Kapitel 24

War das peinlich!
Wieso hatte sie sich das Kleid überhaupt angesehen? Sie hätte von vorneherein nein sagen sollen!
Und wie er sie angesehen hatte …
Wieder musste sie daran denken, was die blonde Frau im Hamam gesagt hatte.
War er vielleicht doch an ihr interessiert?
Schnell schüttelte sie den Kopf. Das waren keine Gedanken, die sie gerade verfolgen sollte. Nicht, wo ihr Körper doch schon solche seltsamen Dinge machte.
Schnell, aber trotzdem vorsichtig, begann sie das Kleid wieder auszuziehen und ihre Dienstmädchenkleidung anzulegen.
Darin fühlte sie sich seltsamerweise gleich viel sicherer. Hier sah man nichts, was man nicht sehen sollte. Im Gegenteil, es versteckte ihre Rundungen sogar. Wer hätte gedacht, dass sie Chiana für den Aufzug einmal dankbar sein würde.
Ein wenig beschämt blickte Lilitha in ihr Spiegelbild und kämmte sich eine Strähne zurück. Ihr Gesicht war noch immer rot. Sie verstand nicht, was los war.
Am liebsten hätte sie den Vorhang nicht mehr geöffnet, bis er weg war. Doch das Problem war, dass er nicht weggehen würde.
Also holte sie tief Luft und hob die Hand, zögerte jedoch. Ihr Körper versteifte sich ein wenig, doch sie zwang sich dazu, den Vorhang wieder zu öffnen und mit gesenktem Blick herauszutreten.
Sie vernahm seinen Geruch deutlich, als sie hinter ihn trat und er sich noch von den Besitzern verabschiedete.
Nicht einmal dazu war sie in der Lage. Ihre Kehle war vollkommen ausgetrocknet. Stumm folgte sie ihrem Gebieter, der ebenso wortlos vor ihr herlief.
Plötzlich blieb er stehen und drehte sich zu ihr um.
»Willst du … nicht neben mir laufen?«, fragte er vorsichtig und Lilitha reagierte sofort, als sie wieder den braunen Blick auf sich spürte. Ohne dass sie es wollte, reagierte ihr Körper und ein leichtes Kribbeln legte sich auf ihre Haut, ehe sie den Kopf schüttelte. Dennoch sagte sie kein Wort. Sie hatte Angst, dass ihre Stimme sich piepsig anhören würde oder vielleicht sogar komplett wegbrechen könnte.
Das wäre noch peinlicher.
Es war besser, wenn sie weiterhin hinter ihm lief und er sie so nicht betrachten konnte. Wie ihr Körper auf seine intensiven Blicke reagierte, verwirrte sie.
Seufzend wandte er sich wieder um und lief zögerlich in die Gasse.
Eine ziemlich enge und dunkle Gasse, wo sie keiner sehen konnte.
Er blieb zum wiederholten Male stehen und drehte sich erneut zu ihr um. »War dir das wirklich so unangenehm?«, fragte er abermals, da er ihre Reaktion nicht zu verstehen schien.
Lilitha nickte und ihre Arme lagen in einer beschützenden Geste um ihren Körper. Als würde sie trotz der Kleidung noch etwas verdecken wollen.
Sie wusste ja selbst nicht, warum sie so reagierte, aber ihr Körper verwirrte sie. Er tat Dinge, die sie nicht gewohnt war und mit denen sie nichts anzufangen wusste.
»Aber wieso? Dazu gibt es doch gar keinen Grund«, beharrte der Highlord, als wäre alles vollkommen normal.
Sie hatte das Gefühl, dass er immer näher kam, auch wenn das nicht der Fall war. Dennoch fühlte es sich, bei diesen dichten Wänden und den fehlenden Zeugen um sie herum, so an.
Diese Umgebung sorgte dafür, dass sie sich immer unwohler fühlte und am liebsten wegrennen wollte. Es rief Erinnerungen an die Zeit auf der Straße wach, und doch war da dieses seltsame Gefühl von beschützt sein, das der Highlord ihr vermittelte.
Gleichzeitig fragte sie sich, wie sich seine Berührungen wohl auf ihrer Haut anfühlen würden.
Schnell senkte sie wieder den Blick, da er sie noch immer musterte.
Wieso fragte sie sich so etwas überhaupt?
Das waren keine Gedanken für eine Kammerzofe ihres Alters! »Du solltest dich nicht für etwas schämen, was du nun mal bist«, fuhr er fort, als er sich langsam wieder umdrehte, um weiterzulaufen.
Lilitha öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch dann schloss sie ihn wieder und folgte ihm einfach stumm.
Es brachte nichts, wenn sie mit ihm darüber sprach. Er schien in dieser Sache eine feste Meinung zu haben und Lilitha hatte keine Lust zu versuchen, ihm zu erklären, warum sie eben nicht dieser Meinung war. Sie hatte genug andere Probleme.
Die Tatsache, dass ihr Herz so heftig klopfte, war nur eines davon.
Wieder passierten sie die dunkle Straße, hin zur Stadt. Schweigend begannen sie, sich auf den Rückweg hoch zum Palast zu machen, die Gesichter sicher verhüllt.
»Möchtest du das Kleid denn nicht?«, fragte er nun ein weiteres Mal und schien das Thema einfach nicht beenden zu wollen.
»Es ist wirklich wunderschön«, gestand Lilitha leise. »Aber ich werde mich nie trauen, es zu tragen. Warum sollte es dann in meinem Kleiderschrank Staub ansetzen? Es sollte sich lieber jemand kaufen, der auch Spaß daran hat, es zu tragen«, murmelte sie und ihre Hände spielten eifrig mit dem Saum ihres Umhangs.
»Ja, vermutlich hast du recht«, stimmte er ihr schulterzuckend zu und senkte den Blick ein wenig. »Du bist auch viel zu unschuldig für sowas«, lachte er leise und blickte kurz zu Lilitha, die den Kopf so weit gesenkt hatte, dass man nicht einmal mehr ihre goldenen Augen sehen konnte.
Sie atmete erleichtert aus, weil er ihr zugestimmt hatte. Sie hoffte nur, dass er dieses Thema jetzt ruhen lassen würde. Vor allem, da sie ganz andere Sorgen hatte.
Je näher sie dem Palast kamen, desto nervöser wurde sie. Was sollte sie Chiana bloß erzählen? Diese würde völlig außer sich sein, wenn sie erfuhr, dass sie beim Highlord geschlafen hatte.
Wenig später fand sie sich auch schon in dem kleinen Vorraum wieder und legte abwesend ihren Umhang und den Schal ab.
Sie vernahm das Seufzen des Highlords und zuckte zusammen.
»Willst du mich jetzt ewig anschweigen, nur weil ich dich für den Bruchteil einer Sekunde in dem Kleid gesehen habe?«, fragte er leise und richtete seine Kleidung.
»Nein, Mylord«, sagte sie ebenso leise und blickte noch immer zu Boden. Er konnte ihr ansehen, dass sie eine Gänsehaut hatte. »Aber ich brauche etwas Zeit, um meine Gefühle zu ordnen«, sagte sie fast schon so leise, dass er es kaum verstand. »Ich verändere mich schneller, als ich erwartet habe.«
Er runzelte kurz die Stirn, als er sich auch schon auf die Tür zubewegte, um diese zu öffnen.
»Ja … das habe ich auch nicht erwartet«, murmelte er leise und trat hinaus, um zurück zum Harem zu laufen.
Lilitha folgte ihm stumm, wie ein Schatten.
Allerdings eher wie ein angenehmer Schatten. Normalerweise mochte er es nicht sonderlich, wenn ihm die Leute hinterherliefen, doch Lilitha hatte eine naive Ehrlichkeit an sich, die ihm versicherte, dass sie niemals auch nur daran denken würde, ihn von hinten zu erstechen.
Ihre Gedanken waren ganz und gar rein und er bereute es vielleicht ein wenig, dass er sie wirklich diesem Schlangennest, wie sie es nannte, aussetzen musste.
»Soll ich … mitkommen und mit Chiana reden?«, fragte er nun leise und ein wenig zögerlich, als sie vor ihrem Zimmer stehen blieben.
Wenn Lilitha Glück hatte, hatte Chiana vielleicht den Tag verschlafen und womöglich gar nicht gemerkt, dass Lilitha so lange weg war. Doch das war wohl eher unwahrscheinlich. Lilitha dachte nicht einmal, dass sie noch in ihrem Zimmer war.
Zögerlich spielte sie mit ihren Fingern. »Ihr habt sicher eine Menge zu erledigen. Ihr müsst Eure Zeit nicht mit mir verschwenden«, hauchte sie leise. Sie war immerhin nur ein Dienstmädchen, auch wenn der Highlord sie wohl als interessant genug einstufte, um seine Zeit mit ihr zu verbringen. Doch warum sollte er sich die Mühe machen und ihr helfen?
»Du hast Sergej doch gehört. Ich hab heute frei. Und solltest du wirklich Angst haben, Chiana gegenüberzutreten, kann ich mit ihr sprechen«, erklärte er und hob fragend die Brauen.
Lilitha scharrte unruhig mit den Füßen. »Denkt Ihr wirklich, dass das die Sache bessern würde?«, fragte sie kaum hörbar und sehr unsicher. Sie hatte irgendwie Angst, dass es dadurch nur noch schlimmer werden würde.
Er seufzte und trat einen Schritt zur Seite.
»Ehrlich gesagt, nein. Du solltest lernen, dich selbst zu verteidigen«, erklärte er, als würde sie jeden Moment in den Krieg ziehen. Was auch fast der Fall war.
Lilitha ließ ein wenig die Schultern hängen und wirkte fast schon enttäuscht. Allerdings hatte der Highlord recht. Sie musste lernen, sich selbst zu verteidigen, nur lag das absolut nicht in ihrer Natur.
Er senkte den Blick, als er ihr noch kurz zunickte und sich dann zurückzog.
Ein wenig zittrig blieb sie vor Chianas Tür stehen und überlegte, ob sie sich nicht vielleicht doch vorher richtig anziehen sollte. Ihre Kleidung war unordentlich vom hektischen Umziehen und ihre Haare waren halb geöffnet und zerzaust. Unter Umständen könnte man da auf anderes schließen, als das, was wirklich der Fall war.
Chiana hatte schließlich so ähnlich ausgesehen, als sie gestern Abend Lilitha geholt hatte.
Schnell versuchte Lilitha ihre Kleidung zu richten und ihre Haare zumindest zu ordnen. Dennoch war das Ergebnis nicht sehr viel besser als vorher und sie wusste, dass sie ohne Bürste sowieso keine Chance hatte.
Also atmete sie tief durch und öffnete die Tür, ehe sie eintrat. Den Blick gesenkt und die Ohren gespitzt, ob sie die Schwarzhaarige irgendwo hörte.
»Du bist spät«, erklang Chianas Stimme in einem Ton, als wäre das nicht offensichtlich.
Etwas sehr spät im Vergleich zu ihrer üblichen Arbeitszeit. »Und dann nicht mal hergerichtet. Gibt es dafür auch eine Erklärung?«, fragte sie und Lilitha konnte hören, wie sie darauf hoffte, dass sie sich in ihrer offensichtlichen Antwort irrte.
Doch sie irrte sich leider nicht … zumindest zum Teil.
Was hatte sie ihr sagen wollen? Sie konnte ihr ja nicht sagen, dass der Highlord sie mitgenommen hatte, oder?
Sie entschied sich für eine halbe Lüge. »Nachdem der Highlord gestern nach meiner Massage fast sofort eingeschlafen ist, wollten mich die Wächter ohne seine Erlaubnis nicht gehen lassen. Also musste ich warten, bis Mylord heute Morgen wieder erwachte. Da es mir nicht zustand, ihn zu wecken oder sein Bad zu benutzen, bin ich leider noch nicht dazu gekommen, die Sachen von der Nacht am Boden zu richten«, sagte sie und hasste sich fast schon selbst dafür. Normalerweise log sie nicht, aber sie hatte es dem Highlord versprochen und sie wollte keinen Ärger.
»So?«, fragte sie zwar ungläubig, aber sie schien es selbst glauben zu wollen. »Und es hat so lange gedauert, bis er aufgewacht ist?«, fragte sie nun und stand auf, um zu Lilitha zu laufen.
Was sollte sie denn darauf erwidern?
»Mylord hat heute frei«, informierte Lilitha sie, als würde das alles erklären. Allerdings wusste sie nicht, wie sie die Kastagnetten in ihrer Tasche erklären sollte, falls Chiana diese bemerkte.
Mit bebender Unterlippe senkte sie den Blick und wandte sich wieder von Lilitha ab.
»Schön für ihn. Dann hast du jetzt auch frei«, erklärte Chiana, was Lilitha ein wenig unsicher innehalten ließ. War das ernst gemeint? Sollte sie gehen? »Soll das heißen, er hat nicht …«, setzte sie nun doch wieder an und wandte sich zu Lilitha um, doch sie schaffte es nicht, ihr in die Augen zu sehen.
Lilitha lockerte etwas ihre Schultern, ehe sie sanft, wenn auch ein wenig zittrig, lächelte. »Nein, Mistress. Hat er nicht. Er hat mich nicht einmal angefasst, geschweige denn mehr. Er hat sich lediglich etwas gezerrt und brauchte eine Massage.«
Chiana holte ein wenig stockend Luft und versuchte sich sichtlich zu beruhigen.
»Ich glaube dir. Du hast nicht diese Verdorbenheit, wie die anderen. Aber ich möchte dennoch allein sein«, erklärte sie leise und wandte erneut den Blick ab.
»Wie Ihr wünscht, Mistress«, entgegnete Lilitha, verneigte sich leicht und entschied dann, dass sie in den Hamam gehen würde, um sich ein wenig zurechtzumachen. Dann würde sie ihre Zeit nutzen, für den Tanz zu üben.






























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