Kapitel 13

Der Highlord führte sie weiter und schließlich in ein Zimmer.
Als er eintrat, lief Lilitha sofort ein Stück seitlich, damit sie gut sichtbar wurde. Den Blick gesenkt und die Hände, wie gewünscht, vor ihrem Bauch gefaltet.
Die Frau blickte auf, als sie Lilitha direkt misstrauisch unter die Lupe nahm. Es war ihr neu, dass ihr Sohn ein Dienstmädchen mit sich schleppte und noch dazu jenes, welches für seine Favoritin zuständig war.
Das war äußerst interessant. Sie war durchaus neugierig, wohin das wohl noch führen würde.
»Mutter«, begrüßte er sie knapp und auch ein wenig zerknirscht, als er auf sie zutrat und ihr einen Kuss auf die Hand gab. Diese nahm sein Gesicht in ihre Hände und lächelte zögernd. Sie hatte die rothaarige Frau natürlich bemerkt und war verwirrt.
»Wer ist das, Kaden?«, fragte sie und Lilitha musste nicht aufblicken, um zu sehen, dass sie auf sie deuten musste.
Kaden.
Bis gerade eben war ihr nicht klar gewesen, dass der Highlord Kaden hieß. Nun, da hatte sie wieder etwas gelernt, was sie jedoch niemandem verraten würde. Ob Chiana wusste, wie er hieß? Vielleicht. Sie war immerhin seine Favoritin. Obwohl Kaden es nie so ausgedrückt hatte. Es war immer nur die Favoritin gewesen. Nicht seine.
Neugierig spitzte Lilitha die Ohren und wartete darauf, was Kaden seiner Mutter erzählen würde.
»Das ist Lilitha. Eine junge Vampirin, die sich Chiana als Kammerzofe ausgesucht hat«, erklärte er leichthin und setzte sich auf das verzierte Sofa vor der offenen Terrasse, gegenüber seiner Mutter.
»Ich weiß«, erklärte sie und legte das Buch aus ihrer Hand, das sie vor seinem Ankommen noch gelesen hatte. »Was ich damit meinte war: Was macht sie hier bei dir?«, korrigierte sie sich, während ihr Blick immer eindringlicher wurde. Der Highlord kannte diesen Blick bereits. Genauso hatte sie ihn auch angesehen, als er Chiana, eine gebürtige Hexe, zu seiner Favoritin auserkoren hatte.
Sie hielt ihren Sohn für leichtsinnig und naiv. Er wüsste nicht, wie es in einem Harem zuginge. Sie war schließlich selbst in dem Harem seines Vaters gewesen, bevor dieser gestorben war und ihr Sohn seinen Platz eingenommen hatte. Aber damit lag sie falsch. Er wusste durchaus, wie es in einem Harem und ganz besonders in seinem zuging. Nämlich genau so, wie er es wünschte.
Jeder Herrscher hatte das Recht, die Strukturen seines Harems umzustellen. Dabei durfte nur die grundlegende Aufgabe des Harems nicht angetastet werden. Immerhin war es Ziel des Harems, dem Herrscher so viele Kinder wie möglich zu schenken. Wenn er es gewollt hätte, hätte Kaden sogar bis zu vier dieser Frauen ehelichen und sich noch weitere Mätressen heraussuchen können. Aber das war bisher nie nötig gewesen.
»Chiana hat sich wieder beschwert, dass ihre Zofe nicht richtig arbeiten würde und ich bin es leid, immer wieder für Nachschub zu sorgen. Deswegen wollte ich mich selbst davon vergewissern, ob sie unbrauchbar ist, oder nicht«, erläuterte er gelangweilt und nahm sich einen Strang dunkelviolette Trauben, um einige davon zu essen.
Seine Mutter seufzte nur und winkelte die Beine auf dem Sofapolster an, um sich halbwegs hinzulegen. Lilitha spürte die Blicke der Frau, die sie bis ins Detail musterten, als wäre sie bei einer Leibesvisitation.
»Was sagt Sergej dazu?«, fragte sie stattdessen, ohne den Blick von der Rothaarigen abzuwenden. Kaden lachte leise, als würde er die Sorge der Leute um ihn herum als amüsant empfinden.
»Er meinte, ich spiele mit dem Feuer«, wiederholte er die Worte seines Beraters vom gestrigen Abend.
»Damit hat er recht«, stimmte ihm seine Mutter zu. Sie hatte sich schon oft Sorgen um ihren Sohn gemacht. Sein Verhältnis zu den Frauen in seinem Harem wirkte immer so erzwungen. Das kannte sie von seinem Vater nicht. Dieser hatte es immer genossen, sich mit ihnen zu umgeben. War ihnen gegenüber nie so misstrauisch gewesen. Doch Kaden schien selbst in seinen Frauen eine Gefahr zu sehen. Und er ließ sie nie lange genug an sich heran, damit diese es schafften, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Vielleicht war es also gar keine so schlechte Idee, dass er sich eine Dienerin aussuchte, mit der er vielleicht auch reden konnte.
»Hat sie sich als unbrauchbar herausgestellt?«, fragte sie schließlich nach langem Schweigen. Sie sah in Lilitha keine Gefahr. Nicht, wenn man an Kadens Gabe dachte.
»Sie ist noch sehr jung, angeblich nicht mal volljährig. Noch dazu hat sie eine Zeitlang in den Slums gelebt«, erklärte er und drehte sich nun ebenfalls kurz zu Lilitha um, wobei er ihre Haltung prüfte. »Alles in allem hat sie Potenzial. Aber unbrauchbar ist sie noch lange nicht.«
Die Frau nickte langsam, als wären solche Informationen nichts Neues. Dennoch verstand sie nicht so recht, weshalb einer Vampirin ein solches Schicksal widerfuhr. Normalerweise waren es hauptsächlich Werwölfe und Hexen, die einen solchen Lebenslauf aufwiesen. Vampire waren dagegen eher adlig und Sirenen gab es eher westlich in der Stadt am Hafen. Dennoch war sie eine Vampirin, wenn auch scheinbar ohne Familie. Schon allein von ihrer Herkunft war es nicht in Ordnung, dass sie einer Hexe diente. Es war nur in Ordnung, weil es sich bei besagter Hexe um die Favoritin ihres Sohnes handelte. Und wenn sie ehrlich war, war Chiana eine angenehme Wahl. Auch wenn ihr Sohn sie scheinbar nur dem Namen nach als Favoritin behandelte.
Oh, natürlich besaß Chiana alle Privilegien, die eine Favoritin auch besaß. Außer dem Vertrauen des Highlords. Auch sie wurde regelmäßig aus seinem Schlafgemach verbannt, wenn dieser wünschte zu ruhen. Sie schien außerdem wirklich Gefallen an ihm zu finden und nicht nur an seinem Titel und den damit einhergehenden Privilegien, die er mit sich brachte. Doch Kaden schien sich immer noch nicht ganz dazu durchringen zu können, sie öfter als zwei Tage hintereinander bei sich zu haben. Oft war er zu seiner Mutter gekommen, um bei ihr Rat zu suchen. Chiana sei zu anstrengend, weil sie zu eifersüchtig war. Doch so waren nun mal Frauen, die verliebt waren.
»Was hält deine Favoritin von dem Ganzen?«, fragte sie nun und griff ebenfalls nach einem Pfirsich, behielt Lilitha aber dennoch im Auge.
»Dasselbe wie immer. Sie ist ohne Grund eifersüchtig und versucht meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen«, erklärte er beiläufig, als wäre er der Geschichte mit der Hexe bereits müde. Etwas, das seine Mutter innerlich hellhörig machte. So hatte er auch bei seiner letzten Favoritin geklungen, kurz bevor er sich für Chiana entschieden hatte und diese ihren Platz streitig gemacht hatte. Seine ehemalige Favoritin war noch immer im Harem, nur unter den grünen Halsbändern, die der Unterhaltung dienten. Noch immer tanzte sie ab und an für ihn und versuchte ein erloschenes Feuer zu entfachen, was ihr auch manchmal gelang. Doch eher selten, als dass es wirklich effektiv war. Sie wollte nicht, dass sich ihr Sohn eine Neue aussuchte, so wie er damals Chiana von den roten Halsbändern auf das Weiße gehoben hatte.
Chiana war berechenbar und hatte keine hinterlistigen Absichten, ihren Sohn zu stürzen. Sie fühlte sich sicher, solange Chiana oben war, doch sollte er sich für eine andere entscheiden, könnte das fatal enden.
»Du schenkst ihr zu wenig Aufmerksamkeit. Sie ist deine Favoritin. Sie sollte ständig bei dir sein und dich begleiten. Nicht dieses Mädchen dort«, erklärte Kadens Mutter und deutete auf Lilitha, die sich nicht rührte. Allerdings lauschte sie dem Gespräch sehr genau. Der Blonde seufzte und legte angestrengt den Kopf in den Nacken, um die Augen zu schließen.
»Sie ist zu anstrengend. Ich kann nicht immer auf alles achten, was ich tue und sage, nur weil es ihr womöglich nicht gefällt«, verteidigte er sich und nahm eine weitere Traube in den Mund. Das ließ seine Mutter nun doch aufhorchen. Sie wollte, dass ihr Sohn glücklich war und nicht, dass er sich gestresst fühlte. Doch genau dies schien im Moment der Fall zu sein.
»Wenn sie merkt, dass du es wirklich ernst meinst, wird sie nicht mehr so anstrengend sein«, versicherte sie ihm, weil sie nicht wollte, dass Chiana von ihm herabgestuft wurde. Vielleicht sollte sie mit dieser reden.
»Vermutlich«, murmelte er nur und richtete sich wieder auf, um sich nach vorne zu lehnen. Er legte die Trauben zurück in den Obstkorb und schien über die Worte seiner Mutter nachzudenken.
»Vertrau mir, mein Sohn. Solltest du dir selbst endlich einen Ruck geben und sie besser kennenlernen, würde euch das beiden guttun«, fügte sie zaghaft hinzu und schenkte Kaden ein aufbauendes Lächeln.
Dieser seufzte und erhob sich wieder, um sich auf den Weg zu machen.
»Vielleicht wann anders, aber nicht heute«, wiegelte er ab und trat auf seine Mutter zu, um diese auf die Stirn zu küssen und Lilitha zu deuten, ihm aus der Tür zu folgen. Diese knickste seiner Mutter leicht zu, ehe sie ihrem Herrscher hinaus in die Gänge folgte. Dieses Mal hielten sie auf den Harem zu und fanden sich bald darauf in dem Gemeinschaftsraum wieder, wo alle Haremsfrauen, die anwesend waren, sich sofort verneigten und den Highlord begrüßten. Unter ihnen auch Chiana, die sogleich begann zu strahlen, als sie ihn erblickte.
Der Highlord hielt auf sie zu und deutete ihr mit einem Kopfnicken ihm zu folgen.
»Wie war Euer Tag, Mylord?«, fragte sie süßlich und schien nicht mal mehr auf Lilithas Anwesenheit einzugehen.
»Angenehm. Danke der Nachfrage«, war die knappe Antwort, als er in ein abgelegenes Abteil ging und eine der dünnen Trennwände zuzog. »Ich habe ein Geschenk für dich«, fügte er hinzu, als er sich zu ihr auf das Sofa setzte. Er griff in seine Jacke, um Chiana den Armreif vom Markt zu überreichen. Diese strahlte, als sie das Schmuckstück erblickte und zog den Ärmel ihres Kleides nach oben, ehe sie ihm den Arm entgegenstreckte, damit er ihr das Schmuckstück anlegen konnte.
Vorsichtig legte er diesen um ihre Finger, um dann ihre Hand in seine zu nehmen und den Armreif auf ihr Gelenk zu ziehen.
»Er ist wunderschön. Vielen Dank«, erklärte sie lächelnd und senkte die Lider. Der Highlord strich noch einige Male über ihre Hand, ehe er diese losließ. Lilitha konnte ihr ansehen, dass sie wohl etwas mehr Nähe erwartet hatte, doch sie versuchte nicht allzu enttäuscht zu wirken.
»Ich werde Lilitha wieder deiner Obhut überlassen. Sie muss regelmäßig Blut trinken und es ist mir wichtig, dass du für sie sorgst«, erklärte er und strich ihr flüchtig mit dem Handrücken über die Wange, ehe er sich erhob. »Sie braucht etwas Zeit. Wenn du ihr diese gibst, wird sie sich besser schlagen«, fügte er hinzu und sah nochmal zu jenem Dienstmädchen, ehe er ihr zum Abschied zunickte. Lilithas Lippen umspielten bei dieser Geste ein leichtes Lächeln, ehe sie den Kopf wieder senkte. Fast augenblicklich erstarb das Lächeln und sie wurde nervös.
Wie gewünscht, kniete sie in Chianas Nähe und wartete darauf, dass sie ihr Anweisungen gab, was als nächstes geschehen sollte. Doch die Schwarzhaarige schien lediglich ihren Armreif zu bewundern. Sie fuhr die Konturen des gearbeiteten Metalls nach und schien in Gedanken versunken.
Lilitha war sich sicher, dass es keine gute Idee war, sie womöglich anzusprechen und somit ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Eine Weile blieb sie nur stumm sitzen, bis plötzlich eine weitere Frau ihr Abteil betrat. Lilitha erkannte ihren Geruch aus den Bädern wieder, jedoch wurde diese von einer Horde Dienstmädchen begleitet, die ihr in das Abteil folgten. Chiana blickte verwundert auf und musterte ihr Gegenüber. Die Dunkelhäutige musterte sie nur abschätzig, als wäre Chiana hier vollkommen fehl am Platz.
»Der Highlord wünscht mich für die Nacht zu sich«, sagte sie, als würde sie Chiana einen Fehdehandschuh ins Gesicht werfen. Chiana erhob sich fast schon mechanisch, um das Abteil zu verlassen, denn wenn sie vom Highlord bestellt wurde, war das jetzt der Bereich, in dem sie sich vorbereiten musste. Es war normal, dass der Highlord sich auch andere Frauen nahm, doch Chiana hatte erwartet, dass er sie heute rufen würde. Doch nun … sie schluckte und eilte schnellen Schrittes in ihre Gemächer.
Lilitha dicht auf ihren Fersen.

































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