Mirinia-Kapitel 23
Kapitel 23
Mirinia starrte den König an, während die Königinnen, die sie nicht kannte, sie umkreisten.
Ihr kam ein entsetzlicher Gedanke. War sie deshalb hierhergeschickt worden? Weil Priska wusste, dass ihr Mann sie wollte? Wurden sie so Königinnen los, die sie störten?
Wut wuchs in Mirinia heran, denn sie wollte nicht glauben, dass andere Königinnen solche Taktiken verfolgten. Allerdings war das Bild, das König Rianalis ihr gab, eindeutig.
Er schenkte ihr ein charmantes, wie grausames Lächeln, als er mit dem Finger schnippte. Ein Zeichen für die Frauen, die Mirinia enger umkreisten.
Diese spürte Angst in sich aufwallen, während sie ihre Umgebung im Auge behielt. Sie spürte die Zauber, die geknüpft wurden.
Instinktiv ließ sie ihre Magie in diese fließen und zerstörte einen nach dem anderen, bevor sie entstehen konnten.
Ihr war jedoch klar, dass sie das nicht lange aushalten würde. Gegen so viele starke Königinnen würde sie eindeutig den Kürzeren ziehen. Ihre Macht war weitreichender. Sobald der Sternenstaub um sie herum aufgebraucht war, war sie erledigt.
Sie musste also vorsichtig und mit Bedacht vorgehen.
Ihre rosafarbenen Augen musterten die Anwesenden eingängig. Wer von ihnen war die schwächst? Wenn sie sich die Schwächste vornahm, konnte sie diese vielleicht befreien und als Verbündete gewinnen.
Mirinia bemerkte eine junge Frau mit kurzen, schwarzen Haaren. Sie war, nicht wie sie gesucht hatte, die Schwächste, sondern die Stärkste. Sie kämpfte gegen die Kontrolle durch das Halsband an und versuchte sich dem Befehlen zu entziehen.
Das war perfekt.
Mirinia sammelte den Sternenstaub, den sie gezielt in den Zauber der Frau leitete. Nicht, wie bei den anderen, um die Knüpfpunkte zu zerstören, sondern, um ihn zu unterstützen.
Überraschung flammte in den Augen der jungen Königin auf, als sie ihre Gelegenheit begriff. Sie packte sie jedoch nicht sofort am Schopf. Eine weise Entscheidung, denn noch hatte König Rianalis sie alle im Blick und Mirinia war sich fast sicher, dass er darauf wartete, dass etwas Derartiges geschah.
Mirinia versuchte, ihre Konzentration aufzuteilen. Während sie den einen Zauber unterstützte, zerstörte sie weiter die Zauber der anderen Königinnen.
Allerdings ging das nicht lange gut. Sie spürte, wie sich der Sand zu ihren Füßen erhob und ihr die Bewegung nahm.
Mirinias Herz klopfte immer heftiger, während sie den versuchte, dem gewirkten Zauber entgegenzuwirken. Dabei verlor sie jedoch die Konzentration, was dazu führte, dass eine weitere Königin ihre Magie einsetzen konnte.
Ranken schossen aus dem Boden und griffen nach ihren Armen und Beinen, um sie ebenfalls festzuhalten.
Mirinia stieß einen überraschten Laut aus, der sich mit König Rianalis Lachen vermischte.
Er klatschte leise, als er sich erhob. „Immer wieder ein wunderschönes Schauspiel, wie ihr euch versucht zu verteidigen“, sagte er und schlenderte auf Mirinia zu, während er sie genau im Blick behielt. Sein Grinsen sprach Bände. „Vielleicht gebe ich dir immer mal wieder Chancen“, sinnierte er, während sich in seiner Hand der Sternenstaub des Metalls sammelte und ein feines Band bildete.
Mirinia schluckte. Er hatte diese Sklavenhalsbänder also selbst erschaffen. Das allein zeigte Mirinia den Unterschied ihrer Fähigkeiten. Lord Rianalis hatte eine umfangreiche, sehr gute Ausbildung in der Magie genossen, während sie sich ihre Fähigkeiten alle selbst beigebracht hatte. Wie war sie nur auf die Idee kommen, gegen so jemanden zu gewinnen?
In einer letzten, verzweifelten Aktion ließ Mirinia ihre Macht zu der schwarzhaarigen Königin fließen, deren Halsband ein klackendes Geräusch machte und dann zu Boden fiel.
König Rianalis wandte sich sofort zu dieser Frau um und weitete seine Augen.
Die goldenen Augen der Frau funkelten, als sie ihre Magie sammelte und in einem gebündelten Windball auf Rianalis feuerte.
Mirinia riss die Augen auf, als sie sah, wie der König von den Füßen gerissen wurde. Sie nutzte die Gelegenheit, um sich gegen die Zauber zu stemmen. Da die Kontrolle durch Rianalis nachgelassen hatte, gelang es ihr, ihren eigenen Sternenstaub in die Ranken zu leiten und diese zu zerstören.
Sofort stolperte sie nach vorn und legte ihre Hand auf die Königin, die ihr am nächsten war.
Sternenstaub floss auf diese über. Mirinia leitete ihn durch den Körper, wie sie es sonst tun würde, um sie zu heilen, doch ihr Ziel war das Halsband, das die ersten Risse bekam.
Bevor Mirinia jedoch ihren Zauber beenden und das Halsband lösen konnte, griff eine weitere Königin an.
Sie spürte den Schlag der Magie und wie sie von den Beinen gerissen wurde. Als sie zu Boden krachte, drückte es ihr die Luft aus den Lungen.
Mirinia spürte die Tränen, die ihr in die Augen traten. Sie war wirklich viel zu schwach. Was sollte sie jetzt tun?
Rianalis trat auf sie zu und lachte leise. „Du machst mir Spaß“, bemerkte er und hockte sich zu ihr, bevor er Mirinia auf den Rücken drehte. Diese erkannte das Halsband in seiner Hand und schnappte nach Luft.
Als sie versuchte zu entkommen, packte er ihr Bein und zog sie zurück.
Panisch suchte sie die Königin, die sie befreit hatte, doch diese war umkreist von den anderen und konnte nicht helfen.
Als Rianalis ihr das Halsband umlegen wollte, schützte sie ihren Körper instinktiv mit einem Schild, auch wenn sie wusste, dass es kaum etwas bringen würde.
Mirinia spürte kalten Stahl an ihrem Hals, bevor ein Zauber sie überkam. Ihr Kopf fühlte sich auf einmal sehr leicht an und ihr Körper wollte nicht so ganz gehorchen. Obwohl sie es nicht wollte, erhob sie sich und machte dann einen Knicks vor Rianalis, der zufrieden lächelte. Erst dann wandte er sich an die Schwarzhaarige um. „Kira, Liebes“, sagte er sanft, doch mit einem Unterton, der Mirinia einen Schauer über den Rücken jagte.
Sie kannte diesen Namen. Königin Kira war früher eine sehr mächtige Königin gewesen, bis Priska ihr den Krieg erklärt und ihr Territorium eingenommen hatte.
Dass sie jetzt hier bei diesem König war, zeigte Mirinia, was eigentlich hier vor sich ging und das machte sie wütend. Dennoch kam sie nicht gegen den Zauber an, der sie unter Rianalis Kontrolle zwang.
Dieser setzte sich zurück auf seinen Thron, während er Mirinia zu sich winkte.
Diese folgte der Aufforderung, obwohl sie nicht wollte. Sie konnte nicht anders, als innerlich zu schreien, als sie sich auf seinen Schoß niederließ. Für Außenstehende, die keine Ahnung hatten, wie die Halsbänder funktionierten, sähe es vermutlich so aus, als würde sie es freiwillig tun.
Mirinia hasste es jede Sekunde und tüfteln schon daran, herauszufinden, wie sie das Halsband wieder loswurde, als draußen im Flur Geräusche erklangen, sie ihr Sorgen machten.
Als sie zur Tür blickte, hatte sie einen Moment das Gefühl ihr würde das Herz aussetzten. Es war Cassian, der die Türen aufriss und mit schnellen Schritten hineinkam.
Dann blieb er stehen und blickte Mirinia entsetzt und auch verwirrt an.
Mirinia ahnte, was er sah. Seine Königin auf dem Schoß eines Königs.
Lord Rianalis lachte. „Bist du hier, um deiner Königin zu helfen?“, fragte er und streichelte Mirinias Wange.
Diese spürte regelrecht Hass in sich aufsteigen, doch sie konnte nichts sagen. Immerhin hatte Lord Rianalis ihr keinen Befehl gegeben, doch das holte er nun nach. „Sag ihm, dass du keine Hilfe brauchst“, befahl er, doch Mirinia schickte ihre Magie in ihre Kehle und sorgte so dafür, dass sie zwar den Mund öffnete, doch kein Ton herauskam.
Das reichte Cassian, um wütend zu werden.
„Lasst meine Königin frei“, forderte er zitternd, während er sich bereit machte, seine Magie zu nutzen. Dabei musste ihm klar sein, dass es nichts bringen würde.
Lord Rianalis lachte, als würde er Cassian nicht wirklich für einen Gegner halten. „Ach so?“, fragte er sanft. „Deine Königin? Ich frage mich, wie sehr sie deine Königin ist“, trällerte er, wobei der Sternenstaub in der Luft förmlich vibrierte. Mirinia spürte die Macht, die von seiner Stimme ausging.
In ihrer Welt waren diejenigen, die als Königinnen oder Könige geboren wurden, die herrschende Klasse. Aber nicht nur das. Ihre Magie sorgte dafür, dass sie Klassen, die niedriger waren als sie, oder schwächere ihrer Klassen, kontrollieren konnten. Man nannte diese Gabe die Königsstimme.
Meist schloss sich ein Hof zusammen, wenn die Mitglieder spürten, dass sie dieselbe Moral teilten, wie die Königin. Gleichzeitig gab es eine Anziehungskraft zwischen allen Beteiligten, die ihnen zeigte, dass sie zusammengehörten.
Mirinia spürte diese mit Cassian und Evel. Auch mit Dylan. Doch nur, weil sie diese spürte, hieß es nicht, dass sie genug Kraft besaß, um ihre Leute vor den Einfluss anderer, stärkerer Könige oder Königinnen zu schützen. Ihr war also klar, dass Lord Rianalis versuchte, Cassian auf seine Seite zu ziehen. Mit unfairen Mitteln, denn seine Magie war viel stärker.
Mirinia erkannte, wie Cassian ein Schauer durch den Körper lief, bevor er die Fäuste ballte. Blitze sammelten sich um seine Hände, als Lord Rianalis befahl: „Lass das.“
Selbst Mirinia spürte die Macht, die in der Luft lag und Cassian trat. Dieser zuckte jedoch nicht. Er erwiderte Lord Rianalis Blick wütend und ernst. „Lass meine Königin frei“, sagte er erneut mit zittriger Stimme.
Mirinia spürte Respekt in sich aufwallen. Cassian war unglaublich stark, dass er sich einem derartigen Befehl widersetzen konnte.
Lord Rianalis schien das jedoch eher zu belustigen. Er lächelte noch immer, als könnte er nur gewinnen. „Hör schon auf mit dem Blödsinn. Deine Königin ist viel zu schwach“, winkte er ab, was Cassian nur noch wütender machte.
So wütend, dass er seine Faust nach vorn sausen ließ. Die Blitzmagie löste sich von dieser und sauste auf den König zu.
Dieser schnaubte, bevor er sich mit einer einfachen Handbewegung schützte.
Cassians Zauber wurde aufgelöst, bevor er Lord Rianalis traf. Aber nur um ihn herum. Alles andere erreichte sein Ziel. Blitze schlugen auf schreiende Königinnen ein, die zu Boden sackten und schwer atmeten. Da Lord Rianalis ihnen keine Befehle gegeben hatte, hatten sie sich auf nicht verteidigt.
Mirinia spürte erneut Wut in sich aufsteigen, während auch kleine Blitze über ihren Körper wanderten. Allerdings fühlte es sich komisch an. Es schmerzte zwar, doch es wanderte zu dem Halsband und schlug vorrangig darin ein.
Ihr wurde klar, dass Cassian absichtlich die Königinnen angegriffen hatte. Vermutlich mit dem gleichen Hintergedanken wie Mirinia. Doch was würde es bringen? Obwohl Cassinas Blitzmagie durch das Halsband huschte, spürte sie kaum eine Veränderung.
„Auf die Knie“, befahl Lord Rianalis donnernd.
Cassian erzitterte und kämpfte sichtbar gegen den Drangf an, seinem Befehl Folge zu leisten.
In Mirinia tobte ein Sturm. Wie konnte dieser König es wagen, ihre Leute so zu quälen?
Cassian sank langsam und schwer atmend auf die Knie. Sein Gesicht war schmerzverzerrt und wütend. Mirinia glaubte sogar einen Moment, dass er sich schämte. Er wollte es nicht und dabei hatte er damals, als er ihren Hof beigetreten war, so freiwillig den Schwur geleistet. War er wütend, weil er diesen jetzt brach?
Mirinia musste ihm helfen!
In einem verzweifelten Versuch schickte sie alle ihre Magie in ihr Halsband. Obwohl ihr Körper vor Anstrengung zitterte und höllisch schmerzte, hörte sie nicht auf, bis das Halsband brach.
Lord Rianalis blickte überrascht zu ihr, doch da sie noch immer auf seinem Schoß saß, hatte sie die Verbindung, die sie brauchte.
Ohne groß darüber nachzudenken, jagte sie ihre Magie durch seinen Körper. Sie war nicht mehr sonderlich stark, doch es reichte, um einige Punkte zu drücken, die dafür sorgen würden, dass er seine Magie einige Zeit nicht einsetzen konnte.
Lord Rianalis riss die Augen auf, bevor er sie in hohen Bogen von sich warf. „Fangt sie“, schrie er seinen Dienerinnen zu, die sich keuchend vom Boden erhoben.
Als Lord Rianalis die Hand ausstreckte, wie er es schon einmal getan hatte, reagierte der Sternenstaub nicht. Etwas Mirinia durchatmen ließ. Es hatte funktioniert.
Sie hob den Zauber auf, der ihre Kehle blockierte. „Erhebe dich, Cassian“, sagte sie sanft. Ihre Stimme wanderte über den Magier und ließ sein Gesicht entspannter werden, während er sich langsam erhob.
Sein Blick auf die Königinnen gerichtet, die langsam auf sie zu schwankten.
Lord Rianalis knurrte, bevor er drei von ihnen befahl, zu ihm zu kommen.
Mirinia glaubte, dass er erneut angreifen wollte, doch dem war nicht so. Während die Königinnen mehr schlecht als recht auf sie zugewankt kamen, zog sich der König zurück.
Ohne, dass Mirinia etwas tun konnte, verschwand Lord Rianalis durch eine Tür hinter seinem Thron und ließ sie mit den verletzten, erschöpften Frauen zurück.
Mirinia erhob sich voller Tatendrang. „Wir müssen sie befreien“, keuchte sie, wobei ihre Stimme rau und erschöpft klang.
Cassian knurrte, als würde er sie lieber töten, doch als er auf Kira zustürzte, nutzte er seine Blitzmagie, um ihr Halsband zu lösen.
Seine Wut schien ihn anzutreiben und immer mehr Halsbänder fielen, während Mirinia spürte, dass der Stolz auf ihren kleinen Hof sie immer mehr einnahm.
Nur dank Cassian war es ihr gelungen, diese Sache hier zu überleben, auch wenn sie wusste, dass Lord Rianalis wiederkommen würde. Sicherlich ließ er diese Sache nicht so einfach auf sich sitzen.






























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