Kapitel 29

Die Sonnenstrahlen schienen Lilitha bereits hell ins Gesicht und am liebsten hätte sie diese einfach ignoriert

Die Sonnenstrahlen schienen Lilitha bereits hell ins Gesicht und am liebsten hätte sie diese einfach ignoriert. Denn im Gegensatz zu den sonstigen Tagen, war sie heute aus offiziellen Gründen von ihren Pflichten, Chiana herzurichten, befreit.

Der Haremstanz stand kurz vor seiner Eröffnung und Lilitha wusste nicht so recht, woran sie war.

Sie hatte den Tanz weiterhin geübt, auch wenn sie den Gedanken des Highlords an ihren Lippen nicht loswurde. Vermutlich hatte er es schon vergessen, spätestens nachdem er Chiana gleich nach ihrem Kuss genommen hatte.

Trotzdem hatte er sie seitdem nicht mehr zu sich geholt. Vielleicht hatte ihm der Kuss nicht gefallen und er hatte dadurch das Interesse an ihr verloren. Das war gut, redete sie sich ein. Aber eigentlich machte ihr das im Moment sehr zu schaffen. Denn wenn er das Interesse an ihr verloren hatte, würde er sie doch unmöglich hochstufen, oder?

Lilitha gähnte und streckte sich, ehe sie aus dem Bett krabbelte, um sich herzurichten.

Ihre Haare waren ein einziges Spinnennetz und sie fühlte sich ein wenig ausgelaugt.

Mit schnellen Schritten trat sie auf die kleine Feuerstelle zu, um sich Wasser für einen Tee zu kochen, während sie zu ihrem Kleiderschrank lief und einige Sachen bereitlegte. Dabei griff sie nach dem Kleid, das ihr der Highlord geschenkt hatte. Das sehr freizügige mit den Perlen.

Lilitha atmete tief durch und legte es, zusammen mit einem anderen, draußen auf ihr Bett. Sie hatte sich noch immer nicht entschieden, ob sie es tragen sollte.

Eigentlich sprachen all ihre Vorsätze dagegen und am liebsten würde sie es gar nicht besitzen, um diese Entscheidung nicht treffen zu müssen, doch es lag nun mal hier vor ihr und war definitiv keine Einbildung.

Sollte er wirklich kein Interesse mehr an ihr besitzen, würde sie alle Register ziehen müssen, um diesen Platz zu bekommen.

Lilitha atmete tief durch und nahm das Kleid in die Hand, um es sich anzuziehen und vor den Spiegel zu treten.

Vorsichtig musterte sie sich selbst und drehte sich immer wieder ein wenig hin und her. Die Perlen an ihrem Kleid klimperten dabei und der leichte Rock wippte sanft bei jeder Bewegung.

Es war ein wirklich schönes Kleid, wenn sich Lilitha darin nicht so unwohl fühlen würde.




Es klopfte an der Tür, was Lilitha zusammenzucken ließ. »Es geht gleich los, beeil dich«, erklang Chianas drängende Stimme und Lilitha verfiel in Hektik.

Keine Zeit, sich noch umzuziehen.

Schnell packte sie das andere Kleid, das sie sich besorgt hatte und zog es darüber. Dann schnappte sie sich ihre Kastagnetten und die Blumen, die sie sich schnell und mit geschickten Handgriffen ins Haar band.

Dank der zahlreichen, komplizierten Hochsteckfrisuren, die sie tagein, tagaus für Chiana machen musste, war sie inzwischen geübt.

Sie bemerkte Chianas oberflächliche Musterung und natürlich entging auch Lilitha nicht ihre Aufmachung.

Für Chiana war ein Haremstanz ein reines Schweißbad. Die ständige Angst abgelöst oder ignoriert zu werden, musste ihr wirklich sehr zusetzen.

Aufmunternd lächelte Lilitha ihr zu.

Chiana hatte die letzte Zeit sehr oft mit dem Highlord verbracht und das war sicherlich ein gutes Zeichen.

Es sah nicht so aus, als hätte er Interesse daran, sie als Favoritin abzulösen, doch Lilitha erinnerte sich an seine Worte zurück und dass sie sich bemühen sollte, eine andere Stellung zu bekommen. Vielleicht lag doch etwas im Busch, von dem die Rothaarige nichts wusste.

Jetzt erst einmal versuchte sie sich auf das zu konzentrieren, was vor ihr lag, während sie mit Chiana durch die Gänge schritt.

Alle Frauen, die zum Harem gehörten, würden sich heute im großen Saal versammeln.

Zuerst würden die neuen Haremsfrauen ihr Können unter Beweis stellen, ehe die Dienstmädchen an der Reihe waren. Dann kamen die grünen, blauen und roten Halsbänder und zum Schluss würde der Highlord seine Favoritin bestimmen.

Lilitha hatte bereits gehört, dass Chiana schon seit mehreren Jahren diesen Titel verteidigen konnte. Aus diesem Grund verstand sie auch nicht, wieso sie eine neue Stelle anstreben sollte.

Die Wahrscheinlichkeit, dass sie die neue Favoritin sein würde, schien ihr doch viel zu unrealistisch. Egal, was Laura sagte.

Fast schon aus Gewohnheit lief Lilitha standesgemäß zwei Schritte hinter Chiana und blickte abwesend auf den Boden, der vor ihr lag.

Sie hatte ein ganz mulmiges Gefühl bei dieser ganzen Sache, doch sie versuchte sich einzubilden, dass es an dem Kleid lag, was sie darunter trug. Würde sie damit überhaupt tanzen können? Irgendwie fühlten sich die beiden Schichten nicht so angenehm an und würden wohl beim Tanzen störend sein. Lilitha hoffte nicht.




Sie atmete tief durch, als ihr die Eunuchen die Torflügel zum Saal öffneten. Ein angenehmer Duft kam ihr entgegen und Lilitha spürte sofort die geschäftige Atmosphäre.

Es war eine Mischung aus Hinterlist, aber auch ausgelassener Freude.

Jeder, der hier war, hatte sich herausgeputzt und man stand in kleinen Gruppen an den Theken, die mit Essen überladen waren.

Es gab Sitzgruppen und eine große Fläche, auf der später wohl alle ihr Können zur Schau stellten.

Außerdem gab es einen Stuhl, der leicht erhöht stand und eine hohe Lehne hatte. Fast wie ein Thron.

Es war offensichtlich, dass der Highlord dort seinen Platz hatte, obwohl sie sich nicht vorstellen konnte, dass er sich gern auf einen solchen Thron, inmitten der Blicke und der Aufmerksamkeit all seiner Frauen, setzte. Doch dafür war der Haremstanz schließlich da. Um auf sich aufmerksam zu machen. 

Fast schon instinktiv lief Lilitha weiterhin Chiana hinterher, während sie die anderen Frauen begutachtete. Einige der Dienstmädchen erkannte sie gar nicht mehr wieder, so herausgeputzt wie sie waren.

»Pass auf dich auf. Ich kann dich hier nicht mehr in Schutz nehmen. Am Haremstanz sind alle gleichberechtigt. Mein Favoritenstatus zählt heute nicht«, flüsterte Chiana Lilitha zu, als sie an einem Tisch innehielt, um sich etwas zu trinken zu nehmen.

Lilitha nickte und nahm sich einen Pfirsich, der in einer Obstschüssel lag.

Sie sahen wunderbar lecker aus und die Rothaarige biss hinein, während sie sich umsah.

Ihr Blick glitt zu einer blonden Frau, die auf sie zukam. Die Art, wie diese ging, hatte etwas von einem Raubtier, was Lilitha dazu veranlasste, sich zu versteifen.

Laura.

Was wollte sie?

»Du siehst bezaubernd aus«, grüßte sie und richtete diese Worte eindeutig an Lilitha. »Soll ich dir dabei helfen, dich ein wenig zu schminken? Ich denke, wenn man deine Augen noch ein wenig betont, würde es noch schöner aussehen. Deine Schminke passt nicht ganz zu deinem Kleid«, erklärte die blonde Frau und Lilitha hätte am liebsten gesagt, dass die Schminke zu dem Kleid passte, das sie darunter trug.

»Nein, danke. Ich möchte gern so bleiben«, erwiderte Lilitha leise und schüchtern.

Laura lachte trällernd und hakte sich bei Lilitha ein, um sie von Chiana weg, in die Menge, zu ziehen.




»Bist du sicher? Wenn ich dich noch ein wenig herrichte, bin ich sicher, dass der Highlord nicht mehr die Augen von dir lassen kann«, flüsterte sie ihr leise und mit einem Zwinkern zu.

Warum verstand diese Frau nicht, dass sie genau das nicht wollte? Außerdem glaubte sie, dass das Kleid, das sie darunter trug, dazu schon ausreichte. Zumindest, wenn sie an das letzte Mal dachte, wo sie es getragen hatte. Sie konnte sich noch sehr genau an den Blick des Highlords erinnern. Er verfolgte sie immerhin sogar in ihren Träumen. Sofort spannten sich ihre Brüste wieder an und ihr wurde warm.

Erneut biss Lilitha in den Pfirsich und versuchte im Hier und Jetzt zu bleiben, als sie sich anschließend abwesend über die Lippen leckte.

Diese Gefühle würden sie irgendwann noch selbst manipulieren, wenn sie nicht lernte, sich zu zügeln.

Und das, obwohl sie den Highlord so lange Zeit nicht gesehen hatte. Vermutlich lag es wirklich nur daran, dass sie außer ihm und den Eunuchen keine anderen Männer traf.

»Bist du denn schon aufgeregt?«, fragte Laura nun selbst ganz aufgeregt und ließ sich in einer Sitzecke nieder.

Lilitha zuckte die Schultern. »Ich weiß nicht. Ich wäre schon gern bei den Grünen. Aber ich rechne mir nicht viele Chancen aus«, sagte sie und biss erneut in den Pfirsich. »Was ist mit Euch?«, wollte sie wissen. »Was erwartet Ihr Euch von diesem Abend?«

Laura lächelte breit und deutete Lilitha, sich neben sie zu setzen, als sie den Blick durch den Raum schweifen ließ. Gelangweilt zuckte sie die Schultern. »Ich mag meinen Platz. Ich hoffe eher auf neue Kameradinnen wie dich«, erklärte sie und lehnte sich zurück, um wie ein Raubtier die anderen mit ihren Blicken zu taxieren. Diese Frau war wirklich suspekt. Sie schien es auf irgendetwas abgesehen zu haben. Leider hatte Lilitha keine Ahnung, was genau das war und das machte ihr Angst. Sollte sie wirklich Macht anstreben, wie die meisten hier, würde sie Lilitha nicht dazu bewegen, die neue Favoritin zu werden, sondern es selbst in Angriff nehmen. Es sei denn, sie glaubte, Lilitha wäre ihr für ihre Hilfe etwas schuldig. Was unwahrscheinlich war, aber trotzdem möglich.

»Oh, da kommt der Highlord«, sagte Laura plötzlich und als Lilitha sich umsah, konnte sie sein blondes Haar in der Menge ausmachen.




»Er wird sich eine Weile mit einzelnen Gruppen unterhalten«, erklärte Laura. »Langweilig«, fügte sie seufzend hinzu und streckte sich ausgiebig. »Reine Höflichkeitsfloskeln, die keiner gern macht, aber Vorschrift sind«, fuhr sie fort und hielt den Blick auf Lilitha gerichtet. Diese betrachtete, wie der Highlord zusammen mit seinem Berater Sergej und seiner Mutter, die Frauen des Harems begrüßte. Ob er wohl jemals eine Entscheidung allein treffen durfte?

Kurz schweifte sein Blick durch den Raum und begegnete dabei Lilithas. Lautlos schnappte diese nach Luft und wandte schnell den Blick auf den Pfirsich in ihrem Schoß.

Während Laura über Lilithas Geste leise kicherte, versuchte sich die Rothaarige darauf zu konzentrieren, zu atmen.Sie reagierte ja schon wie all die anderen Frauen aus dem Harem, die ihn anschmachteten. Das ging überhaupt nicht!

Sie bemerkte, dass sich Laura ein Stück zu ihrem Ohr neigte und ihr Atem Lilithas Haut streifte, was diese erschaudern ließ. Eine Gänsehaut breitete sich auf Lilithas Haut aus. »Er kann das wirklich gut, oder? Frauen um den Verstand bringen«, flüsterte sie mit einer fast schon erotischen Stimme und zog Lilitha mit sich nach hinten gegen die Rückenlehne. »Bleib einfach ganz ruhig. Du willst ja nicht, dass er dich irgendwann ansieht wie Chiana.«

Lilitha biss die Zähne zusammen und hatte das Bedürfnis, sich von Laura loszureißen. Doch sie blieb ruhig und fragte sich, ob er nicht irgendwann alle Frauen so ansehen würde.

Wahrscheinlich.

Die Rothaarige konzentrierte sich auf ihren Pfirsich und ein bisschen Käse. So bemerkte sie nicht, dass der Highlord ihr und Laura immer näher kam. Viel mehr versuchte sich Lilitha, mit allen Sinnen, durch die zahlreichen Eindrücke, die sie hier drin bekam, zu beschäftigen. Doch als sie spürte, wie die Polsterung neben ihr einsackte, weil der Highlord sich neben sie setzte, machte ihr Herz einen nervösen Sprung.

Mit Laura zu ihrer rechten und dem Highlord zu ihrer linken, hätte sie wirklich keinen schlimmeren Platz erwischen können. 

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