Luana – Kapitel 16

                            
Luana stand vor der Tür und hatte Mühe, sich nicht zu übergeben. Siennas Schreie drangen sehr deutlich zu ihnen vor und hallten in den Fluren wider.
Niemanden schien es zu interessieren, auch wenn Amon irgendwie unruhig wirkte. Sie selbst ballte die Fäuste und versuchte, normal zu atmen.
Der Vampirfürst hatte ihre Metallkette an einem Haken an der Wand befestigt, sodass sie sich zwar etwas bewegen, aber nicht wieder ins Zimmer gehen konnte. Dabei hatte sie den Drang, Sienna zu helfen.
„Was macht er mit ihr?“, traute sie sich zu fragen. Ihr Mund war trocken und ihre Stimme klang zitternd. Voller Angst.
Amon blickte zu ihr und hob eine Augenbraue. „Willst du das wirklich wissen?“, fragte er herablassend. Seine Wortwahl klang ein wenig danach, als würde er sie vor dem Wissen schützen wollen, doch Luana nickte trotzdem. Sie wollte es wissen!
„Ihren Rücken aufschneiden“, sagte er, als würde er über das Wetter sprechen, was nur dafür sorgte, dass Luana noch schlechter wurde.
„W-Warum?“, fragte sie zittrig hervor, während sie versuchte, sich etwas zu fangen.
„Hast du die blauen Flecken nicht gesehen?“, fragte er noch immer herablassend. „Er soll herausfinden, woher diese kommen.“
„D-Das wart nicht Ihr?“, fragte sie unsicher. Dabei hatte sie wirklich geglaubt, dass er ihr auf den Rücken geschlagen und deshalb diese Flecken hinterlassen hatte.
Amon schnaubte verächtlich. „Einer Itari solche Flecken zuzufügen, ist nicht einfach“, meinte er. „Selbst, wenn ich sie verprügeln würde, würde das nicht so aussehen“, sagte er, während seine Finger unruhig auf seinem Arm herumtippten. Er hatte die Arme verschränkt und wirkte, bis auf diese kleine Geste, ruhig. Macht er sich etwa Sorgen?
„Warum bist du auf dem Markt plötzlich so durchgedreht?“, fragte Amon plötzlich, was Luana verwirrte. Wollte er etwa das Thema wechseln?
Ein erneuter Schrei ließ Luana heftig zusammenzucken. Sie bemerkte, dass sie über einen Themenwechsel ganz dankbar war, weshalb sie zu Amon blickte und versuchte, entschuldigend zu wirken. „Ich dachte, ich hätte meinen Bruder gesehen“, sagte sie leise.
Amon musterte sie eingängig. „Deinen Bruder?“, fragte er, doch Luana war sich nicht sicher, ob es ihn wirklich interessierte. Sie verstand auch nicht, warum er hier draußen war und nicht bei Sienna. Das ganze Blut, das floss, musste ihm doch gefallen. Er war immerhin ein Vampir.
    
    
        
        
„Ja, er ist vor mir verkauft worden“, sagte sie zögerlich. 
„Du wirkst nicht wie die Sklaven, die man hier normalerweise findet“, bemerkte Amon und ließ es wie eine Frage klingen.
Luana wusste nicht genau, ob er sich wirklich für sie interessierte oder nicht, doch sie nahm die Vorlage an. Wenn er mehr über sie wusste, würde er vielleicht gnädiger sein.
„Ich komme von Wolfsmond. Mein Bruder hat mich, ohne mein Wissen verkauft“, bemerkte sie leise. Ihre eigenen Worte machten sie traurig, denn sie vermisste ihr Rudel irgendwie. Es war nicht immer angenehm und ihr Bruder war schon immer sehr streng gewesen, dennoch vermisste sie ihre Familie.
„Wolfsmond“, murmelte Amon. „Der Planet, der als neues Jagdgebiet für die Sklavenhändler erschlossen werden soll“, bemerkte er, was dafür sorgte, dass Luanas Herz kurz aussetzte.
„Was?“, keuchte sie, als der Sinn der Worte zu ihr vordrangen. Wer wollte Wolfsmond zum Jagdgebiet machen? Sie Sklavenhändler?
Luanas Kopf begann zu schmerzen, während sie versuchte zu verstehen, was das hieß. Macht ihr Bruder mit den Sklavenhändlern vielleicht gemeinsame Sache, um das zu verhindern? Aber würde ihnen das nicht eher helfen? Luana wusste es nicht. Zudem wurde das Gefühl, schnell wieder nach Hause zu müssen, um ihre Leute zu warnen, immer stärker. Sie konnte jedoch nicht.
Luana sah, wie Amon den Mund öffnete, um noch etwas zu sagen, als die Tür aufgerissen wurde. „Das müsst Ihr Euch ansehen“, sagte der Mann im weißen Mantel.
Amon nahm Luanas Kette von der Wand, bevor er mit dieser zurück in den Raum kehrte. Dabei wirkte er ruhig, doch Luana hatte das Gefühl, dass er das nicht war. Er spielte es nur, weil es wohl von ihm erwartet wurde.
Als sie im Raum ankamen, schnappte Luana entsetzt nach Luft und versuchte das Bild, das sich ihr bot, zu verstehen.
Überall war Blut, doch das Erschreckende war das, was sie auf Siennas Rücken sah. Blutbefleckte Knochen, die aus ihrem Rücken ragten. An manchen hingegen noch Hautreste.
„Was ist das?“, fragte Amon, der gefasst klang. Dennoch war seine Stimme rau. Luana glaubte sogar, einen knurrenden Unterton zu hören.
„Es scheint mir, als wären das ihre Flügel“, bemerkte der Vampir, der für Luana nun definitiv verrückt war. Was hatte er nur getan, dass Sienna jetzt so aussah? Und woher kamen plötzlich die Flügel?“Oder zumindest das, was davon übrig ist.“
    
    
        
        
Luana setzte das Herz für einen Moment aus und ihr wurde schlecht. Sienna tat ihr schrecklich leid, weshalb sie auf diese zuging und ihr sanft das Gesicht streichelte. Sie hatte den Kopf zur Seite gelegt, atmete schwer und weinte stumm.
„Bekommst du die wieder hin?“, fragte Amon, als wäre es ihm egal. Er selbst blieb in einiger Entfernung zu Sienna stehen, doch Luana konnte seine Augen sehen. Sie starrten Sienna an und wurden dunkler vor Hunger. Als würde er mich sich kämpfen, nicht über sie herzufallen.
Der grauhaarige Vampir lief nachdenklich um die Liege, auf der Sienna lag, herum. „Ich denke ihre Selbstheilung sollte das meiste machen, sobald der Pilz, der die Flügel befallen hat, nachlässt“, meinte er und holte ein kleines Messer, mit dem er, ohne auf Siennas Schreie zu achten, von ihren Flügelknochen Haut abschabte.
Luana konnte nicht mehr zusehen und wandte den Blick ab. Ihr wurde richtig schlecht, wenn sie daran dachte, dass Siennas Flügel wohl von einem Pilz befallen waren. Wie war das möglich? Sie hatte gedacht, dass Itaris und auch Vampire von Krankheiten verschont blieben. Oder gab es Ausnahmen?
Bei den Werwölfen gab es bestimmte Insekten, die ihnen das Fell beschädigen konnten, doch diese sorgen maximal für Haarausfall und gerötete Haut und nicht dafür, dass man danach nur noch Knochen war.
„Wie hast du es geschafft, deine Flügel so zu zerstören?“, fragte Amon, der neugierig klang. Sienna konnte jedoch nicht antworten. Sie stieß nur ein leises Wimmern aus.
„Ich werde eine Salbe für ihre Flügel zusammenmischen, ihr ein Beruhigungsmittel geben und dann könnt Ihr sie wieder mitnehmen“, erklärte der Arzt. „Zusätzlich mit der Medizin, die sie nehmen soll“, sagte der Vampir, der ganz in seinem Element zu sein schien. Luana konnte nicht sagen, was er tat, da sie lediglich Sienna streichelte und nur zu ihr blickte. Ihr schmerzverzerrtes Gesicht sagte alles, was Luana wissen musste.
„Wie soll ich sie so denn wieder mitnehmen?“, fragte Amon, der irgendwie skeptisch klang.
Luana bemerkte nicht, was vor sich ging, da sie sich nicht traute, aufzusehen, um nicht wieder das Blut zu erblicken, doch sie hatte das Gefühl, dass der Arzt mit den Schultern zuckte.
    
    
        
        
Amon seufzte leise. „Ich werde mich darum kümmern“, sagte er ernst. „Du kümmerst dich um sie, ich bin gleich wieder da.“
				
				
































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