Mirinia-Kapitel 19
Kapitel 19
Zufrieden beobachtete Mirinia, wie ihr neues Haus entstand.
Neben den Bauarbeiten hier, wurde auch die Mühle erneuert. Allerdings ging es dort schleppend voran. Was daran lag, dass die Müllersleute Sorgen hatten, dass erneut die Mühle abbrannte. Was Mirinia verstehen konnte. Daher war es gut, dass mit ihrem Haus zuerst angefangen wurde. So wurde dieses Ziel der Banditen und Söldner, die zu den Sklavenhändlern gehörten.
Evel hatte herausgefunden, dass es ein ganzes, ziemlich großes Netzwerk an Persönlichkeiten war. Darunter auch sehr viele, magische Wesen. Sie mussten also vorsichtig sein.
„Das wird aber ein sehr großes Gebäude“, bemerkte Dylan, der ebenfalls kräftig bei den Bauarbeiten half.
„Der untere Bereich wird der Heilerbereich“, erklärte Mirinia gut gelaunt, denn sie freute sich schon sehr darauf, mit den Behandlungen zu starten und den Leuten so etwas Gutes zu tun.
Dylan fuhr sich durch die Haare. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass alle diese Materialien gestellt wurden. Was für eine Art von Abmachung hast du mit der Königin geschlossen?“, fragte er skeptisch. Es war unschwer zu erkennen, dass er nicht begeistert war.
Mirinia winkte ab. „Keine, die den Dorfbewohnern Probleme macht“, versprach sie.
Irgendwann würde sie eine richtige, gute Heilerin herholen und dann würde es auch etwas kosten. Aber aktuell wollte sie nur eine Grundlage schaffen.
„Das hoffe ich sehr. Königinnen sind immerhin alle auf ihr eigenes Wohl aus“, bemerkte er herablassend und abwerten.
Mirinia spürte, dass seine Worte ihn trafen. Er musste schreckliche Erfahrungen gemacht haben, wenn er so dachte. Aber nachdem, was sie über dieses Dorf gehört hatte, konnte sie es ihm auch nicht verübeln.
„Wir werden sehen. Jetzt, wo das grobe Grundgerüst steht, werde ich eine Nacht hier schlafen“, erklärte sie gut gelaunt, denn heute würden sie mit ihrem Plan beginnen.
Dylan schüttelte den Kopf. „Keine gute Idee“, bemerkte er plötzlich seltsam angespannt.
Mirinia sah überrascht zu ihm. „Wieso denn?“, fragte sie, obwohl sie die Antwort wusste. Dylan musste wissen, dass sie damit ein gefundenes Fressen war.
„Dann lass mich wenigstens die Nacht bei dir bleiben“, bat er und Mirinia fühlte sich sofort schlecht. Damit hatte sie gerechnet und sie würde die Zeit mit ihm allein nutzen, damit sie ihn in Sicherheit bringen konnte. Nur würde ihm das gar nicht gefallen.
Mirinia wusste, dass das hier ihre beste Gelegenheit war. Sie musste also mitspielen. Trotzdem fühlte es sich nicht gut an, als sie sagte: „Das würdest du wirklich machen?“
Sie wollte ihm keine falschen Hoffnungen geben, doch solange sie nicht wusste, dass er weit weg von den Problemen war, die sie in Angriff nehmen wollten, konnte sie sich nicht aufs Wesentliche konzentrieren.
„Ich kann dich ja schlecht allein dort schlafen lassen“, bemerkte er brummend, wobei er sie nicht ansah.
Mirinia hatte sogar das Gefühl, dass er ein wenig verlegen war, was sie sehr süß fand.
Die Vorstellung, eine Nacht allein mit Dylan unter dem Sternenhimmel zu schlafen, ließ ihr Herz aufgeregt klopfen. Es war das erste Mal, dass sie wirklich spürte, wie sehr sie sich eigentlich zu ihm hingezogen fühlte.
Mirinia spürte, dass dieses Thema ihr immer weiter die Röte ins Gesicht schießen ließ, weshalb sie es wechselte. „Sag mal, was ist das da hinten eigentlich für ein Wald?“, fragte sie, was Dylan überraschte.
Er folgte ihrem Deut und sein Gesicht wurde ernst, fast böse. „Das ist der Wald von Königin Priska. Sie hat dort immer gejagt“, sagte er und ballte die Hände zu Fäusten. „Selbst jetzt, wo sie weg ist, traut sich niemand dorthin, denn sie hat überall Fallen versteckt, damit wir auch nicht an ihre Tiere gehen“, bemerkte er in einem Ton, der klang, als würde er die Königin am liebsten mit seinen Händen erwürgen.
Mirinia trat an ihn heran und nahm seine Hand in ihre, um ihn zu beruhigen. „Was ist vorgefallen?“, fragte sie besorgt.
Dylan stieß die Luft aus. Sein Körper zitterte und Mirinia spürte, dass er sich Mühe gab, sich zu beruhigen. „Wir hatten einen Jäger. Im Winter, als die Nahrung wirklich knapp war, hat er versucht, Tiere zu jagen, damit wir es über den Winter schaffen. Er kam nie wieder.“
Mirinia spürte, wie ihr die Luft wegblieb und ein kalter Schauer über den Rücken jagte. Sie bereute es, gefragt zu haben. „Tut mir leid“, flüsterte sie und senkte den Kopf.
Noch ein Punkt auf ihrer Liste, den sie angehen musste.
Sie fühlte sich schlecht, dass sie das Thema dahingelenkt hatte. Vielleicht hätte sie etwas anderes fragen sollen, aber zumindest wusste sie jetzt mehr.
Dylan schüttelte den Kopf. „Jedenfalls wundert es mich, dass alle mit anpacken, obwohl du sie nicht bezahlst“, bemerkte er, als würde er das Thema wechseln wollen. Bevor Mirinia antworten konnte, hob er die Hände. „Ich weiß, du hast gesagt, die Königin erlässt ihnen dafür die Steuern für diesen Monat, aber niemand glaubt wirklich daran.“
„Ich hoffe, dass sie euch überrascht“, murmelte Mirinia, die sich von Micas verabschiedete, der als letztes noch auf der Baustelle war.
Auch Dylan blickte ihm nach, bevor er leise seufzte. „Wolltest du hier schlafen, weil du hier Wasser hast?“, fragte er, als würde er davon ausgehen, dass sie eigentlich im See nächtigte.
„Ich wollte deshalb mein Haus hier haben“, stimmte sie zu, doch im Wasser zu schlafen hatte immer etwas Eigenes. Sie war dann nicht leicht ansprechbar, weshalb sie es normalerweise mied.
Dylan sah sich in der anbrechenden Dunkelheit um. „Ich verstehe, warum du diesen Ort magst, aber er ist sehr weit vom Dorf entfern“, bemerkte er besorgt.
Mirinia lächelte, als wüsste sie überhaupt nicht, weswegen Dylan besorgt war. „Machst du dir Sorgen, dass die Königin mich wegschnappt?“, fragte sie leise lachend, da sie es als Scherz meinte.
Als sie jedoch Dylans erste Augen sah, wurde ihr klar, dass er sich wirklich deshalb sorgte und es auch nicht als unwahrscheinlich erachtete.
Schließlich stieß Dylan einen Seufzer aus. „Machen wir es uns bequem“, meinte er leise. „Ich suche etwas Holz für ein Feuer“, schlug er vor, was Mirinia überraschte.
„Kannst du keines mit Magie erschaffen?“, fragte sie vorsichtig, denn diese Art von Feuer waren wesentlich leichter zu kontrollieren. Bei einem richtigen, offenen Feuer hätte sie Angst, dass dieses ihr neues Haus verschlang, bevor es fertig war.
Dylan schüttelte leicht den Kopf. „Ich bin nicht so gut darin“, gestand er widerwillig.
„Oh“, machte Mirinia nachdenklich, die ihre Matratze und Decke zurechtrückte. Sie hatte lediglich eine dabei, obwohl sie gewusst hatte, dass Dylan es vermutlich anbieten würde. Trotzdem wollte sie nicht in Erklärungsnot geraten. „Ich könnte es dir beibringen“, bot sie zuvorkommend an.
Dylan machte jedoch eine wegwerfende Handbewegung. „Wenn du es kannst, nur zu“, meinte er und fast wäre Mirinia darauf hineingefallen.
Heiler, Magier und Krieger nutzten die Magie jeweils auf eine ganz eigene Art und Weise. So war es angeboren, was für Magie sie erlernen konnten und was nicht. Ein wärmendes Feuer konnten Krieger und Magier, doch für einen Heiler war es etwas trickreicher. Als Königin jedoch war sie in der Lage alle drei Formen der Magie zu verwenden, weshalb sie das Angebot gemacht hatte, ohne groß darüber nachzudenken.
Jetzt aber runzelte sie die Stirn. „Ich kann eines machen, aber ich bin unsicher, ob du dir das abschauen kannst“, gab sie bereitwillig an. Sie musste wirklich aufpassen, wenn sie ihre Magie einsetzte. Heilen war eine Sache, doch alles andere konnte sie sehr schnell verraten.
Mirinia glaubte zwar nicht, dass es Dylans Absicht war, doch er behielt sie immer gut im Auge, das war ihr nicht entgangen.
„Das habe ich mir gedacht“, meinte er nüchtern. „Du bist etwas vorschnell darin, Dinge anzubieten“, bemerkte er, wobei er sich ein wenig von dem Haus entfernte. Dabei suchte er den Boden ab und letztlich kam er mit Resten und Sägespänen wieder. Diese schichtete er auf einer Stelle im Gras, die er mit Steinen umringte. Zur Sicherheit.
„Ich kann es dir trotzdem erklären“, bot sie noch einmal an. „Vielleicht wirst du das Feuer nicht auf die Art machen, wie ich, aber das heißt nicht, dass du es nicht lernen kannst.“
Erneut winkte Dylan ab. „Es gab schon ganz andere, die es mir versucht haben zu erklären. Ich bin eben ein Tunichtgut“, murmelte er, während er einen Feuerstein zur Hand nahm und versuchte, damit das Feuer zu entfachen.
Es dauerte eine Weile, doch Mirinia half nicht, sondern sah ihm zu.
Erst, als das Feuer aufloderte und einen angenehmen Schein verbreitete, sprach sie wieder. „Wer auch immer das gesagt hat, ist ein Idiot“, brachte sie hervor, denn sie hatte lange darüber nachgedacht. Dylan war alles andere als ein Tunichtgut. Er war hinter seiner kalten, abweisenden Maske, mit der er versuchte, alle zu beschützen, ein sehr sanfter, liebenswerter Mann. Leider schien er jedoch erst einmal immer vom Schlimmsten auszugehen und hatte vermutlich ein unangenehmes Leben.
Während sich Mirinia auf ihre Matratze setzte, ließ sich Dylan auf dem Holzboden nieder, der bereits angefangen wurde.
Mirinia rutschte jedoch zur Seite und klopfte auf die Matratze. „Setz dich zu mir“, bat sie, denn sie wollte auf keinen Fall, dass Dylan am Boden schlief.
Dieser blickte auf das Feuer, als er ruhig erwiderte: „Du hast doch nur eine Matratze. Denkst du nicht, dass wird zu eng?“ Seine Stimme klang nicht, als hätte er irgendwelche Hintergedanken.
Mirinia zuckte die Schultern. „Dann kuscheln wir halt etwas. Ist gut, um sich warm zu halten“, bemerkte sie, wobei sie spürte, wie sich Schmetterlinge in ihrem Magen breit machten. Die Vorstellung angeschmiegt an Dylan einzuschlafen hatte etwas sehr Anziehendes.
Sie wollte ihm nah sein und irgendwie bot sich dieser Abend an. Ob er es wohl zulassen würde.
Erneut erklang sein Seufzen, was irgendwie etwas Ergebenes hatte. Fast so, als würde er sich in sein Schicksal fügen.
„Du musst nicht, wenn du nicht willst“, sagte sie schnell, da es ihr nicht recht war, wenn er sich von ihr gedrängt fühlte.
„Das ist es nicht“, versicherte er irgendwie ausweichend, aber auch angespannt.
„Ich möchte nicht, dass du das Gefühl hast, ich würde dich … zwingen“, bemerkte sie unschlüssig.
Worte, die Dylan loslachen ließen. „Du, mich zwingen?“, fragte er, als würde er das für sehr unwahrscheinlich halten. Trotzdem erhob er sich und setzte sich zu ihr auf die Matratze.
Mirinia wurde leicht rot um die Nase. „Dann eher drängen“, murmelte sie, als sie die Decke zu sich zog und damit ihr Gesicht versteckte.
Dylan griff danach und zog sie etwas nach unten. „Du bist wirklich süß, wenn du so unschuldig tust“, sagte er sanft und streichelte ihre Wange.
Mirinia spürte ein Kribbeln durch ihren Körper wandern und fragte sich, ob sie vielleicht eine zu deutliche Einladung geschickt hatte. Sie wollte doch gar nicht mehr als kuscheln!
Dylan lachte erneut. „Keine Sorge. Ich werde nichts tun, was du nicht willst“, versicherte er, bevor er seinen Arm um sie legte und Mirinia etwas zu sich zog. Dabei legte er die Decke so um sie, dass es ihnen warm wurde. „Es ist kühl, in der Nacht“, sagte er ruhig, als hätte er Mirinia vorher nur necken wollen.
„Deshalb will ich ja, dass du nicht auf dem kalten Boden schläfst“, sagte sie, auch wenn es in ihren Ohren wir eine plumpe Ausrede klang. Sie wollte, dass er bei ihr auf der Matratze schlief, weil sie in seiner Nähe bleiben wollte. Obwohl sie wusste, dass sie Evel und Cassian das Zeichen geben musste, damit sie Dylan mitnahmen, drückte sie sich davor. Sie wollte viel lieber ihre Zweisamkeit genießen.
Dylan zog sie plötzlich leicht an sich, bevor er sich mit ihr auf die Matratze legte.
Mirinia spürte ihr immer schneller schlagendes Herz und hatte Angst, dass es ihr aus der Brust springen würde. Auch ihr Atem ging schneller, weil sie nicht wusste, was das sollte.
Als sie zu Dylan linste, erkannte sie, dass er in den Himmel blickte.
Langsam tat sie es ihm gleich und musste schmunzeln. Der Anblick des sternenklaren Nachthimmels war wirklich sehr beruhigend.
„Wo wohnst du eigentlich?“, fragte sie, denn bisher hatte sie ihn noch nie zuhause besucht.
„Mal hier, mal da“, wich er aus, ohne ihr einen konkreten Ort zu nennen.
Mirinia runzelte die Stirn. „Hast du kein festes zuhause?“, fragte sie, auch wenn sie sich nicht erinnerte, dass er in der Taverne geschlafen hatte. War er sonst in der Nacht etwa draußen?
Dylan zuckte die Schultern. „Ich bin so aufgewachsen“, erwiderte er, als wäre nichts dabei.
Für einen Moment war Mirinia versucht, ihn dazu einzuladen, bei ihr zu leben, doch das Konzept, das sie ausgearbeitet hatte, beruhte darauf, dass sie hier allein lebte. Würde er ebenfalls hier wohnen, müsste er auf kurz oder lang eingeweiht werden. Dazu war es Mirinia noch zu früh. Auch, wenn sie das Gefühl hatte, Dylan würde es von allen hier am ehesten verstehen.
Mirinia kuschelte sich etwas an ihn, bevor sie die Augen schloss und seine Wärme genoss.
Sie dachte darüber nach, Evel das Zeichen zu geben, doch als Dylan begann, ihren Rücken zu streicheln, war es vorbei.
Sie spürte seine Wärme und Geborgenheit sie einfüllen, bevor sie sich dem Schlaf hingab. Einer, der seit langem wieder völlig albtraumfrei und erholsam war.

































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