DBdD-Kapitel 49

Zunae schlief unruhig. Immer wieder schreckte sie aus ihren Träumen auf und sah sich hektisch atmend im Zimmer um, nur um festzustellen, dass alles ruhig und dunkel war. Sie verstand nicht, warum ihr Schlaf so unruhig war. Es waren keine Visionen, die sie plagten, stattdessen hatte sie Träume, die sie sich nicht einmal bis zum Aufwachen merken konnte. Nur ihr Körper reagierte sehr heftig, weshalb sie diese als Albträume einordnete.
Immer ging ihr Atem schnell, ihr Herz raste und ihr Körper war voller Schweiß. Nur änderte das nichts daran, dass sie müde war und immer wieder einschlief, sobald sie erwachte.
Die Nacht war die Hölle und am Morgen hatte sie tiefe Augenringe und war nicht ansatzweise ausgeschlafen.
»Ihr seht nicht gut aus«, bemerkte Belle, die ihr Frühstück brachte. Frische Früchte aus Kavalare, zusammen mit einem sättigenden Brei aus Reis. Etwas, das Zunae gern aß, doch heute spürte sie keinen Hunger.
Als Belle die Vorhänge öffnete, kniff sie ihre Augen zusammen und stöhnte leise. Das Licht bereitete ihr Kopfschmerzen.
»Kannst du Dainte bitten, herzukommen?«, fragte sie, ohne sich ganz aufzusetzen. Dabei verströmte das Essen, das Belle auf ihren Nachttisch gestellt hatte, einen verlockenden Duft.
Belle blickte Zunae besorgt an. Sie hatte ihre Königin noch nie so gesehen. Obwohl sie schon oft durch Visionen erwacht war, hatte sie doch noch nie solche Augenringe und eingefallene Haut gehabt. Als hätte der Traum sie förmlich ausgelaugt.
»Hattet Ihr eine Vision?«, traute sich Belle flüsternd zu fragen. Sie wusste nicht, wie viel die Nordmänner von Zunaes Gabe wussten, doch dass sie den Heiler hier haben wollte, beunruhigte Belle.
Zunae massierte sich mit den Fingern die Schläfen, was jedoch nur bedingt half. »Nein. Das nicht. Es ist … ich bin unsicher«, gestand sie, denn sie sah auch keinen Grund, Belle anzulügen. Nur sah sie dieser an, wie sehr es sie beunruhigte.
»Ich werde ihn sofort für Euch holen«, erwiderte Belle, die leicht knickste und sich dann sofort auf den Weg machte.
Zunae stieß die Luft aus und schloss ihre Augen. Hätte sie fragen sollen, ob Belle die Vorhänge wieder zuziehen konnte? Das Licht störte sie, doch als sie begann wieder einzudösen, begann ihr Herz schneller zu schlagen, bevor sie die Augen wieder aufschlug. Ihr Körper zitterte, sodass sich Zunae fragte, ob sie vielleicht Angst hatte. Aber wieso? Nichts hier war gefährlich. Sie war in Sicherheit.




Als Zunae allein zurückblieb, spürte sie, wie ihr erneut kalt wurde. Wenn sie darüber nachdachte, dann war das Problem schon, seitdem Yelir nicht mehr hier im Raum schlief und sie in der Nacht allein war.
Das erinnerte sie an Kali nach ihrer ersten Schlachtfelderfahrung. Sie hatte wochenlang nicht allein schlafen können.
Was es das, was Zunae plagte? Aber warum? Sie war schlachtfelderfahren und sollte nicht derart panisch reagieren. Außerdem war sie hier nicht zu Hause. Wie sollte sie ihre Vermutung Dainte und Yelir erklären? Sollte sie es vielleicht lieber nicht tun? Aber jetzt hatte sie schon nach dem Heiler rufen lassen.
Gerade, als sie darüber nachdachte, was sie sagen sollte, wurde die Tür geöffnet. Als Zunae aufsah, entdeckte sie jedoch nicht nur Dainte, sondern auch Yelir. »Belle sagte, dir ginge es nicht gut«, bemerkte Dainte, der sie sofort eingängig musterte. Ihm entgingen ihre Augenringe und das müde Gesicht nicht, was ihn besorgte.
»Du siehst schrecklich aus«, bemerkte Yelir, der sie nur selten in einem solchen Zustand gesehen hatte.
Zunae versuchte sich an einem Lächeln. »Danke für das Kompliment«, meinte sie, in dem Versuch, die Stimmung aufzulockern, bevor sie sich an Dainte wandte. »Ich schlafe in letzter Zeit sehr schlecht. Ich wollte dich eigentlich nur um einen Schlaftrank bitten.«
Dainte musterte sie eingängig, während auch Yelir sie anstarrte. »Bevor ich ihn dir mache, gib mir deinen Arm«, bat Dainte, der sie noch einmal untersuchen wollte.
Zunae zögerte, bevor sie ihren Arm ausstreckte. Sie rechnete nicht damit, dass es Yelir war, der danach griff, um ihn zu halten und mit seiner Magie sanft, aber bestimmt, in ihre einzudringen.
Zunae spürte ein unangenehmes Kribbeln, wehrte sich aber nicht, denn sie wollte wissen, was die beiden vor hatten.
Während Yelir ihre Magie zurückhielt, legte Dainte seine Hände auf eine weitere freie Stelle und ließ seine Magie in sie strömen.
Wärme nahm Zunae ein und sorgte für ein überraschend angenehmes Gefühl. Es blieb jedoch nicht lange, als Dainte seine Magie auch schon erschöpft zurückzog. »Keine Verletzungen mehr und auch kein Gift«, gab er erleichtert zu. Nur diese kurze Untersuchung hatte ihn so viel Kraft gekostet, wie er sonst für sehr schwere Verletzungen aufwenden musste. Dabei hatte Yelir ihm schon geholfen.




Dieser seufzte und ließ von Zunaes Arm ab. Auch ihm war anzusehen, wie angestrengt er gewesen war.
Allerdings war er auch erleichtert, dass es funktioniert hatte. Vielleicht aber auch nur, weil Zunae immer noch sehr erschöpft aussah. »Dein Körper ist aber immer noch schwach«, bestätigte Dainte Yelirs Vermutung. »Gut essen wird dir helfen, aber du solltest auch langsam aus dem Bett raus. Es aber nicht übertreiben.«
Yelir verzog den Mund. Die Vorstellung, sie würde in diesem Zustand allein durch die Burg wandern, gefiel ihm nicht. Was, wenn sie zusammenbrach und niemand bemerkte es?
»Wird das meinen Schlaf verbessern?«, fragte Zunae, die sich viel zu erschöpft fühlte, um sich zu bewegen.
Dainte zögerte mit seiner Antwort. »Warum kannst du denn nicht schlafen?«, fragte er, da er keine direkten körperlichen Anzeichen gespürt hatte, die für schlechten Schlaf sorgen konnten.
»Ich weiß nicht. Wenn ich aufwache, schwitze ich, mein Herz schlägt schnell und mein Atem geht schwer«, erklärte Zunae widerwillig. Sie gestand sich diese Schwäche nur ungern ein.
Dainte blickte fragend zu Yelir, doch dem war nie etwas Derartiges aufgefallen, während er auf sie Acht gegeben hatte. Daher zuckte er nur die Schultern.
»Du hast viel durchgemacht. Es ist nicht unnormal, von diesen Dingen zu träumen«, erklärte Dainte sanft. »Du verarbeitest die Dinge. Gib dir etwas Zeit.«
Zunae verzog den Mund. Das war nicht das, was sie hören wollte. Immerhin war sie es nicht gewohnt, sich Zeit zu geben. Sie hatte als Königin funktionieren müssen. Egal in welcher Lage.
»Ist das alles?«, fragte Zunae ein wenig mürrisch.
Dainte nickte, denn mehr konnte er im Moment nicht tun. »Ich mache dir für heute Abend einen Schlaftrank«, versicherte er schnell, um sie etwas zu beruhigen. »Aber eine Dauerlösung wird das nicht sein.«
Das war Zunae klar, doch sie wollte wenigstens zwischendrin eine Nacht schlafen.
Noch einmal blickte Dainte zu Yelir, der ihm zunickte, weshalb er schließlich das Zimmer wieder verließ.
»Fühlst du dich unsicher?«, fragte Yelir direkt, dem ihr Verhalten an das erinnerte, was er von einigen Jungen aus dem Krieg kannte. Es war nicht selten, dass diese nach ihren ersten Schlachten derartige Angst hatten.




Widerwillig verzog Zunae den Mund. »Ja«, gab sie zu. Sie hatte Sorge, dass sie damit als potentielle Königin nicht mehr in Frage kam. Aber in den Nordlanden war eine Königin entbehrlich. Ihr Tod würde kein derartiges Loch in die Regierung reißen, wie es in den Südlanden gewesen wäre.
»Keine Sorge. Ich werde nicht zulassen, dass dich jemand im Schlaf angreift«, versicherte Yelir mit rausgestreckter Brust. Es war seine Aufgabe als Mann, die Frau zu beschützen und das würde er tun. Ihm war egal, dass Zunae eine Kriegerin war. Als seine Frau würde er sie beschützen, auch wenn sie das noch nicht war. Solange sie unter seinem Dach lebte, war das seine Aufgabe.
Vorsichtig lächelte Zunae. Sie kämpfte mit sich. Sollte sie ihm sagen, dass sie trotzdem Angst hatte? »Das weiß ich, aber es können immer Dinge geschehen«, sagte sie vorsichtig.
Sofort griff Yelir ihre Hände. »Hattest du eine Vision?«, fragte er eindringlich. Wenn sie von ihrem Tod träumte, konnte das eine Vorahnung sein, die er nicht ignorieren würde.
Seine plötzliche Sorge und Angst überraschte Zunae. Es war das erste Mal, dass er sie direkt auf ihre Visionen ansprach.
»Nein. Ich glaube nicht«, bemerkte sie besorgt. Sie konnte nicht einmal sagen, ob sie eine Vision gehabt hatte oder nicht. Wenn ja, dann erinnerte sie sich nicht mehr daran und das machte ihr zusätzlich Angst. Ihre Visionen waren wichtig, damit sie sich schützen konnte.
»Du glaubst nicht?«, fragte Yelir mit hochgezogener Augenbraue. Sie hatte bisher immer sehr sicher gewirkt, wenn sie über ihre Visionen gesprochen hatte, deshalb passte ihre Reaktion nicht unbedingt.
»Ich habe Tabletten, die meine Visionen unterdrücken können, wenn sie mich zu sehr erschöpfen. So fühlt es sich an, aber ich habe sie nicht genutzt, seitdem ich hier bin«, erklärte sie widerwillig. Yelir war der erste, dem sie von ihren Visionen erzählt hatte, da konnte er auch das wissen.
Nachdenklich rieb er sich das Kinn. »Hast du sie vielleicht mit den Medikamenten verwechselt?«, fragte er besorgt. Sie hatte immerhin recht neben der Spur gestanden, weshalb das nicht unwahrscheinlich war.
Allerdings schüttelte Zunae den Kopf. »Die Dose hätte ich sofort erkannt«, sagte sie schnell und öffnete ihre Nachttischschublade. Darin befanden sich die Tees und Kräutermischungen, die Dainte ihr gemacht hatte, doch die kleine Dose mit den Malereien ihrer Schwester fand sie nicht vor.




Sofort schob Zunae die anderen Dinge zur Seite, um nach der Dose zu suchen, doch sie war einfach nicht da.
Unruhe machte sich in ihr breit. Hatte sie diese verlegt? Vermutlich.
»Was ist?«, fragte Yelir, der nicht ganz verstand, warum sie plötzlich ihren Mund verzog und verärgert wirkte.
»Ich hab sie wohl verlegt«, gab Zunae zu, auch wenn sie jetzt gern die Malereien ihrer Schwester bewundert hätte, um sich zu beruhigen.
»Soll ich dir beim Suchen helfen?«, fragte Yelir, der sie im Moment nicht allein lassen wollte. Dabei hatte er eigentlich andere Dinge zu tun. Unter anderem Degoni bei den Untersuchungen helfen, die sich mit den vermehrten Banditenangriffen beschäftigten. Oder diverse Briefe seiner Fürsten durchgehen, die wohl vergessen hatten, dass seine oberste Priorität als Herrscher die Sicherheit des Landes war und nicht die wirtschaftliche Lage. Während die Banditen für ihn eine kleine Plage waren, um die er sich mit den Soldaten kümmern konnte, waren die Bitten der Fürsten um finanzielle Hilfe problematisch.
»Das musst du nicht. Ich werde es verlegt haben. Das findet sich schon wieder«, riss Zunae Yelir aus seinen Gedanken, der sie kurz eingängig musterte. Vertraute er vielleicht zu sehr darauf, dass sich Zunae um das kümmerte, was ihm nicht lag?
Wann war es überhaupt so weit gekommen? Immerhin waren sie immer noch nicht verheiratet. Hoffentlich entschied sie sich bald. Er wollte sich einfach nicht vorstellen, dass sie jemanden wie Degoni oder gar Arcas als ihren zukünftigen Mann wählen würde. Er brauchte sie nicht nur für den Frieden und sich das einzugestehen, frustrierte ihn.

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