Luana – Kapitel 5


Luana war sich unsicher, ob die Idee, mit Ragnar im Wald einen Ort zu suchen, an dem er ihr die Magie lehren konnte, die beste Idee war. Allerdings hätte er ihr schon längst etwas getan, wenn das seine Absicht gewesen wäre. Möglichkeiten hatte er definitiv genug gehabt, dennoch vertraute sie ihm noch nicht ganz.
Er war nett und irgendwie höflich, doch ein Fremder. Ein Fremder mit vielen interessanten Informationen.
„Diese Lichtung ist gut“, entschied er schließlich nickend und winkte Luana zu sich.
Zögerlich trat sie zu ihm. Er deutete ihr, sich hinzusetzen, wie auch er es gleich darauf tat. Im Schneidersitz und mit dem Blick zu ihr.
Luana ließ sich am Boden nieder, während sie ihn eingehend musterte. Was erwartete er jetzt von ihr? Wie wollte er ihr die Magie erklären?
„Pass gut auf“, sagte er und hob die Hand. Dort erkannte sie seltsame, schimmernde Lichtpunkte.
Luana kniff die Augen zusammen. Was war das? War das wirklich Licht, oder farbige Partikel?
„Das hier ist Sternenstaub“, erklärte Ragnar. „Alles auf der Welt besteht daraus. Die Luft, die Pflanzen, aber auch du und ich“, sagte er, wobei Luana unsicher war, ob sie ihm das glauben konnte.
„Und das nutze ich, um Magie zu wirken?“, fragte sie zögerlich und nicht ganz davon überzeugt, dass er die Wahrheit sprach. Gleichzeitig war sie aber auch fasziniert davon, wie er die Luft zum Schimmern brachte.
Ragnar nickte. „Genau. Es ist im Grunde ganz einfach. Du ziehst diese Partikel aus der Luft zusammen“, erklärte er und zeigte ihr, wie er blaue Partikel zu einer Art Kugel zusammenschweben ließ. Es sah sehr schön aus, aber wie konnte sie damit nun Dinge tun?
Luana runzelte die Stirn. „Wie mache ich das?“, wollte sie wissen. Bis gerade eben hatte sie immerhin nicht einmal gewusst, dass es solche Partikel in der Luft überhaupt gab.
„Schwer zu erklären“, gestand Ragnar und legte ihre Hände plötzlich an seine. Sofort zog Luana diese zurück. Ihr Herz klopfte heftig, als sie ihn anstarrte.
„Was soll das?“, fragte sie atemlos, da seine Geste sie überrascht hatte.
Erneut griff er vorsichtig nach ihren Händen. „Schon gut, lass es mich dir zeigen.“
Nur, weil seine Stimme beruhigend klang, zog sie ihre Hände nicht sofort wieder zurück, doch es war ihr dennoch unangenehm. Erst recht, als sie ein seltsames Kribbeln in diesen spürte.
Luana atmete versucht ruhig, während sie sich Mühe gab, ihre Hände nicht zurückzuziehen. Was war das für ein Gefühl? Es fühlte sich auf eine Art vertraut und befreiend an, die sie gar nicht beschreiben konnte. Als wäre irgendetwas in ihr geöffnet wurden. Etwas, das ihr die Möglichkeit gab, die Natur ganz anders zu spüren.
Ihr Atem wurde immer schneller, als sie sah, wie sich die Partikel um ihre Hand sammelten. „So muss es sich anfühlen“, erklärte Ragnar mit ruhiger Stimme. Er klang sogar ein wenig stolz, aber wieso? War er das auf sich oder auf sie?
Luana konnte sich nicht vorstellen, dass jemand stolz auf sie war. Das kannte sie nicht.
„U-Und was mache ich jetzt damit?“, wollte sie unsicher wissen.
„Stell dir einfach vor, was die Partikel tun sollen. Lass sie sich in einer Kugel sammeln. Das ist für den Anfang das Einfachste“, erklärte er ihr mit ruhiger Stimme, hielt aber seine Hände immer noch an ihre. „Dann werden wir auch sehen, welches Element dir am meisten liegt.“
Luana atmete tief ein, bevor sie versuchte, sich vorzustellen, wie die Partikel eine Kugel bildeten.
Erst bewegte sich nichts, doch dann konnte sie sehen, wie einige von ihnen langsam wackelnd zusammenschwebten. Sie alle waren dunkelblau.
„Wasser liegt dir also am meisten. Interessant“, sagte Ragnar, was Luana verwirrte. Hatte die Farbe der Partikel etwa eine Bedeutung oder woher sah er, dass Wasser ihr lag?
Luana mache weiter und konnte zusehen, wie sich die blauen Partikel langsam zu einer Art Ball formten. Es sah sehr schön aus, doch was sollte ihr das jetzt bringen? Was machte man damit?
Sie wollte gerade fragen, als sie bemerkte, dass sich das Aussehen begann zu ändern und plötzlich war da ein Wassertropfen, der einfach in der Luft schwebte.
Luana schnappte nach Luft. Hatte sie das getan? „Das ist …“ Ihr fehlten die Worte. Sie hatte nicht erwartet, dass sie so etwas erschaffen konnte. Oder war das vielleicht doch Ragnar, der sie nur glauben ließ, dass sie es selbst war?
„Merk dir dieses Gefühl“, sagte Ragnar, der seine Hände von ihren nahm. Das sorgte dafür, dass der Wassertropfen zu Boden fiel. Sofort wurde Luana traurig. Sie war es wohl doch nicht. „Versuch es jetzt allein“, wies er sie ab, doch Luana war sich nicht sicher, ob sie es konnte. Vielleicht machte sich Ragnar auch nur über sie lustig, damit sie glaubte, sie wäre magisch. Trotzdem wollte sie es versuchen.
Sie legte ihre Hände auf ihre Beine und konzentrierte sich auf einen Punkt. Würde es ihr gelingen, diesen Tropfen erneut zu erschaffen?
Aufmerksam versuchte sie, die Partikel auf einen Punkt zu konzentrieren, doch es bewegte sich fast nichts. Nur die dunkelblauen bewegten sich ein wenig, doch Luana konnte nicht sagen, ob sie das war oder der Wind. Dieser konnte sie immerhin auch bewegen, oder?
Luana war verbissen dabei, sich zu konzentrieren, glaubte jedoch langsam, dass Ragnar sie einfach nur veralbern wollte. Das machte sie wütend, denn sie hasste es, vorgeführt zu werden. Allerdings schien dem nicht so zu sein, denn plötzlich sammelten sich die Partikel so, wie sie es auch schon davor gesehen hatten. Ein einzelner Tropfen entstand, was Luana strahlen ließ. „Ich kann es“, hauchte sie voll Freude, aber auch sehr erschöpft. Bei Ragnar hatte es so einfach ausgesehen, doch das war es nicht. Wurde es mit mehr Übung vielleicht leichter?
„Sehr gut. Mach weiter, bis du einen ganzen Ball aus Wasser hast“, wies er sie an und schien geduldig neben ihr zu sitzen, beobachtete sie aber genau. Sein Blick war ihr nicht unangenehm, da sie das mehr oder weniger gewohnt war.
Luana wusste nicht, ob sie das schaffen würde, denn sie fühlte sich sehr erschöpft. Allerdings war sie auch sehr motiviert. Sie würde selbst ein bisschen üben und hoffen, dass sie bald in der Lage war, mehr zu tun als diesen Wassertropfen zu erschaffen.
Konzentriert zog sie immer wieder den Sternenstaub aus der Luft zusammen und bildete weitere Wassertropfen, die sich irgendwann zu einem Ball aus Wasser zusammenschlossen.
Strahlend ließ sie für einen Moment ihre Konzentration fallen. Das sorgte dafür, dass der Wasserball nach unten krachte und das Wasser im Boden verschwand. „Ich hab‘s geschafft“, sagte sie mit rauer, schwacher Stimme, bevor sie spürte, wie ihren Körper die Kraft verließ und sie zusammensacken.




























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