Luana – Kapitel 9


Luana hatte sich an Siennas Seite zusammengerollt und versuchte, mit dem, was geschehen war, klarzukommen. Die neuen Eindrücke hatten ihr geholfen, die Dinge zu verdrängen, doch jetzt, wo sie einfach nur fuhren und nicht einmal viel sehen konnten, machte sie sich Gedanken.
Was hatte sich Beron nur dabei gedacht? Er hatte sie einfach verkauft. Ihr Herz schmerzte bei diesem Gedanken. Es war grausam, was er getan hatte und vermutlich hatte er das auch mit den anderen getan.
In den letzten Jahren waren immer wieder Wölfe aus den Rudeln verschwunden. Anfangs hatte man geglaubt, dass es Revierkämpfe waren und die anderen Rudel die Gefangenen einfach hingerichtet hatten. So, wie es bei ihnen gewesen war.
Beron hatte die Gefangenen immer zu den Klippen gebracht und dort in die Tiefe gestoßen, wie es für ihr Rudel Brauch war, wenn die Gefangenen von ihrem Rudel nicht freigekauft wurden. Ihn hatten einige Wölfe begleitet, aber nicht alle und eigentlich auch nicht viele. Möglicherweise hatte Beron bereits diese verkauft, denn wenn sie so zurückblickte, dann hatte ihr Wohlstand erst nach dem ersten siegreichen Kampf gegen das Windfeldrudel begonnen.
Luana wurde aus ihren Gedanken gerissen, als es um sie herum lauter wurde. Sie löste ihren Blick vom Himmel und richtete diesen auf die Umgebung. Es schien, als würden sie sich einer Stadt nähern. Zumindest wurden die Leute um sie herum mehr.
Zuerst wollte Luana diese bitten ihnen zu helfen, doch da einige Menschen bereits hilfesuchend ihre Hände nach draußen steckten und dafür nur herablassende Blicke bekamen, ließ sie es bleiben. Was waren das nur für Wesen, die einfach so andere gefangennehmen und verkauften?
Luanas Herz klopfte heftiger, als sie ein großes Tor passierten. Es war von mehreren Wachen bewacht und wirkte irgendwie viel zu befestigt für eine Stadt. Allerdings hatte Luana auch keine Ahnung, wie eine Stadt eigentlich aussah. Sie kannte dennoch Stadtmauern. Davon hatte sie gelesen. Sie waren für den Schutz der Stadtbewohner. Als sie jedoch das Tor passiert hatten, bemerkte Luana, dass es hier keine wirklichen Häuser gab. Sie erkannte mehrere Baracken. Da lebte sogar ihr Rudel besser.
„Das sind die Sklavenquartiere“, flüsterte Sienna. Diese Worte sorgten dafür, dass Luana sich fragte, ob Sienna damit schon Erfahrung hatte. War sie schon einmal hier? „Man wird uns dort einsperren und sobald morgen der Sklavenmarkt öffnet, werden wir den Käufern präsentiert“, erklärte sie. Luana schauderte.
„Du warst schon einmal hier“, bemerkte sie atemlos.
Siennas Lächeln war traurig. „Ja, ich bin schon mehrmals verkauft worden“, gestand sie zögerlich. „Bisher gelang es mir immer, zu fliehen. Daher auch das Halsband.“
Luana wusste nicht genau warum, doch sie hatte das Bedürfnis Sienna zu umarmen. Sie dachte auch nicht lange darüber nach, sondern nahm sie in den Arm. „Das tut mir leid“, flüsterte sie. Man sah es der Frau nur körperlich an, doch geistig schien sie noch nicht gebrochen. Sie wirkte sehr gefestigt. Vielleicht täuschte sich Luana da aber auch.
Zögerlich erwiderte Sienna die Umarmung.
„Bitte pass auf dich auf und tue nichts, was dich in Gefahr bringt“, flüsterte Sienna. „Am besten du gehorchst, bis dein Meister dir vertrauen kann“, fügte sie leise hinzu. Erst dann löste sich Sienna von ihr.
Luana entschied, ihrem Rat zu folgen. Sie hatte keine Ahnung, was auf sie zukommen würde. Sie war noch nie eine Sklavin gewesen und hatte demzufolge auch keine Erfahrung damit. Allerdings entschied sie sich, so schnell wie möglich zu fliehen. Sie musste ihr Rudel retten. Wer wusste schon, wen Beron noch alles verkaufte!
Schließlich hielt die Kutsche und der Mann mit den vielen Narben im Gesicht öffnete die schwere Eisengittertür. Statt etwas zu sagen, griff er nach der ersten Frau in seiner Reichweite und zog sie grob nach draußen.
Luana keuchte leise. Sie spürte, wie ihr Herz immer heftiger klopfte. Was würde jetzt kommen?
„Geh einfach mit ihnen mit, dann werden sie dir nicht weh tun“, flüsterte Sienna ihr zu. Luana war sich aber nicht so sicher. Sie wirkten nicht, als würden sie andere mit Samthandschuhen anfassen.
Die Frau, die er geholt hatte, wehrte sie und wurde deshalb herumgeschubst. Etwas, was Luana leise knurren ließ. Sofort spürte sie Siennas Hand in ihrem Rücken, die sie beruhigte. „Nicht“, bat sie leise. „Das wird dir nur Ärger machen.“
Nur mit Mühe gelang es Luana ihr Knurren zu unterdrücken, als der Mann zurückkam und sie packte. Da sie sich nicht wehrte, wurde sie wirklich nicht so sehr herumgeschleudert, doch das änderte nichts daran, dass er sie zu einem Holzpfosten brachte, an dem sie festgebunden wurde. Nicht neben der Frau, die vor ihr hierher gebracht worden war.
Der Mann ging wieder, als sie festgebunden war. An den Händen und auch an den Füßen.
Luana beobachtete, wie Sienna zu dem Pfosten neben ihr gebracht wurde. Auch sie wurde daran gekettet. Jedoch mit den Armen nach oben und auch an ihrem Hals. Ihr war anzusehen, wie unbequem diese Haltung für sie war, doch sie wehrte sich nicht.
Dann beobachtete Luana, wie der Mann ihren Mund öffnete und ihr einen Blutstropfen einflößte. Zuerst sah es so aus, als würde Sienna nach mehr betteln wollen, doch sie tat es nicht. Stattdessen bedankte sie sich höflich bei ihm, als hätte er ihr gerade ein großes Geschenk gemacht. Der Mann lachte nur herablassend.
Luana fand es so demütigend. Warum machte Sienna mit? Wieso ließ sie das mit sich machen?
Verärgert ballte Luana die Fäuste hinter ihrem Rücken. Es war schrecklich, das mit anzusehen. Vor allem, als der Mann Siannas Wange tätschelte und ihr dann so nah kam, dass er sie fast küssen konnte.
Sienna ließ sich nicht ansehen, ob sie angeekelt war oder nicht. Luana war es auf alle Fälle, weshalb sie den Blick abwandte.
Um sie herum wurden die anderen Frauen festgebunden und dann wurde es plötzlich recht ruhig. Die Männer zogen sich zurück, während die Frauen draußen unter freiem Himmel blieben.
Luana versuchte etwas zu schlafen, doch sie war einfach zu aufgeregt. Zudem begann es in der Nacht irgendwann zu regnen, weshalb sie in wenigen Minuten völlig durchgeweicht war.
Viele der Frauen reckten ihren Kopf in die Luft, um den Regen mit dem Mund aufzufangen und zu trinken. Luana tat es ihnen gleich, denn sie wusste, dass sie Wasser brauchen würde. Würde man ihr auch Nahrung geben oder sie genauso hungern lassen, wie die Männer es mit Sienna machten?
Die Unsicherheit machte Luana sehr zu schaffen, doch sie versuchte dennoch, sich von ihren Fesseln zu befreien. Es gelang ihr jedoch nicht und die Seile rieben lediglich ihre Haut auf.
Der Regen brannte in den Wunden, weshalb Luana sehr froh war, als es endlich aufhörte und die Sonne langsam hervorkam. Dadurch wurde es auch wärmer und sie hoffte, dass sie den Tag über die Möglichkeit hatte, zu trocknen.
Kaum waren die ersten Sonnenstrahlen zu sehen, die über die Umgebung glitten, wurde es wieder hektischer um sie herum. Weitere Gefangene kamen und wurden an ihre Plätze gebracht.
Luana beobachtete einige Vampire, die bereits durch die Reihen streiften. Die meisten von ihnen trugen lange Kleider, die ihren Körper verdeckten. Durch ihre sehr blasse, fast weiße Haut waren sie sehr gut von anderen Rassen zu unterscheiden. Luana hatte gelernt, dass die Haut der Vampire sehr dünn war, weshalb zu viel Sonneneinstrahlung diese sehr leicht verbrennen konnte. Das konnten sie jedoch mit genügend Blut verhindern. Dennoch bedeckten sie ihre Haut sehr gut.
Mehrere Männer, aber auch Frauen, kamen zu ihr, um sie eingängig zu mustern. Jedoch bot niemand auf sie. Luana erfuhr nur an Sienna, wie diese Sache hier funktionierte.
Eine Vampirfrau in einem eleganten Kleid winkte einen der Sklavenhändler zu sich und gab für Sienna ein Gebot ab. Sie startete mit siebzig Silber. Ob das viel war oder nicht, konnte Luana nicht einschätzen. Allerdings ging der Preis für Sienna immer höher, bis er schließlich bei hundert Gold lag. Die Menschenfrauen um sie herum gingen teilweise für ein einziges Gold oder sogar weniger weg. Lag es nur an ihrer Rasse?
„Was willst du für die Werwölfin?“, erklang eine barsche Männerstimme und er deutete auf Luana. Diese erstarrte und hielt die Luft an, während sie wartete.
Der Mann mit den Narben nannte einen Preis, der drei Gold betrug. Sein Gegenüber schnaubte. „Viel zu teuer für eine Werwölfin. Ich gebe dir ein Gold“, begann er zu feilschen, doch der Mann schickte ihn einfach weg.
Luana hörte, wie er murmelte, dass er sich nicht um sein Geld betrügen ließ. Immerhin hatte er auch zwei Gold für Luana ausgegeben.
Diese Tatsache traf sie sehr. Ihr Bruder hatte sie für zwei Gold verkauft? Mehr war sie ihm nicht wert?






























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