Hercules bei der Steuerprüfung

»Also, Herr Hercules… oder soll ich Sie lieber Herkules nennen?« Die Beamtin schaut streng über ihre Brille hinweg. Hercules sitzt ihr gegenüber, ein massiver Muskelberg in zu engem Hemd, der Stuhl ächzt gefährlich unter seinem Gewicht. Er lächelt unsicher. »Äh… Hercules ist schon okay.«

Die Beamtin blättert durch einen dicken Ordner, der mit dem Stempel ›Finanzamt Theben‹ versehen ist. »Wir haben da ein paar Unklarheiten in Ihren Angaben. Zum Beispiel hier: ›Einkommen durch Heldenaufträge.‹ Können Sie das bitte näher erläutern?«

»Na ja… ich rette Leute, bekämpfe Monster, und ab und zu schmeißt mir jemand ein paar Drachmen zu. Oder einen Kranz. Oder ein Lamm.«

Die Beamtin notiert etwas. »Lämmer gelten als geldwerter Vorteil. Haben Sie die versteuert?«

Hercules runzelt die Stirn. »Äh… ich hab die gegessen. Zählt das?«

»Nein, Herr Hercules, das zählt nicht.« Die Beamtin seufzt. »Dann haben wir hier Sponsoring-Einnahmen: Nike, Pegasus-Reisen, Ambrosia-Energy-Drink… Wurden diese korrekt als Werbung deklariert?«

»Ich hab doch nur ein paar Fotos auf Insta gepostet! Da steht ›Werbung‹ dabei!« Hercules zuckt hilflos die Schultern.

»Nicht ausreichend.« Die Beamtin klappt den Ordner zu. »Und dann wäre da noch Ihr Vermögen auf dem Olymp. Ein Palast, goldene Rüstungen, göttliche Geschenke…«

»Moment! Das gehört doch meinem Vater. Ich mein, Zeus!« Hercules schwitzt plötzlich mehr als nach einem Kampf gegen die Hydra.

»Und trotzdem wohnen Sie dort zur Untermiete? Oder haben Sie den Palast kostenlos? Dann müssen wir den geldwerten Vorteil schätzen.«

»Ich… ich hab da nur mein altes Kinderzimmer!« ruft Hercules verzweifelt.

Die Beamtin bleibt ungerührt. »Und der fliegende Pegasus? Firmenwagen oder Privatbesitz?«

»Privat. Also… meistens.«

»Dann brauchen wir ein Fahrtenbuch.«

Hercules stöhnt. »Ich bekämpfe Monster! Ich hab keine Zeit, ein Fahrtenbuch zu führen!«

»Das Finanzamt kennt da wenig Verständnis. Und dann noch die Sache mit den zwölf Arbeiten. Sie haben die doch öffentlich ausgeschrieben bekommen – das war doch quasi ein Auftrag, oder?«

»Das waren Bußaufgaben!« ruft Hercules. »Da war nix bezahlt!«

»Trotzdem eine erbrachte Leistung. Wir prüfen, ob das als freiberufliche Tätigkeit gilt.«



Hercules sackt zusammen. »Ich bin ein Held! Kein Steuerberater!«

Die Beamtin lächelt kühl. »Dann sollten Sie sich schleunigst einen zulegen. Sonst retten wir Sie bald aus der Privatinsolvenz.«

Er steht langsam auf, der Stuhl knirscht erleichtert. »Und wenn ich jetzt sage, dass ich einfach wieder zurück in die Unterwelt gehe?«

»Da gelten andere Steuergesetze. Aber da kommen Sie ja eh nicht mehr raus«, erwidert die Beamtin trocken.

Hercules seufzt tief. Vielleicht war die Hydra doch das kleinere Übel.

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