Epilog – Ein letzter Schluck

Die Bar war inzwischen versiegelt, die Polizei hatte den Tatort geräumt. Nur noch das entfernte Surren der Stadt blieb, gedämpft durch den Morgennebel, der über die Dächer zog. Truly stand draußen auf dem Gehweg, den Mantel eng um sich geschlungen, und spürte die Müdigkeit wie Blei in ihren Knochen.

Der Fall war gelöst. Der Barkeeper war in Gewahrsam, und doch lag keine Erleichterung in ihr. Nur eine Leere, als hätte sie etwas beendet, das nie wirklich abgeschlossen werden konnte.

Hayes trat neben sie, die Hände tief in den Taschen, sein Blick wach trotz der durchwachten Nächte. »Sie haben ihn aufgehalten«, sagte er ruhig.

»Vielleicht«, erwiderte sie. »Für jetzt. Aber nicht für immer.«

Er sah sie an. »Sie glauben, es gibt noch mehr.«

»Ich weiß es.« Ihre Stimme war fest, auch wenn ihr Inneres schwankte. »Der Zirkel hat nicht nur ihn. Da draußen gibt es andere. Und sie haben nicht aufgegeben.«

Ein Schweigen breitete sich aus. Sie hörte das Tropfen von Wasser aus der Regenrinne, den fernen Ruf einer Taube. Schließlich sagte Hayes: »Sie haben recht behalten. Es war kein Zufall. Es war ein Ritual.«

»Das nächste wird kommen«, flüsterte sie.

Er musterte sie lange, und in seinem Blick lag etwas, das sie nicht einordnen konnte. Respekt, vielleicht. Aber auch Sorge.

»Sie riskieren Ihr Leben, Prescott«, sagte er leise. »Und Sie tun es, als wäre es selbstverständlich.«

»Weil es das ist«, erwiderte sie. »Wenn ich wegschaue, wer schaut dann hin?«

Ein Windstoß fuhr durch die Gasse, ließ ihr Haar ins Gesicht wehen. Er hob instinktiv die Hand, strich die Strähne beiseite. Eine Geste, so schlicht, dass sie ihr Herz für einen Moment stolpern ließ.

Seine Finger verharrten nicht, aber die Wärme blieb.

»Sie machen es mir nicht leicht«, murmelte er.

»Gut«, entgegnete sie mit einem schiefen Lächeln. »Ich mag’s kompliziert.«

Er lachte leise, schüttelte den Kopf. »Sie sind unmöglich.«

»Und doch stehen Sie hier.«

Sie hielten den Blick, länger, als nötig. Etwas hing in der Luft, unausgesprochen, gefährlich nah. Doch bevor es sich erfüllte, trat Hayes zurück, räusperte sich.

»Ich sollte den Bericht fertigstellen«, sagte er knapp.

»Und ich sollte schlafen.«



Er nickte. »Passen Sie auf sich auf.«

»Sie auch, Inspector.«

Er ging die Straße hinunter, der Nebel verschluckte seine Silhouette. Truly blieb stehen, sah ihm nach, bis er verschwand.

Dann atmete sie tief durch und wandte sich zum Gehen.

Ihr Handy vibrierte in der Tasche. Eine Nachricht, anonym, nur drei Worte: „Der Kaffee wartet.“

Sie spürte, wie sich ihre Kehle zuschnürte. ›Espresso. Schon wieder.‹

Die Erinnerung an den Cafébesitzer, tot neben seiner Tasse, blitzte auf. Der Beifuß, das Muster, die Schuld der Vergangenheit.

Sie schloss die Augen. »Es hört nicht auf.«

Merlin wartete sicher schon ungeduldig zu Hause, doch sie wusste, dass sie bald wieder aufbrechen musste. Diesmal würde der Weg nicht in eine Bar führen. Diesmal würde der nächste Schluck Kaffee sein – bitterer, tödlicher.

Truly Prescott hatte gerade erst den ersten Kreis überlebt.

Und der nächste zeichnete sich bereits ab.

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