Mirinia-Kapitel 21

Kapitel 21

Mirinia spürte dir Kälte, die der Wind mit sich brachte und erschauderte.

Jetzt ohne Dylan fühlte sie sich schutzlos und allein. Was dumm war, denn sie spürte Cassian in ihrer Nähe.

Mit ihm arbeitete sie schon seit Jahren zusammen und er war, genau wie Evel, ein guter Freund. Was also war mit Dylan, dass sie auf ihn so reagierte?

Langsam ließ sich Mirinia wieder nieder und schlang die Decke um sich. Als sie ihre Augen schloss, schickte sie den Sternenstaub aus. Wie ein Sonar huschte der Windsternenstaub über die Umgebung. So konnte sie herausfinden, wie weit Evel bereits war. Sie spürte jedoch auch noch etwas anderes. Da war eine Gruppe für Menschen in ihrer Nähe.

Mirinia lief ein Schauer über den Rücken, doch sie zwang sich dazu, so zu tun, als hätte sie diese nicht mitbekommen.

Es ging also los.

Während sie so tat, als würde sie in den Himmel blicken und ihre Umgebung vergessen, lauschte sie. Die Schritte kamen näher. Vorsichtig und darauf bedacht, sie nicht zu erschrecken oder bemerkt zu werden.

Mirinia tat ihnen den Gefallen und wartete so lange, bis die Männer sie eingekesselt hatten. Dann erhob sie sich erschrocken und sah sich um. „Wer seid ihr?“, fragte sie mit zittriger Stimme. Die Angst war nicht einmal vorgespielt. Es konnte so viel schiefgehen, dass sie vorsichtig sein musste. Obwohl die Männer um sie herum nicht magisch waren, konnte sie dennoch verletzt werden und dann würde Cassian durchdrehen. Dabei war es wichtig, dass sie sich gefangen nehmen ließ. Sie mussten den Unterschlupf finden.

„Mach jetzt keine Faxen, Kleine“, erklang eine ruhige Stimme, die Mirinia einen Schauer über den Rücken jagte. Sie klang hungrig und sehr unangenehm.

„Was … was wollt ihr?“, fragte sie erneut, denn sie musste mitspielen.

Ein Mann trat vor, der breite Schultern und deutlich sichtbare Muskeln hatte. Er trug ein Breitschwert, auch wenn Mirinia nicht sicher sagen konnte, ob er damit umgehen konnte. Es sah imposant aus und war magisch verzaubert.

Dieses richtete er auf sie, was Mirinia erneut erschaudern ließ. „Du wirst jetzt ganz brav mit uns kommen“, befahl er, ohne weiteres zu erklären.

Mirinia sah sich um, als würde sie nach Hilfe suchen. „Und wehe dir, du schreist“, fügte er barsch hinzu.



Aus der Dunkelheit traten zwei weitere Männer. Im Gegensatz zu dem Muskelberg wirkten sie schmächtig, waren aber trotzdem noch immer größer und stattlicher als Mirinia.

Sie traten links und rechts an ihre Seite, bevor sie ihre Arme griffen.

„Aua“, gab Mirinia von sich, als sich die rauen Finger der Männer um ihre Arme legten und sie festhielten. Ihre Griffe waren unnatürlich stark für Imps. Waren sie vielleicht keine Menschen, sondern andere Wesen, die nur keine Magie nutzen konnten?

Wenn dem so war, musste sie wirklich aufpassen, denn dann war sie ihnen körperlich sicherlich unterlegen.

Die beiden Männer zogen sie mit unerwarteter Kraft mit sich und Mirinia stolperte zwischen ihnen her. Sie fühlte sich unwohl und bekam Angst, dass sie vielleicht doch nicht in der Lage waren, sie zu besiegen.

Immerhin waren sie davon ausgegangen, dass sie es mit Imps zu tun hatten. Was, wenn doch noch ein Magier oder Krieger in ihren Kreisen war? Konnte sie ihre Magie als Königin nutzen, um ihn zu beruhigen? Sie konnte es nicht einschätzen, was dafür sorgte, dass sie zunehmend unruhiger wurde.

„Wo bringt ihr mich hin?“, fragte sie mit zittriger Stimme.

„Unser Boss will dich sehen“, brummte der Muskelprotz, der sie recht sicher durch die Dunkelheit der Nacht navigierte. Fast so, als könnte auch er sehen.

Mirinia spannte sich mit jedem Schritt mehr an. Irgendwas stimmte nicht und sie machte sich zunehmend Sorgen.

Überraschenderweise hielten sie auf das Herrenhaus der Königin zu, folgten aber einen anderen Weg in die Berge. Etwas, was Mirinia noch nervöser machte. Hatten sie vielleicht sogar das Herrenhaus beobachtet? Wussten sie, wer sie war?

Die Wege, die sie gingen, waren schwierig, schmal und nicht nur einmal rutschte sie mit den Füßen ab, wurde aber gehalten, damit sie nicht fiel. Das gab ihr die Sicherheit, dass diese Leute ihr nichts tun würden. Auch, wenn es ihrer Weltsicht widersprach, so war sie im Moment doch eine wertvolle Ware. Jeder Kratzer würde vermutlich ihren Preis drücken.

Mirinia versuchte, sich den Weg einzuprägen, doch sie schaffte es nicht. Er war so verschlungen und es gab so viele Abzweigungen, dass sie schon bald die Übersicht darüber verlor, wo sie eigentlich war.



Schließlich wurde sie in eine Höhle geschleppt, die nur anfänglich dunkel war. Je weiter sie gingen, desto heller wurde es. Zuerst gab es Fackeln, die ein wenig Licht spendeten, bevor diese von magischen Lichtkugeln abgelöst wurden.

Mirinia glaubte, dass das hier vielleicht alte Minenschächte waren, doch dann bemerkte sie, dass die Tunnelwände sich änderten. Waren sie anfänglich noch aus grob gehauenem Stein, so wurden sie mit der Zeit sehr fein. Fast schon so, als wären sie hier in einem Teil eines Schlosses.

Panik machte sich in Mirinia breit. Das hier war die ganze Zeit hinter ihrem Herrenhaus versteckt? Hatte sie sich deshalb so unwohl gefühlt? Immerhin war sie nicht ohne Grund so oft im Dorf gewesen.

Mirinia bemerkte, dass sich auch der Boden änderte und plötzlich wurden die Gänge zu Fluren und überall tauchten Türen auf.

Es war ein einziges Labyrinth, weshalb sich Mirinia Sorgen darum machte, dass Cassian ihre Spur verlor.

Nur gut, dass er die Gabe besaß, Auraspuren zu sehen. Damit würde er hoffentlich durch die Wege und Gänge finden.

Allerdings fragte sich Mirinia auch, warum ihm nicht aufgefallen war, dass es hier noch andere Spuren gab. Selbst sie spürte, dass hier jemand Magisches war. Jemand Mächtiges.

Je weiter sie ging, desto drückender wurde die Macht. Gleichzeitig spürte sie aber keine Angst. Es war mehr eine unerwartete Anziehung, die sie völlig aus dem Konzept brachte.

Dann hielten die Männer und eine mächtige, elegant verzierte Doppeltür wurde geöffnet.

Mirinia wurde hineingeschoben und stolperte nach vorn. Sie hatte Mühe, sich nicht auf den Boden zu legen, weshalb sie nicht sofort aufblickte. Als sie es tat, erstarrte sie.

Vor ihr, in einem thronähnlichen Stuhl, saß ein Mann, dessen tiefrote Augen sie anstarrten. Sein langes, schwarzes Haar war zu einem Zopf gebunden, der ihm elegant über die Schulter fiel, doch das war es nicht, was Mirinia erschütterte. Es war seine Aura. Er war ein König und nicht nur irgendein König. „Lord Rianalis“, brachte sie keuchend hervor, als sie den Mann von Priska, den sie bisher nur vom Hören-Sagen wiedererkannte.

Ihr Herz klopfte schneller, als ihr klar wurde, warum Priska diesen Sklavenhandel duldete. Sie bezog nicht nur ihre Sklaven von ihnen, sie profitierte auch direkt davon, da sie dazugehörte.



„Lady Mirinia“, erklang seine tiefe Stimme, die Mirinia förmlich einhüllte.

Sie verstand nicht, was hier los war. Die Angst war weg und sie spürte nur noch eine seltsame Anziehungskraft. Als wären beide ein Teil eines ganzen und würden nur zusammen richtig funktionieren.

Das konnte nicht sein. Mirinia weigerte sich, zu glauben, dass dieser König zu ihr gehörte! Er war ein Widerling, der mit Menschen handelte. Nie und nimmer konnte er Mirinias Gegenstück sein!

Ihr Atem wurde schneller, während ihr für einen Moment schwummrig vor Augen wurde. Die Aura erdrückte sie förmlich, weshalb sie ihre eigene Magie in ihren Körper leitete, um sich zu schützen.

Es half tatsächlich und der Druck ließ langsam nach. War das vielleicht eine Art Charmezauber?

Mirinia schluckte, wobei ihr Hals schmerzte, weil er so trocken war. „Was ist hier los?“, fragte sie leise. „Ich wusste nicht, dass Ihr in meinem neuen Herrschaftsgebiet residiert.“

Sie versuchte, die Sache politisch zu regeln. Gegen einen König seines Kalibers hatte weder sie noch Cassian oder Evel eine Chance.

Rianalis lachte lediglich und winkte sie zu sich.

Obwohl Mirinia nicht wollte, gehorchte ihr Körper nicht und sie machte einige Schritte auf ihn zu. „Ich war es, der Priska vorgeschlagen hat, dich hierherzubringen“, sagte er sanft und als sie kurz vor seinem Thron zum Stehen kam, erhob er sich, um die letzten Meter zu ihr zu überwinden.

Er legte eine Hand an ihre Wange und streichelte diese, was Mirinia kleine, eher unangenehme Blitze durch den Körper jagte. „Wieso?“, brachte sie mühsam hervor.

Rianalis lachte. „Du bist eine sehr schöne Frau und ich wollte dich gern meiner Sammlung hinzufügen“, flüsterte er und beugte sich zu ihren Lippen hinab. Bevor er diese jedoch berührten konnte, gelang es Mirinia, sich einen Schritt von ihm zurückzuziehen.

Statt wütend zu werden, lachte Rianalis lediglich. „Du hast Mut und machst es mir nicht einfach. Das gefällt mir“, sagte er und klatschte in die Hände.

Hinter ihm öffneten sich Türen und einige Frauen kamen hervor. Sie alle trugen Gewänder, die mehr zeigten, als versteckten. Eine war sogar, bis auf ein paar Ketten, nackt.

Mirinia lief ein Schauer über den Rücken, denn eines hatten sie alle gleich. Sie trugen magische Sklavenhalsbänder und ihre Aura sprach davon, dass sie Königinnen waren.



Wie war das möglich? Wie war es Lord Rianalis gelungen, diese Königinnen zu versklaven und war es das, was ihr blühte? War das seine Sammlung?

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