Mirinia-Kapitel 1

Kapitel 1

Die Kutsche ratterte über den unebenen Boden und Mirinia hatte Angst, dass sie steckenbleiben würden.

Sie hatte ihre roséfarbenen Haare unter einem farbenfrohen, mit Perlen verzierten Tuch versteckt und auch ihr Gesicht war von einem Schleier bedeckt. So wäre es ihr möglich, hoffentlich die Dorfbewohner zu täuschen und sich unter sie zu mischen. Allerdings würde sie nicht drumherum kommen als Königin offiziell zu erscheinen.

Die Kutsche, die das Wappen ihres Königshauses, eine zum Sprung ansetzende schwarze Katze, zeigte, würde sie sowieso verraten.

Als sie die ersten Häuser des Dorfes erreichten, drangen Stimmen an ihr Ohr, die sie immer wieder zucken ließ.

Evel, die als einzige mit ihr in der Kutsche saß, ballte ihre Hände zu Fäusten. „Wenn Ihr es erlauben würdest, würde ich sie sofort zum Schweigen bringen“, flüsterte sie angespannt.

Mirinia musste lächeln. Eigentlich war Evel nicht so. Wenn die Beleidigungen ihr gelten würden, wäre es ihr vermutlich schlicht egal gewesen. Aber die Dorfbewohner riefen Beleidigungen, die ihre Königin trafen. Das war zu viel für die Vampirin.

Mirinia legte ihr sanft eine Hand auf ihr Bein, um sie zu beruhigen. „Ist schon gut“, flüsterte Mirinia. „Wir wussten, worauf wir uns eingelassen haben“, sagte sie sanft.

Evel schnaubte abfällig, als es klang, als würde etwas die Kutsche treffen und daran zerschellen.

Keiner der beiden Frauen blickte hinaus, um zu sehen, was es war. Sie hofften nur, dass es Cassian, der draußen auf dem Kutschbock saß und die Kutsche fuhr, nicht treffen würde.

Der junge Magier war Mirinias zweiter Vertrauter und eine Frohnatur wie keine zweite. Er würde sich nicht aus der Ruhe bringen lassen und sie hoffentlich sicher an ihr Ziel führen. Das Herrschaftsgebäude, das etwas vom Dorf entfernt stand.

Dazu mussten sie jedoch die Straße nutzen, die einmal durch das Dorf ging. Es war der einzige Zugang.

Irgendwann wurde es ruhiger um sie herum und als Mirinia den Vorhang leicht zur Seite schob, bemerkte sie, dass sie die Häuser passiert hatten. Es beruhigte sie jedoch nicht unbedingt.

Schließlich hielt die Kutsche langsam. Als sie stand, öffnete ihr ein junger Mann mit verwegenen, blonden Haaren die Tür und reichte ihr eine Hand. „Meine Königin“, sagte er, wobei seine blauen Augen belustigt funkelten und er eine leichte Verbeugung andeutete.



Mirinia, die das von ihm kannte, spürte, wie die Anspannung etwas von ihr wich. Sie ergriff seine Hand und hob den Rock ihres langen Kleides, um aus der Kutsche zu steigen.

Der Weg hier war gepflastert, was ihr sofort auffiel. Im Dorf war es sehr holprig gewesen, weshalb sie angenommen hatte, dass der Weg nur sporadisch mit Steinen befestigt war, doch das galt wohl nur für das Dorf.

Bevor sich Mirinia dem Anblick ihres neuen Hauses widmete, drehte sie sich dem Dorf zu. Das Gelände ihres Schlosses wurde von einem Fluss vom Dorf getrennt. Dort gab es eine breite Brücke und zwei Wachmänner. Söldner, wie sie wusste. Angeheuert, um das Schloss und dessen Reichtümer vor den Dorfbewohnern zu beschützen.

Mirinia fragte sich, ob das nötig war, doch als sie sich zu dem prachtvollen und viel zu riesigem Schloss umdrehte, blieb ihr der Atem weg.

Das war also ihr Besitz.

„Hässlich“, bemerkte Evel neben ihr, was bei Mirinia nur dafür sorgte, dass ihr Kopf zustimmend hoch und runter ging. Besser hätte sie es nicht formulieren können.

Es war nicht so, dass das Gebäude heruntergekommen war. Im Gegenteil. Es strahlte förmlich vor exquisiten Ornamenten, Statuen und Kunstwerken. Und genau das war es, was es hässlich machte.

Mirinia stieß den Atem aus. „Kein Wunder, dass sie das Herrscherhaus hier hassen“, murmelte sie. Hier herrschte Prunk und Überfluss, während das Dorf litt.

Cassian begab sich zu ihrem Gepäck, was Mirinia dazu veranlasste zu der Kutsche zu sehen. Sie hatte recht gehabt. Diese war beworfen wurden. Allerdings nicht, wie sie geglaubt hatte mit Lebensmitteln. Es war schlimmer. Schlamm, aber auch Pferdeäpfel hatten die Kutsche erwischt und sie fragte sich, wie es Cassian gelungen war, nicht getroffen zu werden.

Dieser wirkte unversehrt und für sie eine Spur zu fröhlich, als er in den Koffern herumkramte. Dann holte er ein Klemmbrett mit einigen Dokumenten hervor. „Das Gebäude ist komplett auf uns übertragen wurden. Wir dürfen damit machen, was wir wollen, da es nicht den Vorstellungen von Königin Priska entspricht“, erklärte er, wobei er einige weitere Dokumente durchging. „Dafür erwartet sie von uns monatliche Abgaben von einem Silber.“



Keine sonderlich großartigen Abgaben für ein ganzes Dorf, doch in dieser Umgebung war das sehr viel. Mirinia würde es anfänglich aus ihrer eigenen Tasche zahlen müssen. „Wie viel hat sie mir für das erste Herrschaftsjahr gestellt?“, fragte sie, denn das war Gesetz. Übernahm eine Königin von einer anderen durch friedliche Abgabe ein Territorium, musste ein Vorschuss gezahlt werden.

Cassian blätterte durch die Dokumente und fing dann noch einmal von vorn an. „Nichts“, sagte er schließlich irritiert.

Mirinia stieß die Luft aus. Das hatte sie angenommen.

„Gut. Dann wirst du dir dieses hässliche … äh, ich meine besondere Bauwerk, ansehen und herausfinden, was davon man für wie viel verkaufen kann“, wies sie Cassian an.

Dieser salutierte spielerisch, bevor er sich sofort an die Arbeit machte. Dass sie gerade erst angekommen waren, schien ihn wenig zu interessieren. Genau wie Mirinia wollte er sofort herausfinden, mit was sie es zu tun hatten.

Die junge Königin wandte sich an Evel, die sich bisher nachdenklich umgesehen hatte. Vermutlich, um herauszufinden, wie sie dieses Gebiet am besten schützen konnte.

„Evel, ich habe eine Aufgabe für dich“, bemerkte Mirinia, die so sofort die Aufmerksamkeit der Vampirin hatte.

Ihre roten Augen lagen skeptisch auf ihrer Königin, doch diese ließ sich davon nicht stören. Evel war nicht begeistert von ihrer Idee, doch sie konnte kaum etwas dagegen sagen. Sie verstand Mirinias Vorhaben, was nicht heißen musste, dass sie es guthieß. Trotzdem konnte sich Mirinia auf sie verlassen. Denn das, was sie vorhatte, war nicht gerade ungefährlich.

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