Askan-Kapitel 2
Als Naoki aus dem Magiestrom fiel, landete sie am Boden. Staub wurde aufgewirbelt, der ihr die Sicht nahm und als sie ihn einatmete, musste sie husten.
Schnell zog sie ihr Oberteil so, dass es ihren Mund verdeckte, um leichter Luft zu bekommen. Der Staub brannte in ihren Augen und doch versuchte sie, diese zu öffnen. Blinzelnd nahm sie ihre Umgebung wahr und erstarrte.
Das war kein Staub. Das war Asche. So schwarz wie die Nacht und überall um sie herum.
Naoki schauderte, als sie endlich mehr erkennen konnte. Wenn sie das richtig sah, dann waren das vor ihr Reste von Häusern in denen noch immer Feuer schwelte.
Wo war sie hier? Warum hatte der Zauber sie hierhergebracht? Das war überhaupt kein sicherer Ort!
Rauch, Asche und Feuer erinnerte sie an ein Kriegsgebiet. Möglicherweise ein Dorf am Rande der Reiche, wo gerade das fremde Königreich angriff. Zumindest wäre das die naheliegendste Erklärung.
Trotzdem verstand Naoki nicht, wie der Zauber dieses Gebiet als sichere Zone klassifiziert hatte. Oder hatte sie es einfach vermasselt?
Leise fluchend begann sie sich durch die Überreste des Dorfes zu bewegen. Ob hier noch jemand lebte?
Unwahrscheinlich und sie wollte auch lieber nicht darüber nachdenken, was sie unter ihren nackten Füßen alles spürte. Aus dem Boden drang Leid und Kälte, als würde selbst dieser leiden. Zudem spürte sie etwas tief im Boden. Als wäre da etwas … Lebendiges.
Naoki schauderte und schlang die Arme um ihren schmalen Körper, während sie einen Anhaltspunkt suchte, um sich zu orientieren. Sie kannte sich in den Randgebieten des Reiches nicht so gut aus, wie in den Hauptstädten, doch sie war dennoch zuversichtlich, dass sie zumindest einen Anhaltspunkt finden würde, in welcher Himmelsrichtung sie sich befand.
Während sie umherirrte und keinerlei Hinweis darauf befand, wo in Vindur sie sich befand, hörte sie etwas Vertrautes.
Naoki spitzte die Ohren, während sie versuchte, das Geräusch einzuordnen. Dabei klopfte ihr Herz vor Aufregung immer schneller. Ihr Körper wusste schon, was es war, noch bevor ihr Kopf es fassen konnte.
Instinktiv rannte sie los, als ihr klar wurde, dass es sich hierbei um Flügelschläge handelte. Sie stolperte über ihre eigenen Füße, fing sich jedoch wieder, während sie sich hektisch nach Schutz umsah. Hier war jedoch nichts, was ihr irgendwie helfen könnte.
Dann landete direkt vor ihr ein riesiger, nachtschwarzer Drache.
Naokis Herz setzte für einen Moment aus, als sie taumelnd anhielt und dann zurückwich. So einen großen Drachen hatte sie noch nie gesehen. Die, die es in ihrer Heimat gab, waren vielleicht vier Meter groß, doch dieser hier musste um die 10 sein!
Er senkte seinen Kopf, sodass er fast mit ihr auf einer Höhe war, was Naoki nur noch mehr dazu verleitete, zurückzuweichen. »Sag mir Mensch«, erklang seine hallende, knurrende Stimme, »wie ist es dir gelungen, meinem Feuerangriff zu entkommen?«
Naoki schluckte schwer. Er war für dieses Massaker verantwortlich?
Kalter Schweiß trat aus ihrer Stirn und rann ihr den Rücken hinab. »I- Ich … es tut mir leid, ich wollte nicht in Euer Territorium eindringe«, sagte sie schnell, während sie weiter zurückwich. Dabei stieß sie mit ihren zitternden Beinen an etwas und fiel auf ihren Hintern.
Der Drache schnaubte. »Warum versuche ich es auch immer wieder, ihr versteht mich ja eh nicht«, sagte er mehr zu sich selbst, während er bereits Feuer in seiner Kehle sammelte, um auch den letzten Menschen dieses Dorfes zu grillen.
»Ich versteh Euch«, rief Naoki schnell, während ihr ganz kalt wurde. Wollte er sie wirklich töten? »Ich komme mit einem Teleportzauber aus Teretris«, rief sie ihm zu. »Bitte entschuldigt, falls ich hier in Euer Gebiet eingedrungen bin. Ich werde es verlassen. Verratet mir doch bitte, wo ich hier bin«, sagte sie und hoffte, dass er irgendwie darauf reagierte.
»Teretris? Noch nie davon gehört. Du bist hier auf dem Kontinent Askan«, sagte er, wobei seine Stimme in Naokis Kopf dröhnte. Dazu lehnte er sich weiter nach unten, um die junge Frau eingängig mustern zu können. Er schnupperte sogar an ihr.
Ihre schwarzen Haare irritierten ihn, denn diese Farbe war hier nicht weit verbreitet. Infiziert schien sie auch nicht, weshalb keine Gefahr von ihr ausging.
Vielleicht stimmten ihre Worte ja. Aber dann fragte er sich, was sie hier wollte.
»Askan?«, fragte Naoki geschockt und nach Luft schnappend. »Ich sollte doch in Vendir sein.«
Der Drache blickte sie einen Moment einfach nur an, bevor er schnaubte. Der Wind, den er damit in ihre Richtung blies, war so stark, dass er Naoki fast von den Füßen riss.
»Das erklärt deine seltsame Haarfarbe. Du bist hier in Askan. Dem Land der Drachen. Genau genommen befindest du dich in Kanarit. Meinem Herrschaftsgebiet«, verkündete er mit erhobenem Haupt.
Naoki weitete ihre Augen überrascht. »Dann seid Ihr ein König?«, fragte sie überrascht, während sie dir Reste ihres Rockes griff und einem Knicks vollführte. So gut es eben ging.
Der Drache richtete seine großen, gelben Augen auf sie und für einen Moment schoben sich die Nickhäute davor, als würde er blinzeln.
»Sag mir Mensch: warum empfindest du keine Angst, dass ich dich jeden Moment töten könnte?«, fragte er, wobei er sie nicht aus den Augen ließ.
Naoki stellte sich wieder hin und hob den Blick. »Ich habe Angst«, verkündete sie. Ihre schlotternden Knie waren ein deutliches Zeichen, »aber ich bin mit Drachen aufgewachsen. Ihr seid denkende, fühlende Wesen und ich bin der Überzeugung, dass Ihr nicht ohne Grund tötet«, sagte sie. Dass sie noch am Leben war, schob sie auf die Tatsache.
»So?«, fragte der Drache, der sie misstrauisch musterte. »Mit Drachen aufgewachsen.« Es klang, als würde er mit sich selbst sprechen, bevor er sich setzte. Das sorgte dafür, dass der Boden leicht bebte und Naoki Mühe hatte, nicht zu sehr zu schwanken. Was für eine Kraft!
Kurze Zeit herrschte Schweigen, bis sich der Drache mit schwerfälligen Bewegungen zu Boden legte. »Da du offensichtlich nicht zu diesem Verräter gehörst, bist du ein Gast. Ich werde mich um dich kümmern. Steig auf«, befahl er, weil er wissen wollte, wie sie darauf reagierte. Er erwartete Angst und war entsprechend überrascht, als sie selbstsicher auf ihm zu ging.
An seiner Seite blieb sie jedoch unschlüssig stehen. »Ihr seid so groß«, sagte sie entschuldigend. »Ich bin nur kleinere Drachen gewohnt. Es tut mir leid, sollte ich Euch weh tun.«
Gerade, als der Drache darauf etwas erwidern wollte, begann sie, an ihm hinaufzuklettern.
Durch seine dichten Schuppen spürte er fast gar nichts und wunderte sich auch, dass ein Mensch sich bei ihm entschuldigte.
Diese Frau war so ganz anders als die Menschen, die hier in seinem Gebiet lebten. Das würde vermutlich interessanter werden, als er anfänglich gedacht hatte. Sie war nicht auf den Kopf gefallen und hatte es sogar geschafft, ihn davon abzubringen, sie sofort zu grillen.
In seinen tausenden Jahren, in denen er schon lebte und über dieses Gebiet herrschte, war es selten, dass ihn noch etwas faszinierte. Er würde es auskosten.
»Mein Name ist Seolan«, stellte er sich vor, da ihm auffiel, dass sie dies noch nicht getan hatten.
»Oh, bitte verzeiht. Wie unhöflich von mir. Ich heiße Naoki«, stellte auch sie sich vor, während sie den Drachen erklomm. Es war schwieriger, als Naoki angenommen hatte und als sie schließlich auf seinem Hals saß, wusste sie nicht, wie sie ihre Beine legen sollte oder wo sie sich festhalten konnte.
Seolan bemerkte ihre Bewegungen und wartete geduldig. Er wollte immerhin nicht, dass sie von ihm fiel und zerschellte.
»Nun, Naoki«, sagte er, wobei seine Stimme noch immer in ihrem Kopf widerhallte. »Bist du fertig?«
Obwohl er sehr geduldig war, wollte er im Moment doch keine Zeit verschwenden.
»Ich denke«, sagte sie und versuchte irgendwie an den warmen, glatten Schuppe Halt zu finden. Ohne Zaunzeug war das gar nicht so einfach.
Ihre Antwort überraschte Seolan überhaupt nicht. Wenn sie bisher nur auf kleineren Drachen geflogen war, dann würde sie schon bald bemerken, dass es auf ihm ganz anders war.
Vorsichtig breitete er seine Flügel aus, was Naoki genau beobachtete. Sie erwartete eigentlich, dass es wackelte, doch dem war nicht so. Seolan blieb überraschend ruhig. Erst, als er Absprung und mit den Flügeln schlug, spürte sie die Kraft und Geschmeidigkeit seines Körpers. Obwohl sie sich festhielt und nach vorne beugte, sauste ihr der Wind so heftig um die Ohren, dass sie Angst hatte, zu fallen. Allerdings nur kurz, denn schon bald war er in der Luft und sein Flug wurde ruhiger.
Staunend, weil sie ohne Probleme auf ihm sitzen konnte, sah sie sich um. Eigentlich war Naoki es gewohnt, dass der Flug gerade am Anfang sehr wackelte und in der Luft Können gefragt war, um nicht zu fallen. Hier war das aber anders.
Naoki genoss es, auf ihm zu reiten. Obwohl sie unter sich nicht viel sehen konnte, betrachtete sie doch die Umgebung. Besonders, als er sich einem riesigen Berg näherte, staunte sie nicht schlecht. Auf dem Gipfel des Berges thronte ein riesiger BurgkompLanrao. Überall waren Gebäude, Wege und Höfe.
Das war eine regelrechte Festung. Außer Drachen würde hier wohl niemand hingelangen. Vielleicht hatte der Teleportzauber doch funktioniert und sie zu einer sicheren Festung gebracht.

































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