Askan-Kapitel 9
Naoki konnte einfach nicht schlafen und wälzte sich schluchzend im Bett. Sie überlegte, ob sie aufstehen sollte, doch was dann?
Ein Geräusch ließ sie zusammenzucken und lauschen. Angst machte sich in ihr breit. Was war das? Es klang, wie ein leises Schaben und wenn Naoki das richtig sah, kam jemand in ihr Zimmer.
Sie konnte nicht sehen, dass es ein kleiner Drache war. Dieser verschmolz mit der Dunkelheit und schlich sich über den Boden zu ihr ans Bett.
Als er mit den Vorderpfoten aufs Bett ging, betrachtete er die junge Frau. Sie sah unter der Decke hervor. Für ihn leuchteten ihre blauen Augen in der Nacht und er konnte deutlich erkennen, dass ihr Gesicht verweint war.
Kario machte ein leises, quietschendes Geräusch, was Naoki zucken ließ. »Wer ist da?«, flüsterte sie leise.
Eigentlich wollte Kario ihr keine Angst machen, doch er wusste nicht, dass Naoki ihn nicht sehen konnten. Um auf sich aufmerksam zu machen, legte er eine Pfote auf ihre Hand, was sie zurückzucken ließ.
Naokis Herz begann heftig zu schlagen, als ihr klar wurde, dass jemand direkt bei ihr war. Wenn sie jedoch so darüber nachdachte, fühlte es sich nicht menschlich an.
Neugierig geworden bewegte sie ihre Hand, um herauszufinden, wo das Wesen war. Schließlich berührte sie Karios kleine Pfoten und fuhr mit ihren Fingern darüber. »Ein … Drache?«, fragte sie vorsichtig.
Dafür erhielt sie ein leises Quietschen.
Kario hatte sich entscheiden, nicht mit ihr zu sprechen. Zumindest nicht in menschlicher Art, auch wenn er es könnte.
Naokis Hand wanderte weiter, bis sie Karios Kopf fand und diesen vorsichtig streichelte. Die Schuppen waren glatt und warm, was sie sofort beruhigte. Zuhause hätte sie vermutlich mit ihrem Drachen Ran gekuschelt, um sich zu beruhigen.
Nachdem Naoki ihn eine Weile gestreichelt hatte, rückte sie ein Stück zur Seite und klopfte vorsichtig auf ihr Bett. »Komm hoch«, bat sie, damit sie ganz mit ihm kuscheln konnte.
In diesem Moment kam ihr nicht in den Sinn, dass er einer der Männer sein könnte, die sie draußen gesehen hatten. Ein Drache war für sie nicht so abschreckend und schwierig wie Menschen. Schon als Kind hatte sie ihre Zeit lieber mit Tieren verbracht. Dass sie mit diesen reden konnte, wie mit Menschen, war ihr dabei nur zugutegekommen. Das hatte jedoch auch dafür gesorgt, dass sie Probleme mit der normalen Gesellschaft bekam, wie es ihre Mutter immer so gern sagte. Sie hatte nichts gegen Naokis tierische Freunde, hatte sich aber gewünscht, dass sie mehr menschliche Freundschaften schloss. So war sie schließlich zu Nikan gekommen. Er war im selben Alter wie sie gewesen. Der Sohn eines Fürsten, der direkt ihrer Mutter unterstand und für sie schwärmte.
Langsam kletterte Kario aufs Bett und legte sich zu ihr. Er verstand nicht, warum sich Shao so aufgeregt hatte. Sie war ganz nett und störte sich gar nicht an seiner Gegenwart. Es war eine gute Idee, zu ihr zu gehen, um sie abzulenken.
Kario schmiegte seinen Kopf an ihre Hand und rollte sich neben ihr zusammen. Es war so schön, wie sie ihn streichelte. Das erinnerte ihn an seine Kindheit. Damals war er noch gestreichelt worden. Zumindest manchmal. Jetzt hingegen tat das niemand mehr.
Kario würde geheim halten, dass sie so gut streicheln konnte, sonst würden die anderen nur auf die Idee kommen, es auch zu wollen. Dann musste er mit seinen Brüdern konkurrieren und er wusste, wie das ausging. Er war immerhin einer der jüngsten und schwächsten.
»Danke, dass du mir Gesellschaft leistet«, murmelte Naoki, auch wenn sie keine Antwort von ihm bekam. Ihr war bewusst, dass er sich dafür entschied, nicht mit ihr zu kommunizieren. Immerhin konnte sie mit Tieren sprechen und war daher verwundert, dass dieser Drache extra nicht sprach. Bisher war ihr das noch nicht passiert, weshalb sie davon ausging, dass er es mutwillig tat. Vielleicht war es Seolan oder Reolan. Wobei sie Seolan schon als Drachen gesehen hatte. Dieser war nicht so klein. Er fiel also aus.
Wenn sie so darüber nachdachte, dann war es schwer zu sagen. Naoki wusste nicht, dass die Drachen in der Lage waren, ihre Größe zu verändern. Je älter sie wurden, desto größer konnte auch ihre Drachengestalt werden. Das konnten sie in ihrer Heimat nicht. Hätte sie das gewusst, wäre ihr klar gewesen, dass es jeder Drache sein konnte, den sie gesehen hatte.
Naoki wollte jedoch nicht mehr daran denken, wer es eigentlich war. Sie fühlte sich, allein durch seine Anwesenheit, sicherer und kuschelte sich an den Drachen, bevor sie die Augen schloss. Sein leises Quietschen, das er vor Freude machte, lenkte sie ab und gab ihr etwas, worauf sie sich konzentrieren konnte. Es fühlte sich vertraut an, weshalb sie schließlich einschlief.



























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