Kapitel 41

Lilitha stöhnte auf und erhob sich schwerfällig.
Eine Absage kam nicht infrage, also würde sie es einfach über sich ergehen lassen. Und wie sie an den Kleidungsstücken bemerkte, welche die Dienstmädchen bei sich trugen, hatte der Highlord wohl auch festgelegt, was sie am Abend zu tragen hatte.
Die Rothaarige seufzte erneut und ließ sich auf den Stuhl vor ihrer Frisierkommode nieder. »Kein Schmuck«, sagte sie und ließ ihre Stimme endgülig klingen. Da würde sie nicht diskutieren.
Die Frauen begannen zuerst Lilitha zu entkleiden und ihre Haut einzuölen. Auch wenn Lilitha das ein wenig Bedenken bereitete. Sie wusste, dass so etwas eigentlich nur der Fall war, wenn der Highlord eine Frau für die Nacht zu sich holen ließ. Doch das würde er doch nicht … oder etwa doch? Gehörte das auch noch zur Strafe?
Ihr Herzschlag wurde nervös und hüpfte unkontrolliert.
Ohne Lilithas Stimmung zu beachten, zogen die Dienerinnen die Vampirin an und schminkten sie passend. Nur ihr Haar blieb offen und wie gewünscht trug sie auch keinen Schmuck.
Das war gut. Natürlich hätte der Highlord auch auf Schmuck bestehen können, doch das hätte sie nicht zugelassen. Sie ließ sich nicht noch mehr in ihren Entscheidungen einschränken.
»Ihr seid fertig, Mistress«, erklärte das Dienstmädchen und Lilitha erhob sich.
Das Kleid war größtenteils schwarz und sehr lang. Es wirkte ein wenig wallend und fast schon verspielt. Es gefiel ihr sehr gut.
»Welchen Duft bevorzugt Ihr?«, fragte nun die andere und deutete mit der Hand auf einen kleinen, geöffneten Koffer, der auf einer Kiste stand, in der mehrere kleine Phiolen lagen. Vermutlich gefüllt mit verschiedenen Parfüms und Düften.
Lilitha seufzte ein wenig. »Rosen, Erdbeeren, auch gern Minze oder Blaubeere«, erklärte sie, weil sie sowieso keine andere Wahl hatte.
Die Dienerin wirkte ein wenig irritiert bei der Duftauswahl und griff schließlich nach einer kleinen Phiole, um Lilitha davon etwas aufzutragen. Der Geruch von Rosen stieg in Lilithas Nase, gemischt mit einer überraschend frischen Note.
Lilitha atmete tief durch und besah sich im Spiegel. Wie war sie so schnell vom Dienstmädchen zur Mätresse aufgestiegen? Es kam ihr vor wie eine halbe Ewigkeit, dass sie diese Tore betreten hatte und seitdem hier lebte. Und doch waren es nur einige Monate, wenn nicht sogar fast ein halbes Jahr.
Mit einem knappen Nicken ging sie voraus, in Richtung des Saals, in dem der Highlord auch schon oft mit Chiana gespeist hatte. Dicht gefolgt von den Dienstmädchen.
Ohne dass Lilitha nochmal Luft holen konnte, schwangen die Türen auf und gewährten ihr Einlass. Als sie den Raum betrat, war er, bis auf Kaden, leer. Sobald dieser Lilitha erblickte, erhob er sich und kam ihr entgegen. Auch, wenn Lilitha trotz der Unwahrscheinlichkeit gehofft hatte, sie würde nicht allein sein, so war es doch irgendwie klar gewesen.
Hinter ihr schwangen die Türen wieder zu und die Dienstmädchen blieben draußen. »Du siehst wundervoll aus«, sagte er, während er musternd auf sie zu trat.
Lilitha wurde rot und versuchte mit Mühe ihre aufrechte Haltung beizubehalten. Das war wirklich unglaublich schwierig. Vor allem, weil ihr Rücken noch immer schmerzte.
Ihre Lippen umspielten ein schiefes Lächeln. »Das ist nicht mein Verdienst, sondern der der Dienstmädchen«, erklärte sie schulterzuckend.
»Du hättest bestimmt auch ohne ihre Arbeit wunderschön ausgesehen«, widersprach Kaden und kam dicht vor ihr zum Stehen. Musternd nahm er ihr Gesicht in seine Hände und strich sanft mit den Daumen über ihre Wangenknochen.
Langsam näherten sich seine Lippen ihren und sie schnappte kaum merkbar nach Luft. Doch kurz vor ihren Lippen neigte er den Kopf ein wenig und küsste sie stattdessen auf die Wange. Etwas, was er auch immer bei Chiana getan hatte. Eine einfache Geste. Nichts weiter. Doch aus irgendeinem Grund störte Lilitha das sehr. Sie hatte sich gewünscht, dass er sie küsste, doch auch wieder nicht.
Das war schrecklich mit diesen Gefühlen! Wieso ärgerten diese Lilitha so sehr?
»Komm«, murmelte der Highlord und griff ihre Hand, ehe er sie in eine Ecke führte, wo aus Kissen eine gemütliche Sitzecke aufgebaut war.
Teile des Essens, die auf dem Tisch standen, wurden scheinbar schon dorthin transportiert.
Ein wenig nervös ließ sich Lilitha, wie angeordnet, in die Kissen nieder und schluckte sichtlich verspannt. Mit einem erleichterten Seufzen ließ sich auch Kaden neben ihr in die Kissen fallen, was Lilitha automatisch dichter zu ihm transportierte. Ob er sich diesen Ort deswegen ausgesucht hatte? Vermutlich.
Erwartungsvoll drehte er den Kopf zu Lilitha und strich ihr das lange Haar über die Schulter zurück. »Ich hoffe, du hast Hunger«, sagte er leise und legte seinen Arm um ihre Taille, um sie noch näher zu sich zu ziehen.
Es fühlte sich so intim und gut an, dass Lilitha fast näher zu ihm gerückt wäre, wenn sie sich nicht selbst ermahnt hätte. Stattdessen versuchte sie einfach, Konversation zu betreiben. »Ich denke schon, auch wenn mein Magen wahrscheinlich voller Löcher ist, so sehr wie mich die anderen Frauen durchlöchert haben«, murmelte sie und versuchte sich an einem Lächeln. »Wie war Euer Tag?«
»Durchlöchert?«, wiederholte er fragend und griff nach einer Schale mit geschnittenen Früchten.
Langsam spießte er einige der Stücke auf eine kleine Gabel, zog das oberste Stück Mango mit den Zähnen ab und hielt den Rest auffordernd an Lilithas Lippen.
Diese konnte einfach nicht widerstehen und ließ sich von ihm füttern, indem sie ebenfalls das nun obere Stückchen vorsichtig mit ihren Zähnen abzog.
»Ja, weil ich so viel Zeit mit Euch verbringe. Sie sind der festen Überzeugung, dass Ihr mich zu Eurer neuen Favoritin macht«, erklärte Lilitha und darin schwang auch eine Frage mit. Würde er so weit gehen und das tatsächlich tun? Auch wenn sie ihm kaum Körperkontakt gab und ihn im Bett nicht gewähren ließ?
Stumm und ohne den Blick von ihr zu wenden, nahm er die Gabel in den Mund, um die restlichen Stücke Obst zu essen. »Wärst du denn gern die Favoritin?«, fragte er nun und kaute weiter auf den Stückchen herum, während er sie ununterbrochen musterte.
»Nein«, kam es leise, aber entschieden aus Lilithas Mund. »Ich möchte nicht Die Favoritin sein. Ich möchte generell kein Teil dieses Systems sein«, fügte sie hinzu und griff nach einigen kleinen belegten Brotscheiben. »Dann hätte ich nur noch mehr Angst, so zu enden, wie Chiana.«
Als wäre Lilitha das Unterhaltungsprogramm schlechthin, beobachtete Kaden sie beim Essen. Wie sie in das Brot hineinbiss und dann nachdenklich darauf herumkaute.
»Zu viel Angst ist ungesund. Ich hab das Gefühl, du hast vor allem Angst, was du nicht kennst«, erklärte er nachdenklich und wischte ihr einen Brotkrümel aus dem Mundwinkel.
»Nein, das stimmt nicht«, murmelte sie und schluckte dann erst das Stückchen hinunter, das sie noch immer im Mund hatte. »Aber ich habe bereits einen Vorgeschmack bekommen, wie weh es tun kann«, flüsterte sie und konnte nicht verhindern, dass ihr bei dem Gedanken, dass er sie einfach wegwerfen würde, ein Schauer über den Rücken lief.
Schon jetzt war sie von ihm abhängig. Und das nicht einmal nur von seinen Berührungen. Sie lebte hier in diesem Palast, weil er es wollte. Er hatte die Gewalt über sie. Er konnte frei entscheiden, ob sie sich frei bewegen durfte, oder ob sie wie eine Gefangene behandelt wurde. Und dabei war es egal, wie eng ihre Beziehung war. Würde sie dieser erlauben sich noch zu vertiefen, würde sie die Ketten, die sie hier hielten, nur noch verstärken. Ihm noch mehr Macht über sie geben.
»Hast du denn deine Lektion gelernt?«, fragte er nun mit eindringlicher Stimme und musterte sie bis ins kleinste Detail.
Allein sein Blick schien sie in Ketten zu legen und gab ihr das Gefühl, nackt und ungeschützt zu sein. Das Braun seiner Augen schien schon zu überraschend gewohnt für sie. Als würde sie diese Augen schon ein Leben lang kennen und sich in diesen verlieren.
Lilitha senkte den Blick. »Ist es nicht egal, ob ich in meinem Zimmer gefangen bin oder im Palast?«, fragte sie leise. Eine Gefangene blieb sie so oder so. Wobei sie lieber im Palast gefangen war, da sie dort wenigstens die Gärten betreten konnte.
Ein wenig traurig stimmte es sie schon, wenn sie daran dachte, dass sie die letzten Tage den Garten hatte nicht beobachten können, wie er sich auf den Winter einstellte. Dabei mochte sie es so gern, dabei zuzusehen, wie sich die Natur für die Kälte bereitmachte.
»Ich denke, du weißt genau, dass das relevant ist«, war alles, was er dazu sagte, ehe er den Blick abwandte.
Sie wusste es … was sollte das bedeuten? Dass sie richtig lag und er wollte damit nur seine Macht über sie demonstrieren? Wenn das wirklich der Fall war, war er in der Tat krank. Machtkomplexe waren nicht selten bei Männern seiner Stellung, doch was er tat, grenzte doch an Obsession.
»Hast du mich vermisst?«, fragte er plötzlich schmunzelnd und strich ihr erneut die Haare zur Seite, damit ihr Hals und ihre Schulter frei lagen. Dabei strich er immer wieder flüchtig mit den Fingern über ihre nackte Haut. Er fragte es so, als würde er die Antwort kennen, doch das konnte er doch nicht.
»Weiß nicht«, murmelte sie und zuckte die Schultern, während sie sich auf das Essen konzentrierte. »Vielleicht habe ich Euch ein wenig vermisst. Aber ich habe in den letzten Tagen sogar angefangen, Laura zu vermissen«, fügte sie leise hinzu und nahm sich eine Feige, die sie nachdenklich betrachtete.
Ihre Gedanken drehten sich dabei um die Träume, die sie in den letzten Nächten so oft gehabt hatte.
»Ich habe nur gehört, dass du mich vermisst hast«, fügte er leise und mit einem Schmunzeln hinzu, als er ihr die Feige aus der Hand nahm und diese ebenfalls betrachtete. »Ich habe dich jedenfalls vermisst«, gestand er nachdenklich und drehte die Feige in seiner Hand. »Möchtest du?«, wollte er wissen und hielt die Feige hoch, neben sein Gesicht. Wieder schien sein Blick diesen hungrigen Ausdruck anzunehmen. Doch es war nicht der Hunger nach Lebensmitteln.
Lilitha verzog unwillig das Gesicht. Sie kannte diesen Ausdruck und sie wusste, dass er mit ihr spielen wollte.
Kurz musterte sie ihn nachdenklich, ehe sie sich vorbeugte. Ihr Herz schlug heftig, als sie ihm immer näherkam und schließlich ihre Lippen auf seine legte. Sie spürte ein Kribbeln, das von ihren Lippen ausging und schließlich kleine Blitze, die durch ihren Körper schossen. Es war so gut, dass sie sich zwingen musste, sich zurückzuziehen und den Kuss nicht zu vertiefen. Aber sie blieb stark, löste sich wieder und lehnte sich zurück, als wäre nichts gewesen, während ihr Herz aufgeregt klopfte und ihr Atem ein wenig schneller ging.
»Ja, möchte ich«, sagte sie. Vielleicht hatte Laura doch recht und sie sollte es genießen, solange es währte?
Noch immer blinzelnd, sah Kaden sie überrascht an und leckte sich über die Lippen, ohne sie aus den Augen zu lassen. Ein leichtes Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus. Langsam senkte er den Kopf, um zu ihr hinauf zu schielen.
»Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, du möchtest mich verführen«, beschuldigte er sie mit einem gespielt bestürzten Ton. Dabei lehnte er sich, wie ein Tiger über seine Beute, über sie und nahm sie ins Visier.
Lilitha setzte einen unschuldigen Gesichtsausdruck auf. Sie wusste nicht genau warum, aber diese verdammten Tage in ihrem Zimmer sorgten dafür, dass sie das Bedürfnis hatte, ihm das Ganze heimzuzahlen.
»War es nicht das, was Ihr wolltet, Mylord?«, fragte sie und blinzelte gespielt enttäuscht. »Ich dachte, Ihr wollt eine Frau, die Eure Wünsche an den Augen abliest. Ich bin wirklich schlecht darin, das müsst Ihr mir verzeihen«, erklärte sie in einer Stimmlage, die deutlich machte, dass sie ihn auf den Arm nahm.
Der Mann grinste breit und senkte den Blick ein wenig, um ihren Körper zu begutachten.
Dieser begann zu kribbeln und schien sich förmlich den nicht vorhandenen Berührungen entgegenzuräkeln.
»Ich hab dich wirklich vermisst«, wiederholte er leise und nahm ihr die Feige wieder aus der Hand, um sich diese zwischen die Zähne zu klemmen und sie auffordernd anzublicken.
Lilitha knurrte widerwillig. Es war eine Sache, ihn ein wenig zu necken, doch eine ganz andere, sich auf seine Spielchen einzulassen. Und im Moment schien er spielen zu wollen. Sie war sich noch nicht sicher, ob sie mitspielen sollte, oder nicht.
Also versuchte sie die Reaktion ihres Körpers unter Kontrolle zu bringen und wandte sich stattdessen dem Essen zu. Dann griff sie recht zielsicher nach einem kleingeschnittenen Stück Fleisch, ehe sie es mit den Fingern packte, sich in den Mund schob und die Finger mit der Soße provokant ableckte. Vielleicht hatte sie einfach zu viel Zeit mit Laura verbracht.
Doch es schien wohl zu funktionieren. Er beobachtete fast schon schmachtend ihre Gesten und biss die Feige ab, um ihr die angebissene Frucht, noch kauend, zu reichen. »Ich hab dich unterschätzt, muss ich zugeben«, erklärte er nuschelnd und kaute weiter, während er sie beobachtete.
Lilitha lächelte und beugte sich ein wenig vor, um ein Stück Feige direkt aus seiner Hand zu stibitzen.
»Ich bin in Spiellaune«, sagte sie mit einem leicht schnurrenden Unterton.
Wieder schmunzelte er und aß den Rest der Feige mit einem Bissen.
Sie wusste nicht, ob es eine gute oder schlechte Idee war mitzuspielen, doch an sich hatte Laura recht. Sie würde hier schlimmstenfalls alt werden und irgendwann sterben. Und dann auch noch ohne sich jemals auf etwas eingelassen zu haben?
Nein. So sollte sie nicht denken. Sie würde Chiana helfen und dann von hier flüchten.
»Du spielst?«, fragte er erstaunt und senkte den Blick wieder auf Lilithas Lippen. Dieser hungrige, braune Blick, den Lilitha inzwischen viel zu gut kannte, legte bei dieser alle Schalter um. Ob sie nun wollte oder nicht.
Ihr Körper sehnte sich nach seinen Berührungen, doch sie wollte ihm nicht geben, was er wollte und sie brauchte. Sie war kein leichtes Mädchen und sie wollte nicht, dass er sie so schnell als langweilig ansah.
Sie würde sich also bemühen müssen. Gleichzeitig aber fragte sie sich, ob es nicht doch besser war, wenn sie sich von ihm fernhielt. Sollte sie ihre Aussicht auf eine mögliche Freiheit aufs Spiel setzen, nur um für ein paar Jahre sein Spielzeug zu sein? Und das auch nur im besten Fall. Sie wusste es nicht. Lilitha sollte überhaupt nicht gezwungen sein, eine solche Entscheidung treffen zu müssen!
Eisig ignorierte sie seine Frage und nahm sich einen kleinen Strang Trauben in die Hand.
»Ich hätte nicht gedacht, dass du … sowas kannst«, gestand er leise und lehnte sich wieder zurück, um sie nachdenklich zu mustern.
Erneut ignorierte sie seine Worte und aß einige Trauben, während sie überlegte. Natürlich gab es einige Vorteile, die sie hatte, wenn sie hier in diesem Palast blieb. Es war gemütlich, sie wurde versorgt und sie hatte so viel Freizeit, wie man sich nur wünschen konnte.
Lilitha lehnte sich nachdenklich zurück und stöhnte leise auf, als ein Schmerz durch ihren Rücken zuckte.
Kaden runzelte überrascht die Stirn bei dieser Geste und musterte sie skeptisch. »Was ist los?«, fragte er mit einem besorgten Unterton und setzte sich auf, um auf ihre Antwort zu warten.
Lilitha streckte sich ein wenig. »Ach, nichts Wichtiges«, murmelte sie und hoffte, dass ihr das Dienstmädchen einfach nur einen Nerv eingeklemmt hatte und nicht mehr. Oder sollte sie die Vorlage des Themenwechsels nutzen? Allerdings wollte sie nicht, dass das Dienstmädchen Ärger bekam.
»Das sieht mir nicht nach Nichts aus«, warf er bedenklich ein und blickte ihr ungläubig entgegen. Wenn auch schleichend, rückte er dichter zu ihr und streichelte ihre, noch entblößte, Schulter.
War er wirklich besorgt um sie? War ihr Welpenschutz nicht bereits abgelaufen? Vielleicht lag ihm ja doch etwas an ihr … oder er wollte sie einfach nur anfassen, was durchaus nicht unwahrscheinlich war.
Lilitha schluckte und streckte sich noch ein wenig, in der Hoffnung, die Verspannung zu lösen. »Ich bin nur ein wenig verspannt«, meinte sie schließlich ausweichend und versuchte eine angenehme Position zu finden. Es war ganz gut, dass sie hier in dieser Ecke voller Kissen saßen und nicht auf den Stühlen. So war es nicht ganz so unangenehm.
Er beobachtete ihre Regungen geradezu genau und strich ihr wiederholt durch das offene, rote Haar.
»Soll ich dich massieren? Schließlich wäre ich dir das schuldig«, bot er zu ihrer Überraschung an. Es hätte sie nicht überraschen sollen, da er wohl keine Gelegenheit ausließ, um sie zu betatschen.
»Könnt Ihr das denn?«, fragte Lilitha skeptisch und musterte ihn nachdenklich. Die Vorstellung, dass er sie massierte, gefiel ihr irgendwie. Trotzdem war sie sich nicht sicher, ob er das wirklich konnte.
»Vielleicht nicht so gut wie du, aber ich bin sicher nicht unfähig«, lachte er leise und küsste sie sanft auf die Schulter.
Die Berührungen seiner Lippen waren so zärtlich, dass Lilitha beinahe dahingeschmolzen wäre. Dennoch blieb sie stark und ließ sich nichts anmerken. Stattdessen war sie schon wieder gefangen, in diesen dunklen, braunen Augen, die sie vollkommen für sich einnahmen. Sie fühlte sich so gefangen, dass sie nicht anders konnte, als zu nicken. Wie würde es sich wohl anfühlen, wenn er sie so berührte? Würde es genauso sein, wie bei dem Dienstmädchen, oder intensiver? Intimer?
Er schmunzelte und stand auf, um ihr zu deuten, sich hinzulegen. »Dann musst du dich aber ausziehen«, erklärte er ihr und tat so, als hätten sie keine Wahl. Als wäre es nicht seine Schuld, sondern eine unausgesprochene, unumgängliche Regel. Doch sein schelmisches Grinsen sagte etwas anderes.
Lilitha verdrehte die Augen. »Na gut, meinetwegen«, murmelte sie und öffnete die Knöpfe ihres Kleides, ehe sie es zu Boden gleiten ließ. Darunter trug sie zum Glück ein Unterkleid. Ihre goldenen Augen ruhten dabei abwartend auf dem Highlord. Sie war wirklich neugierig, was jetzt passieren würde.
Für einen Sekundenbruchteil huschten seine Augen über ihren Körper, als hätte er gehofft, dass sie es nicht gemerkt hatte. Doch das hatte sie. Er räusperte sich kurz, um ihr zu deuten, sich hinzulegen.
Verwundert über diese Reaktion, ließ sich Lilitha auf dem Boden nieder.
Der Teppich, der in dieser Sitzecke ausgelegt war, war wunderbar weich und schmiegte sich an ihre Brüste. Es fühlte sich wirklich gut an.
»Dann bin ich mal gespannt«, murmelte Lilitha leise und drehte ihren Kopf so, dass sie ihn ansehen konnte.
Mit einem Schmunzeln zog er seine Jacke aus und warf sie neben Lilitha auf den Boden. Nun trat er aus ihrem Blickfeld und wenig später bemerkte sie sein Gewicht, das sich auf ihre Oberschenkel unter ihrem Hintern setzte. »Ich habe leider keine Öle, aber ich könnte welche holen lassen, wenn du das möchtest«, bot er ihr mit rauer Stimme an, als sich plötzlich angenehm warme Hände sanft auf ihr Steißbein legten.
Sie spielte sogar kurz mit dem Gedanken, sich ihres Nachthemdes zu entledigen, doch das war vermutlich genau das, was er wollte. Also genoss sie einfach die Berührung und schloss die Augen. »Nein, ich denke, das wird nicht nötig sein«, murmelte sie und wartete gespannt darauf, wie der Highlord sie berühren würde. Sanft und zärtlich oder doch bestimmt und entspannend?
Auch wenn es eher ersteres zu sein schien, traf ab und an auch die zweite Beschreibung darauf zu. Immer wieder wechselte er zwischen den beiden Phasen hin und her.
Bei den bestimmten Stellen fühlte es sich fast so an, als würde er ihren kompletten Körper unter seiner Kontrolle haben. Doch wenn er danach die zarten Berührungen wieder vornahm, senkte sich eine angenehme Gänsehaut über ihren kompletten Körper.
Als seine Hand dann auch noch sanft über ihre Seiten glitt und ihre Brüste streifte, drohte sie fast schon, sich leicht unter ihm zu winden. Ihr Körper schien in Flammen zu stehen und sich gleichzeitig trotzdem vollständig zu entspannen. »Das machst du toll, Kaden«, murmelte sie und genoss seine Berührungen sichtlich.
Er hielt kurz inne, als sie seinen Namen aussprach, doch dann massierte er wieder weiter.
»Ich mag es, wenn du mich so nennst«, gestand er und knetete gerade ihre Schultern durch.
Lilitha hörte fast gar nicht zu, sondern genoss einfach nur die Berührungen, die ihren Körper zum Kribbeln brachten. Sie wollte mehr davon und nicht nur auf ihrem Rücken. Sie wollte ihn überall spüren.
Gedanklich stellte sie sich vor, wie er sich hinunterbeugte und ihren Rücken küsste, doch diese Vorstellungen verbannte sie sofort wieder.
Das war nicht in Ordnung. Stattdessen stellte sie eine Frage, die ihr schon lange auf der Zunge brannte. »Wo habt Ihr gelernt, so zu massieren?«, wollte sie wissen und ging absichtlich wieder auf Distanz, um ihn ein wenig zu ärgern.
Er zuckte leicht die Schultern und fuhr nun über ihre Arme. »Ich habe mir das von dir abgeguckt«, gestand er und kraulte sanft ihre Arme.
Lilitha runzelte verwirrt die Stirn. Einige Bewegungen womöglich, doch nicht alles. »Das glaube ich Euch nicht«, murmelte sie. »Dazu seid Ihr zu gut«, seufzte sie ergeben und genoss einfach, wie seine Finger über ihre Haut glitten und dafür sorgten, dass sie sich vollends entspannte.
Sie konnte wirklich niemandem erzählen, dass der Highlord sie massiert hatte. Noch ein Geheimnis zwischen ihnen. Es wurden immer mehr.
»Die Frauen wollen immer Geschichten hören, was ich mit Euch gemacht habe, wenn wir allein sind. Ich weiß nie, was ich ihnen erzählen soll. Das meiste werden sie nicht glauben und das andere darf ich nicht erzählen«, murmelte die Rothaarige vor sich hin.
»Du kannst ihnen erzählen, was du möchtest«, schlug Kaden nun vor und begann ihre Seiten entlangzukraulen. »Ich werde ihnen jedenfalls nichts erzählen«, nuschelte er, als Lilitha plötzlich seine Lippen in ihrem Nacken spürte, welche begannen sie zu liebkosen.
»Hm, ich will ihnen gar nichts erzählen«, murmelte sie und genoss seine Küsse. »Aber sie haben so ein festgefahrenes Bild von Euch, dass ich mich manchmal frage, ob wir von der gleichen Person sprechen«, grummelte sie seufzend.
Mit einem Seufzen unterbrach Kaden die Küsse und rutschte von ihr runter, um sich neben Lilitha auf den Rücken zu legen. »Ja, das habe ich bereits befürchtet«, murmelte er widerwillig und drehte den Kopf zur Seite, um die Rothaarige ansehen zu können.
Lilitha erwiderte seinen Blick. »Warum bist du zu mir so anders?«, fragte sie geradewegs heraus. War das seine Art, sie zu verführen? Weil der übliche Weg nicht funktionierte?
Kaden schmunzelte und strich ihr durchs Haar, während er sich zu ihr auf die Seite drehte. »Besondere Frauen, verdienen besondere Behandlungen«, flüsterte er mit sinnlicher Stimme und neigte sich nach vorn, um ihr einen flüchtigen Kuss auf den Mundwinkel zu geben.
»Sagt Ihr das zu Jeder, die Euch erst ablehnt?«, fragte sie, auch wenn sie sich nicht vorstellen konnte, dass es viele Frauen gab, die Nein sagten.
Verträumt schüttelte er den Kopf und rutschte näher zu ihr. »Wieso denkst du sowas?«, fragte er leise und legte einen Arm auf ihren Rücken, um sie zu kraulen und zu streicheln.
»Weil ich versuche, Euch zu verstehen«, erwiderte Lilitha verdrießlich.
»Solange du nicht die Meinungen der anderen übernimmst«, nuschelte er ein wenig unsicher und schloss die Augen, ohne in seinen Berührungen innezuhalten.
Eine merkwürdige Aussage von einem Herrscher, der über seinen Harem sprach. Sollte er nicht eigentlich von seinen Frauen angebetet werden? Und sie sprachen ja auch überhaupt nicht schlecht von ihm. Oder besser gesagt, war es Ansichtssache. Laura schien den Highlord von früher eher zu mögen. Der, der sich gern mal gehen ließ und fast nur im Harem zugange war.
»Warum? Gefiel Euch Euer altes Ich nicht?«, wollte sie wissen und streckte sich ein Stück, damit er sie auch an anderen Stellen streicheln konnte. Kaden grinste bei dieser Geste, die er offensichtlich als Einladung aufnahm und rutschte wieder ein Stück dichter zu ihr, um sich an sie zu kuscheln.
»Ich bereue nichts, falls du das meinst«, murmelte er und bettete sein Gesicht genau neben ihrem, auf dem weichen Teppich.
»Warum dann dieser Sinneswandel?«, wollte sie leise wissen und blickte ihn aus ihren goldenen Augen fragend an.
»Du denkst zu viel«, stellte er fest und zog sie beängstigend leicht auf die Seite an seine Brust. Bevor Lilitha überhaupt rebellieren konnte, drückte er bereits seine Lippen an ihre und sorgte dafür, dass sie ihre Aussage vergaß.
Lilitha schloss genießerisch die Augen. Vielleicht hatte er recht und sie dachte zu viel. Vielleicht sollte sie mehr genießen. Vielleicht log er ihr aber auch nur etwas vor und wollte sie ablenken, weil sie einen wunden Punkt getroffen hatte. Das wiederum brachte sie auf den Gedanken, wo er das letzte Mal abgeblockt hatte … er war einsam. Warum sonst hätte er damals so reagieren sollen, als sie ihm sagte, er sei immer allein.
»Hättet Ihr Lust auf einen Spaziergang im Garten?«, wollte Lilitha leise wissen und wusste selbst nicht genau, warum sie das fragte. Aber sie wollte seine Gesellschaft noch ein wenig genießen, ohne dass die Gefahr bestand, dass er sie womöglich noch zu Dingen brachte, die sie nicht wollte.
Kaden, der sie gerade wieder küssen wollte, hielt inne und blickte aus halb gesenkten Lidern auf sie herab. »Hast du Angst?«, fragte er leise und leckte sich, bei dem Anblick den sie bot, über die Lippen.
»Ja«, murmelte sie in leiser Zustimmung und fühlte sich erwischt. Er hatte schon recht. Ein wenig Angst war auch dabei. Aber aus vielerlei Gründen. Nicht nur aus denen, die er vielleicht annahm.
Nach einem kurzen Kuss auf ihre Unterlippe richtete er sich wieder auf und reichte ihr eine Hand, um ihr aufzuhelfen. Schluckend nahm sie diese entgegen und kam mit Schwung wieder auf ihre Beine.
»Du solltest dich vielleicht anziehen, wenn wir rausgehen«, schlug er schmunzelnd vor und blickte an ihr hinab. Das Kleid war so verrutscht, dass es einen guten Ausblick auf einige nackte Hautstellen gab und Lilitha schluckte, ehe sie ihr Unterkleid richtete.
Kaden hatte derweil das Kleid vom Boden aufgehoben, um es ihr zu reichen, damit Lilitha sich anziehen konnte. Zögerlich schnappte sie sich das Stück Stoff und schlüpfte hinein, als wäre nichts gewesen.
»Hier. Es ist kalt draußen«, sagte er und hielt der Vampirin seine Jacke entgegen.
Lilitha blickte das Stück Stoff zögerlich an. »Danke«, murmelte sie und griff vorsichtig danach. Irgendwie wusste sie nicht, ob es gut und richtig war, wenn sie seine Jacke anzog. Würde ihm dann nicht kalt werden? Und was würden die anderen, die sie sahen, denken?
Anstatt Lilitha die Jacke zu überlassen, hielt er sie offen vor ihr, damit sie problemlos hineinschlüpfen konnte. Der einzigartige Geruch des Highlords stieg ihr augenblicklich in die Nase und umhüllte sie.
»Du hast wirklich schönes Haar«, murmelte er, als er ihre Haare hinter dem Kragen hervorzog und sie an ihrem Rücken hinab fallen ließ.
Lilitha wurde bei dieser Aussage ein wenig rot und schaute zu Boden. »Danke«, nuschelte sie leise, weil sie nicht so gut mit Komplimenten umgehen konnte.
Vermutlich fand er das auch wieder lustig. Sie trug wohl mit jedem Atemzug nur zu seiner Unterhaltung bei. Nur leider wusste er scheinbar geradezu genau, welche Knöpfe er bei ihr drücken musste, um bestimmte Reaktionen hervorzurufen.
Schmunzelnd trat er neben sie und hielt ihr seinen Arm entgegen. Das sorgte dafür, dass sie sich erneut unwohl fühlte und sich am liebsten aus der ganzen Sache herausgewunden hätte. Doch sie hatte diesen Spaziergang angeregt. Also sollte sie auch mitmachen.
Nur zögerlich legte sie ihre Hand auf seinen Arm, damit er sie führen konnte. »Hast du ein bestimmtes Ziel?«, fragte er neugierig und blickte geradeaus, um die Türen zu öffnen.
Die widerhallenden Schritte, die von den Hallen kamen, ließen den Palast noch leerer wirken, als er eigentlich war.
»Ich möchte etwas die Natur genießen, nachdem ich sie so lange nicht genießen konnte«, sagte Lilitha leise und lächelte ein wenig schüchtern.
»Du warst doch heute mit Chiana draußen, dachte ich«, gab er zu bedenken und steuerte direkt den großen Ausgang an, der bereits frischen Wind in Lilithas Gesicht blies. Den konnte sie jedoch überhaupt nicht genießen. Woher wusste er, dass sie mit Chiana draußen war? Wusste er womöglich auch von dem Mittel, welches sie herstellen sollte? Hatte er sie deswegen zu sich bestellt? Nein, das war unmöglich.
»Ja, ich habe ja auch viel nachzuholen«, sagte sie und versuchte sich an einem kleinen Lächeln. Es war nicht so gut, wenn sie sich so fertigmachte. Immerhin hatte sie die paar Kräuter bekommen, die sie noch aus dem Essen gebraucht hatte.
»Wenn du möchtest, können wir auch mal wieder in die Stadt. Also ohne dieses ganze Trara. Bei Nacht sind die Märkte wirklich wunderschön«, erklärte er in einer Tonlage, die schon ans Schwärmen grenzte.
Die Vorstellung, mit ihm über den nächtlichen Markt zu schlendern, der mit kleinen Lichtern erhellt war, bereitete ihr tatsächlich ein schönes Gefühl. Doch vermutlich war es nur eine weitere Methode, sie einzuwickeln. Aber es war eine, die ihr gefiel.
Sie hatte viele Geschichten von den anderen Frauen gehört, doch das, was sie gerade erlebte, grenzte schon an einen der Liebesromane, die sie in ihrem Zimmer stehen hatte.
Hatte sich der Highlord jemals so viel Mühe für andere Frauen gemacht? Soweit sie wusste nicht. Das sollte ihr zu denken geben, doch stattdessen machte es sie irgendwie glücklich, auch wenn sie wusste, dass sie sich nichts darauf einbilden sollte.
»Denkt Ihr nicht, das wäre zu gefährlich?«, fragte sie leise. Eigentlich wollte sie, aber gleichzeitig wollte sie ihm auch keine weitere Gelegenheit geben, sie um den Finger zu wickeln. Auch wenn er dafür immer weitere Möglichkeiten zu finden schien.
Er lachte leise über diese Bemerkung, als sie beide schon den dunkeln Garten betraten. »Ohne, würde es ja auch gar keinen Spaß machen«, flüsterte er ihr zu und verengte verschwörerisch die Augen.
Das brachte Lilitha zum Lachen.
Es war schwer zu glauben, dass sie mit dem Highlord, dem größten Oberhaupt der Vampir-Dynastien, gerade einen Spaziergang durch die Dunkelheit des Palastgartens machte. Er wirkte viel zu verspielt, um ein so starker, grausamer und geradliniger Herrscher zu sein, wie ihm nachgesagt wurde.
Er stimmte leise in ihr Lachen ein und senkte den Blick, während sie weiterhin dem Pfad folgten. »Es ist einfach angenehmer, unbemerkt die Stadt zu erkunden. Wären wir von den Pferden runtergestiegen, hätten wir keine zwei Schritte laufen können, ohne angesprochen zu werden«, seufzte er und kratzte sich mit der freien Hand am Hinterkopf. »Wenn ich mit dir rausgehe, möchte ich mich auch mit dir unterhalten können. Oder dich vielleicht sogar küssen, ohne dass gleich das Gerücht durch die Stadt geht: Der Highlord habe heimlich geheiratet.«
Lilitha blinzelte. Ja, eine Hochzeit wäre das Einzige, was das hier erklären würde. Doch das war unmöglich. Niemals würde der Highlord eine Haremsfrau heiraten. Zumindest nicht als seine erste Frau.
»Der Highlord zu sein hat scheinbar auch eine Menge Nachteile«, murmelte Lilitha, weil sie nicht genau wusste, was sie sonst sagen sollte.
»Nur Nachteile würde es wohl eher treffen«, korrigierte er augenrollend und trat einen Stein zur Seite. »Ich glaube, ich hätte es vielleicht einfacher gehabt, hätte ich damals meinen Tod vorgetäuscht und einem der anderen Söhne den Platz überlassen«, murmelte er in Gedanken versunken und hielt seine offene Hand vor Lilitha.
Sie hatte sich doch bei ihm untergehakt, doch anscheinend hatte er sich gerade umentschieden. Zögerlich griff sie danach und legte ihre Hand in seine, nur um zu schauen, was er tun würde.
»Ihr besitzt einen Palast, einen Harem und jeder sieht zu Euch auf. Ihr gebt die Befehle und was Ihr wollt, bekommt Ihr auch«, murmelte Lilitha. »Was gefällt Euch daran nicht?«
Er schloss seine Finger um ihre und ließ ihre beiden Hände zwischen sich und Lilitha baumeln, als wäre es das Normalste der Welt. Und dennoch begann Lilithas Herz zu flattern, während sein Daumen über ihren Handrücken strich.
»Vielleicht die Zielscheibe, die ich auf meinem Rücken trage?«, lachte er leise, als wäre das offensichtlich.
»Ihr habt doch eine Menge Wachen und hier im Palast seid Ihr sicher, oder nicht?«, fragte sie vorsichtig und ließ sich von der plötzlichen Zärtlichkeit nicht aus dem Konzept bringen. Das hier fühlte sich so angenehm an. Anders, als sie es jemals von ihm erwartet hätte. Er war nicht mehr der Highlord, sondern einfach ein junger Vampir, der um eine Frau warb.
»Mag sein. Aber man weiß nie, wer Freund oder Feind ist. Abgesehen davon, gehört mehr zum Leben, als nur tagein, tagaus dieselben Mauern anzustarren«, erklärte er und schielte beiläufig zu der Rothaarigen.
Ja, das hatte sie gemerkt. Allein der Harem war ihr schon zu einseitig. Doch in ihrem Zimmer eingesperrt zu sein, machte es nur noch schlimmer. »Ihr habt wenigstens die Freiheit, in die Stadt zu gehen, wenn Euch danach ist«, murmelte sie leise und konzentrierte sich auf die Geräusche der Nacht und die Nachtluft, um sich etwas zu beruhigen.
Sie wollte ihn fragen, warum er für sie diese Strafe gewählt hatte und keine andere, doch sie brachte es nicht über sich. Irgendetwas hinderte sie daran. Vielleicht auch die Tatsache, dass sie Angst vor der Antwort hatte.
»Nur für Rundgänge, um dem Volk zu zeigen: Hier bin ich. Wüsste Sergej, dass ich mich auch so in die Stadt schleiche, würde er den Ausgang vermutlich sogar abriegeln lassen«, grummelte er widerwillig und drückte einmal kurz Lilithas Hand. Auch, wenn es sich überraschenderweise richtig anfühlte, so hatte sie doch Angst davor, von unerwünschten Augen beobachtet zu werden.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass er damit durchkommen würde«, murmelte Lilitha. »Wenn Ihr es ihm befiehlt, kann er Euch gar nichts tun. Aber auch ohne seine Erlaubnis dürft Ihr dorthin gehen, wo Ihr hin wollt. Niemand würde Euch aufhalten«, erklärte Lilitha und blickte in die Dunkelheit, als könnte sie darin mehr sehen, als ein paar Meter in alle Richtungen.
»Könnte ich«, stimmte er ihr mit einem knappen Nicken zu. »Doch dann würde man mich für leichtsinnig halten, ohne Eskorte in solche Gegenden zu gehen. Das Volk steht hinter mir, weil sie denken, ihr Herrscher wäre kühn und täte alles, um die Dynastie am Laufen zu halten. Nicht, dass er sich unbemerkt in der Stadt rumtreibt und Obst kauft.«
Lilitha schüttelte ein wenig den Kopf. »Ich denke, das würde Eurem Ruf nicht schaden. Ein Herrscher, der durch die Stadt läuft, zeigt auch, dass er seinem Volk vertraut. Gleichzeitig zeigt er auch, dass er genug Kraft hat, um sich ohne ein Heer zu verteidigen«, erklärte die Rothaarige. »Ihr mögt stark sein, doch Euer Volk denkt, Ihr würdet Euch hinter Euren Mauern verstecken.«
Er runzelte nachdenklich die Stirn, als hätte er es noch nie aus dieser Perspektive betrachtet. »Lockt das nicht erst Attentäter an? Wenn sich das rumspricht, mischen sich immer mehr feindliche Leute unter das Volk. Noch dazu, würden sie mich nicht einfach so durch die Stadt laufen lassen. Jeder zweite würde mich ansprechen, so wie sie es auch tun, wenn ich offiziell in der Stadt bin.«
»Es lockt Attentäter nur an, wenn sie denken, Ihr wärt eine leichte Beute. Und was das Volk betrifft: Je normaler es für sie ist, Euch dort zu sehen, desto weniger werden sie Euch ansprechen. Stellt Euch vor, Ihr würdet jeden Tag durch die Stadt gehen. Anfangs würden alle kommen und etwas von Euch wollen, doch irgendwann würde es zu einem normalen Ereignis werden, wie alles andere auch«, prophezeite Lilitha und schien mit ihren Gedanken weit in der Zukunft.
Kaden drehte sein Gesicht Lilitha zu, um sie anzusehen und musste, bei dem Anblick, den sie bot, lächeln. In Gedanken versunken, in einer Zukunft, die sie für ihn erschuf. »Ich finde leider nicht so viel Zeit, um in die Stadt zu gehen«, gestand er und zog ein wenig an Lilithas Hand, damit sie dichter neben ihm lief.
»Ihr habt wirklich sehr viel zu tun«, stimmte sie ihm, noch immer in Gedanken versunken, zu. Da sie einen Tag mit ihm erlebt hatte, hatte sie eine Vorstellung davon bekommen, was er alles tun musste. Und es war einer der Tage gewesen, der nach seinen eigenen Aussagen, eher ruhig verlaufen war.
»Für dich würde ich mir die Zeit nehmen«, warf er jedoch ein und kam langsam zum Stehen, um Lilitha ebenfalls zum Anhalten zu bringen. »Wenn du denn Zeit mit mir verbringen möchtest«, fügte er widerwillig hinzu und zog sie ein Stück weiter zu sich, bis sie vor ihm zum Stehen kommen musste. Nun blickte er ihr auffordernd in die Augen und schien auf eine Antwort zu warten.
Lilitha hingegen versuchte ihren Blick abzuwenden, doch Kaden griff nach ihrem Kinn und drehte so ihr Gesicht wieder zu sich. »Ja und nein«, gestand sie leise. »Ich verbringe gern Zeit mit Euch, doch ich glaube, Ihr erhofft Euch davon zu viel.«
Er trat einen Schritt näher auf sie zu und hielt ihren Blick mit seinen braunen Augen gefangen, als wäre sie in Ketten gelegt.
»Und was erhoffe ich mir?«, fragte er und schien sich unwissend zu stellen. Jedoch nicht sonderlich gut.
»Ich weiß nicht warum, aber ich scheine Euch irgendwie zu faszinieren und Ihr versucht, mit mir zu spielen, um mich in Euer Bett zu holen«, erklärte Lilitha mit belegter Stimme und konnte ihren Blick einfach nicht abwenden.
Kurz zuckten seine Augenbrauen, als er den Kopf minimal neigte und sie musterte. »Du denkst, ich nutze dich aus«, fasste er nach einer Weile zusammen und blickte sie fragend an.
Obwohl es nach einer Feststellung klang und es eigentlich keine Frage sein sollte, da es offensichtlich war, tat er dennoch so, als wäre diese Erkenntnis vollkommen neu für ihn.
»Ihr spielt mit mir«, sagte sie zustimmend. »Ihr nutzt mich für Eure Unterhaltung, wenn Euch danach ist«, murmelte sie weiter. »Ich habe dabei keinerlei Entscheidung. Ich bin eine Eurer Haremsdamen. Wir stehen Euch zur Verfügung, sobald Ihr uns wünscht. Unabhängig davon, ob wir es gerade wollen, oder nicht.«
Als Lilitha plötzlich bemerkte, wie der Kiefer des Highlords mahlte, bekam sie ein ungutes Gefühl. Hatte sie etwas Falsches gesagt? »In Ordnung«, knirschte er. Ruckartig ließ er von ihrem Kinn ab und löste auch seine Hand von ihrer. »Wenn das so ist, darfst du dich jetzt gern zurückziehen«, kam es ihm überraschend kühl über die Lippen, während er sich von ihr abwandte.
Lilitha schluckte und war schon drauf und dran sich herumzudrehen und wirklich zu gehen, als sie innehielt und noch einmal nachdachte. Dann meinte sie ganz leise: »Das wäre nicht richtig, denn ich war diejenige, die Euch gefragt hat, ob Ihr mit mir spazieren geht.« Sie riskierte gerade sehr viel, doch sie hatte sich entschieden es einfach zu versuchen. »Wenn Ihr Eure Zeit nicht mit mir verbringen wollt, dann ist das in Ordnung und ich setze meinen Weg allein fort. Aber ich werde mich nicht von Euch wegschicken lassen.«
Sie konnte sehen, wie er sich mit einem enttäuschten Kopfschütteln von ihr abwandte. »Ich zwinge niemanden, mich zu mögen«, zischte er. Auf eine merkwürdige Art und Weise war sie froh, dass er ihr den Rücken zugewandt hatte, aus Angst diese Wut auf sich zu leiten, wenn sie nicht schon auf sie gerichtet war.
Was sie wohl war. Immerhin hatte sie diese ausgelöst. »Nein, das habe ich auch nie behauptet«, erklärte Lilitha sanft und ging in die Hocke, um einen, der mit Raureif überzogenen Farnwedel sanft vom Weg zu schieben, damit niemand darauf trat. »Aber wenn Ihr Lust auf Gesellschaft habt, könnt Ihr einfach eine Eurer Frauen zu Euch rufen lassen. Doch wenn eine der Frauen Euch gern sehen möchte, ist sie gezwungen darauf zu warten, dass Ihr sie zu Euch ruft. Das ist nicht gerade fair«, sagte sie und bezog sich absichtlich auf den gesamten Harem, auch wenn sie eher aus ihrer Sicht sprach.
Angestrengt rieb er sich die Nasenwurzel und zwang sich, die Augen geschlossen zu halten. »Du musst dich nicht vor mir rechtfertigen. Ich hab es schon verstanden«, knirschte er und schien deutlich Mühe zu haben, sich aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen zusammenzureißen.
Lilitha verstand nicht so recht, wieso er jetzt auf einmal so gereizt reagierte. Noch dazu sagte er zwar, er habe es verstanden, doch er schien etwas anderes auszustrahlen.
»Ich habe nicht versucht mich zu rechtfertigen«, erklärte Lilitha und setzte langsam und gemächlich ihren Spaziergang fort. »Ich habe lediglich die Dinge erklärt, wie sie liegen. Oder wollt Ihr mir erzählen, dass ich nur nach Euch fragen müsste und ich hätte die Möglichkeit zu Euch zu kommen, wenn mir danach wäre?«, sagte sie und da sie schon ein kleines Stück gelaufen war, drang ihre Stimme recht leise an Kadens Ohr. Dennoch verstand er sie deutlich.
»Wenn du mich gefragt hättest«, murmelte er nur und holte tief Luft, ehe er binnen Sekunden zu Lilitha aufschloss und nach ihrem Handgelenk griff, damit sie anhielt und ihn ansah. »Wieso bist du so zu mir?«, fragte er fast schon verzweifelt und hatte Mühe den Blick auf sie gerichtet zu halten.
Lilitha blinzelte überrascht. Noch nie hatte sie den Highlord so gesehen. Er schien doch immer so selbstbewusst und unnahbar. Doch jetzt glich er eher einem verlorenen Bettler, der die Welt nicht mehr verstand.
»Ich mag Euch wirklich, aber ich werde niemals sein, wie die anderen Frauen«, sagte sie und blickte ihn an, auch wenn es ihr schwerfiel. »Ihr seid es gewohnt, dass man Eure Befehle befolgt und die Frauen Euch zu Füßen liegen. Dass sie tun, was Ihr wollt, um eine höhere Stellung zu erlangen. All das bemerkt man sofort, wenn Ihr mit anderen sprecht. Ich respektiere Euch als Highlord und ich schätze Eure Gesellschaft, wenn Ihr einmal nicht der Herrscher seid. Aber ich werde nicht mit mir spielen lassen, nur weil es Euch gerade Vergnügen bereitet. Ihr seid der Highlord und damit werden wir nie auf Augenhöhe sein. Nicht einmal, wenn wir die Titel weglassen und uns nur als Mann und Frau betrachten«, erklärte sie. »Ich bin hier eine Gefangene und während Ihr von mir alles fordern könnt, was Ihr wollt, bin ich nicht einmal in der Lage, Euch einen Tee in Euer Arbeitszimmer zu bringen, wenn Ihr es nicht gerade angeordnet habt.« Was sie versucht hatte, als sie noch ein Dienstmädchen war. Der Tee hatte ihn nur beruhigen sollen, weil er so aufgebracht gewesen war, als er von einer Konferenz zurückgekehrt war. Damals hatte er Chiana ein wenig Angst gemacht und die Schwarzhaarige hatte sich Sorgen um ihn gemacht. Doch die Wachen hatten Lilitha nicht einmal in den Gang gelassen, in dem sein Arbeitszimmer lag. Und wahrscheinlich wusste er nicht einmal, dass sie da gewesen war.
Er hielt inne und sah ihr geradewegs in die Augen. Verzweiflung. Ratlosigkeit. Ein wenig Wut. So viele Emotionen spiegelten sich in diesem Augenblick in dem unendlichen Braun seiner Augen. »Ich will doch überhaupt nicht, dass du bist wie die anderen, aber …«, setzte er unbeholfen, jedoch noch immer gereizt, an.
Er rang nach den richtigen Worten, doch einfallen wollte ihm einfach nichts. Alles in seinem Kopf schien falsch und er schien auch nur zu hören, dass Lilitha sich gezwungen fühlte, sich mit ihm abzugeben, auch wenn das nicht der Wahrheit entsprach. Nach einigen Sekunden stieß er angestrengt die Luft aus und schloss frustriert die Augen.
Manchmal war es vermutlich besser, einfach nichts zu sagen.
»Wenn es Euch wichtig ist, schlaft eine Nacht darüber. Vielleicht versteht Ihr dann, was ich meine«, murmelte sie und betrachtete die Blätter eines Busches, der unter der Reifschicht schlummerte. Dabei schälte sie sich vorsichtig, aber bestimmt aus seinem festen Griff. »Wenn nicht, dann ignoriert das Geschwätz eines Straßenmädchens«, flüsterte sie, als würde sie mit dem Busch reden, über dessen Blätter sie sanft strich.
Irgendwo in der Nacht war der Laut einer Eule zu hören, der jedoch durch die Dunkelheit klang, als würde er von überall herkommen.
»Du bist mir wichtig«, murmelte er und beobachtete ihre Bewegungen aus der Ferne.. Er holte einmal tief Luft, ehe er fortfuhr: »Und gerade das macht es so schwer.«
Seine Stimme war fast schon so leise, dass Lilitha hätte meinen können, er würde mit sich selbst sprechen. Vielleicht tat er das auch. Doch die Vampirin konnte deutlich spüren, wie er seinen braunen Blick von ihr abwandte, ehe sie hörte, wie sich seine Schritte langsam, wenn auch zögerlich, von ihr entfernten.
Das versetzte ihr einen Stich, doch vielleicht war das auch gut so. Seine Worte hatten sie in eine Wärme gehüllt, die nun langsam wieder der harten Realität wich. Es wurde Zeit, dass sie sich selbst wieder ermahnte, dass er der Highlord war. Es war egal, was er sagte. Die Dinge, die Lilitha angesprochen hatte, stimmten. Sie wollte eine gleichberechtigte Beziehung und das würde sie hier nie bekommen. Sie wäre immer nur das Spielzeug für ihn.
Chiana hatte damit keine Probleme und die Rothaarige erinnerte sich daran, dass sie dieser auch noch helfen wollte. Aber wahrscheinlich war es besser, wenn sie sich jetzt zurückzog und morgen mit dem Kräutertrank anfing. Sie musste wahrscheinlich ein wenig herumexperimentieren, weil sie nicht alle Kräuter finden konnte. Doch mit ein wenig Inspiration würde sie das schon hinbekommen. Dann würde sie endlich ihre Ruhe haben. Vielleicht hatte sie die auch jetzt schon. Ob er jetzt wohl die Nase voll von ihr hatte? Hatte er jetzt bereits genug von ihr, ohne dass sie sich ihm überhaupt hingeben musste?
Seufzend schloss Lilitha die Augen und machte sich langsam auf den Rückweg zum Harem. Es war doch recht kalt und sie wollte nicht mehr länger in dieser Jacke bleiben. Auch wenn sie am liebsten in dieser schlafen würde … Nein! Vielleicht sollte sie die Jacke einfach einem Dienstmädchen mitgeben, um sie nicht ununterbrochen vor der Nase haben zu müssen. Oder vielleicht behielt sie diese einfach an, sollte der Highlord diese nicht vermissen …
Lilitha zog die Jacke enger um sich.
Es war keine gute Idee, dem Dienstmädchen diese Jacke mitzugeben. Sie würde nur unnötige Fragen stellen, oder Dinge erzählen, die nicht stimmten. Es war besser, wenn Lilitha die Jacke versteckte und aufbewahrte. Zumindest war das die Ausrede, die sie sich selbst gab.
Mit diesem Entschluss lief sie zurück zu ihren Räumlichkeiten und machte sich für die Nacht bereit, ehe sie mit Kadens Jacke fest im Arm ins Bett schlüpfte und sich an diese kuschelte. Auch wenn sie nicht wusste wieso, doch sie brachte es nicht übers Herz, sie aus der Hand zu legen. Der Stoff war so schön weich und Kadens Duft hing ebenfalls noch an ihr.
Am liebsten hätte sie sich einem Exorzismus unterzogen. Auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollte, so musste es nun doch irgendetwas bedeuten, dass sie diese Jacke nicht mehr aus der Hand legen konnte.
Das Gespräch mit Kaden belastete sie und sie hatte wirklich Angst davor, ihn nie wiederzusehen. Denn, ob sie wollte oder nicht, sie hatte sich mit Kaden angefreundet. Wenn er nicht der Highlord war, war sie gern in seiner Nähe. Sie alberte gern mit ihm herum, lief gern durch die Stadt und unterhielt sich mit ihm. Doch nur solange er ihr keine Befehle gab und erwartete, dass sie auf der Stelle sprang.
Schniefend krümmte sie sich ein wenig unter der Bettdecke zusammen und drückte ihr Gesicht in die Jacke.
Alles, was er sagte, war lediglich temporär. Nichts, was er sagte, war von Dauer, genauso wenig wie Kaden von Dauer war. Wenn der Highlord in ihm zurückkehrte, war all das verschwunden.




























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