Askan-Kapitel 16
                            Naoki schlief zwei ganze Tage durch und fühlte sich erschöpft, als sie schließlich aufwachte. An ihrer Seite der kleine, schwarze Drache, dessen Gegenwart ihr geholfen hatte, die Bilder loszuwerden. Es war ein Wunder, dass sie geschlafen hatte, denn noch jetzt erinnerte sie sich an ihre Träume. Sie spiegelten ihre Erinnerungen wider und hatten doch einen viel düsteren und dramatischeren Ausgang.
Statt zu sterben war der Mann durchgedreht und hatte Reolan angegriffen und infiziert. Obwohl Naoki es versucht hatte, war sie nicht in der Lage gewesen, Reolan zu heilen.
Dieser Traum machte ihr zu schaffen, denn ihr war bewusst, dass diese Krankheit ihre neue Heimat bedrohte. Sie war zwar noch nicht so lange hier, doch sie fühlte sich hier wohl und willkommen. Naoki wollte nicht wieder weg.
Tränen traten ihr in die Augen, die sie sofort wieder wegwischte. Sie durfte nicht daran denken, dass sie ihre Aufgabe nicht erfüllt hatte. Ihr war bewusst, dass die Drachen ihr nur erlaubten, hierzubleiben, weil sie diese Fähigkeiten beherrschte. Warum sonst sollte sie, ein normaler Mensch, hier leben dürfen, wenn es sonst keiner durfte?
Neben ihr begann sich Kario zu strecken und leise Fiepslaute von sich zu geben.
Sofort streichelte Naoki ihn ein wenig, doch ihre Bewegungen waren steif und grobmotorisch. Irgendwie war ihr kalt, obwohl in ihrem Raum ein warmes Feuer brannte. Ihr Körper nah die Wärme nicht auf und Naoki wusste auch nicht, wie sie diesen wärmen sollte.
Die Tür ging auf und Shikarao trat ein. In der Hand eine dampfende Suppe. »Bist du endlich aufgewacht?«, begrüßte er sie mit seiner leicht brummigen Art. »Hühnersuppe für dich. Die ist gut und wärmend«, sagte er und stellte sie zu Naoki auf den Nachtschrank. Erst jetzt fiel dieser auf, dass dort eine bereits erkaltete Suppe stand.
»Danke«, lächelte Naoki, die sich aufsetzte, um nach der Schüssel zu greifen.
»Wie geht es dir?«, fragte Shikarao besorgt nach.
»Ich bin erschöpft«, antwortete Naoki ehrlich. Für sie gab es keinen Grund, diese Information vor Shikarao zu verstecken. Er machte sich Sorgen um sie und diese Sorgen konnte sie leider nicht abtun.
»Aber sonst ist nichts?«, wollte der Drache wissen, der sich einen Stuhl heranzog, um sich so zu setzen, dass er seine Arme auf die Lehne legen und Naoki beobachten konnte.
    
    
        
        
»Ich denke nicht«, erwiderte Naoki stirnrunzelnd. Sie hatte ihren Körper bisher nicht nach Verletzungen angesucht, doch da sie nicht berührt worden war, glaubte sie auch nicht, dass sie infiziert war.
Trotzdem sorgte Shikarao Frage dafür, dass sie ihre Magie nach innen leitete, um ihren Körper zu untersuchen.
Eigentlich hatte Naoki damit gerechnet, dass alles in Ordnung war, doch das war es nicht. Es war jedoch auch nichts schlimmes. Sie spürte ein paar Erreger, die auf eine Erkältung hinwiesen.
»Ich habe mich beim Flug wohl verkühlt«, sagte sie mit einem schiefen Lächeln. »Es ist nur eine kleine Erkältung.«
Shikarao seufzte erleichtert. »Ich hatte Angst, das du dich beim Heilen infiziert hast«, sagte er beruhigt.
Naoki winkte ab, während sie leicht in die Suppe blies, um sie abzukühlen. »Selbst wenn, ich könnte mich heilen. Eine gerade eben aufgetretene Infizierung ist leicht zu beheben«, versicherte sie und nahm einen Löffel. Überrascht stellte sie fest, dass die Suppe bereits kalt genug war, um gegessen zu werden. Sie sollte sich sogar ein wenig beeilen, damit sie nicht ganz kalt wurde.
»Verbrenn dich nicht«, warnte Shikarao, als er sah, wie sie die Suppe begann in sich zu schaufeln.
Naoki hielt kurz inne und blickte ihn fragend an. »Die Suppe ist runtergekühlt«, versicherte sie.
Shikarao war sich da nicht so sicher. Er sah sie dampfen und hatte sie gerade erst vom Herd genommen. Eigentlich war es unmöglich, dass sie so schnell abkühlte.
Aber wenn sie es essen konnte, war es gut. Er selbst konnte die Hitze nicht so ganz einschätzen, da er als Drache sehr hitzeresistent war. Selbst, wenn er eine Hand in das Feuer steckte, würde er sich nicht verbrennen. Das war der Vorteil, ein Drache zu sein.
»Sie schmeckt sehr gut«, bemerkte Naoki mit einem zufriedenen Lächeln.
Als die Schüssel leer war, stellte sie diese zurück und erhob sich aus dem Bett, um sich zu strecken.
Dabei bemerkte sie, dass sie nur noch ein Unterkleid trug. Dass Reolan sie am Abend ausgezogen hatte, hatte sie gar nicht mehr richtig mitbekommen, doch es störte sie nicht. Bisher hatte keiner der Männer auch nur einen Hinweis darauf gegeben, dass sie ihr an die Wäsche wollten. Darum fühlte sich Naoki auch so sicher.
    
    
        
        
»Das freut mich«, lächelte Shikarao, der die Schüssel nahm. »Möchtest du noch mehr?«, fragte er, doch Naoki schüttelte den Kopf.
»Ich würde gern mit Reolan sprechen. Ist das möglich?«, fragte sie, denn sie wollte erneut versuchen, einen Infizierten zu heilen. Die kleine Gruppe an Menschen, die sie getroffen hatten, waren sicherlich leichter als der untote Mann.
»Im Moment ist er in einer Besprechung mit Seolan«, informierte Shao, der an der Tür lehnte und sie schon die ganze Zeit beobachtet hatte.
»Oh. Dann warte ich«, sagte sie mit einem Lächeln, trat aber trotzdem auf ihren Schrank zu, um dort ein Kleid herauszunehmen.
»Reolan hat angeordnet, dass du dich ausruhst«, bemerkte Shao. »Wir können dich in den Garten begleiten«, schlug er vor, da er ihr nicht das Gefühl geben wollte, dass sie eingesperrt war. Allerdings hatte Reolan klargemacht, dass er wollte, dass sie ständig bewacht wurde. So als hätte er Angst, dass sie wegrannte.
Allerdings machte er sich eher Sorgen, dass sie zusammenklappte und niemand es bemerkte.
»Wird die Besprechung denn lange dauern?«, wollte Naoki vorsichtig wissen. Sie hatte keine Lust zu lange zu warten, doch sie wollte die beiden Herrscher auch nicht stören. Diese hatten sicher wichtige Dinge zu besprechen.
»Ich denke schon«, erwiderte Shao, der ihr nicht zu viel sagen durfte. Daher tat er so, als wüsste er von nichts. Allerdings wusste er sehr gut, dass sich beide Oberhäupter darüber unterhielten, wie sie es einrichten konnten, dass Naoki es leichter hatte, die Menschen zu heilen und gleichzeitig keiner Gefahr ausgesetzt wurde. Ein schwieriges Unterfangen, denn ständig hin und her zu fliegen war keine Option.
Naoki seufzte leise. »Na gut, dann warte ich, bis sie fertig sind und gehe in den Garten«, sagte sie und bewegte sich langsam auf die Tür zu. Ihre Schritte waren bewusst ruhig und vorsichtig gesetzt. Nach einer solchen Heilung wollte sie erst einmal sehen, wie es ihrem Körper ging. Da sie so lange geschlafen hatte, würde er eine Weile brauchen, bis er wieder richtig auf sie hörte. Daher war es gut, wenn sie in die Natur kam, um dort Kraft zu tanken.
Shao folgte ihr langsam. Während sie den Raum verließen, schlüpfte Kario zum Fenster hinaus, verwandelte sich und kam zurück, um im Gang draußen auf sie zu warten. Er bot Naoki seine Hand an, welche diese mit einem Lächeln annahm. Kario war immer sehr zuvorkommend und half ihr, wenn er konnte.
    
    
        
        
Gemeinsam liefen sie hinaus, doch schon, als Naoki im Hof ankam, fühlte sie sich erschöpft. Die Erkältung war wohl doch schlimmer, als sie angenommen hatte.
Naoki spürte nicht, dass da etwas in ihr war, das sich langsam ausbreitete und ihren Körper mit Kälte füllte.
Ein Windzug ging über den Hof und ließ sie zittern, was Kario sofort auffiel. »Ist dir kalt?«, fragte er besorgt.
Es war heute gar nicht so kalt, doch der Wind war recht kühl. Dennoch hatte sie bisher nie so reagiert.
»Irgendwie schon, ja«, antwortete Naoki, die selbst nicht genau verstand, warum das so war. »Vielleicht, weil ich noch zu verschlafen bin«, schlug sie vor.
Kario nickte. »Ich hole dir trotzdem einen Mantel«, sagte er und ließ sie kurz los, um zu Naokis Zimmer zurückzukehren und ihr einen Mantel zu holen.
Diese nahm ihn dankbar an und schlang ihn um sich. Besser wurde es jedoch nicht. Noch immer fröstelte es ihr, doch Naoki hoffte, dass es besser wurde, sobald sie Erde unter ihren Füßen spürte.
»Vielleicht hast du dich auch erkältet, weil du ohne Schuhe herumläufst«, bemerkte Shao nüchtern. Darüber hatten sie sich schon mehrmals unterhalten, doch niemand brachte Naoki dazu, Schuhe zu tragen.
Naoki schenkte ihm ein Lächeln. »Nein, das ist es nicht«, versicherte sie so selbstbewusst, dass Shao ihr nur glauben konnte.
Gemeinsam setzten sie ihren Weg fort und als sie im Tal ankamen, ließ sich Naoki sofort an einem Baum nieder.
Dort schloss sie ihre Augen und streckte ihre Sinne aus. Hier im Boden konnte sie nichts spüren. Es war einfach nur Wärme und Kraft, die zu ihr flossen. Außerdem bemerkte sie Nasorao, der im Garten arbeitete. Auch Kario und Shao, die neben ihr standen, konnte sie genau wahrnehmen.
Jemand kam zu ihr und ließ sich neben ihr nieder. »Ist die Besprechung beendet?«, fragte sie leise, ohne ihre Augen zu öffnen. Es war einfach zu entspannend.
»Woher wusstest du, dass ich es bin?«, fragte Reolan mit überraschter Stimme. Er konnte nicht so ganz glauben, dass sie ihn gesehen hatte oder ihn irgendwas verraten hatte.
Naokis Lippen umspielte ein Schmunzeln. »Ich kann deine Kraft spüren, wenn ich mich auf die Umgebung konzentriere. Zumindest dann, wenn du mit etwas Lebendigen wie dem Gras in Kontakt bist.«
    
    
        
        
»Das ist interessant«, erwiderte Reolan ehrlich überrascht. Er hatte nicht erwartet, dass ihre Fähigkeit bereits soweit ging. Naoki war eine mächtige Heilerin mit viel Potential. Vermutlich war sie sich dem selbst nicht bewusst. »Hast du zuhause Unterricht bekommen?«, fragte er, denn bisher hatte sie nicht darüber gesprochen und er wurde neugierig.
Naoki öffnete ihre Augen und blickte hinaus auf das sanft im Wind wiegende Korn. Es konnte nur dank Magie bei dieser Witterung gedeihen, denn eigentlich war es zu kalt dafür. »Nicht im Heilen. Das habe ich mir mit Tieren selbst beigebracht«, gestand sie und hoffte dafür keinen Tadel zu erhalten. Immerhin hatte man ihr zuhause immer gesagt, dass sie keine Menschen heilen sollte, da sie doch überhaupt keine Ahnung hatte.
»Wieso das? Eine so wichtige Gabe sollte man nicht so verschwenden«, sagte er ehrlich geschockt darüber, dass man sie so vernachlässigt hatte.
»Es gab einfach keinen Heiler, der mir hätte etwas beibringen können. Daher war meine Ausbildung eher auf andere Dinge fokussiert. Kampfkunst und andere Magie«, erzählte Naoki, während sie gedanklich zurückgezogen wurde in die Zeit, in der noch alles gut gewesen war.
				
				





























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