Luana – Kapitel 7

Unruhig lief Luana hin und her. Das Bild im Wald wollte sie einfach nicht ruhen lassen, weshalb sie auch noch immer nicht schlief.
Das Abendessen mit ihrer Familie war wie immer gelaufen. Es war, als wäre sie gar nicht da gewesen.
Niemand sprach mehr über Seydon, denn Beron hatte es verboten. Zudem hatte Luana herausgefunden, dass es das Gerücht gab, Maria hätte das Rudel verraten und wäre mit einem jungen Wolf aus dem Klippenrudel verschwunden. Luana wusste, dass es nicht stimmte. Woher kam also dieses Gerücht? Hatte Beron es vielleicht in die Welt gesetzt, um davon abzulenken, was wirklich vorgefallen war?
Luana blickte auf den Vorhang, hinter dem ihr Bruder wieder einmal tagte. Dieses Mal war sie nicht gegangen, sondern blieb hier und wartete, bis er fertig war. Es war immerhin bald seine Schlafenszeit. Die perfekte Gelegenheit, um mit ihm zu sprechen. Jedoch hatte sie auch ein wenig Angst davor. Wie er wohl reagieren würde? Das, was sie ihm zu sagen hatte, würde ihm sicherlich nicht gefallen. Sie würde ihm die Dinge, die sie gesehen hatte, direkt weitergeben. Danach würde sich zeigen, was geschehen würde.
Ragnar war in der Nähe im Wald. Sollte es also zu Problemen kommen, würde er ihr sicherlich helfen. So hoffte sie zumindest.
Obwohl ihr die Wölfe am Portal fremd gewesen waren, so waren sie es für Ragnar nicht. Er kannte sie zwar nicht direkt, doch sie kamen aus seiner Welt. Das wiederum hieß, dass sie mit Magie aufgewachsen waren. Daher hatte Ragnar auch nicht angreifen wollen.
Luana plagte der Gedanke, was geschehen würde, wenn ihr Bruder mit diesen Wölfen zusammenarbeitete. Dann würde Ragnar ihr nicht helfen können. Er war zwar stark, aber nicht lebensmüde. Das konnte sie durchaus verstehen, doch sie selbst würde die Dinge auf den Tisch legen.
Endlich bewegte sich der Vorhang und sofort richtete sie ihren Blick dorthin, um darauf zu warten, dass ihr Bruder herauskam.
Dieser trat hervor und wirkte müde. Als er Luana sah, seufzte er leise. „Was willst du?“, fragte er mit müder Stimme. Dabei klang er sogar ein wenig genervt. Keine gute Voraussetzung, doch Luana würde nicht kuschen. Nicht mehr!
„Unter vier Augen mit dir reden“, sagte sie ernst.




Beron verdrehte die Augen, bevor er Heron mit einem Winken zu verstehen gab, dass dieser sich zurückziehen konnte. Es schien, als würde er durchaus mit ihr sprechen wollen.
Luanas anderer Bruder kam an ihm vorbei, klopfte Luana leicht auf die Schulter, bevor er gähnend das Gebäude verließ.
Luana richtete ihre rosafarbenen Augen direkt auf Beron. „Was hast du mit den fremden Wölfen am Portal zu schaffen gehabt?“, fragte sie so direkt, wie sie konnte. Sie wollte seine Aufmerksamkeit.
Zuerst wirkte es, als hätte er ihr schon wieder nicht zugehört, doch sie bemerkt, dass sein Blick lauernder und wacher geworden war, als er diesen direkt auf sie richtete. „Von was sprichst du?“, fragte er zurück. Seine Stimme klang ruhig, aber trotzdem irgendwie überrascht. Zumindest oberflächlich gesehen. Luana kannte ihn aber gut genug, um zu hören, dass er nervös war. Das hieß, sie hatte ins Schwarze getroffen. Diese Tatsache ließ ihr Herz heftig schlagen.
Wenn Beron wirklich etwas damit zu tun hatte, war das gar nicht gut. Warum hatte man Seydon und Maria verschleppt?
„Von der Tatsache, dass du mit Seydon am Portal warst“, sagte sie ernst. Es fiel ihr überhaupt nicht ein, zurückzuweichen. Selbst, als ihr Bruder einen Schritt auf sie zu tat und von oben auf sie herabstarrte, wich sie nicht zurück. Es war ihr unangenehm und es schüchterte sie ein. Das würde sie nicht leugnen, doch sie würde sich davon nicht unterbekommen lassen!
„Du fantasierst“, sagte er ernst, aber mit einer recht rauen Stimme. Als würde er sie unbedingt davon überzeugen wollen, dass sie Unrecht hatte.
Luana bekam eine Gänsehaut. Jetzt wurde es gefährlich, denn sie verstand die Drohung durchaus.
Sie schluckte, bevor sie sich ihre Lippen befeuchtete. „Ich fantasiere nicht“, erwiderte sie ernst. „Du hast mit diesen Wölfen das Tor geöffnet“, warf sie ihm vor, während sie Mühe hatte, durch ihren heftigen Herzschlag, der in ihren Ohren hallte, ihren Bruder genau zu verstehen.
Beron griff ihre Schulter und schüttelte sie leicht. „Was reimst du dir da für einen Schwachsinn zusammen?“, fragte er aufgebracht, wobei sie sogar leichte Angst in seiner Stimme hören konnte.
Luana blieb stark. „Das reime ich mir nicht zusammen und das weißt du“, sagt sie ernst und unnachgiebig.




Ein Knurren war Berons Antwort, bevor er von ihr abließ und sich frustriert durch die Haare fuhr. „Hör zu. Ich werde dir alles erklären, aber du darfst nicht darüber sprechen. Alles klar?“, fragte er leise knurrend.
Luana nickte. Das erste Mal schien er sie wirklich wahrzunehmen. „Wann?“, fragte sie ungeduldig. Wenn es nach ihr ging, war früher besser als später.
Beron seufzte frustriert und sah sich um. „Heute Nacht am Portal“, sagte er schließlich leise und verschwörerisch.
Luanas Herz klopfte plötzlich noch heftiger und ein Schauer lief ihr den Rücken hinab. Das klang irgendwie unheimlicher, als sie gehofft hatte. „In Ordnung“, antwortete sie flüsternd, aber mit trockenem Mund. Sie hatte ein wenig Angst, doch Beron war ihr Bruder. Er würde ihr nichts tun, oder?
Sie würde mit Ragnar sprechen müssen. Er sollte in ihrer Nähe sein, falls Beron doch etwas tat. Zudem hatte er den Portalstein an sich genommen und verwahrte ihn. Es würde also nicht so leicht sein, sie in eine andere Welt verschwinden zu lassen. Zumindest hoffte Luana das.
„Ich gehe jetzt eine Weile schlafen. Auch du solltest schlafen“, wies er an. Luana nickte, obwohl sie etwas komplett anderes vorhatte. Sie musste dringend mit Ragnar sprechen, doch würde man sie einfach gehen lassen?
Luana konnte sich nicht vorstellen, dass Beron sie plötzlich einsperrte. Wahrscheinlich ging er auch nicht davon aus, dass sie irgendwie Hilfe hatte. Sie würde diesen Vorteil also gut nutzen müssen.
Sie verfolgte mit ihrem Blick, wie Beron nach draußen ging und sich noch einmal streckte. Luana wartete kurz, folgte ihm dann aber. Nur würde sie nicht in ihr Bett gehen, sondern mit Ragnar sprechen. Ohne seine Hilfe würde sie diesen Abend sicherlich nicht unbeschadet überstehen. Immerhin hatte Beron auch nicht vor Seydon haltgemacht. Dabei war Seydon immer derjenige gewesen, der zu seinem Bruder aufgeblickt hatte.
Mit festem Schritt verließ Luana ihr Dorf und verschwand im Wald. Sie wollte sich nicht das Schlimmste ausmalen, würde aber mit allem rechnen.
Nachdem sie sich mit Ragnar unterhalten hatte, kehrte sie zum Portal zurück, um dort auf Beron zu warten. Dieser war bereits da und wirkte unruhig. Wahrscheinlich, weil machte er sich Sorgen, dass sie mit jemanden darüber gesprochen hatte.




„Jetzt erklär mir, was hier los ist“, sagte sie streng und selbstbewusst.
Beron fuhr sich durch die Haare. „Es tut mir leid, dass ich dich da mit hineinziehe“, sagte er und nahm sie plötzlich in den Arm.
Zuerst wollte Luana die Umarmung erwidern und weiter fragen, doch sie spürte sich plötzlich so seltsam. Ihr Blick verschwamm, während sich von Berons Hand eine unangenehme Wärme ausbreitete.
Sie wollte sich losdrücken, doch ihr Körper verließ die Kraft. „Was?“, fragte sie keuchend hervor, bevor sie in Berons Armen zusammenklappte. Sie verlor jedoch nicht ihr Bewusstsein. Es war eher so, als würde ihr Körper ihr nicht mehr gehorchen.
„Da du davon weißt, muss ich dafür sorgen, dass du niemanden etwas sagen kannst“, meinte Beron ernst.
Luanas Herz setzte aus. Hieß das, er wollte sie umbringen? Wo war Ragnar? Warum half er ihr nicht?
Sie wollte fragen, was Beron damit meinte, doch ihre Zunge war so schwer, dass sie es nicht konnte. Hatte ihr Bruder Magie angewendet?
„Keine Angst, ich werde dich nicht umbringen“, versicherte er und klang dabei beruhigend. Etwas, was Luana sehr schockte, denn es passte nicht zur Situation.
Schritte wurden laut, doch Luana konnte ihren Kopf nicht drehen, um zu sehen, was los war.
„Wir haben den Stein gefunden“, erklang eine tiefe Stimme. Dann konnte Luana hören, wie etwas Schweres auf den Boden geworfen wurde. Danach tauchten braune Haare in ihrem Blickfeld auf. Sofort setzte ihr Herz aus. War das Ragnar?
„Was war los?“, fragte Beron knurrend und Luana hörte, wie er sich durch die Haare fuhr.
„Dieser Wolf ist nicht von hier. Er muss uns irgendwie gefolgt sein. Er hat den Stein genommen. Zudem beherrscht er Magie“, informierte die knurrende Stimme, während sich noch mehr Panik in Luana breit machte. War das einer der Wölfe, von denen Ragnar gesprochen hatte? Seines Wissens nach ausgebildete Krieger und recht mächtig. Doch was wollten sie hier?
„Nehmt ihn gleich mit“, sagte Beron, der klang, als hätte er keine Lust mehr.
„Das reicht für diesen Monat. Damit seid ihr sicher. Ihr bekommt euren Teil“, erklärte eine andere Stimme, was Luana sehr verwirrte. Was sollte das heißen? Wieso waren sie für diesen Monat frei und welchen Teil sollten sie bekommen?




Jemand griff nach ihr und hob sie hoch. Vor ihren Augen verschwamm alles und Luana wurde schlecht. Was würde jetzt passieren?

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