DBdD-Kapitel 35

Zunae kuschelte sich weiter unter die Decke, als ein leises Klopfen sie erneut aus ihrem Schlaf riss.
Die Wärme, die sie einhüllte, war so schön, dass sie nur ungern aufstehen wollte. Allerdings sagten ihr die unbarmherzigen Sonnenstrahlen, die sich durch die Vorhänge schlichen, dass es schon recht spät sein musste.
Zunae stieß ein Seufzen aus, bevor sie sich langsam im Bett aufsetzte. Ihr Kopf schmerzte ein wenig, doch ansonsten fühlte sie sich gut. Entspannt, weil sie ihre Magie genutzt hatte. Geistig hatte sie sich jedoch sehr angestrengt, als sie in Kavalare gewesen war.
Kavalare …
Zunae sah sich um. Wie war sie in ihr Zimmer gekommen? War sie nicht bei Aaron am Tisch eingeschlafen?
Sie erinnerte sich noch schwach daran, Yelir getroffen zu haben und an Wärme, die sie umhüllte. Aber das war es auch schon.
Ein erneutes Klopfen ließ sie aufsehen, als sich auch schon die Tür öffnete und Belle eintrat. Als sie sah, dass Zunae wach war, lächelte sie und trug sofort ihr Anliegen vor. »Lady Zunae. Dame Ariel ist hier. Sie sagt, es wäre Zeit für Eure erste Stunde.«
»Oh«, gab Zunae von sich, bevor sie erneut zum Fenster sah. Dann riss sie die Augen auf. »Habe ich das Frühstück mit Yelir verpasst?«, fragte sie, bevor sie die Bettdecke zurückschlug. Erst da bemerkte sie, dass sie noch die Kleider trug, die sie gestern getragen hatte.
Belle schüttelte leicht den Kopf. »Ihr könnt Euch Zeit zum Frischmachen nehmen. Er sagte, er würde auf Euch warten. Dame Ariel leistet ihm Gesellschaft«, erklärte Belle, die bereits ein paar kleine Speisen serviert hatte.
Sofort sprang Zunae aus dem Bett und bereute es sofort, als ihr Kreislauf für einen Moment Mühe hatte, zu entscheiden wo oben und unten war. Alles drehte sich, doch sie schaffte es, sich am Nachttisch fest zu halten und nicht unelegant auf den Boden zu fallen. Trotzdem verließ ein leises Keuchen ihre Lippen.
Sofort sprang Belle auf sie zu und nahm ihren Arm, um sie zu stützen. »Geht es Euch nicht gut?«, fragte sie besorgt und musterte Zunae eingängig. Sie war ein wenig blass, doch ansonsten wirkte sie nicht wie sonst, wenn sie von einer Vision geplagt wurde.
Zunae schüttelte leicht den Kopf. »Nein. Alles gut«, versicherte sie und schauderte leicht. Der Boden an ihren Füßen war kalt, obwohl der Kamin im Raum noch immer Feuer barg. Trotzdem fror sie etwas, weshalb sie ihre Magiezirkulation ihres Körpers etwas anregte, damit ihr wieder warm wurde.
Mit diesen Wärmeschwankungen kam sie noch nicht so gut klar und wenn sie gestern auf dem Rückweg geschlafen hatte, könnte es sein, dass ihr zu kalt geworden war.
»Soll ich Euch ein warmes Bad einlassen?«, fragte Belle, die hoffte, Zunae so helfen zu können, sich zu entspannen.
Diese schüttelte jedoch den Kopf. »Das wird nicht nötig sein. Ich möchte mich nur schnell waschen«, erklärte sie, denn für mehr hatte sie keine Zeit, wenn Yelir auf sie wartete.
Belle knickste, bevor sie sich auf den Weg machte, alles vorzubereiten. Ihr wäre es lieber, wenn Zunae sich noch etwas entspannte, doch sie konnte auch nachvollziehen, wieso sie nicht zu lang brauchen wollte.
Belle holte ein Kleid hervor und hielt es Zunae hin. Diese nickte leicht, auch wenn sie das Kleid nicht wirklich betrachtete. Belle würde schon wissen, was passte. Daher machte sie sich kaum Gedanken darum, als sie im Bad verschwand und sich waschen ließ.
Etwas, das sie nur selten tat, da sie es eigentlich nicht mochte, doch heute ging es schneller.
Zunae entschied sich für ein Kleid, das Fellbesätze hatte, weil ihr noch immer recht kalt war.
Als sie in den Flur trat und einen Blick nach draußen richtete, verstand sie auch wieso.
Die Sonne blendete in ihren Augen, weil sie von einer weißen, fluffigen Schicht reflektiert wurde. Sie brauchte einen Moment, um sehen zu können, wieso es so hell war.
Die Welt außerhalb der Mauern sah aus, als hätte jemand jede Menge Puderzucker darauf verteilt. Es hatte in der Nacht geschneit.
Zunae schnappte nach Luft und legte ihre Hand an das kalte Glas. Bei sich Zuhause hatte sie noch nie so viel Schnee gesehen. Es gab diesen nur an wenigen Tagen im Jahr und er blieb nur selten liegen.
Als sie schließlich den Speisesaal betrat, entdeckte sie Yelir, der sein Glas Wein in der Hand hielt und hineinblickte. Neben ihm saß Ariel, die ein leises Lachen von sich gab. Sie war sanft und zart. Auf Zunae wirkte sie auch recht schüchtern und doch hatte sie Yelir Gesellschaft geleistet. Eigentlich eine Sache, für die Zunae dankbar sein sollte, doch so ganz gefiel ihr das Bild nicht.
Yelir hob seinen Blick und musterte sie eingängig. Er hatte noch nie gesehen, dass sie einen fellbesetzten Kragen trug, weshalb er sie eingängig musterte. »Hast du gut geschlafen?«, fragte er, denn er hatte extra dafür gesorgt, dass sie ohne aufzuwachen, ins Bett kam. Auch um Feuer hatte er sich gekümmert, denn sie waren auf ihrer Reise vom Schnee überrascht worden.
Zunae schenkte ihm ein Lächeln. »Guten Morgen. Ja, danke«, sagte sie, wobei sich ihr Dank darauf bezog, dass er sie heil nach Hause gebracht hatte.
Yelir lächelte und deutete auf seine andere Seite.
In dem Moment erhob sich Ariel und knickste, um Zunae zu begrüßen.
»Du kannst uns jetzt allein lassen«, sagte Yelir, der den Blick nicht von Zunae nehmen konnte.
Ariel blickte ihn überrascht an, denn so einfach hinausgeschickt zu werden, war sie nicht gewohnt. Trotzdem knickste sie. »Ich werde dann im Unterrichtszimmer auf Euch warten«, sagte Ariel an Zunae gewandt. Zu gern hätte sie mit ihnen gegessen, doch da es nicht gewollt war, würde sie nicht weiter nachfragen.
Als sie an Zunae vorbeilief, knurrte jedoch ihr Magen leise, was dafür sorgte, dass Ariel rot anlief. Allerdings sagte sie nichts und verließ den Raum.
Zunae, der dieses Geräusch nicht entgangen war, fühlte sich ein wenig unwohl. Ariel hatte Yelir Gesellschaft geleistet, während er auf sie gewartet hatte. Sie sollte ihr dankbar sein. Also wandte sie sich an Belle und deutete ihr an, sich um diese zu kümmern.
Sofort knickste Belle. Sie verstand, was ihre Königin wollte und würde dafür sorgen, dass sie Essen bekam.
Yelir winkte Zunae jedoch kommentarlos zu sich und deutete auf den Stuhl neben sich. Auf der anderen Seite, nicht dort, wo Ariel gesessen hatte.
»Ist dir kalt?«, fragte Yelir, als sie sich neben ihm niederließ.
»Ich habe nicht damit gerechnet, dass es über Nacht geschneit hat«, erklärte sie. Bei dem Gedanken daran, spürte sie ein Kribbeln in ihrem Körper. Sie wollte nach draußen und wie ein Kind im Schnee spielen. Ein ungewohntes Bedürfnis, was vermutlich daran lag, dass sie noch nie so viel Schnee gesehen hatte.
Yelir nickte ernst, während Jane die Gerichte brachte, welche Elias vorbereitet hatte. Laut ihr war er sehr lernbegierig und saugte alles auf, was sie ihn über die südländische Kultur und deren Essen erzählte.
Was wohl auch der Grund war, weshalb ein Teil des Frühstücks aus dampfenden Reis bestand. Darin fanden sich kleine, rote Früchte, die einen leicht säuerlichen, aber auch süßen Geruch verströmten.
Yelir sah sich das Essen nicht an, stattdessen beobachtete er sie. »Ist es der erste Schnee, den du siehst?«, fragte er, wobei er nicht verhindern konnte, dass ein wenig Sehnsucht in seiner Stimme mitschwang. Wie gern würde er sie beobachten, wie sie hinaus in den Schnee ging und ihn erkundete. Das Funkeln in ihren Augen, wenn sie etwas sah, das sie nicht kannte, ließ ihn ebenfalls eine innere Freude spüren.
»Nicht so viel«, stimmte sie zu und nahm sich etwas Reis, den sie mit einer hellen Soße übergoss. Es war ein süßes Frühstück, wie sie es gern in den Südlanden aß. Allerdings gab es auch das ein oder andere Gericht, das Yelir schmecken konnte, was Zunae beruhigte. Sie wusste nicht, ob er Süßes mochte oder nicht.
Yelir stieß die Luft aus und blickte in seinen Wein, während Jane Zunae eine heiße Schokolade servierte. »Ich würde dir gern die verschneiten Wiesen zeigen, aber leider werde ich für ein paar Tage unterwegs sein«, erklärte er, was Zunae sofort in ihrer Bewegung innehalten ließ.
Sie ließ die Gabel mit dem Reis wieder sinken und blickte Yelir fragend an. »Stimmt etwas nicht?«, fragte sie sofort besorgt. Die Art, wie er es sagte, ließ ihre Alarmglocken schrillen.
Yelir machte jedoch nur eine wegwerfende Handbewegung. »Nicht so wichtig, aber wichtig genug, um alles andere zu verschieben«, erwiderte er und nahm dann einen Schluck, weil er sich Zeit geben wollte, die nächsten Worte genau zu überlegen. Er war sich immer noch nicht sicher, ob er sie einweihen wollte oder nicht. Ariel hatte ihm nicht die Ruhe zum Überlegen gegeben, die er gebraucht hätte.
»Ist es gefährlich?«, fragte Zunae besorgt, da sie nicht wollte, dass Yelir etwas geschah. Er behandelte sie so gut und sie wusste auch, dass es schwierig werden würde, wenn sie ihn als ihr Schutzschild verlor. Immerhin war er es, der den Frieden wollte. Ob die anderen, nur Mishas wegen, einen Frieden bewahrten, konnte sie nicht einschätzen.
Daher war es ihr wichtig, dass Yelir unbeschadet zurückkehrte.
»Nein. Wir gehen nur ein Dorf in der Nähe der Küste besuchen, das ein paar Probleme mit Piraten hat«, erklärte Yelir, der die Sache herunterspielte. Er wollte Zunae nicht beunruhigen, denn er konnte echte Sorge in ihren Worten hören. Etwas, das ihn durchaus überraschte. Dabei hatte er angenommen, er war ihr egal und sie benutzte ihn so, wie auch er sie benutzte.
Von dieser Antwort war Zunae nicht unbedingt begeistert.
Piraten.
Sie erinnerte sich daran, dass sie mit einem ähnlichen Problem in den Südlanden gekämpft hatte. Wobei sie sich noch nicht sicher war, ob es sich wirklich um Piraten handelte. »Wirst du mir mehr erzählen, wenn du zurück bist?«, fragte sie, während sie den Entschluss fasste, Ilan nach dem Stand der Dinge zu fragen. Vielleicht gab es Ähnlichkeiten, was Anzeichen für den gemeinsamen Feind waren, vor den ihre Visionen warnten.
Yelir legte seine Finger wieder um das Glas und blickte hinein. »Ich weiß es noch nicht«, sagte er, denn allein der Gedanke sie in diese Art von Kampf zu ziehen, behagte ihm nicht. Er wollte nicht, dass sie ihren Kopf mit Mord und Todschlag füllte. Allerdings gefiel es ihm auch nicht, ihr zu viel zu verheimlichen. »Es wird sich entscheiden, sobald ich weiß, was mich erwartet«, fügte er hinzu, denn er wollte ihr auch nicht das Gefühl geben, ihre Hilfe nicht zu schätzen.
Zunae stieß einen nachdenklichen Laut aus und Yelir traute sich, ihr einen schnellen Blick zuzuwerfen. Statt verärgert schien sie eher nachdenklich.
»Was wird mit Kavalare, solange du nicht da bist?«, wollte sie besorgt wissen. Ohne Yelir würde sie das Dorf nicht besuchen können. Ihre Bemühungen würden sich also verzögern.
Yelir hob eine Augenbraue. »Das wirst du entscheiden müssen. Es ist deine«, erwiderte er, weil er nicht ganz verstand, worauf sie hinaus wollte.
Verwirrt runzelte Zunae die Stirn. »Dann erlaubst du mir, allein hinzureiten?«, fragte sie unsicher, weil sie es gar nicht so recht glauben wollte.
Zuerst wollte Yelir zustimmen, doch dann entsann er sich der Gefahren, die auf dieser Reise lauerten. »Während meiner Abwesenheit wird dir Arcas zur Seite stehen. Er wird dich auch nach Kavalare begleiten, wann immer du willst.«
»Aber er ist für die Sicherheit des Harems verantwortlich. Was, wenn er mit mir in Kavalare ist und der Harem Probleme hat?«, fragte sie erschrocken darüber, dass Yelir gedachte, ausgerechnet Arcas abzuziehen. Bisher wusste sie, dass er der einzige, männliche Schutz des Harems war.
Yelir machte eine wegwerfende Handbewegung. »Unabhängig vom Harem ist die Burg gut geschützt. Es wird schwer, überhaupt erst an den Harem heranzukommen«, versicherte er beruhigend. Dass sie sich um den Harem sorgte, machte sie ihm gleich noch sympathischer.
Zunae stieß erleichtert den Atem aus. »Gut«, sagte sie und nahm einen Schluck von ihrem Rorina-Beeren-Tee. Sie hatte diesen schon immer gern getrunken, doch seitdem sie in den Nordlanden lebte, mochte sie die Wärme nur noch mehr. Auch die Wirkung setzte noch immer ein und ließ sie schon bei einem Schluck wacher werden. Nur durfte sie nicht zu viel davon trinken, da die Rorina-Beeren auch abführend wirken konnten. »Bitte pass auf dich auf«, bat sie. Das war alles, was sie sich erlaubte, denn sie wollte sich nicht unnötig einmischen.
Yelir musterte sie. Er wünschte sich, sie hätten die Hochzeit schon hinter sich, denn er wollte sie in den Arm nehmen, ihre Wärme genießen und vielleicht, wenn sie es ihm erlaubte, ihre warmen Lippen küssen. Er wollte wissen, ob das Gefühl, das er in der Kutsche gehabt hatte und das ihm schlaflose Nächte bereitete, echt gewesen war. Allein der Gedanke an ihre warmen, weichen Lippen, ließ ihn einen angenehmen Schauer über den Rücken wandern. Weshalb er sich ermahnte, nicht daran zu denken. Die Tatsache, dass er sie jeden Tag gesehen hatte, hatte tatsächlich geholfen. Jetzt aber würde er sie lange nicht sehen und Yelir machte sich Sorgen, was das mit seinen, sowieso schon verwirrenden Gefühlen, machte.
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