Mirinia-Kapitel 6

Kapitel 6

Als Mirinia auftauchte, bemerkte sie Cassian, der noch immer mit einem Klemmbrett und Stift bewaffnet war. Er blickte grade auf das riesige Gebäude und machte sich Notizen. Etwas, was er wohl schon die ganze Zeit getan hatte.

„Wie sieht es aus?“, fragte Mirinia, die aus dem Wasser stieg und sich das nahe Handtuch mittels Magie zu sich holte.

Cassian, der seine Königin gehört hatte, drehte sich nicht um, sondern blickte auf seine Notizen. „Es gibt sehr viele unnötige Dinge. Statuen, Gemälde. Alles in einem recht guten Zustand“, erklärte er mit ruhiger Stimme, während Mirinia sich abtrocknete.

Kaum hatte sie sich angezogen, ging sie auf den Magier zu. „Wie lange können wir die Steuern damit zahlen?“, wollte Mirinia wissen.

Cassian stieß einen Seufzer aus. „Kommt drauf an, ob wir die Dinge verkauft bekommen“, gab er zu bedenken. „Aber an sich sollte uns das für mehrere Jahre sichern und wir haben auch noch genug, zu investieren“, erklärte er, wobei er durch seine Notizen blätterte.

Mirinia nickte. „Gut. Dann versuch in den nächsten Tagen alles zu verkaufen, was sich leicht zu Geld machen lässt. Wir haben einiges vor uns“, sagte sie und blickte auf die schillernde Fassade des Gebäudes. In der untergehenden Sonne schimmerte sie recht schön, doch vermutlich sah es aus dem Dorf wie ein Leuchtfeuer aus. Eine Erinnerung daran, dass hier reiche Menschen lebten, während sie nicht einmal genug zu essen hatten.

„Wie war Euer Aufenthalt im Dorf?“, fragte Cassian, der sich nun direkt an Mirinia wandte.

„Interessant. Ich habe einiges erfahren. Die Leute sind ganz nett, aber arm. Sie kämpfen ums Überleben, auch wenn sie keinen großen Hehl draus machen“, erklärte sie, wobei sie auf ihre Koffer zuschlenderte. Dylan verschwieg sie vorerst. Vermutlich würde Evel Cassian davon erzählen.

Cassian stieß den Atem aus. „Mit so etwas haben wir ja bereits gerechnet“, bemerkte er und folgte Mirinia, um seine Notizen wegzulegen. „Habt Ihr schon entschieden, wo wir anfangen?“, fragte er.

Mirinia nickte. „Ja. Bei der Windmühle. Sie ist kaputt und auf den Feldern wächst nicht genug Weizen“, erklärte sie mit ruhiger Stimme, bevor sie einen kleinen Lederbeutel herauszog. Sie hatte ein wenig Startkapital dabei, doch es war in kleine Säckchen aufgeteilt, die überall in den Koffern versteckt waren. So war es möglich, dass bei einem Überfall nicht alles erbeutet wurde.



Kaum hatte sie das Geld hervorgezogen, landete Evel auch schon in ihrer Nähe. „Ich brauche nur ein paar Minuten in das nächste Dorf. Mit der Kutsche sind es allerdings ein bis zwei Stunden“, informierte sie Mirinia, die sich nachdenklich auf die Nase klopfte, wie sie es oft machte.

„Ist das Dorf reich?“, fragte sie, denn am sinnvollsten wäre es, wenn sie Handwerker hierherbrachte, die andere ausbildeten. Wobei sie nicht wusste, ob es im Dorf vielleicht sogar Handwerker gab, die nur keine passenden Ressourcen zum Bauen hatten. Darüber hätte sie sich zuerst Gedanken machen müssen, aber zum Glück war es ihr wieder eingefallen.

„Es ist nicht reich, aber auch nicht arm“, erwiderte Evel, die ihre Königin genau im Auge behielt, denn Mirinia hatte angefangen hin und herzulaufen.

„Bekommen wir dort Baumaterial?“, fragte sie, denn die Handwerker an sich wollte sie gern aus ihrem Dorf nehmen.

„Das schon, aber ich bin nicht sicher, ob sie eine so riesige Windmühle reparieren können“, gab Evel zu bedenken.

Das stimmte natürlich. Die Größe des Gebäudes stellte ein Problem dar. Aber gleichzeitig auch eine Herausforderung.

„Ich habe eine Idee“, sagte sie und grinste. „Evel. Sorge dafür, dass wir genug Baumaterialien haben, um die Windmühle zu reparieren. Lasse sie zusammen mit einer Lieferung Weizen direkt zu Windmühle liefern.“

Evel blickte Mirinia skeptisch an, nickte dann aber.

Daraufhin wandte sich Mirinia an Cassian. „Du wirst mich gleich begleiten. Ich möchte den Müller besuchen gehen“, erklärte sie mit einem breiten Grinsen, das nicht nur Cassian die Augen weiten ließ.

„Ich werde Euch begleiten, bevor ich gehe“, sagte sie entschieden, wogegen Mirinia nichts hatte.

Mirinia nickte zustimmend, denn das konnte sie ihr nicht verwehren. Immerhin war Evel in erster Linie ihre Leibwache und bei einem öffentlichen Auftritt, war er auch nur bei einem Müller, musste sie dabei sein, sonst könnte das als Schwäche ausgelegt werden.

Schnell suchte sich Mirinia ein einfaches Kleid, versteckte ihre Haare unter einem Tuch und machte den Schleier vor ihrem Gesicht fest.

Sie hatte vor, die Dorfbewohner zu testen. Hoffentlich enttäuschten sie Mirinia nicht.



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