DBdD-Kapitel 17

Als Zunae erwachte, fühlte sie sich ausgelaugt und erschöpft. Ihr Körper fühlte sich schwer an, während ihre Gedanken nur langsam gingen. Sie hatte einen wirklich seltsamen Traum gehabt, den sie nicht einordnen konnte.
War Yelir wirklich magisch in sie eingedrungen?
Sicher war sie sich nur, dass ihr Körper geschmerzt hatte, als stünde er in Brand. Dann war ihre Hand vor Schmerzen explodiert, weshalb sie als erstes versuchte, ihre Finger zu bewegen. Es war nicht leicht und es schmerzte, doch zumindest fühlte es sich so an, als wären noch alle Finger dran. Das beruhigte sie irgendwie.
Zunae versuchte herauszufinden, was geschehen war, doch so richtig erinnerte sie sich nur, dass sie in die Küche gegangen war. Was war dann geschehen?
Stöhnend setzte sie sich langsam auf. »Mach vorsichtig«, wurde sie sofort von einer tiefen, männlichen Stimme getadelt und erst jetzt bemerkte Zunae, dass Yelir hier war.
Er saß auf einem bequemen Sessel, was Zunae seltsam fand. Dann blickte sie sich um. Sie befand sich nicht in ihrem Zimmer. Es war viel größer und gemütlicher eingerichtet. Das Bett war groß und bequem. Es gab eine kleine Ecke mit einer Polsterbank, einem niedrigen Tisch und zwei Sesseln. Dort, wo Yelir saß.
»Wo bin ich hier?«, fragte sie vorsichtig.
Yelir schnaubte und erhob sich. »In meinem Zimmer«, sagte er, bevor er nach dem Tablett griff, das abgedeckt auf dem Tisch stand.
»Warum?«, fragte Zunae zögerlich. In ihrem Kopf machte sich ein Stechen breit, weshalb sie die Augen zusammenkniff und sich an den Kopf griff. Hatte sie eine Vision gehabt und war zusammengebrochen? War es das, was ihren Körper dermaßen beansprucht hatte?
»Erinnerst du dich nicht, was in der Küche vorgefallen ist?«, fragte Yelir, der sich zu ihr ans Bett setzte und die Glocke vom Tablett nahm. Zum Vorschein kam eine kräftige Hühnersuppe, die angenehm dampfte und verlockend roch.
Zunae schüttelte leicht den Kopf und ärgerte sich im nächsten Moment, weil er nur noch mehr schmerzte. Das war immer der Fall, wenn sie eine Vision hatte, warum lernte sie also nicht daraus?
»Nein. Bin ich … zusammengeklappt?«, fragte sie leise, denn sie erinnerte sich nicht einmal an die Vision selbst. Nur noch an Schmerzen. So schlimm war es noch nie gewesen.




Yelir fuhr sich seufzend durch die Haare. »Muss an dem Gift gelegen haben«, sagte er und musterte sie eingängig. »Der Mordanschlag galt mir.«
Zunae runzelte die Stirn. Sie konnte Yelir nicht folgen. Mordanschlag? Gift?
Sie blickte Yelir verwirrt an, doch dieser wollte erst einmal nicht mehr erklären. Manchmal war Unwissenheit gut und er wollte nicht, dass Zunae das Gefühl hatte, in Gefahr zu sein.
Statt ihr eine Antwort auf ihre stumme Frage zu geben, hielt er ihr das Essen hin, das sie vorsichtig nahm.
Ihre Hand zitterte, was nicht nur Zunae auffiel. Yelir hatte diese schon die ganze Zeit im Blick. Dainte hatte sie verbunden, was Zunae erst jetzt bemerkte.
Sie stellte sich das Essen auf den Schoß und blickte dann auf ihre Hand. Die Erinnerungen an Schmerzen blitzten in ihr auf. Das Zentrum war ihre Hand. Jetzt fühlte sie jedoch keine Schmerzen und alle Finger hatte sie auch noch.
»Iss, damit du wieder zu Kräften kommst«, wies Yelir sie an, doch Zunae traute ihrer Hand nicht. Diese zitterte und sie wusste nicht warum, weshalb sie mit der linken Hand nach den Löffel griff. Sie nahm nicht einmal die Schale in die Hand, um sie zu ihrem Mund zu führen, weil sie Angst hatte, alles zu verschütten.
Yelir brummte. »Das kann man sich ja nicht mit ansehen«, sagte er und nahm die Schüssel selbst.
Zunae, die glaubte, er würde es ihr wegnehmen, weil sie nicht schnell genug aß, wollte gerade protestieren, da hielt er ihr mit einem zweiten Löffel bereits eine Portion an die Lippen.
Sie konnte nicht verhindern, dass sie rot um die Nase wurde, nahm aber brav den Löffel in den Mund. Sie wusste selbst, wie wichtig Nahrung jetzt war und sie wäre dumm, diese abzulehnen. Trotzdem fühlte sie sich nicht unbedingt wohl damit, dass Yelir, der König der Nordlande, ein Barbar, wie man bei ihnen behauptete, sie fütterte.
Yelir empfand ähnlich, wie Zunae. Es fühlte sich seltsam an. Nicht, weil er sich zu fein war, einer Frau zu helfen, die offensichtlich verletzt war, doch nachdem er ihre Magie gesehen hatte, gab es ihm ein ungewohntes Gefühl der Genugtuung zu sehen, dass sie doch nicht so stark war.
In ihm kämpften die Gefühle. Er sah sie durch ihre Magie als Gefahr für sich und sein Reich. Gleichzeitig hatte sie eine so zerbrechliche Seite an sich, dass er sie in Watte packen und vor der Welt verstecken wollte.




Das nervte ihn.
»Ich habe den Koch und sämtliche Angestellte rausgeworfen«, erklärte er, weil er seine eigenen Gedanken damit übertönen wollte.
Zunae blickte ihn fragend an, bevor vor ihrem inneren Auge ein Bild aufblitzte. Der Koch. Leblos vor Yelirs Füßen.
Zunae schluckte, bevor sie den nächsten Löffel nahm, den Yelir ihr hinhielt.
Als sie erneut geschluckt hatte, blickte sie auf die Schüssel. »Ich erinnere mich, dass der Koch tot ist«, flüsterte sie und deutete mit dem Kinn auf die Suppe. Sie hatte sie einfach so gegessen, ohne zu hinterfragen. Ihre Visionen hatten sie vielleicht in der Küche genau davor gewarnt und sie erinnerte sich nicht mehr daran.
Yelir hob eine Augenbraue. »Ich dachte, du erinnerst dich nicht«, bemerkte er. Es ärgerte ihn, dass sie sich ausgerechnet daran erinnerte, dass er den Koch vor ihren Augen getötet hatte. Allerdings wirkte sie nicht so verschreckt, wie Yelir erwartet hatte. Es fiel ihm unglaublich schwer, sie einzuschätzen. Wie gingen Männer in den Südlanden mit Frauen um? Er wusste nur, wie es bei ihnen war.
Und bei ihnen wäre die Frau beim kleinsten Anblick von Blut oder einem toten Körper schreiend weggerannt. Eine Reaktion, die er verstehen konnte. Ihre hingegen nicht. Es war zu einfach zu vergessen, dass sie für den Kampf ausgebildet war.
»Ein paar Bilder blitzen auf«, sagte sie, doch je mehr sie versuchte, sich zu erinnern, desto mehr schmerzte ihr Kopf. »Wer hat die Suppe gekocht, wenn niemand mehr da ist?«
»Ich«, erwiderte Yelir, als wäre nichts dabei und zuckte sogar die Schultern.
Zunae traute ihren Ohren nicht. Der König der Nordlande kochte für sie?
Ihr Blick wanderte zu der Suppe. »Sie ist wirklich lecker«, bemerkte sie, denn sie hatte nicht damit gerechnet, dass er so gut kochen konnte.
Mit dem unerwarteten Kompliment konnte Yelir nicht viel anfangen, weshalb er ihr wieder den Löffel hinhielt. »Nicht so viel reden, mehr essen«, forderte er, weil er nicht wollte, dass sie weitersprach. Außerdem wurde die Suppe kalt.
Zunae beugte sich und ließ sich widerstandslos füttern.
»Als zukünftige Königin wird es deine Aufgabe sein, die inneren Angelegenheiten zu regeln«, erklärte Yelir, der ihr einen Löffel nach dem anderen hinhielt und dabei nicht müde wurde, sie aus den Augenwinkeln zu beobachten. »Es ist eine gute Übung für dich, dafür zu sorgen, dass es neues Personal gibt«, sagte er, weil er sie beschäftigen wollte.




»Gibt es ein Budget?«, fragte sie, denn sie musste wissen, wie viel sie für diese Dinge ausgeben konnte.
»Ich habe dir ein paar Dokumente mitgebracht«, erwiderte er. Yelir hatte alle vorher durchgesehen, um sicher zu gehen, dass es nichts Wichtiges verriet. Nichts, was sie angreifbar machte. Allerdings war es auch eine Prüfung für sie. Gleichzeitig konnte sie im Bett bleiben und sich ausruhen, während sie sich die Dokumente ansah. »Aktuell kümmert sich Charlet darum«, erklärte Yelir, der nicht wusste, wie er die beiden zusammenbringen sollte, da sich Charlet vor ihr fürchtete. Sie hatte klar gemacht, dass sie nicht mehr mit ihr allein sein wollte. Nicht einmal, um sie abzuholen. Dabei hatte sie das letzte Mal nichts getan, was dieses Verhalten rechtfertigte. Yelir glaubte nicht, dass Charlet die Magie in Zunae spüren konnte. Es war einfach nur die Angst vor dem Feind. Was Yelir durchaus nachvollziehbar fand. »Ich werde dafür sorgen, dass sie dir beibringt, was du wissen musst«, sagte er, bevor er die leere Suppenschale auf den Nachttisch stellte.
»Ich habe mich zwar zu Hause nicht mehr damit beschäftigt, aber in meiner Ausbildungszeit habe ich durchaus gelernt, wie man einen Haushalt führt«, sagte sie, denn die Vorstellung mit Charlet zu arbeiten, war nicht sonderlich verlockend.
»Nun, dann hast du zumindest etwas, um dich zu beschäftigen«, meinte Yelir, als wäre nichts dabei. »Du wirst das Zimmer erst wieder verlassen, wenn Dainte sagt, dass du dich erholt hast«, entschied er. Wenn sie so durch die Burg lief, bestand die Gefahr, dass sie zusammenbrach und das wollte er auf keinen Fall.
Zunae, die eigentlich keine Lust hatte, liegen zu bleiben, weil sie wusste, dass sie dann einrosten würde, lächelte zögerlich. »Gibst du mir dann die Dokumente?«, fragte sie, weil sie nicht untätig herumsitzen wollte.
Bei der ersten Gelegenheit, die sich ihr bot, würde sie ein paar Übungen machen. Nach einem Anfall musste sie sich schnell wieder erholen und auf die Beine kommen. Dieser Zustand war für sie nicht ungewöhnlich, auch wenn sie immer noch nicht genau sagen konnte, was diesen ausgelöst hatte.
Ihr Blick wanderte zu ihrer Hand. Was sich wohl unter den Verbänden befand? Hatte sie sich vielleicht an der Hand verletzt? War sie dort vergiftet worden, wie Yelir gesagt hatte?




Ihre Erinnerungen waren ein einziger Nebel, der sich einfach nicht lüften wollte.
Yelir erhob sich. »Gut, aber du bleibst im Bett. Ich werde Belle und Jane erlauben, einzutreten, damit sie sich um dich kümmern können«, sagte er, auch wenn es ihm nicht gefiel, sie hier zu haben. Es war jedoch der einzige sichere Ort, der ihm einfiel.
Allerdings war dieses Zimmer zum Erholen besser als die kleine Kammer nebenan. Er hätte sie auch in dem Zimmer unterbringen können, das ursprünglich für sie hergerichtet worden war, doch irgendwie sorgte er sich darum, dass darin plötzlich ein Feuer ausbrechen würde. Woran die Bilder im Wald schuld waren. Er wusste nicht, welches Zimmer es war, doch das Bett, auf dem sie gelegen hatte, war auf alle Fälle nicht seines. Jetzt, wo sicher war, dass jemand die Hochzeit verhindern wollte, musste er mit allem rechnen.
Sobald sie wieder zu Kräften gekommen war, würde er sich eines Artefaktes bedienen, um herauszufinden, was sie wirklich alles wusste. Bis dahin aber, würde er es ihr so gemütlich machen, wie es ging.

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