte sie mit der richtigen Mischung aus Besorgnis und Neugier. Doch hinter ihrer Maske regte sich Stolz. Ihr Sohn war kein Narr. Er hatte verstanden, mit wem er es zu tun hatte.
Zunae lächelte sanft. »Es gab eine Meinungsverschiedenheit«, erwiderte sie. »Nur ein kleines Kräftemessen.« Sie spielte es erneut herunter, denn sie wollte ihrer zukünftigen Schwiegermutter das Gefühl geben, ungefährlich zu sein. Charlet sollte Zunae mögen, was jedoch nie der Fall sein würde.
Charlet räusperte sich leise. »Ich verstehe. Welchen meiner Söhne muss ich dafür schelten? So eine Frau anzufassen, selbst wenn sie aus einem anderen Land kommt, kann ich nicht dulden«, sagte sie, auch wenn sie die Worte nicht ernst meinte.
»Es wird nicht nötig sein, dass Ihr Euch einmischt«, erwiderte Zunae und schloss den Kragen wieder, um die blauen Flecke zu verstecken. »Warum seid Ihr hergekommen?«
»Es ist meine Aufgabe, Euch heute abzuholen. Yelir möchte mit Euch speisen«, sagte sie, wobei sie absichtlich sehr höflich war, auch wenn sie dabei eine herablassende Art hatte. Allerdings war sie noch immer vorsichtig. Die Angst vor Zunae war nicht vorgespielt. Trotzdem fühlte sie sich in ihren eigenen vier Wänden sicher genug, um nicht zu kuschen.
Zunae sagte dazu jedoch nichts. Ein ungutes Gefühl machte sich in ihr breit. Ihr Magen kribbelte unangenehm. Nicht wie Schmetterlinge. Mehr wie tausend Bienen.
»Ich verstehe«, sagte sie, wobei sie ihre Unruhe gut zu verbergen wusste.
Charlet musterte sie noch einmal und dachte darüber nach, sie zu bitten, etwas anderes anzuziehen, doch vermutlich hatte Zunae keine passenden Kleider. »Ich werde in den nächsten Tagen einen Schneider für Euch organisieren«, sagte sie stattdessen.
»Danke, aber das wird nicht nötig sein. Sollte ich neue Kleider brauchen, werde ich mich persönlich darum kümmern«, lehnte Zunae sofort ab. Sie wollte auf keinen Fall riskieren, etwas von jemandem anzunehmen und die Kontrolle darüber zu verlieren.
Charlet rümpfte die Nase. »Das ist hier nicht üblich«, erwiderte sie, um Zunae zu drängen.
Diese lächelte lediglich und blieb stumm. Ihr Blick blieb ruhig auf Charlet gerichtet, als hätte ihr Bemerkung sie nicht einmal erreicht. Alles, was sie nicht direkt von Yelir befohlen bekam, würde sie nicht als unausweichlich betrachten. Sie wollte keine Abhängigkeit riskieren. Sie brauchte ein gewisses Maß an Freiheit.




»Wenn König Yelir mit mir zu speisen wünscht, führt mich doch bitte zu ihm«, bat sie auffordernd, denn sie hatte keine Lust, weiterhin zwischen Tür und Angel zu stehen. Charlet blockierte ihren Weg nach draußen, doch Zunae wollte sie auf keinen Fall in ihr Zimmer lassen. Jane und Belle hatten die Aufgabe, ihre Habseligkeiten nie allein zu lassen.
Charlet rümpfte erneut die Nase. Wie konnte diese Frau nur so mit ihr reden? Sie war keine Dienerin!
»Folg mir«, befahl sie schärfer als beabsichtigt, denn sie fühlte sich in ihrer Ehre gekränkt. Ihre Finger krampften sich kurz in den Stoff ihres Kleides. Ein Fehler. Sie hatte sich hinreißen lassen. Das würde nicht noch einmal passieren. Zunae sollte glauben, dass sie ihr wohlgesinnt war. Wenn Yelir ihr das Artefakt nicht aufzwang, würde sie einen Weg finden. Es wäre generell besser, wenn sie diejenige war, die Zunae unter Kontrolle hielt. Yelir war zu leicht reizbar und hatte einige unangenehme Angewohnheiten, mit denen Charlet sich nicht herumschlagen wollte.
Yelir mochte zwar der Stärkste der Raenacs sein, doch seine Besessenheit ließ ihn blinde Entscheidungen treffen. Nur so konnte sie es sich erklären, dass er wirklich einer Heirat mit den Südlanden zugestimmt hatte, statt weiter zu versuchen, einen Spion oder Attentäter in ihre Reihen zu schmuggeln, wie sie es wollte. Das wäre die perfekte Gelegenheit, doch nur, weil die Südlande schon zweimal einen Kandidaten abgelehnt hatten, wurde Yelir weisch. Vielleicht war er auch einfach zu schwach für die Verantwortung, die mit einem solchen Posten einherging. Wäre die Welt auch nur ein wenig gerechter, hätte Arcas an Yelirs Stelle gesessen. Manchmal musste man aber sein Schicksal selbst in die Hand nehmen und konnte nicht auf Gerechtigkeit hoffen.
Während sie Zunae durch die Gänge führte, dachte sie daran, was er ihr am Abend über die Prinzessin berichtet hatte. Sogar, dass er Dainte geschickt hatte, um sie zu vergiften. Er war ein pfiffiger Junge. Vielleicht ein wenig zu eilig, aber mit dem richtigen Ehrgeiz. Natürlich hatte Dainte seinen Plan nicht umgesetzt, war er doch gegen Gifte aller Art.
Vor den großen Doppeltüren des Speisesaales hielt Charlet inne und deutete Zunae, einzutreten.




Diese stemmte die Türen allein auf, da es keine Wachen oder Diener gab.
Die Mauern der Burg bestanden aus dunklem Stein, waren kunstvoll verziert, doch in ihrer Massivität unübersehbar abweisend. Das Innere der Burg war jedoch karg. Kein überflüssiger Prunk und keine verzierten Möbel. Nur das Nötigste. Keine Bilder oder Wandteppiche unterbrachen den kalten Stein.
Es war nicht anders, als sie in den Speisesaal trat.
Dominiert wurde dieser von einer langen Tafel mit Stühlen, die jedoch so gut wie leer war. Nur dort, wo Yelir saß, standen ein paar Platten mit Essen.
Vorsichtig trat Zunae ein und sah sich unauffällig um. Der Raum wirkte nicht repräsentativ. Ein privates Esszimmer? Aber dafür wirkte es auf Zunae zu ungemütlich.
Yelir entging ihr vorsichtiger Blick nicht, doch er würde sich für nichts rechtfertigen. Er hatte schon von Anfang an gewusst, dass die Nordlande nicht so reich waren, wie die Südlande und er sah nicht ein, Geld für Einrichtung zu verschwenden, die sie nicht brauchten.
»Guten Morgen, König Yelir«, sagte sie schließlich und knickste leicht, wobei sie seinen Blick erwiderte.
Yelir machte sich nicht einmal die Mühe, sich zu erheben. Stattdessen machte er eine wegwerfende Handbewegung. »Kein Grund für solche Förmlichkeiten. Setz dich«, sagte er, ohne sie zu begrüßen. Er hielt nichts von diesen Förmlichkeiten, wusste aber, dass sie von ihm erwartet wurden. Seine Finger trommelten ungeduldig auf den Tisch. Ein unnötiges Spiel, das ihn nur langweilte. Zwischen ihnen lag ohnehin nur distanziertes Misstrauen.
Sie beide waren einander skeptisch gegenüber. Auch ihr Blick war vorsichtig, doch nicht abgeneigt, wie er die ganze Zeit schon erwartet hatte.
Wenn er an Kalis flammenden Zorn dachte, war Zunae eher ein ruhiger See. Trotzdem glaubte er, dass sie bereit war, andere in die Tiefe zu ziehen und zu ertränken, ohne große Wellen damit zu schlagen.
Er erkannte ihre Gefährlichkeit an, auch wenn sie trotzdem sehr zerbrechlich wirkte. Sie war jedoch keine Nordländerin. Ihr Aussehen musste nichts heißen. Das rief er sich immer wieder ins Gedächtnis.
Zunae ließ sich langsam nieder, ließ dabei aber den Blick nicht von Yelir. Sie wollte jede Regung bemerken, um vorbereitet zu sein.




Dieser deutete lediglich auf den gedeckten Tisch, wobei sein intensiver, grüner Blick genauso starrend auf Zunae hing.
Diese wandte zuerst den Blick ab, um sich das Essen genauer anzusehen.
Der Duft, der davon aufstieg, war recht eigen. Er hatte eine scharfe, sehr würzige Note, die ihr nicht ganz zusagte.
Von Zuhause war sie süßere Gewürze gewöhnt.
Auf den Tellern lag einfache Kost. Eine dunkle Brühe mit grob geschnittenem Wurzelgemüse. In ihrer Heimat hätte der Koch selbst eine Suppe wie ein Kunstwerk erscheinen lassen. Doch hier wirkte das Essen schlicht. Der rote Schimmer der Brühe ließ Zunae innehalten. So eine Brühe hatte sie noch nie gesehen, doch das dunkle, saftige Fleisch war ihr vertraut. Möhren und Rettiche schwammen träge an der Oberfläche. Der Duft war kräftig und schwer, doch eine Note stach in ihre Nase. Sie schnupperte und versuchte, ihn einzuordnen, doch er blieb fremd, ungreifbar. Wäre da nicht ihre Vorsicht, hätte sie die Einladung zum Kosten vielleicht angenommen.
Yelir beobachtete sie und fragte sich, was sie von diesem Essen dachte. Es war nicht viel, obwohl er den Koch gebeten hatte, aufzutrumpfen. Dieser hatte schon lange nicht mehr für wichtige Leute gekocht und war vertraut mit der Sparpolitik der Burg. Das Essen musste nahrhaft sein, Kraft geben und satt machen. Ob es ansehnlich war, hatte bisher nie eine große Relevanz gehabt. Was Yelir jetzt ein wenig unruhig machte. Würde sie es annehmen? So wie er sie einschätzte, war sie ein verwöhntes Mädchen aus gutem Hause. Die Reichtümer, die sie mitgebracht hatte, sprachen dafür.
Er wusste jedoch nicht, dass es für Zunae nie darum ging, das Beste vom Besten zu bekommen, sondern die Dinge zu genießen, die sie hatte, solange sie noch konnte. Und ihr Zögern lag auch nicht daran, dass es nicht gut aussah. Im Gegenteil. Der Duft war verlockend und sie hatte großen Hunger.
Sie räusperte sich leise. »Ich möchte nicht unhöflich erscheinen«, begann sie. Yelirs Schultern spannten sich unmerklich an. War etwas mit dem Essen nicht in Ordnung? Mochte sie es nicht? Order war es etwas anderes? »Ich vertraue Euch noch nicht genug, um Essen anzunehmen, das nicht vorgekostet wurde«, fügte sie vorsichtig und unruhig hinzu.




Yelir spürte einen Anflug von Frustration und Ärger in sich aufsteigen. »Hältst du mich für so feige, eine Frau zu vergiften?«, fragte er mit tiefer, bedrohlicher Stimme.
Zunaes Mund wurde trocken. Die Anspannung in Yelirs Haltung lag schwer in der Luft.
»Euch nicht, aber wer garantiert mir, dass Euer Koch nicht denkt, es wäre besser, einen ehemaligen Feind loszuwerden?«, fragte sie vorsichtig. Vielleicht wollte Yelir diesen Frieden, doch wie sein Volk darüber dachte, konnte sie einfach nicht einschätzen, um unvorsichtig zu werden.
Yelir stieß den Atem aus. Seine Finger ballten sich kurz. Unsinn. Und doch … vielleicht hatte sie nicht ganz Unrecht. Er konnte nicht garantieren, dass seine Leute die fremde Prinzessin akzeptierten. Allerdings hatte er das Essen für sich bestellt und nahm daher nicht an, dass dieses vergiftet war. Wenn dem jedoch so sein sollte, würde er durch seine Gabe schnell davon erfahren. Sein Blut reagierte sehr empfindlich auf Gifte aller Art und er konnte es auch recht schnell wieder aus seinem Körper spülen.
»Wie Ihr meint«, sagte er, bevor er sich die Schale mit der Suppe nahm, die sie angesehen hatte. Er zog sie zu sich und hob den Löffel zu seinem Mund.
Als die heiße Suppe seine Lippen berührte, merkte er schon, dass sie anders schmeckte als sonst. Sie war viel intensiver gewürzt und scharf.
Er kaute das Fleisch genüsslich, während sich das Aroma in seinem Mund ausbreitete. Das Fleisch glitt langsam über seine Zunge. Keine Taubheit, kein bitterer Nachgeschmack, nur eine leichte Schärfe. Es schmeckte, wie es schmecken musste. Also kein Gift.
Yelir legte den Löffel zurück und schob die Suppe, von der er gerade gegessen hatte, in Zunaes Richtung.
Diese starrte ihn mit großen Augen an, denn sie war nicht davon ausgegangen, dass er wirklich vorkostete und ihre Bedenken ernst nahm. Ihr Blick fiel auf die Suppe und ihr Herz klopfte schneller.
Als sie nach ihren eigenen Löffel griff, war sie dennoch ein wenig nervös. »Danke«, sagte sie mit leiser Stimme, denn es war eine überraschende Geste, die ihr zeigte, dass er sie nicht ignorierte, auch wenn es so wirkte.
Yelir brummte lediglich, behielt sie aber genau im Auge.
Darum bemerkte er auch, dass ihre Hand zitterte, als sie vorsichtig den Löffel in die Suppe tauchte. Er fragte sich, was mit ihr los war. Hatte sie solche Angst vor ihm, dass sie nicht einmal in Ruhe essen konnte? Ein kaum merkliches Lächeln zuckte über seine Lippen. Sie sollte nicht glauben, dass sie hier von allen willkommen war. Er musste sich selbst immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass sie eine Fremde, eine Feindin war. Ihr Aussehen sollte ihn zwar daran erinnern, doch ihre Art lenkte ihn so ab, dass er nicht nur einmal bemerkte, wie er fasziniert beobachtete, wie das rote Haar über ihre Schultern fiel, während sie sich bewegte. Die nordländischen Frauen trugen ihre Haare meist hochgesteckt oder zusammengebunden. So gut wie nie offen, da es verpönt war. Warum wusste Yelir nicht und bisher hatte es ihn auch nie interessierte. Mit Frauen hatte er nur wenig Kontakt, wenn es nicht der Harem seines Vaters war.




Zunae nahm ein bisschen Suppe auf, hob den Löffel und pustete dann vorsichtig. Ihr Körper sehnte sich nach Ruhe, aber sie wusste, dass Nahrung wichtig war. Sie brauchte Kraft, die ihr das Essen gab. Ihre angespannten Schultern und die ständige Aufmerksamkeit erschöpften sie zunehmend. Immer wieder wanderten ihre Gedanken zu ihrem Traum, obwohl sie sich das nicht leisten konnte. Yelir war nicht Ilan. Ihm gegenüber konnte sie sich nicht entspannen und zulassen, verwundbar zu sein.
Als Zunae den Löffel zu ihrem Mund führte, kribbelten die ungewohnten Gewürze in ihrer Nase, doch nichts hätte sie auf die Hitze vorbereiten können, die sie spürte, als die Suppe ihre Zunge berührte.
Sie schluckte hastig. Hitze fraß sich über ihre Zunge und ließ ihre Kehle brennen. Ihr Atem kam stoßweise, während sie hektisch nach Wasser griff. Sie kippte es hinter, ohne sich Gedanken zu machen, dass es vergiftet war. Nur das Brennen in ihrem Mund war wichtig.
»Oh Götter ist das scharf«, brachte sie nach Luft schnappend hervor, denn das Wasser hatte nicht geholfen. Ihre Zunge fühlte sich immer noch verbrannt an, doch sie wollte nicht so weit gehen, diese herauszustrecken und sich Luft zuzufächeln. Sie presste die Lippen zusammen und zwang sich zur Beherrschung. Sie würde sich nicht vor ihm lächerlich machen!
Yelir hob eine Augenbraue. So scharf war es gar nicht gewesen. Schärfer als sonst, aber nichts, was nicht auszuhalten war.
Er schob ihr langsam ein Glas Milch entgegen. »Esst Ihr nichts Scharfes?«, fragte er, musste aber ein leises Lachen unterdrücken.
»Scharf ist bei uns nicht weit verbreitet«, erwiderte Zunae, wobei sie versuchte, sich nicht zu viel Blöße zu geben. Es funktionierte nur bedingt, denn sie kippte sofort das Glas Milch hinter, um die Schmerzen zu lindern. Dieses Mal sogar mit einem gewissen Erfolg.
Ein Schmunzeln umspielte Yelirs Lippen. Ihre gerunzelte Stirn und die angespannt zusammengekniffenen Augen ließen sie für einen Moment weniger wie eine Prinzessin und mehr wie ein trotziges Mädchen wirken. Unglaublich jung.
Yelir ließ seinen Blick über das Angebot an Speisen wandern, bevor er ihr das Brot zuschob. »Iss das. Es ist nicht scharf«, erwiderte er, denn er wusste sehr genau, dass in den anderen Speisen ebenfalls scharfe Gewürze waren.




Als Zunae das Brot schnitt, erkannte Yelir kleine Punkte, die ihn überraschten. So sah ihr Brot sonst nicht aus und für einen Moment glaubte er, dass der Koch wirklich versuchte, sie zu vergiften. Darum wollte er Zunae davon abhalten, hineinzubeißen, doch sie hielt inne, als sie den scharfen Geruch wahrnahm.
»Ich schätze, ich bin nicht für die Speisen in Eurem Land gemacht«, sagte sie und legte es wieder zurück. Gestern Abend hatten Belle und Jane ihr die Reste von der Reise serviert, weil der Koch sich geweigert hatte, für sie zu kochen. Jetzt hatte sie das Gefühl, er wollte sie ärgern, indem er ihr das Essen ungenießbar machte. Was für eine Verschwendung.
Yelir räusperte sich leise und lockerte unbewusst seine Schulter. Unnötig. Sie hatte es selbst bemerkt. Er wusste nicht, was er getan hätte, wenn dieses Brot wirklich vergiftet gewesen wäre. »Dann solltest du die Küche aufsuchen und dem Koch sagen, was du wünscht«, erwiderte er, auch wenn er nicht glaubte, dass sie das tun würde.
Zunae, die noch immer das Brennen auf ihrer Zunge spürte, nickte. Genau das würde sie tun, denn so würde sie nicht glücklich werden. »Das werde ich am besten jetzt erledigen«, sagte sie und erhob sich, was Yelir überraschte.
Seine Muskeln spannten sich an. Ehe er darüber nachdenken konnte, war er bereits aufgestanden. Wenn er ehrlich war, war er neugierig, wie sie die Dinge löste.

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