DBdD-Kapitel 55

»Das, was ich dir jetzt zeige, musst du unbedingt für dich behalten«, sagte Zunae ernst, die noch immer mitten im Raum stand.
Aaron, der sich etwas von ihrer Kopie entfernte und um den Tisch herumging, sodass er näher bei der echten Zunae war, nickte angespannt.
Er wusste, wie vielseitig Artefakte waren, doch wenn sie mehrere Vertraute besaß, die dann auch noch Fähigkeiten nutzen konnten, war ihre Magie so vielseitig, dass Aaron überhaupt nicht einschätzen konnte, was passieren würde.
Zunae streckte die Hand aus, sodass ihre Handfläche nach unten zeigte. Dann schloss sie die Augen.
Es war nicht leicht, mehrere Vertraute zu beschwören, doch ihre Menge an Magie machte es möglich. »Chiaki«, flüsterte Zunae, die ihn dieses Mal nicht beschwören musste, sondern nur zu sich rufen. Er hatte erneut Yelir begleitet, da sie nicht davon ausgegangen war, ihn zu brachen. Damit verlor sie zwar ihre Augen und Ohren, doch sie hoffte, dass Yelir dennoch sicher war.
Aaron bemerkte den Unterschied zu der Beschwörung von Ehana. Besonders, als sich unter Zunaes Handfläche ein Schatten sammelte.
Die Magie, die davon ausging, stellten Aaron sämtliche Härchen auf. Er konnte sie kaum einschätzen, so dicht und mächtig war sie. Es erinnerte ihn an den Angriff, den Zunae auf die Banditen geschickt hatte. Gleichzeitig war da jedoch ein Gefühl der Ruhe. Als würde er in einen dunklen Sternenhimmel blicken, der ihn zu verschlucken drohte. Wie konnte dieses Gefühl Ruhe und Geborgenheit in ihm auslösen?
Schließlich sammelten sich die Schatten und zerblatzten wie eine Seifenblase. Dort am Boden saß ein kleines, schwarzes Wesen. Ein Kater mit kleinen Flügelchen und großen Augen.
Unschuldig, süß und nichts, das Aaron mit der Magie in Verbindung gebracht hätte. Dabei sammelte sie sich in diesen kleinen Körper.
Er machte einen Schritt zurück, denn dieser Kater war gefährlich. Noch nie hatte Aaron etwas so Mächtiges gespürt.
Als der Kater sich bewegte und in Zunaes Arme sprang, um sich an ihre Wange zu schmiegen.
Das beruhigte Aaron nur ein bisschen. »Lady«, stammelte er, wobei er die Panik nicht zügeln konnte.
Zunae blickte ihn überrascht an, denn sie verstand nicht, wieso er solche Angst hatte.




»Er kann mich spüren«, erklang eine schnurrende Stimme, die Zunae nur selten hörte.
Aaron, der diese auch wahrnahm, zuckte heftig zusammen. Er musste nicht fragen, woher sie kam. Die Stimme war so voller Magie, dass er sie sofort dem Kater zuordnen konnte.
Zunae blickte Chiaki stirnrunzelnd an. »Das ist … aber du versteckst deine Magie«, bemerkte sie, denn bisher hatte noch niemand derartige Angst vor Chiaki gehabt.
Dieser stieß ein Geräusch aus, das entfernt an ein Lachen erinnerte. »Du hast ein feines Gespür, Mensch. Einer deiner Vorfahren muss von der Seelenkatze gesegnet worden sein«, sagte er mit einem zufriedenen Schnurren und direkt an Aaron gerichtet.
Zunae hatte noch nie gesehen, dass Chiaki direkt mit jemand anderem außer ihr sprach.
Aaron stammelte, doch die Wörter ergaben keinen Sinn. Er wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Das, was er spürte, war nicht in Worte zu fassen. Er wollte sich auf den Boden werfen und sich verneigen. Vor einem kleinen Kater!
Ein Kater, der sich auf Zunaes Arm kuschelte und mit dieser schmuste. Ob sie die Magie nicht spürte?
Aaron betrachtete sie und spürte, dass die beiden Magien miteinander verschmolzen. Er konnte sie nicht mehr auseinanderhalten, jetzt wo sie so nah beisammen waren.
»Was … ist jetzt der Plan?«, traute sich Aaron schließlich zu fragen. Er verstand nicht, warum sie diesen Kater gerufen hatte.
»Ich werde mich Chiakis besonderer Fähigkeit bedienen«, sagte sie mit funkelnden Augen.
Der Kater blickte sofort zu ihr auf. Sein Schwanz wedelte voller Vorfreude und das Schnurren, das er ausstieß, wurde laut. »Ich dachte schon, du würdest das nie mehr tun«, sagte er und legte seine Pfoten auf ihr Brustbein.
Noch bevor Aaron fragen konnte, was los war, erstrahlte Chiaki in einer dunklen Aura, die auf Zunae überging.
Das auffällige, rote Haar wurde schwarz, die Karamellhaut blass und die goldenen Augen intensiver.
Aaron schnappte nach Luft, als ihm bewusst wurde, dass ihre weibliche Figur ebenfalls verschwand. Ihre Brüste wurden so klein, dass sie kaum mehr der Rede wert waren und ihre Schultern wesentlich breiter. So, dass ihr das Kleid riss, bevor sich dieses zu einer schwarzen Uniform wandelte.




Magie war unergründlich und doch hatte Aaron bisher immer geglaubt, sie zu verstehen. Zu verstehen, was möglich war und was nicht. Jetzt fragte er sich, ob das stimmte. Das hier war … wie ein Wunder.
Zunae betrachtete sich selbst und bewegte dann ihre Finger. Die Hände waren größer als sie es gewohnt war und die Fingernägel lang und spitz. Sie musste darauf achten, dass sie sich damit nicht verletzte.
»Sieht gut aus. So kann ich dich begleiten«, sagte sie zufrieden, was bei Aaron nur für Entsetzen sorgte. Selbst ihre Stimme klang anders.
»Das …«, murmelte Aaron, der gar nicht wusste, wie er sein Unwohlsein in Worte fassen konnte. Es fiel ihm schwer, das zu glauben. Wie sollte er jetzt mit ihr umgehen?
»Das ist praktisch, oder?«, fragte Zunae, ohne sich großartig Gedanken darum zu machen, dass Aaron sich vielleicht unwohl fühlte. Sie kannte diese Reaktionen von zu Hause. Daher würde sie einfach warten, bis er sich daran gewöhnt hatte.
»Wie … soll ich Euch ansprechen?«, fragte Aaron, der sich dazu entschied, es einfach zu akzeptieren. Ändern konnte er es sowieso nicht. Sie steckte voller Überraschungen und er fragte sich, womit sie ihn noch schockieren wollte.
Zunae blickte nachdenklich ins Feuer. »Riley«, sagte sie schließlich, denn das konnte ein Name für einen Mann oder eine Frau sein. Zumindest bei ihnen zu Hause.
Aaron räusperte sich. »Lord, Lady, Fürst?«, fragte er unsicher, womit er Zunae zum Lachen brachte.
»Ich bin ein Söldner, also kein Grund für diese Höflichkeit«, sagte sie mit einem Schmunzeln. Es war einfacher, wenn jeder dachte, Aaron hätte sie für viel Geld engagiert.
Aaron rieb sich das Kinn. »Da wir vor haben viele Waren zu verkaufen, wäre es nicht zu unwahrscheinlich, dass wir auch Söldner anheuern«, stimmte er schließlich zu und begann die Möglichkeiten zu finden.
Zunae nickte zustimmend. »Sobald wir wissen, wie viel Geld es einbringt, werde ich mich daran setzen, die nächsten Dinge zu planen. Vorerst sind Straßen wichtig und dann sollten wir überlegen, ob wir Schafe halten können. Nach meinen Notizen gibt es einige fähige Weber und Schneider.«
Aaron hob die Hände, um Zunae in ihrer Planung aufzuhalten. »Langsam. Kein Grund, Euch … dich … zu überarbeiten«, sagte er, denn die Sorge, dass sie zu viel arbeitete und wieder ausfiel, machte sich in ihm breit.




Zunae, die es gar nicht anders kannte, hielt kurz inne und lächelte dann leicht. »In Ordnung. Widmen wir uns erst einmal dem Verkauf.« Immerhin konnte da eine Menge schiefgehen, auch wenn Zunae das nicht beschreien wollte.
Vielleicht ging auch alles gut und sie stießen auf den Weg in das nächste Dorf gar nicht auf Banditen.

Kommentare