Askan-Kapitel 18
Einen Tag später bereute sie ihren Enthusiasmus bereits. Sie stand mit Shao auf dem Übungsplatz und hielt einen einfachen Stab in der Hand. Laut Shao war das die beste Methode, um ihren Körper zu stärken und zu sehen, was sie außer Magie noch konnte.
Naoki war allerdings nicht besonders gut darin und durfte mit ihrem Kampfkunstlehrer bereits erste Erfahrungen sammeln. Erfahrungen, die sie nur bereut hatte. Sie hoffte sehr, dass Shao geduldiger und vor allem weniger aufbrausend war, wenn sie Fehler machte.
»Wir fangen mit den Grundlagen an«, verkündete Shao, der sich in Kampfhaltung begab und Naoki danach eine kurze Erklärung gab, auf was sie achten musste. Ihm war wichtig, dass sie einen festen Stand hatte, damit man sie nicht mit dem ersten Treffer aus dem Gleichgewicht brachte und umwarf. Dabei versuchte er, ihre Statur und Kraft zu berücksichtigen. Shao wusste, dass sie nicht sonderlich ausdauernd, schnell oder stark war. Daher erwartete er auch noch nicht sonderlich viel von ihr. So etwas kam nur mit regelmäßigen Übungen und viel Zeit.
Alles, was Shao ihr heute vermitteln wollte, waren die Grundlagen und erste Hinweise, wie sie sich in einer Gefahrensituation zu verhalten hatte.
Naoki ahmte seine Stellungen und Bewegungen nach, doch sonderlich geschickt stellte sie sich dabei nicht an.
»Das machst du gut«, lobte Shao, der sie genau im Auge behielt.
Naoki schnaubte. »Gar nicht wahr. Ich wackel die ganze Zeit rum«, brummte sie verärgert über sich selbst.
»Und trotzdem machst du es gut. Du gibst dir Mühe, hörst zu und lernst. Erwarte nicht von dir, dass du es beim ersten Mal perfekt machst. Nur, wenn du Fehler machst, kannst du aus diesen lernen«, erklärte er, während er auf sie zukam und dann ihre Haltung ein wenig korrigierte.
Dabei ließ er seine Hände über ihren Körper wandern, um ihr sanft zu zeigen, wohin sie mit ihrem Arm oder ihrem Bein musste.
Naoki störte sich nicht an dieser Nähe. Seine Berührungen hatte nichts Sexuelles. Sie waren da, um ihr zu helfen, es leichter zu lernen, weshalb sie dankbar dafür war.
Shao war ein geduldiger und ruhiger Lehrer, der sie immer wieder sanft auf Fehler hinwies und nicht müde wurde, sie zu korrigieren. Nicht einmal wurde er laut, was Naoki dazu veranlasste, sich bei den Übungen völlig zu entspannen. Zumindest geistig. Ihr Körper zeigte schon nach der ersten Stunde Ermüdungserscheinungen. Ihre Beine schmerzten, weil sie die Positionen nicht gewohnt war und ihre Arme zitterten, da der Stab ihr zu schwer wurde.
Shao, der Naoki schon die ganze Zeit beobachtete, entschied sich dazu, ihre Übungen erst einmal zu pausieren. »Lass uns eine Pause machen«, sagte er und deutete Naoki an, sich zu setzen.
Diese stieß die Luft aus und ließ dann den Stab fallen, auch wenn sie es nicht mit Absicht getan hatte.
Erschöpft beugte sie sich vor, um den Stab vom Boden aufzuheben und dann schleppte sie sich zu einer Bank, auf der sie sich niederließ.
»Ich hole uns etwas zu Trinken«, bot Shao an, der überhaupt keine Anzeichen von Erschöpfung zeigte.
Naoki nickte dankbar. Etwas zu trinken würde ihr sicher guttun.
Kaum war Shao gegangen, tauchte Reolan auf, der sie die ganze Zeit durch das Fenster beobachtet hatte. Seolan war an seiner Seite gewesen und sie hatten besprochen, wie sie weitermachen wollten.
Die ersten Schritte waren bereits eingeleitet, doch nun wollte Reolan Naoki nach ihrer Meinung fragen. Sie würde immerhin das Zentrum ihrer Herangehensweise sein. Wenn sie also nicht mitmachte, war es nutzlos, weiter zu planen.
»Wie fühlst du dich?«, fragte er und ließ sich neben ihr nieder.
»Unzureichend«, war die Antwort, mit der Reolan nicht gerechnet hatte.
Noch immer ging Naokis Atem schwer und sie hatte das Gefühl, dass die Übungen ihr nichts gebracht hatten.
»Wieso das?«, fragte er stirnrunzelnd. Seiner Meinung nach hatte sie sich gut geschlafen. Für das erste Mal war es nicht schlecht gewesen und sie würde mit der Zeit lernen.
»Shao ist ein guter Lehrer, aber ich glaube einfach, ich bin zu schlecht. Selbst, wenn ich es könnte, ich würde mich nicht wehren wollen«, erklärte sie und hoffte, dass Reolan das Problem verstand.
Dieser runzelte die Stirn. »Also ist es mehr eine Kopfsache«, stellt er fest, auch wenn er es wie eine Frage klingen ließ.
Naoki zuckte die Schultern. »Möglich. Ich sehe mich eben als Heilerin und will niemand verletzen. Das macht mir immer zu schaffen.«
Für Reolan war das schwer nachzuvollziehen. Er hatte das Kämpfen schon als kleiner Drache gelernt und war damit aufgewachsen, die Aufgabe zu haben, seine Art zu beschützen. Darunter zählte auch, dass er verletzen und sogar töten musste. Daher war es für ihn normal. In Naoki konnte er sich nicht hineinfühlen. Wenn er die Wahl hätte, würde er den Gegner immer töten, damit dieser später nicht erneut zur Gefahr werden konnte. Die Vorstellung, ihn zu verschonen, barg ein zu großes Risiko.
»Wenn du stirbst, weil du dich nicht gewehrt hast, dann werden noch mehr Menschen sterben«, sagte er ernst, um ihr zu zeigen, dass sie einige Dinge nicht bedacht hatte.
Naoki zuckte, da diese Aussage sie durchaus traf. »Ich weiß«, flüsterte sie mit belegter Stimme.
»Niemand sagt, dass du deinen Gegner töten musst. Du musst nur dafür sorgen, dass er dich nicht verletzen kann«, erklärte Reolan ungerührt. Ihre Sicherheit war wichtiger und er würde für sie töten. Ob sie das wollte oder nicht. Es stand zu viel auf dem Spiel, um in dieser Sache auf ihre Gefühle Rücksicht zu nehmen.
Naoki stieß ein frustriertes Seufzen aus. »Ich weiß«, gab sie zähneknirschend von sich. Am liebsten würde sie einfach wegrennen, doch das war nicht in allen Lebenslagen möglich. Außerdem konnte sie nicht immer darauf hoffen, dass andere sie schützten.
»Jedenfalls«, änderte Reolan das Thema, da er eigentlich wegen einer anderen Sache hier war, »Seolan hat das Schloss vorbereitet. Wir können es uns erst einmal ansehen und einen Tag dort verbringen. Du musst nicht gleich sofort umziehen.«
Überrascht blickte Naoki zu ihm und zögerte. »Ich soll umziehen?«, fragte sie, denn bisher hatte sie es eher als eine Art Tagesausflug gesehen. Bei der Vorstellung außerhalb der Festungen der Drachen übernachten zu müssen, jagte ihr plötzlich Angst ein. Sie verstand nur nicht warum.
»Es wäre zu aufwendig jeden Tag zurückzufliegen. Du wirst viel zu tun haben«, bemerkte Reolan, der hinauf in die Wolken blickte. »Daher ist es sinnvoller, wenn wir uns dort komplett einquartieren. Seolan hat auch für Bedienstete gesorgt, damit wir uns ganz auf unsere Aufgabe konzentrieren können.«
»Verstehe«, murmelte Naoki, die eine gewisse Anspannung spürte. Wenn sie ehrlich mit sich war, dann wollte sie die Sicherheit der Burg nicht verlassen. Sie wollte hierbleiben, wusste aber, dass es nicht darum ging, was sie wollte. Hier ging es um die Leben vieler Menschen und für diese würde sie alles geben. Egal, wie schwer es ihr fiel.































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