DBdD-Kapitel 46

Dainte beendete seine Untersuchung und wandte sich von der schlafenden Zunae ab. »Es wird dauern, bis sie sich davon erholt«, bemerkte er besorgt. »Ihre Magie hat ihren Körper so sehr geschädigt, dass es ein Wunder ist, dass sie noch lebt.«
Das war etwas, das Yelir nicht hören wollte. Dainte sollte sie heilen, aber durch ihre viel zu starke Magie war das nicht möglich.
Frustriert fuhr er sich durch die Haare. »Glaubst du ihre Schwestern könnten helfen?«, fragte er, immerhin war eine davon auch eine Heilerin.
»Vielleicht. Aber die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sie denken wir könnten nicht auf Zunae aufpassen und sie wieder mitnehmen«, brummte Dainte frustriert, dass er so wenig tun konnte.
»Das glaube ich nicht«, erwiderte Yelir. Er hatte das Gefühl, Zunae gefiel es hier. Nie hatte sie auch nur ein Anzeichen darauf gegeben, dass sie zurück wollte. Was ihn allerdings auch besorgte.
»Dann … schreib ihnen«, meinte Dainte schulterzuckend. Einen Versuch war es wert.
»Hast du herausgefunden, was es mit diesen Verfärbungen an ihren Haaren auf sich hat?«, fragte Yelir.
Ihm war aufgefallen, dass die eigentlich roten Haare an den Spitzen plötzlich himmelblau waren. Was er absolut nicht verstand. War das Teil irgendeines Zaubers oder einer Krankheit.
»Nein. Ich mache mir aber Sorgen, dass dieses Mal, das sie durch das giftige Artefakt bekommen hat, Nachwirkungen hat«, erklärte Dainte besorgt, während er einen Kräutertee zubereitete, der ihre Genesung auf natürliche Weise unterstützen konnte. Seitdem er festgestellt hatte, dass ihre Magie seine Heilung blockierte, hatte er sein Wissen erweitert. Er hatte zwar schon immer ein gewisses Kräuterwissen besessen, doch sich nie wirklich damit befasst. Magie war einfach immer praktischer gewesen. Was ein Fehler gewesen war. Daher hatte er sich die letzten Wochen sehr bemüht.
»Was meinst du damit?«, fragte Yelir alarmiert, der auf einem Sessel in der Nähe des Bettes saß.
Sein Bett und sein Zimmer.
Es wurde wohl zur Gewohnheit, sie hier unterzubringen, wenn es ihr nicht gut ging. Allerdings half es Yelir, sie im Auge zu behalten.
»Kurz, nachdem du dich auf den Weg gemacht hast, kam sie zu mir und meinte, sie fühle sich krank«, erklärte Dainte, während er die Kräuter zerkleinerte. »Ich habe mir nicht viel gedacht. Das Wetter in den Nordlanden ist für sie ungewohnt. Ich habe also mit einer Erkältung gerechnet. Dann hat sie mir jedoch erzählt, sie wäre noch nie krank gewesen, weil ihre Magie normalerweise Krankheiten abhält oder sofort angreift.«
Yelir stieß den Atem aus und erhob sich, bevor er sich zu Zunae ans Bett setzte. »Denkst du, ihre Magie funktioniert nicht richtig?«, wollte er wissen, während er daran dachte, dass es auch die Schuld des Artefaktes sein könnte. Es hatte sie immerhin kontrolliert. Und als Artefakt direkt von den Göttern geschaffen, besaß es vermutlich genug Macht, um auch gegen ihre Magie anzukommen. Hatte er sie damit verletzlicher gemacht als angenommen?
»Meine Vermutung ist, dass dieser eine Angriff ihre Magie stärker beschädigt hat, als angenommen«, erklärte Dainte, der jedoch noch keinen Beweis für seine Vermutung hatte. »Ich habe leider keinen Vergleich, aber ich denke, dass es möglich sein kann, dass dieses Schwarze Mal etwas ist, das Magie angreift. Vielleicht sogar verzehrt und dadurch hat sie nun weniger oder ihre Ströme sind durcheinander.«
Yelir seufzte leise. »Wenn es so wäre, können wir etwas tun?«
»Mit derart mächtiger Magie kenne ich mich nicht aus«, erwiderte Dainte schulterzuckend. »Wir können nur fragen. Aber ich schätze es kann nicht schaden, wenn sie ihren Körper stärkt. Ich weiß, sie macht ab und an Übungen, aber das reicht wohl nicht.«
Yelir stieß die Luft aus, wobei ein leises Knurren seine Lippen verließ. Ihm gefiel das alles nicht, denn er hatte das Gefühl, ihm wären die Hände gebunden.
»Ich werde ihr jetzt noch etwas Blut abnehmen, um zu sehen, wie es sich entwickelt hat«, erklärte Dainte, der mit einer kleinen Nadel und einem feinen Glasröhrchen erneut zu Zunae ans Bett trat und ihr schließlich vorsichtig in den Finger stach.
Yelir bemerkte nicht, dass es nicht nötig war. Er konnte durch seine eigene Gabe jederzeit prüfen, ob ihr Blut in Ordnung war. Dadurch, dass er es analysieren konnte, würden ihm Mangel auffallen. Allerdings nur, wenn er sich darauf konzentrierte. Was er bisher noch nicht getan hatte.
Ob er die Zeit fand, einen kurzen, unbemerkten Blick darauf zu werfen?
Nachdem Dainte genug Blut in das Röhrchen gefüllt hatte, verkorkte er es und wandte sich zur Tür. »Sie braucht Ruhe und sollte gut essen«, bemerkte er, bevor er den Raum verließ, um sich in sein Arbeitszimmer zu begeben.
Yelir erhob sich gerade, weil er nach Zunae sehen wollte, als es leise an der Tür klopfte.
Erschöpft schloss Yelir die Augen, wandte sich dann aber trotzdem zur Tür. Dainte war gerade erst gegangen, also musste derjenige gewartet haben, bis er weg war.
Als Yelir die Tür öffnete, stellte er überrascht fest, dass es Arcas war, der davor stand.
Da er die Aufgabe bekommen hatte, Zunae zu beschützen, war Yelir ihm durchaus böse. Allerdings verstand er auch, dass weder Arcas noch Aaron etwas hatten tun können. Es war seine eigene Schuld.
»Was willst du?«, fragte er leise knurrend, weil die Wut erneut in ihm aufwallte. Dabei galt sie nicht einmal Arcas.
»Ich wollte sehen, wie es Zunae geht. Und Charlet schickt das hier, damit es ihr bald besser geht«, erklärte er und hielt eine Kräutermischung hoch. »Sie sind gut bei viel Blutverlust. Dainte hatte angemerkt, dass er die Kräuter gebrauchen könnte.«
»Zunae schläft. Du kannst die Kräuter zu Dainte bringen«, erwiderte Yelir, der die Tür gleich wieder schloss.
Es war nicht so, dass er Arcas nicht vertraute, doch er würde sich besser fühlen, wenn Dainte die Kräuter kontrollierte.
Frustriert seufzend wandte sich Yelir wieder zu Zunae um und erblickte goldene Augen, die ihn fragend ansahen.
Wann war sie aufgewacht?
Er ahnte nicht, dass sie mitgehört hatte. Ab dem Zeitpunkt, in dem Dainte etwas von einem schwarzen Mal erzählt hatte. Davon hörte sie heute zum ersten Mal und sie war neugierig, doch sie würde nicht mit der Tür ins Haus platzen.
»Warum hast du ihn nicht rein gelassen?«, fragte Zunae mit rauer Stimme. Sie hatte die letzten Wochen mit ihm verbracht und ihn eigentlich ganz liebgewonnen. Er war ein zuvorkommender und sehr charmanter Mann.
Überrumpelt hielt Yelir inne. »Ich dachte, du schläfst. Du sollst dich ausruhen«, sagte er, obwohl noch mehr dahinterstand. Er wollte Arcas einfach nicht noch länger in ihrer Gegenwart wissen. Nicht, solange er hier war. Allein der Gedanke daran, dass er die Zeit, die er nicht konnte, mit Zunae verbracht hatte, ließ ihn eifersüchtig werden. Zudem war er in den Genuss gekommen, ihre Magie im Einsatz zu sehen. Etwas, das er selbst gern gesehen hätte. Zumindest, wenn er außer Acht ließ, was geschehen war.
Zunae versuchte sich hochzudrücken, konnte die Kraft dazu aber nicht aufbringen. Stattdessen schoss ein stechender Schmerz durch ihren Körper, der sie keuchen ließ.
Sofort machte Yelir einen Schritt auf sie zu. »Du sollst liegen bleiben«, tadelte er. Ihr Körper war nicht grundlos in Bandagen gehüllt.
»Das tut weh«, gab sie widerwillig zu, denn sie mochte es nicht, so zu liegen. Irgendwas drückte in ihren Rücken.
Yelir verzog den Mund und kam weiter auf sie zu, bevor er sich zu ihr beugte. »Leg deine Arme um mich, ich helfe dir, dich aufzusetzen.« Das war das einzige, was er tun konnte.
Überrascht darüber, hob Zunae die Arme und legte sie um seinen Hals. Kurz darauf schob Yelir vorsichtig seine Arme unter ihren oberen Rücken und ging ein kleines Stück zurück, sodass Zunae hochgezogen wurde, bis sie saß.
Dabei spürte sie seinen heißen Atem auf ihrem Hals. Die einzige Haut, die nicht verbunden war.
Dieses ungewohnte Gefühl ließ sie schaudern, während sich Wärme in ihr ausbreitete.
»Habe ich dir weh getan?«, fragte Yelir, der ihre Reaktion missverstand.
»Nein«, flüsterte sie, erzitterte aber wegen der plötzlich Kälte, die durch die fehlende Decke entstand. Instinktiv drückte sie sich etwas mehr an Yelir, um sich an ihm zu wärmen.
»Ich mache dir den Kamin an«, sagte Yelir sofort und löste sich von ihr. Sanft, aber bestimmt.
Zunae gefiel es nicht, doch sie ließ es zu und raffte die Decke so zusammen, dass sie sich zumindest ein bisschen wärmen konnte.
»Was hat es mit dem schwarzen Mal auf sich, von dem Dainte gesprochen hat?«, fragte sie, während sie Yelir dabei beobachtete, wie er das Feuer anzündete.
Dieser versteifte sich, denn dieses Mal konnte er die Frage nicht einfach umgehen, indem er sie anwies zu essen.
Als das Feuer loderte, erhob er sich wieder und kam zurück zu Zunae.
Sie saß im Bett und beobachtete ihn, achtete jedoch darauf, sich möglichst wenig zu bewegen.
Yelirs Blick wanderte an ihr hinab und blieb an den blauen Spitzen ihrer Haare hängen.
Er hatte sich das nicht eingebildet, aber was hatte es damit auf sich?
Zunae, die seinem Blick folgte, nahm ihre Haare in die Hand und erbleichte, als sie das Blau sah. Das konnte doch nicht wahr sein.
»Ich erkläre es dir, wenn du mir sagst, was es mit deinen Haaren auf sich hat«, schlug Yelir vor, der hoffte, dass sie nicht darauf einging. Immerhin schien sie über die Änderung ihrer Haarfarbe geschockt. Yelir ging davon aus, dass sie es nicht wusste. Er vermutete, dass es mir dem Artefakt zusammenhing.
Ein Seufzen verließ ihre Kehle. »Das passiert, wenn ich den Großteil meiner Magie genutzt habe«, gab sie widerwillig zu. »Aber sie sollten nicht mehr blau sein, wenn der Zauber vorbei ist.«
Zu überrumpelt davon, dass sie ihm einfach so die Wahrheit sagte, räusperte er sich. »Du trägst das Artefakt nicht mehr. Du musst nicht antworten, wenn du nicht willst«, bemerkte er, um das klar zu stellen.
Zunae blickte ihn erschrocken an. Ihre Hand schnellte zu ihrem Amulett, doch dieses war noch immer da. Es fehlte lediglich die Kette mit der Katze im Halbmond.
»Warum?«, fragte Zunae leise, die es gar nicht glauben konnte. Hatte sie sich genug bewiesen?
»Es hätte dich fast umgebracht«, knurrte Yelir frustriert. Er hasste den Gedanken, dass sie dadurch fast gestorben wäre.
Zunae wusste nicht sofort, was sie sagen sollte. Die Vorstellung die Kette zu tragen, machte ihr Angst. Gleichzeitig wusste sie aber auch, dass andere sonst vielleicht Angst vor ihr bekamen. Vor allem die Bevölkerung von Kavalare. Jetzt, wo sie ihre Magie gesehen hatten, würden sie sich in ihrer Nähe vielleicht unwohl fühlen.
»Es hat andere beruhigt«, sagte sie schließlich, weil sie hoffte, dass Yelir verstand, was sie damit sagen wollte.
Dieser stieß jedoch nur die Luft aus. »Ich werde mir etwas überlegen«, murrte er schließlich. Es fiel ihm überraschend schwer, ihr etwas abzuschlagen. Was nicht nur daran lag, dass sie eine Frau war. Sie hatte seine Heimat gerettet. Seine Freunde und deren Familien.
Selbst Astaron hatte ihm erzählt, dass sie zu schwach gewesen wären, sich gegen all diese Banditen zu schützen.
Zunae hingegen gab sich die Schuld. Sie hatte die Magiesteine aufgeladen und damit die Banditen angelockt. Es war ganz klar gewesen, warum sie Kavalare angegriffen hatten. Wäre sie nicht gewesen, wäre die Situation nicht so eskaliert. Darum hatte sie auch alles daran getan, ihren Fehler wieder gut zu machen.
»Gibt es jemanden, der sich um Kavalare kümmert? Solange die Magiesteine dort sind …«, setzte sie besorgt an, als ihr bei dem Gedanken, dass sie jetzt ganz auf sich gestellt waren, ein eiskalter Schauer über den Rücken jagte. Sie musste zurück, falls die Banditen wiederkamen.
Als sie die Decke zur Seite schlug, hielt Yelir sie sofort auf. Er konnte ihrem Gesicht ihre Gedanken zum Teil ansehen.
»Ihnen geht es gut. Ich habe ein Teil der Soldaten abgestellt, die in Kavalare für Schutz sorgen«, erklärte er, um sie zu beruhigen. Auch er hatte die Bewohner nicht einfach so ungeschützt zurücklassen können. Dabei war es bis vor kurzem noch so friedlich gewesen.
Allerdings nahmen die Banditenangriffe in letzter Zeit zu. Nicht nur in Kavalare.
Erleichterung durchströmte Zunae, doch so ganz entspannen konnte sie sich nicht. »Ich hatte das Gefühl, sie wüssten von den Steinen. Aber woher?«, fragte sie besorgt. Würden weitere Angriffe stattfinden oder hatte sie alle Banditen ausgelöscht?
»Das finden wir heraus«, versicherte Yelir, dessen Blick ernst wurde. »Wie ist es dir gelungen trotz der Kette anzugreifen?«, fragte er leise. Ihm war bewusst, dass sie nicht antworten musste und es nun auch wusste. Würde sie ihm die Wahrheit sagen oder eine Ausrede finden, ihn vielleicht sogar anlügen?
Zunae zögerte einen Moment. Sie hatte nicht vor, ihn anzulügen, doch von Ehana wollte sie nicht unbedingt erzählen. »Ich habe den Zauber weder erschaffen, noch ausgeführt. Er hat aber meine Magie genutzt«, erklärte sie schließlich, wobei sie bemerkte, dass ihre Stimme dabei rau wurde. Ihr Hals schmerzte und sie sehnte sich nach etwas zu trinken. Zudem wurde ihr plötzlich überraschend warm.
Es lag nicht an dem Kaminfeuer, denn dieses erwärmte den Raum schon einige Zeit und hatte sie bisher auch nicht gestört. Stattdessen hatte sie das Gefühl, eine Hitzewelle würde über sie hinwegschwappen.
Langsam zog sie die Decke zur Seite und fächerte sich Luft zu. Sie bemerkte gar nicht, dass ihr Atem schwerer ging.
Erst, als Yelir ihr eine Hand auf die Stirn legte und leise bemerkte, dass sie glühte, wurde ihr klar, dass sie schon wieder auf eine Erkältung zusteuerte.
»Nicht schon wieder, Dainte hat gesagt, ich bin wieder gesund«, rutschte ihr heraus, weil sie keine Lust mehr auf krank sein hatte. Es war überhaupt nicht angenehm und sie hatte gehofft, dass sie diese Dinge nur einmal durchlaufen musste, bevor ihre Magie sie wieder schützte. Allerdings hatte sie sehr viel davon verbracht.
»Du warst krank?«, fragte er alarmiert. Warum hatte Dainte ihm die Einzelheiten verschwiegen?
Zunae wollte die Luft ausstoßen über eine solche Frage, brachte jedoch nur ein leises Husten zustande.
»Ich werde Dainte sofort wieder holen«, sagte er frustriert darüber, dass er nicht wusste, wie schlimm es gewesen war. Dainte hatte zwar irgendwas in die Richtung angedeutet, doch er hatte angenommen, dass sie vielleicht ein wenig Husten gehabt hatte. Allerdings klang das nicht so. Nicht, wenn sie Fieber hatte. Damit war nicht zu spaßen.
Er erhob sich, doch Zunae griff nach seinem Arm. Ein schwacher Griff, den Yelir sofort unabsichtlich abschüttelte, als er sich bewegte. Er hatte ihn gar nicht bemerkt und wandte sich nun fragend um.
Ein Husten war die Antwort, als Zunae ihn bitten wollte, nicht zu gehen. Sie wollte in diesem Zustand nicht allein sein.
Yelir brauchte einen Moment, um zu verstehen, was sie von ihm wollte. Er verstand nur nicht, warum. Hatte sie Angst?
Ihr Blick erinnerte Yelir an ein Kind, das etwas wollte, das ihm wichtig war. Was auch der Grund war, warum er sich zu ihr setzte. Noch nie hatte sie sich ihm gegenüber so verletzlich gezeigt. Es musste ihr wirklich nicht gut gehen. Hoffentlich war es in Ordnung, dass er nicht sofort Dainte informierte.
Kommentare