Kapitel 20

Lilitha zwang sich dazu, den Blick gesenkt zu halten, als sie sich erhob, um weiterhin hinter Chiana zu bleiben

Lilitha zwang sich dazu, den Blick gesenkt zu halten, als sie sich erhob, um weiterhin hinter Chiana zu bleiben. Als diese jedoch vor den Gemächern ankamen, hielt sie inne und drehte sich zu Lilitha um.

»Danke, Lilitha. Du kannst dich für heute zurückziehen«, erklärte Chiana mit einem Lächeln in der Stimme.

Lilitha blickte zu ihr auf, um ihr dankend zuzunicken. Das stellte sich jedoch als Fehler heraus. Denn der Highlord, der hinter Chiana bereits an der Tür wartete, sah Lilitha eindringlich an.

Sein Blick wirkte jedoch eher ausdruckslos, als das Lilitha sagen konnte, ob er wütend auf sie war.

Lilitha lief dennoch ein Schauer über den Rücken und sie senkte den Blick, ehe sie knickste und sich zurückzog. Dabei war sie sich des Blickes bewusst, der direkt auf ihr lag und der nicht Chiana gehörte.

War es vielleicht doch eine dumme Idee gewesen, vor der Tür zu warten? Hatte sie damit den Highlord vielleicht noch mehr verärgert?

Anscheinend konnte sie nichts anderes, als alles falsch zu machen. Selbst indem sie nichts tat, machte sie etwas falsch.

Was würde sie jetzt für diesen Welpenschutz geben …

Seufzend lief Lilitha durch den Harem, als sie plötzlich Schritte hinter sich hörte.

Ein wenig verwirrt drehte sie sich um und bemerkte eine Frau, die lächelnd auf sie zurannte.

Sie trug ein rotes Halsband, was Lilitha ein wenig verwirrte. »Du bist Lilitha, richtig?«, fragte die Frau, deren Haare in sanften, wunderschönen, blonden Wellen über ihre Schultern fielen.

Sie trug ein Kleid, das perfekt ihre dunkle Haut und ihre weibliche Eleganz unterstrich. »Ja, Mylady. Was kann ich für Euch tun?«, fragte Lilitha vorsichtig.

»Komm und begleite mich in den Hamam«, sagte sie. »Ich möchte mit dir reden.«

Ein wenig überrascht nickte Lilitha und folgte der blonden Frau.

Etwas unsicherer blieb sie im Vorraum stehen und sah zu der Frau, die begann sich zu entkleiden und in ein Handtuch zu wickeln.

Als diese bereits fertig war, drehte sie sich auffordernd zu Lilitha um.

»Glaub mir, da drin wird es wirklich heiß. Ich würde mich lieber ausziehen«, warnte sie diese mit einem süßen Lächeln und deutete auf ihren Aufzug.

Lilitha wurde ein wenig rot um die Nase, ehe sie begann, sich schnell ihrer Sachen zu entledigen und sich ebenfalls in ein Handtuch zu wickeln. Dann nickte sie und folgte der Blonden langsam und ein wenig skeptisch.




»Chiana ist beim Highlord, nehme ich an?«, fragte sie ein wenig unschuldig und betrat den leeren Hauptraum, der mit wunderschönem Marmor ausgelegt war. »Hat ja sehr lange gedauert, bis er sie wieder zu sich geholt hat«, seufzte sie und legte sich auf die große Steinplatte, die wie eine Anhöhe mitten im Raum stand.

Lilitha stand unschlüssig im Raum herum und wusste nicht so ganz, was sie tun sollte.

»Komm und massier mich«, forderte die blonde Frau auf und Lilitha tat wie ihr gesagt wurde.

»Weißt du, es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich der Highlord jemand neues sucht. Chiana wird ihm zu langweilig und er scheint ein Auge auf dich geworfen zu haben«, erklärte die Frau, deren Namen Lilitha nicht einmal kannte.

»Auf mich?«, piepste sie und hielt in ihrer Massage inne.

Die Frau lachte leise, was jedoch durch das leere Bad wieder zurückgeworfen wurde.

»Ja, du hast wirklich Glück. Viele Frauen beneiden dich bereits jetzt. Du hast bereits mehr Zeit mit ihm verbracht, als so manch anderer, der schon seit mehreren Jahren hier ist«, erklärte sie mit nachdenklicher Stimme und schloss die Augen, als sie darauf wartete, dass Lilitha weitermachte.

Die Rothaarige fuhr mit ihrer Massage fort, auch wenn ihre Hände dabei ein wenig zitterten und seufzte leise. »Ich bin ein Kind und ein Vampir. Alles, was ich mache, ist Mylord zu massieren. Da wird wohl der Beschützerinstinkt unter den Vampiren greifen. Kinder sind in unserer Rasse sehr selten. Das legt sich, sobald ich erwachsen bin«, erklärte Lilitha nüchtern, als würde sie diese Tatsache bereuen.

Irgendwie war sie neugierig, was diese Frau von ihr wollte. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie grundlos einfach so mit ihr sprach.

»Soll das heißen, du möchtest seine Aufmerksamkeit nicht? Das wonach alle dürsten, bekommst du und willst es nicht mal?«, fragte sie ungläubig und öffnete die Augen, um zu ihr hinaufzublicken. »Immerhin ist eine Massage der erste Schritt zu einer intimen Beziehung. Ich könnte mir gut vorstellen, dass er inzwischen Lust auf was Neues hat … etwas Frisches und Unschuldiges.«

Lilitha seufzte. »Ihr habt recht. Ich möchte es nicht. Ich bin kein Spielzeug, das man benutzen und dann wegwerfen kann. Ich habe nie darum gebeten, hier zu sein«, murmelte Lilitha leise.




»Wirklich nicht? Stell dir vor, was du alles für Privilegien hättest, wenn du nicht nur seine Favoritin wärst«, schwärmte die Blonde weiter. »Außerdem … lehne nichts ab, was du nicht kennst. Wer weiß, vielleicht gefällt er dir ja«, kicherte sie und drehte den Kopf auf die andere Seite. »Ich war auch mal wie du. Wollte nur hier raus und sah es nicht ein, für jemanden den Lakaien zu spielen. Aber ich hab gemerkt, dass ich hier drinnen alles habe, was ich brauche. Und glaub mir, meine Pflichten sind alles andere als lästig …, wenn er überhaupt mal wieder so etwas wie Lust verspüren würde«, seufzte sie und richtete sich ein wenig auf, ohne Lilitha an ihrer Arbeit zu hindern. »Manche der Frauen tratschen, er hätte eine Frau außerhalb der Mauern, mit der er sich vergnügt. Früher war er nicht so.«

Lilitha horchte auf. »Wie war er denn früher?«, fragte sie neugierig und hoffte auf Geschichten, die ihre Gedanken vielleicht ein wenig glätten konnten.

Die Frau lachte hörbar auf, als sie sich halbwegs zu Lilitha drehte.

»Geiler«, antwortete sie fast schon vulgär, als wäre es eine Frage und keine Antwort. »Jeden zweiten Tag hat er sich eine andere geholt und jeden anderen zweiten Tag seine damalige Favoritin«, erklärte sie mit rauer Stimme und schien in Erinnerungen zu schwelgen.

Lilitha hob eine Augenbraue. Ein Leben in Luxus und Obsession. Das war nun überhaupt nichts für sie, also schwieg sie und hörte weiter zu.

Ihr gefiel jedenfalls der jetzige Highlord besser.

»Das war einige Monate, nachdem er sein Amt angetreten hat. Seine damalige Favoritin war sehr … erfahren, musst du wissen. Sie war die Erste, die er angesehen hat. Er schien geradezu abhängig von ihr zu sein. Vielleicht normal für einen Vampir seines Alters. Doch nachdem Chiana sie abgelöst hat, schien er sich immer mehr zurückzuziehen«, erzählte sie weiter, während ihre Stimme immer mehr Kälte dazugewann, je mehr sie über Chiana sprach. »Vielleicht ist ihm die Lust aufgrund ihrer Eifersucht vergangen.«

»Das ist unwahrscheinlich«, murmelte Lilitha. Sie glaubte eher, dass es daran lag, dass er niemandem mehr vertraute. Vielleicht hatte eine seiner Frauen versucht, ihm etwas anzutun. Möglicherweise konnte er sich daher nicht mehr fallen lassen.




»Ach ja?«, fragte die Blonde und wandte sich noch weiter zu Lilitha um, um sie fragend anzublicken. »Hat Chiana dir etwas anvertraut, was sonst keiner weiß?«

Lilitha schüttelte den Kopf. »Nein. Der Highlord ist ein sehr mächtiger Mann, aber er hat auch sehr viele Feinde. Er wirkt nicht gerade sehr vertraut mit den Haremsdamen. Ich würde vermuten, dass es dafür einen Grund gibt. Warum sonst sollte er niemandem erlauben, bei sich im Zimmer zu schlafen?«

»Vielleicht weil er sie nur zum Vögeln da haben will?«, lachte sie und drehte sich wieder zurück, um sich richtig hinzulegen. »Irgendwas hat sich jedenfalls verändert, seitdem Chiana seine Favoritin ist.«

Lilitha knetete einfach weiter. Sie fand dieses Gespräch sehr faszinierend. Was da wohl geschehen war?

Allerdings machte ihr dieser Gedanke noch schlimmere Bauchschmerzen.

Was, wenn der Highlord schon einmal Opfer eines Anschlages geworden war? Dann würde er sie doch erst recht töten, oder?

»Umso wahrscheinlicher ist es also, dass er das nicht lange mitmachen wird. Highlord hin oder her, er ist auch nur ein Mann. Ich denke, er wird sich etwas Neues suchen … vielleicht sogar dich. Es würde ihm jedenfalls guttun.«

Lilitha erstarrte. »Ich bin noch sehr lange nicht in der Lage dem Highlord auf diese Art und Weise zu dienen«, erklärte Lilitha leise und so, als würde es sie stören. Doch das Gegenteil war der Fall.

Ein breites Grinsen schlich sich auf die Lippen der Frau, als sie sich langsam aufsetzte und Lilitha von ihrem Rücken wich, damit sie sich neben sie setzen konnte.

Lilitha wirkte irritiert und betrachtete die blonde Frau nachdenklich.

»Soll das etwa heißen, du findest ihn nicht attraktiv? Das glaube ich dir nicht«, sagte sie langsam und strich ihr eine rote Strähne hinter die Schultern. »Du hast ihn doch schon öfter massiert … und du willst mir sagen, dass du noch nie unanständige Gedanken hattest?« Ihr blauer Blick bohrte sich förmlich in Lilithas goldene Augen, als würde sie sich genau das gerade vorstellen.

Lilitha zuckte die Schultern. »Nein. Ich habe kein Interesse an männlichen oder weiblichen Körpern«, erklärte sie, als wäre das völlig normal. Was es in ihrem Fall auch war, doch das verstand scheinbar niemand. Obwohl dieses Bild langsam bröckelte. Gerade, wenn sie an den Highlord dachte.




Erneut lachte die Frau und rutschte dichter an sie heran, um ihre roten Haare nach hinten zu legen und diese zu kämmen.

»Dann verpasst du aber ganz schön was. Ich denke, wenn du ihm auch nur einen kleinen Wink geben würdest, würde er über dich herfallen«, flüsterte sie leise in ihr Ohr und begann Lilithas Haare zu flechten.

Die Rothaarige seufzte. »Ich bin eine Vampirin. Wir entwickeln uns anders. Ich werde noch Jahre lang nicht in der Lage sein, diese Art von Gefühlen zu entwickeln«, murmelte sie.

Die Blonde seufzte und ließ von Lilithas Haaren ab, als sie sich ihr mit einem fast schon enttäuschten Gesichtsausdruck wieder zuwandte.

»Ich weiß … das spricht sich schon rum. Immerhin dienen wir alle einem Vampir, aber dafür hast du dich doch schon recht gut entwickelt, ich denke nicht, dass deine Reife noch lange auf sich warten lässt«, erklärte sie, als hätte sie Lilitha bei einer Lüge entlarvt und schielte dabei auf ihre Brüste.

»Das hat nicht nur etwas mit dem Körperwachstum zu tun«, wich Lilitha leise und ein wenig betrübt aus. »Ich weiß auch nicht, ob der Highlord jemals Interesse an mir haben wird. Zumindest nicht auf diese Art und Weise.«

»Wieso nicht? Er scheint es ja zu mögen, wenn du ihn berührst«, wandte sie ein und lächelte aufreizend.

Diese Frau schien ihrem Halsband wirklich gerecht zu werden. Waren alle Roten so? Sie schien auf einem Grat zwischen Vulgarität und Nymphomanie zu tanzen. Eine Mischung, die Lilitha in Zusammenhang mit ihrer Stellung Sorgen machte. Immerhin hatte sie mit ihrem Herrscher zu tun.

Sie wirkte nicht wie eine Frau, der man vertrauen konnte, oder wollte. Sie wirkte eher, als würde sie jeden Moment allen ein Messer in den Rücken rammen, die ihr im Weg standen.

Das machte Lilitha ein wenig Angst, denn sie wusste noch nicht so genau, was sie von der Blonden halten sollte.

»Ich wette du hast dir dabei gar nichts gedacht, wenn du ihn massiert hast, oder?«, fragte sie lachend, wobei sich Lilitha langsam fragte, ob sie sich nicht über sie lustig machte, weil sie Lilitha für naiv hielt. »Bestimmt hat er nicht nur an deine Massage gedacht, während du ihn berührt hast«, flüsterte sie weiter und legte sich neben Lilitha auf den Rücken.




Lilitha zuckte die Schultern. »Ehrlich gesagt, wäre das nicht mein Problem. Ich habe kein Interesse daran, sein Bett zu wärmen«, erklärte die Rothaarige und hoffte, damit das Thema endlich zu beenden.

Wieso versuchte diese Frau sie dafür zu interessieren? Immerhin würde sie, wenn der Highlord wirklich so viel Interesse an ihr hätte, zu einer Konkurrentin werden.

»Gerade deswegen, sollte es dich doch stören, wenn er dich glauben lässt, du würdest ihm bei Gliederschmerzen helfen, und dabei hilfst du ihm bei etwas ganz anderem«, erklärte sie mit ihrer hohen Stimme und rollte sich auf die Seite, um ihren Kopf abzustützen, damit sie die Rothaarige besser sehen konnte. »Vielleicht solltest du das nächste Mal darauf achten.«

Lilitha verdrehte innerlich die Augen.

Sie war ihm so nahe gewesen, dass sie gespürt hätte, wenn er so auf sie reagiert hätte. Das hatte er definitiv nicht. Dennoch entschied sich Lilitha mitzuspielen, da die Blonde wohl nicht aufzugeben schien.

»Vielleicht habt Ihr recht«, murmelte sie zustimmend. »Ich werde darauf achten.«

Die Frau schnaubte und setzte dazu an, etwas zu sagen, als sie plötzlich innehielt und lauschte. Auch Lilitha hörte Schritte.

Die Blonde verdrehte die Augen und setzte sich ein Stück weiter auf, um Chiana anzusehen, die gerade um die Ecke kam.

Die Haare der Hexe waren nun nicht mehr so schön frisiert und auch ihre Kleidung war nicht wirklich ordentlich, was Lilitha darauf schließen ließ, dass sie bekommen hatte, was ihr fehlte. Ihre violetten Augen jedoch lagen auf der blonden Frau und wirkten alles andere als erfreut.

»Ich habe dich gesucht«, sagte sie knapp und blickte nun zu Lilitha. »Mylord, wünscht dich in seinen Räumen«, erklärte sie ihr und versuchte die andere Frau nicht weiter zu beachten.

Lilitha riss die Augen auf. »Was?«, fragte sie mit großen Augen und heiserer Stimme.

Schnell richtete sie sich auf und versuchte die aufkommende Panik zu verstecken.

Wollte er sie am Ende wirklich bestrafen? Lilitha schluckte und begann leicht zu zittern, während sie den Blick senkte.

Chiana warf Lilitha einen eindringlichen Blick zu und deutete mit dem Kopf Richtung Ausgang. »Jetzt«, beharrte sie und nickte erneut zur Türöffnung.




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