DBdD-Kapitel 70

Es war eine seltene, mondlose Nacht, als sich die wichtigsten Männer der Nordlande im Tempel der Götterkatze sammelten.
Ihren Rängen nach bildeten sie in den Gängen einen Weg, der schließlich im großen Innenhof unter dem Sternenhimmel endete.
Die kleinen Kristalle des Tempels leuchteten und vermittelten das Gefühl, der Himmel selbst würde sie umgeben.
Zunae schritt neben Degoni an den Männern vorbei, die sie alle mit skeptischen, aber auch neugierigen Blicken musterten.
Eigentlich hätte Lacrew sie begleiten müssen, doch dieser war zu krank. Als sein Sohn war Degoni die Wahl, die am sinnvollsten war. Nur hatte er eine Abneigung gegen sie, die er jedoch recht gut versteckte. Seine Miene war zwar kühl und abweisend, doch zumindest hatte er sie nicht beleidigt.
Das leise Raunen, das sich ausbreitete, schob sie auf das Gewand, das sie gewählt hatte.
Der Hauptteil des Kleides bestand aus einem mitternachtsblauen Stoff, der ihre Verbindung zu den Seelenkatzen symbolisieren sollte. Immerhin heiratete sie in diesem Tempel und auch einen Abkömmling dieser.
Trotzdem hatte sie sich bewusst für perlmuttweiße und silberne Verzierungen entschieden, um auch ihre Verbindung zu den Drachen zu zeigen.
Der schwere Stoff des Mieders war figurbetont und herzförmig geschnitten. Die subtilen Netzeinsätze an den Seiten vermittelten die Illusion von Haut, ohne sie wirklich zu zeigen. Anui hatte sich in dem Design an die südländische Mode gehalten und gleichzeitig die nordländische Sittsamkeit eingebaut.
Daher war ihr Brustbereich, den sie normalerweise freiließ mit einem durchsichtigen Stoff bedeckt, auf dem Sternenmuster gestickt waren. Aus den Kristallen, die in sanften Violett und Rosa schimmerten und die man normalerweise mit den Kristalldrachen der Südlande in Verbindung brachte.
Ihr Rücken war frei, zeigte aber ein feines, fast kaum zu erkennendes Motiv. Nur wer richtig hinsah würde den Kristalldrachen und die Seelenkatze entdecken.
Sie umkreisten sich in spiralförmigen Bewegungen, was Harmonie symbolisieren sollte.
Ihre Ärmel waren eine Anspielung auf die Flügel eines Drachen. Sie bestanden aus transparentem, aber schimmernden Stoff, der locker herabfiel und flatternd wirkte. Die Kristalle an den Ärmeln ließen sie schimmern.
Der Rock des Kleides war vorn kürzer, sodass man die Schuhe aus Kristall erkennen konnte, die sie nur selten trug. Hinten lief der Rock in eine sehr lange Schleppe aus, die an den Schweif eines Drachen erinnerte.
Das rote Haar war offen und wallte ihr wie Feuer um die Haare, war aber durch viele kleine Spangen gebändigt.
Yelir hatte ihr gesagt, dass sie wenig Haarschmuck tragen sollte, auch wenn sie nicht wusste, warum. Sie hatte sich daran gehalten und lediglich ein paar kleine Zöpfe geflochten, damit ihre Haare nicht in ihr Gesicht fielen.
Der Umhang aus transparentem Stoff war an ihren Schultern befestigt und ähnelte überraschenderweise dem von Yelir.
Dieser stand angespannt neben dem Priester, während er jede Bewegung von Zunae betrachtete. Sie sah wunderschön aus, wie sie über den Boden schwebte. Neben ihr verblasste selbst die atemberaubende Umgebung des Tempels. Was nicht nur er so fand.
Das Flüstern, das an sein Ohr drang, war überraschenderweise positiver als erwartet. Vermutlich, weil jeder gedacht hatte, sie würde in einem reinweißen Kleid heiraten, um ihre Herkunft aus den Südlanden zu demonstrieren.
Yelir war froh, dass sie es nicht getan hatte, schämte sich aber auch etwas, dass er nicht daran gedacht hatte, auch Elemente ihrer Heimat einzuarbeiten.
Er trug die tiefschwarze Tracht, die in den Nordlanden sehr traditionell war.
Der robuste Lederpanzer war kunstvoll verziert und zeigte Sternenmuster und stilisierte Katzenaugen.
Der weite Umhang wies Besatz aus schwarzem Pantherfell auf und reichte bis knapp zum Boden.
Das eng anliegende Lederwams mit der hohen Kragenpartie rahmte sein Gesicht ein, wirkte aber im Gegensatz zu Zunaes eleganter Schönheit eher wild und karg. Da konnten auch die vielen kleinen Details wie der Gürtel aus Silbermetall, der seine Taille umschloss und eine stilisierte Pfote zeigte, oder die Krone auf seinem Haupt, die typisch nordländisch aus schwarzem Eisen war, nichts ändern.
Von irgendwo her schien magisch Licht auf Zunae und Yelir, sodass man sie ohne Probleme erkennen konnte, während die Gäste eher in den Hintergrund rückten und mit der Umgebung verschmolzen.
Schließlich kam Zunae vor dem Altar an, wo Degoni ihre Hand an Yelir reichte. Eine symbolische Handlung, dass er mit der Hochzeit einverstanden war.
»Im Schatten der Katzen, im Schutz ihrer Klauen …«, erhob der Priester, der in der Dunkelheit nicht zu erkennen war und nur aus einem paar schimmernder Katzenaugen zu bestehen schien, das Wort. »Verbinden wir zwei Seelen.«
Er nahm Zunaes andere Hand und legte sie in Yelirs freie, bevor er ein Band, das so gestaltete war, das es wirkte wie eine Kette aus Sternen, um die Hände schlang. »Möge die Macht der Seelenkatze euch führen und eure Nachfahren stärken.«
Neben Yelir trat Dainte, der ein kleines, schwarzes Kissen in den Händen hielt. Darauf ein fast unscheinbarer, silberner Ring mit einem roten Kristall inder Mitte. Ein Blutdiamant, den Yelir eigenes aus seinem Blut für diesen Anlass geschaffen hatte.
Diesen nahm Yelir sanft mit der freien Hand. »Ich, Yelir Raenac, schwöre dich, Zunae Naytan, zu ehren, zu achten. Dich als Königin der Nordlande anzuerkennen und den Frieden mit den Südlanden zu wahren«, sprach er, was bei Zunae ein Kribbeln im Magen auslöste. Er gelobte, sie als Königin zu akzeptieren, was ein Murmeln in den Reihen auslöste.
Als er den Ring vorsichtig an ihren Finger schob, wurde ihr Mund ganz trocken.
»Ich, Zunae Naytan, schwöre dich, Yelir Raenac als meinen Ehemann und König zu ehren, für das Land, das nun meine Heimat ist, zu kämpfen und den Frieden zu verteidigen«, erwiderte Zunae mit fester Stimme. Nicht nur die Nordländer waren Krieger, auch die Südländer.
Mit diesen Worten trat Belle an Zunaes Seite und hielt das Kissen aus sanften Rose hoch. Ein kleiner, schwarzer Ring ohne viel Verzierhung lag darauf und wurde von Zunae aufgenommen, um seinen Platz an Yelirs Finger zu finden.
Dann wandte sich Yelir mit Zunae zu der Katzenfigur, die nun frei lag.
Sie überquerten die wenigen Meter und gingen vor ihnen in auf die Knie, um jeder einen kleinen Tropfen Blut als Opfergarbe darzubringen. Als Ehrung an die Seelenkatzen.
In dem Moment, als das Blut zu Boden tröpfte, legte sich eine tiefe Stille über den Raum. Eine magische Stille.
Ein leises Klacken ertönte und aus der Schwärze der Figur erhob sich riesig und majestätisch eine Gestalt, die aus Sternenlicht geschaffen zu sein schien.
Zunae hielt die Luft an, während ihr Herz heftig in ihrer Brust schlug. Die Magie, die in der Luft lag war unverkennbar.
Die Seelenkatze persönlich hatte sich erhoben, um ihrer Hochzeit beizuwohnen.
Während sie von Nervosität durchzogen war, spürte Yelir eine gewisse Ruhe in sich aufsteigen. Seine Vermutung war richtig gewesen, auch wenn Zunae die Wahrheit nicht zu erkennen schien.
Die leuchtenden Sonnen, welche die Augen der Seelenkatze waren, glitten durch die Menge. Keiner von diesen traute sich zu atmen. Zu fasziniert waren sie von dem Spektakel, das sich da vor ihnen abzeichnete. Es war Jahrhunderte her, dass die Götter selbst sich zu einer Hochzeit hatten blicken lassen und jeder war sich der besonderen Bedeutung dieser bewusst.
Langsam senkte die Gestalt des Gottes sein Haupt und legte es vorsichtig auf Zunaes Kopf.
Vor Yelir erschien etwas, das seinen Mund trocken werden ließ.
Es war eine elegante Krone, die er eigenes angefertig hatte und die eigentlich der Priester verwahrte. Er hatte einen Moment nach der Hochzeit abpassen wollen, doch ihr Gott schien das anders zu sehen.
Yelir griff nach der Krone und erhob sich, deutete aber Zunae, weiter knien zu bleiben.
»Es ist Zeit, dass die Nordlande ihren Weg in die Zukunft bestreitet«, sagte Yelir klar und deutlich, bevor er sich mit der Krone zu seinen Fürsten umwandte. »Noch nie zuvor gab es eine solche Verbindung. Sie bringt und Frieden und ist von den Göttern gesegnet.«
Seine Stimme hallte klar durch den Raum, während leises nach Luft schnappen laut wurde, als den ersten klar wurde, was er gedachte zu tun.
»Um diese Verbindung zu ehren und im Auge der Götter, kröne ich Zunae nur Königin der Nordlande. Möge sie dem Volk mit der Sanftheit und strengen Hand einer Mutter dienen.« Mit diesen Worten senkte er die Krone auf Zunaes Stirn, was ein tiefes, zufriedenes Schnurren auslöste.
In diesem Moment beschritten die Nordlande einen Pfad, der sie in eine strahlende Zukunft führen sollte. Unwissend, das die eigentliche Bedrohung erst noch vor ihnen lag.
-Ende Band 1-




























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