Kapitel 48

Verträumt strich er über Lilithas Rücken und lauschte ihrem Herzschlag, der in einem angenehmen Rhythmus gegen seine Brust schlug

Verträumt strich er über Lilithas Rücken und lauschte ihrem Herzschlag, der in einem angenehmen Rhythmus gegen seine Brust schlug.

Von allen Szenarien, die er sich ausgemalt hatte, hätte er nie gedacht, es würde so ausgehen. Besonders, da sie vor einigen Minuten noch nach ihm gekratzt und geschlagen hatte. Doch dann hatte sie ihn auch noch ins Bett eingeladen … und klargestellt, dass sie ihn nicht mit anderen Frauen sehen wollte.

Einen Anspruch, den er normalerweise nicht erfüllen konnte, aber hier würde er eine Ausnahme machen. Ob Lilitha klar war, dass sie ihm damit zu verstehen gegeben hatte, dass sie ihn nicht nur wollte, sondern auch bereit war, sich auf ihn einzulassen? Oder wollte sie, dass er vollkommen allein endete? Womöglich war es sogar so, dass sie ihn für sich beanspruchte, ohne ihm andere Möglichkeiten zu geben …

Nein … so war sie einfach nicht. Sie schien besorgt um ihn, bevor sie überhaupt alt genug war. Irgendwas musste das schließlich heißen.

Die Frage war nur, was es hieß.

Noch einmal strich er ihr durch das Haar, ehe er sich erhob. Er hatte noch viel zu erledigen, aber er würde die Dokumente aus dem Arbeitszimmer holen und sie hier bearbeiten. Er wollte nicht, dass sie allein war.

Vorsichtig hob er sie zur Seite, um sie auf der Matratze zuzudecken und ihr einen Kuss auf die Stirn zu hauchen.

Hoffentlich würde Sergej nicht allzu viele Fragen stellen.Ohne weitgehend auf sein äußeres Erscheinungsbild zu achten, wie es sonst der Fall war, lief er so leise wie möglich auf die Tür zu, um das Zimmer zu verlassen.

Er hatte kaum zwei Schritte getan, als Lilitha auch schon die Augen aufschlug und mit gesenkten Lidern traurig auf die Zimmertür starrte. War es so schlimm, dass er die erste Gelegenheit nutzte, um von ihr wegzukommen?

Sie wusste es nicht und zog die Decke enger um sich, ehe sie ihren Kopf darunter vergrub. Sein Duft war überall. Es fühlte sich so gut an, in seinem Bett zu liegen, seinen Duft zu atmen und sich eng an die weiche Bettdecke zu kuscheln. Auch wenn sie sich lieber an Kaden gekuschelt hätte, doch anscheinend hatte er Besseres zu tun.

Noch immer nahm sie den leichten Geruch von Chiana wahr, der zwar schon beinahe verflogen, aber dennoch da war.




Das verpasste ihr wieder einen Stich und machte sie eifersüchtig. Wahrscheinlich war Kaden gerade auf dem Weg zu dieser, um mit ihr zu reden. Tränen bildeten sich in ihren Augen.

Dieser Plan war so eine dumme Idee gewesen. Wahrscheinlich hatte sie sich jetzt alles kaputt gemacht, statt es zu bewahren und zu genießen.

Lilitha seufzte. Sie sollte wirklich lernen, länger über eine Sache und deren Auswirkungen nachzudenken.

Was wohl gewesen wäre, wenn sie sein Angebot von Beginn an angenommen hätte? Vermutlich hätte sie sich eine Menge Kummer und Kopfzerbrechen erspart. Andererseits hätte er dann vielleicht schon viel früher von ihr Abstand genommen.

Würde sie jetzt gleich auch von den Wachen abgeholt werden? Weil sie ihm nicht mehr genug Abwechslung bot?

Lilitha drehte sich auf den Rücken und schloss die Augen, während sie darauf wartete, was passierte.

Ein dramatischer Gedanke jagte den nächsten und Lilitha war sich sicher, dass irgendwas geschehen musste.

Sie hörte bereits die Schritte auf den Gängen, die das Zimmer des Highlords ansteuerten. Hoffentlich niemand, der nicht wenigstens auch wusste, dass sie hier war.

Die Tür öffnete sich leise und ging genauso leise wieder zu. Dann hörte sie ein leises Kratzen, als würde jemand etwas verschieben und sie traute sich in die Richtung zu linsen. Es war Kaden, der einen Stapel Papiere auf einem Tisch ablud und sich einen Stuhl davor stellte.

Mit einem frustrierten Seufzen ließ er sich auf diesen fallen und rieb sich angestrengt die Nasenwurzel. Er schien wenig begeistert von den ganzen Dokumenten, die er mitgebracht hatte.

Lilitha drehte sich auf die Seite, damit sie ihn besser beobachten konnte. Sie mochte es, auch, wenn sie ihn lieber bei sich im Bett hätte.

Bei der Bewegung, die sie machte, hob er verwundert den Blick und sah zu Lilitha. »Du bist schon wach?«, fragte er und schien sichtlich überrascht, wobei sein Blick kurz zu ihrem Hals glitt und wieder zurück zu ihren Augen. »Hast du gut geschlafen?«

»Hm«, gab Lilitha von sich. Ein Laut, der für sie so typisch war. Dann gähnte sie und zog die Decke enger an sich. Ihren forschenden Blick auf Kaden gerichtet. Er war nicht weggerannt. Er hatte sich lediglich Arbeit hierher geholt.




Kaden schmunzelte und tippte ungeduldig mit einem Stift gegen den Tisch, als würde er darauf warten, dass sich der Papierkram selbst erledigen würde. Sein Blick dabei ununterbrochen auf Lilitha gerichtet.

Diese blickte wie eine Katze auf Beutezug zurück. Dann glitt ihr Blick über den Schreibtisch, auf dem sich die Dokumente stapelten. Kein Wunder, dass er sich aus dem Zimmer geschlichen hatte. Er hatte ja eine ganze Menge zu tun! »Lass dich nicht stören«, murmelte sie und überlegte, ob sie sich umdrehen sollte, um ihn nicht abzulenken. Doch dann würde sie ihn nicht mehr sehen können …

Statt etwas zu erwidern, rutschte er mit seinem Stuhl ein Stück von dem Tisch zurück und klopfte mit der freien Hand auf seinen Schoß, während er sie erwartungsvoll anblickte.

Lilitha hob eine Augenbraue. War das sein Ernst? Er wollte das sie zu ihm kam und ihn beim Arbeiten ablenkte? Es war schon verlockend, das musste sie zugeben. Aber sollte sie wirklich?

Sie zögerte sichtlich, doch Kaden blickte sie noch immer abwartend an. Sie war es doch gar nicht gewohnt, sich ihm so zu nähern! Er hatte sie zwar schon nackt gesehen und sie auch berührt, doch es war immer von seiner Seite ausgegangen. Abgesehen von den wenigen Malen, wo sie ihn geküsst hatte. Doch das hier war etwas anderes!

Die Vertrautheit, die auf einmal zwischen ihnen herrschte, war neu für sie. Und aufregend. Also schlüpfte sie langsam unter der Decke hervor und tapste dann vorsichtig auf ihn zu und blieb abwartend vor ihm stehen.

Kaden, der zu ihr rauf blickte, grinste sie an und griff vorsichtig nach ihren Händen, um sie zu sich runterzuziehen. »Bist du gar nicht mehr müde?«, fragte er währenddessen leise, ohne den Blick von ihren goldenen Augen abzuwenden.

»Doch ein bisschen«, murmelte sie ehrlich. Aber es war viel interessanter, ihn zu beobachten, als zu schlafen. Warum es also nicht ausnutzen, wenn sie es konnte?

»Du solltest schlafen«, murmelte er, als sich Lilitha auf seinem Knie niederließ. 

Dabei schlang er die Arme fest um ihre Taille, um sie an sich zu ziehen, als würde sie jeden Moment runterfallen. Oder weglaufen.

»Wirst du da sein, wenn ich aufwache?«, fragte sie unschuldig, weil sie noch immer Angst hatte, dass er sie abschob. Und das würde wohl für immer der Fall bleiben, denn irgendwann würde er sie ersetzen. Die Frage war nur, wann.




»Versprochen«, flüsterte er, während er ihr Kinn mit den Fingern hielt und die Lider senkte, um seine Lippen auf ihre zu legen.

Auch ihre Augen schlossen sich und sie genoss den Kuss, der so sanft war, dass sie darin vergehen könnte. Allerdings war sie jetzt wacher und sie hatte noch so einige Dinge auf dem Herzen. »Was habt Ihr mit Chiana gemacht?«, fragte sie leise. Es gelang ihr einfach nicht sich vorzustellen, dass er sie tatsächlich einfach allein gelassen hatte. Nicht in ihrem Zustand.

»Ich sehe morgen nach ihr. Ich habe heute keine Zeit«, erklärte er und legte seufzend den Kopf auf ihre Schulter. »Auch wenn ich nicht wirklich Lust habe, mich mit Papier rumzuschlagen.«

»Habt Ihr niemanden, der das für Euch macht?«, fragte sie, denn das sah wirklich nach viel Arbeit aus.

»Nein«, murrte er.

Lilitha war überrascht. »Nicht einmal jemand, der es für Euch vorsortiert, damit ihr wisst, was wichtig ist und was noch liegen kann?«, fragte sie, da ihre Mutter so ihrem Vater immer geholfen hatte.

»Leider nicht. Allerdings hab ich auch noch nie darüber nachgedacht«, gestand er und hob den Blick wieder zu dem Stapel, um das oberste Blatt in die Hand zu nehmen und zu begutachten. Sein Gesicht sagte bereits alles darüber, wie viel Interesse er dafür hatte. Lilitha hatte, nach seinem Blick zu urteilen, schon befürchtet, dass er den Stapel in Brand setzen würde.

Sie nahm sich einfach eines der Dokumente und war neugierig über seine Reaktion, aber auch was darin stand. Es schien ein Finanzbericht zu sein. Eine Abrechnung an den Palast mit den gelieferten Lebensmitteln.

»Andererseits …«, machte er nun langgezogen und nahm ihr das Blatt aus der Hand, um es zurück auf den Tisch zu werfen. Mit einer schwungvollen Geste zog er Lilitha noch ein Stück weiter zu sich, damit sie ihn direkt ansah und nahm ihren Blick für sich ein. »… könnte ich auch den Papierkram auf morgen verschieben und wir unternehmen was«, schlug er vor und küsste sanft ihr Kinn.

Lilitha genoss diese Geste sichtlich. »Dann ertrinkst du morgen im Papierkram«, sagte sie vorsichtig und ahmte seine Bewegungen nach, um ihn auf das Kinn zu küssen. Jedes Mal, wenn sie seine Haut berührte, konnte sie seinen Duft wahrnehmen und spürte ein Kribbeln auf ihren Lippen. Ein Gefühl, das sie sehr genoss. Es fühlte sich gut an. »Mach es lieber heute, ich glaube sowieso nicht, dass mit mir heute viel anzufangen ist«, murmelte sie und lehnte ihren Kopf an seine Schulter.




Seufzend strich er ihr über die Wange und drückte ihr gleich einen Kuss hinterher. »Vermutlich hast du recht«, stimmte er ihr widerwillig zu und streichelte ihre Taille, um die sein Arm noch immer lag. »Ich werde mir aber heute Abend genug Zeit für dich nehmen«, versprach er und legte seinen Kopf auf ihrem ab.

»Hm. Machen wir einen Handel. Wenn du die Hälfte der Dokumente fertig hast, darfst du mich wecken, ohne dass ich dir böse bin«, erklärte sie mit einem leisen Gähnen und schmiegte sich an ihn, ehe sie die Augen schloss.

Kaden grinste breit und drückte sie einmal, ehe er sie neben sich auf den Sessel setzte, ohne dass sie von ihm abließ.

»Abgemacht«, willigte er ein und sah ihr zu, wie sie sich an seinen Arm kuschelte, ehe er das erste Blatt nahm und begann.

Wenn er eine Belohnung in Aussicht hatte, würde es ihm sicher leichter fallen.

Während er ihrem ruhigen Atem lauschte, arbeitete er die Dokumente durch und bemerkte gar nicht, wie schnell es eigentlich ging. Es war noch früher Abend, als er mit der Hälfte der Papiere endlich fertig war. Allerdings meldete sich sein Bauch und rief nach Nahrung.

Erschöpft von den ganzen Zahlen, die er durchgearbeitet hatte, lehnte er sich zurück in den breiten Ohrensessel und drehte sein Gesicht zu der, noch schlafenden Rothaarigen neben sich. Er schmunzelte bei dem süßen Anblick, den sie bot. Das Haar leicht verstrubbelt, das halbe Gesicht in seinem Oberarm vergraben und die Beine über seinen Schoß gelegt. Auf eine gewisse Art und Weise unschuldig und rein.

Sie hatte gesagt, er dürfte sie wecken, ohne dass sie sauer werden würde …, aber sie hatte nicht gesagt, wie er sie wecken durfte.

Sanft strich er mit der Hand über ihr Bein und drückte ihr kleine Küsse auf die freie Gesichtshälfte. Wie er sich erhofft hatte, begann sich ihr Gesicht in seine Richtung zu drehen und den Küssen entgegenzustrecken. Gleich einer Blüte, die nach Sonnenlicht dürstete.

Ihr Herzschlag änderte sich langsam und Kaden bemerkte, wie sie wach wurde, doch sie öffnete ihre Augen nicht. Stattdessen ließ sie sich weiter von ihm küssen. Diese indirekte Bitte ließ er sich nicht zweimal andeuten und wanderte mit seinen Lippen weiter nach unten, um ihren Hals zu liebkosen.




»Du hast den kompletten Tag verschlafen«, murmelte er ihr an den Hals und begann nun leicht an diesem zu saugen.

»Nachwirkungen«, nuschelte sie und genoss seine Berührungen sichtlich. Sie fühlte sich noch unglaublich schmusebedürftig und würde am liebsten die ganze Zeit kuscheln, doch dann würde sie wohl gar nicht mehr aufstehen. Etwas, was auch nicht unbedingt abzulehnen wäre, dennoch schien er wirklich den ganzen Tag gebraucht zu haben, um nur die Hälfte fertig zu bekommen.

Jedoch war er jetzt mit den Gedanken komplett bei Lilitha und liebkoste ihren Hals, während seine Hände über ihren Körper strichen. Sie fühlte sich wie eine Katze, die gestreichelt und verwöhnt wurde. »Hast du etwas geplant?«, fragte sie, immerhin hatte er gesagt, sie wollten etwas zusammen machen.

»Kommt ganz darauf an, worauf du Lust hast«, antwortete er und zog sich ein wenig zurück, um sie aus halb gesenkten Lidern heraus zu mustern.

»Ich weiß nicht. Hier ist ja nicht viel los«, murmelte sie und wirkte gelangweilt.

»Wir könnten in die Stadt gehen, wenn du Lust hast«, schlug er verführerisch vor und zwickte sie spielerisch in die Seite. Dabei versteifte sie sich, versuchte sich aber innerlich schnell wieder zu beruhigen. Es gab keinen Grund zum Angst haben. Das hier war ein anderer Mann. Ein ganz anderer Mann.

Lilitha wurde ein wenig rot. »Ist das denn in Ordnung?«, fragte sie unsicher. Eigentlich hatte sie damit gerechnet, dass er sie nie wieder mit in die Stadt nehmen würde.

»Solange du keine Angst hast und es für dich behältst«, erklärte er leise und gab ihr einen langen, innigen Kuss, in dem Lilitha drohte sich zu verlieren.

Sie schloss die Augen und als sich Kaden von ihr löste, seufzte sie zufrieden auf. »Nein, habe ich nicht und werde ich nicht.«

Kaden grinste sie zufrieden an und klopfte auf ihre Oberschenkel, die noch immer auf seinen Beinen lagen. »Gut, dann mach dich fertig«, erklärte er und gab ihr zu verstehen, dass sie sich erheben sollte.

Lilitha grummelte und schmiegte sich noch näher an ihn. »Und wenn ich nicht aufstehen will?«, fragte sie und blickte ihn mit großen Augen an.

Mit einem Lächeln auf den Lippen lehnte er sich dichter zu Lilitha, um vor ihrem Gesicht innezuhalten. »Dann trag ich dich in die Stadt«, hauchte er an ihre Lippen und senkte die Lider, jedoch ohne weiterzugehen.




Lilitha blickte ihn ein wenig verwundert an. »Wenn Ihr mich durch die Gänge tragt, schockieren wir Eure Frauen.«

Kadens Grinsen wurde nur noch breiter und er schien ihren verwirrten Ausdruck eher amüsant zu finden. »Na und? Dann haben sie wenigstens mehr zum Schwatzen«, erklärte er leise und schob Lilithas Kleid ein wenig höher, um ihre Beine zu streicheln.

Lilitha kniff leicht die Augen zusammen. »Ihr würdet das wirklich machen?«, fragte sie skeptisch. Irgendwie war sie gerade richtig in Laune, die anderen zu ärgern.

Herausfordernd hob der Blonde eine Braue, als er seinen Arm auch schon unter Lilithas Knie schob und mit einem Mal stand, während sie noch immer in seinen Armen lag. Ein erschrockener Aufschrei entfuhr Lilithas Mund, als sie instinktiv die Arme um Kadens Hals schlang, um sich festzuhalten.

»Ja, würde ich«, murmelte er und biss sich auf die Unterlippe, während ihr Gesicht seinem so nah war.

Sie blickte ihn mit großen, neugierigen Augen an. »Ach und was würdest du Sergej erzählen, wenn er das sieht?«, fragte sie und klang etwas atemlos. Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet.

»Sollte ich etwas sagen?«, war die Gegenfrage, die er ihr leise an die Lippen flüsterte, während er eben diesen immer näher kam. Langsam schloss er die Augen, bis er kurz vor ihren Lippen innehielt, die Augen wieder aufschlug und ihren goldenen Blick einnahm. So blieb er. Die Lippen nur einige Millimeter vor ihren und den Blick mit seinen Augen gefangen.

Lilitha spürte seinen Atem auf ihrer Haut und erschauderte. Für einen Sekundenbruchteil huschte ihr goldener Blick über sein Gesicht, als sie unbewusst begann, eine Hand von seinem Nacken an seine Wange gleiten zu lassen.

Er lächelte zufrieden und schloss kurz die Augen, bei dieser Geste, die er sichtlich genoss. Langsam neigte er den Kopf ein wenig und stieß mit seiner Nase immer wieder gegen ihre. Das hatte etwas so Vertrautes, dass Lilitha lächeln musste. Sie beugte sich ein kleines Stück vor und überwand die Millimeter, die sie trennten. Flüchtig hauchte sie ihm einen sanften Kuss auf die Lippen.

Mit einem enttäuschten Seufzen öffnete er wieder die Augen und blickte sie mit gehobenen Brauen an. »Gib mir eine Woche und du wirst mir freiwillig um den Hals fallen. Dann wirst du dich für solch flüchtige Küsse gar nicht zurückhalten können«, lachte er leise, während er sich langsam in Bewegung setzte und tatsächlich mit Lilitha auf dem Arm die Tür ansteuerte.




Diese bemerkte es erst gar nicht, denn sie war noch immer in seinen tollen, braunen Augen versunken und dachte über seine Worte nach. »Ich werde Euch niemals hemmungslos um den Hals fallen und Euch versuchen aufzufressen. Außer vielleicht unter Drogen«, erklärte sie leise. »Ich werde wohl immer schüchtern bleiben.«

»Ich finde das schreit nach einer Wette«, stellte er fest und lief die Flure entlang auf dem Weg zum Harem, als wäre es das Normalste der Welt. »Ich wette, du wirst mir in spätestens einer Woche um den Hals fallen und das bei klarem Bewusstsein und vollem Verstand.«

Lilitha senkte die Lider und zwang sich dazu, ihre Umgebung nicht wahrzunehmen. »Ich halte dagegen. Was wollt Ihr als Einsatz vorschlagen?«, wollte sie wissen und fragte sich, wann es dazu gekommen war, dass sie wetteten.

»Hm«, machte er nachdenklich und verengte die Augen, während sein Blick auf die Tür geradeaus fiel, die den Harem offenbarte. »Wenn du gewinnst …«, er hielt inne und verlangsamte seine Schritte ein wenig. »Wenn du wirklich gewinnen solltest, lasse ich dich gehen, wenn es dein Wunsch ist, ohne dich zu verfolgen«, erklärte er überraschend entschlossen und hob den Blick wieder zu ihren goldenen Augen.

Das war ein Angebot, das sie eigentlich erfreuen sollte. Immerhin war es doch das, was sie sich die ganze Zeit schon gewünscht hatte. Ein Traum auf dem Präsentierteller. Und dafür musste sie nur das Gleiche machen, wie schon die letzten paar Monate. Das konnte unmöglich schwer sein. Doch das Angebot hinterließ nicht die Freude in ihr, die sie erwartet hatte. Stattdessen war da eine gewisse Ernüchterung. Hieß das, wenn sie es nicht tat, würde er sich nicht mehr für sie interessieren?

»Das gefällt mir nicht«, murmelte sie und versteckte ihren Kopf an seiner Schulter.

Stockend kam er, kurz vor dem Harem, zum Stehen und senkte den Blick zu ihrem vergrabenen Kopf. »Ich dachte, das ist es, was du willst«, murmelte er sichtlich unsicher und verkrampfte sich an Ort und Stelle.

»Ja und nein«, sagte sie. »Nicht, wenn Ihr Euch dazu zwingen müsst, dieses Angebot zu machen. Es würde Euch wehtun und ich will Euch nicht wehtun«, erklärte sie ein wenig nuschelnd, während sie versuchte sich zu erklären. Doch war es nicht nur das und dem war sie sich nur allzu schmerzlich bewusst. Es ging nicht nur um seine Gefühle, die sie nicht verletzen wollte, sondern auch ihre eigenen.




Lilitha konnte spüren, wie er scheinbar erleichtert ausatmete und sie kurz drückte. »Keine Sorge«, flüsterte er an ihr Ohr. »So weit wird es gar nicht kommen. Was mich dazu bringt zu erfahren, was dein Einsatz ist«, erklärte er nun und blickte sie erwartungsvoll an.

»Diese Wette ist unfair, wenn du als Belohnung etwas anbietest, was ich nicht will. Warum sollte ich es dann versuchen?«, fragte sie. »Damit gewinnst du sowieso. Außerdem müsste ich dir jetzt auch etwas anbieten, was bei Euch ähnliche Gefühle auslöst, wie Euer Angebot an mich«, erklärte sie und merkte gar nicht, dass sie zwischen höflicher und freundschaftlicher Anrede hin und her wanderte.

Kaden seufzte und ließ kurz den Kopf hängen, ehe er wieder den Blick auf die Vampirin in seinem Arm richtete. »Und was ist es, was du willst?«, fragte er nun leichtherzig, doch er musste sich eingestehen, dass er neugierig war.

Lilitha überlegte für einen kurzen Moment, ehe sie meinte: »Mehr Zeit mit Euch.«

Sein Blick nahm einen undeutlichen Ausdruck an, den Lilitha nicht wirklich identifizieren konnte. Dabei huschte sein Blick immer wieder für einige Sekunden zu ihrem vermeintlichen Halsband, was Lilitha die Stirn runzeln ließ.

»Und was bekomme ich, wenn ich gewinne?«, fragte er misstrauisch.

»Ich weiß nicht. Was wollt Ihr denn?«, fragte sie. Immerhin hatte er sie ebenfalls gefragt.

»Ich weiß nicht«, murmelte er nachdenklich und senkte den Blick wieder auf ihr Halsband und zurück zu ihren Augen. »Wenn du mir wirklich um den Hals fällst, ist das schon Preis genug.«

Lilitha hob eine Augenbraue. »Ich denke, das mit den Wettpreisen, sollten wir nochmal üben«, erklärte sie grinsend.

Kaden lachte leise, während er sich wieder in Bewegung setzte, die Tür aufstieß und die Gänge des Harems betrat.

»Ich weiß ja nicht, was du für Angebote hast.«

»Ich auch noch nicht. Das werden wir sehen«, sagte sie leise und versuchte den ersten verwirrten Blick zu ignorieren, der ihr zugeworfen wurde. Getuschel und offene Münder begleiteten ihren Weg, doch weder Lilitha noch Kaden hatten Augen für andere, als für einander.

»Also haben wir eine Wette, oder nicht?«, fragte er leise.

Lilithas Lippen umspielte ein leichtes Lächeln. »Ich denke schon. Im Grunde kann ich nichts verlieren«, stimmte sie mit einem Augenzwinkern zu, das irgendwie verräterisch wirkte. Als wären sie zwei Verbrecherkumpanen, die gerade irgendeinen Schabernack planten.




Er zwinkerte ebenso verschwörerisch zurück und legte lachend seine Stirn an ihre. An Lilithas Zimmer angekommen stieß er die Tür mit dem Fuß auf und betrat ihr Zimmer, um diese danach auch so wieder zu schließen.

»Ich dachte, vielleicht möchtest du dich umziehen«, erläuterte er und setzte sie auf ihrem Bett ab.

Lilitha blickte an sich hinab und stellte fest, dass ihr Kleid total zerknautscht war und ihre Haare auch nicht gerade gut aussahen. Alles in allem sah sie aus, als wäre sie gerade aus dem Bett gefallen. Was auch nicht ganz falsch war. »Oh, danke«, murmelte sie und lief Richtung Badezimmer. Vor der Tür blieb sie stehen und blickte zurück zu Kaden, ehe sie den Kopf ein wenig fragend schief legte und den Blonden mit ihren goldenen Augen fixierte.

Kaden dagegen hob die Brauen und blickte sie ungläubig an. Dennoch bewegte er sich keinen Millimeter und sah sie weiterhin fragend an. Mit einem unschuldigen Blick, der darauf schließen ließ, dass er angeblich nicht wusste, worauf sie hinaus wollte.

Lilitha verdrehte die Augen und schenkte Kaden ein Lächeln, ehe sie ins Bad verschwand. Sollte er doch selbst entscheiden, ob er ihr folgte. Mit einem Schmunzeln senkte er den Blick und seufzte ungeduldig, blieb jedoch, wo er war.

Mehrere Minuten verstrichen, die sich wie eine gefühlte Ewigkeit in die Länge zogen. Dabei schielte er immer wieder verstohlen zur Tür, bis er sich einen Ruck gab und zu dieser hinüberlief, um sie zu öffnen. Lilitha stand wie Gott sie schuf im Bad und spülte sich gerade ihre Haare aus. Als sie Kaden erblickte, lächelte sie, drehte sich aber nicht weg. Dennoch stand sie so, dass er nicht alles von ihr sehen konnte. Ohne den Blick von ihr abzuwenden, schritt er langsam auf sie zu, mit auf dem Rücken verschränkten Armen. »Kann ich Euch helfen, Mistress?«, fragte er mit gespielter Höflichkeit und lehnte sich ein wenig zur Seite, um an ihrem Rücken vorbeischielen zu können.

»Wenn Euch etwas zu helfen einfällt, würde ich nicht nein sagen«, antwortete Lilitha mit der gleichen gespielten Höflichkeit.

Der Highlord lachte leise, während er hinter ihr zum Stehen kam und mit seinen Fingern über ihren nackten Rücken strich. »Ich habe eher die Befürchtung, dass, wenn ich Euch helfe, wir die Stadt nicht betreten würden«, flüsterte er mit rauer Stimme und küsste sanft ihre Schulter.




Lilitha erschauderte unter seinen sanften Berührungen. »Das ist wohl wahr«, flüsterte sie leise und schloss genießerisch die Augen.

Seufzend hielt Kaden inne und legte seine Stirn auf ihre nasse Schulter. »Du machst es mir wirklich nicht leicht«, murmelte er und fuhr mit zittriger Hand ihre Seite entlang.

»Vielleicht will ich deine Selbstbeherrschung testen«, witzelte Lilitha leise und griff nach einem Handtuch, das in ihrer Nähe hing, um sich abzutrocknen. Oder zumindest damit zu beginnen, denn Kaden stand ein wenig im Weg.

Mit einem leicht frustrierten Grummeln umschloss er Lilithas Taille mit seinen Armen und küsste ihren Hals. »Soll das heißen, du machst das mit Absicht?«, fragte er leise, als er bei ihrem Ohr innehielt.

»Und wenn das der Fall wäre?«, stellte sie leise und unschuldig die Gegenfrage.

Schmunzelnd hob er eine Hand zu ihrem Kinn, um ihr Gesicht und ihren Körper zu sich zu drehen und sie mit gehobener Braue anzublicken. »Dann wäre das ganz schön gemein«, antwortete er und musterte sie aus halb gesenkten Lidern.

»Hm, wirklich?«, fragte Lilitha unschuldig. »Ich glaube, Laura färbt auf mich ab.«

Kaden lachte leise auf und fuhr mit der Hand von ihrem Kinn zu ihrer Wange. »Ich hoffe nicht«, murmelte er und kam ihrem Gesicht immer näher, bis seine Lippen leicht über ihre strichen. »Du spielst mit mir, oder?«, fügte er nun hinzu und schlug die Lider auf, um sie prüfend anzublicken.

Lilitha hingegen senkte ihren Blick ein Stück. »Möglich«, hauchte sie vage. Sie wollte testen, wie weit sie gehen konnte, ehe er genervt oder böse reagierte. Sie wollte ihre Grenzen bei diesem Mann wissen.

»Möglich«, wiederholte er leise zu sich selbst und fuhr nun mit der Hand durch ihr nasses Haar. Dabei folgte er der Länge nach den Wellen, bis hinunter zu den Spitzen, wo er mit einer Strähne spielte.

»Ich bin dabei herauszufinden, was Ihr mir alles erlaubt«, erklärte sie wahrheitsgemäß, weil sie es nicht mochte, wenn er so schutzlos ihren Launen ausgeliefert war. Auch wenn es manchmal lustig war.

Lachend ließ er von ihr ab und drehte sich um, um zurück zu ihrer Zimmertür zu laufen. »Dann find es mal weiter heraus«, trällerte er seltsam gut gelaunt und ließ sich auf Lilithas Bett nieder.




Das war eine Reaktion, die sie sehr verwirrte und ihr Blick zeigte deutlich ihre Gefühle, während sie ihm folgte. Dieser Mann war wirklich eine Nummer für sich. Und so aufregend.

Mit einer fließenden Bewegung wickelte sie sich in das Handtuch und betrat ihr Zimmer. Natürlich lag der braune Blick des Highlords auf ihr und verfolgte ihre Bewegungen, jedoch ohne sich zu rühren. Auf dem Bett liegend, mit hinter dem Kopf verschränkten Armen, beobachtete er sie, als wäre sie das Unterhaltungsprogramm schlechthin. Was Lilitha zu einer wichtigen Frage brachte. »Warum bin ich für Euch so unterhaltsam?«, fragte sie, denn sie war sich sicher, dass das der Grund war, warum er sie ständig beobachtete und in ihrer Gegenwart war. Irgendwas an ihr fand er unglaublich spannend. Irgendetwas, das sie selbst nicht sah.

Er zuckte lediglich mit den Schultern und sah ihr dabei zu, wie sie begann sich ein Kleid aus ihrer Garderobe auszusuchen. »Es ist kalt draußen«, warnte er sie und schien somit das Thema wechseln zu wollen.

»Hm«, murmelte sie nachdenklich. Sie hatte keine Wintergarderobe. Generell hatte sie sich noch nicht die Mühe gemacht, ihre Kleidung aufzustocken. Warum auch? Also zog sie das wärmste Kleid hervor, das sie hatte und dazu einen dicken Mantel. Er würde hoffentlich unter ihre Tarnung passen.

Fertig hergerichtet wandte sie sich zum Spiegel um und setzte dazu an, ihre Haare zu flechten, als der Highlord plötzlich neben ihr stand und ihr Handgelenk umfasste. »Ich mag es, wenn dein Haar offen ist«, erklärte er und ließ ihre Hand wieder los.

Lilitha blinzelte und wollte sich zu ihm umdrehen, doch da fiel ihr etwas anderes ins Auge. Ein wenig skeptisch verengte sie die Augen und hob die Hand. »Was ist das?«, fragte sie und strich über das schwarze Lederhalsband, das sich von den roten des Harems nicht nur in der Farbe, sondern auch in der aufwändigen Gestaltung unterschied. Unschlüssig fuhr Lilitha die Fasern des Leders nach und verstand nicht so recht, was das alles sollte. Wann war das denn passiert?

»Ein neues Halsband«, erklärte er leichthin, als wäre es doch offensichtlich.

Ja … es war neu. Aber wieso zum Teufel trug sie es? »Wie ist es an meinen Hals gekommen? Und noch wichtiger: Was bedeutet es?«, fragte sie und klang schon fast empört.




Ein breites, schelmisches Grinsen umspielte seine Lippen, als er sie durch den Spiegel hinweg ansah und sich zu ihrem Ohr hinabbeugte. »Ich kann auch spielen«, hauchte er ihr ins Ohr und zuckte kurz mit den Augenbrauen, ohne den Blick von ihrem Spiegelbild abzuwenden.

»Das ist gemein«, jammerte sie und machte einen Schmollmund. »Gib mir wenigstens einen Hinweis«, bat sie und ließ ihre Unterlippe ein wenig zittern, während sie ihn durch den Spiegel weiterhin anblickte.

Seufzend legte er die Arme um ihren Bauch, um sie von hinten zu umarmen und seine Wange auf ihrem Kopf abzulegen. »Ich dachte, du willst das selbst herausfinden«, erklärte er unschuldig und benutzte ihre Worte nun gegen sie.

Lilitha grummelte etwas. »Nur ein kleiner Hinweis«, bat sie erneut.

»Hm«, gab Kaden nachdenklich von sich und machte ein sichtlich unzufriedenes Gesicht. »Ich denke, da wirst du dich ein wenig mehr bemühen müssen«, erklärte er unnachgiebig und in einem zweideutigen Tonfall. Dabei hob er die Augenbrauen und blickte Lilitha nach wie vor auffordernd an.

»Aber woher soll ich dann wissen, was von mir mit diesem Halsband erwartet wird?«, fragte sie und hasste es, so ins kalte Wasser geworfen zu werden.

»Ich dachte, du testest gern deine Grenzen aus«, bemerkte er ironisch und grinste leicht. Vorsichtig schob er ihr Haar mit den Fingern über ihre Schulter und küsste sie sanft hinters Ohr. »Wir sollten jetzt los«, hauchte er leise in ihr Ohr und kniff sie in die Seite.

Lilitha quietschte erschrocken auf und machte einen Sprung zur Seite. Dann fauchte sie: »Mach das nicht nochmal.« Ihre warnende Stimme und ihre verärgerten Augen waren ein ungewohnter Anblick.

Kaden blickte sie prüfend an. Diese Reaktion war neu. War sie jetzt etwa wirklich verärgert?

»Und was, wenn doch?«, fragte er unschuldig.

»Die letzte Person, die mich dort immer verspielt gepickt hat, hat mein Vertrauen verraten«, erklärte sie und die Erinnerung an ihren angeblich besten Freund schmerzte so sehr, dass man es ihrer Stimme anhören konnte. Die Erinnerungen und Bilder drohten, auf sie einzustürzen, doch sie kämpfte dagegen an. Es war Kaden, niemand sonst. Es bestand keine Gefahr.

»Wen meinst du?«, fragte Kaden lauernd und trat einen Schritt an sie heran.




Lilitha konnte nicht sagen, ob es Sorge, Wut oder Unwissenheit war, die in seinem Blick mitschwangen, doch er war sicherlich nicht begeistert von ihren Worten.

»Mein ehemaliger bester Freund hat mich so immer geärgert«, erklärte sie leise. Er hatte sich immer darüber lustig gemacht, wie empfindlich sie an dieser Stelle doch war. Normalerweise ließ sie niemanden diese Stelle an ihrer Seite berühren.

Sie sah wie Kaden kurz Luft holte und scheinbar etwas sagen wollte, es dann jedoch sein ließ und den Blick senkte. »Wir sollten gehen, wenn wir nicht zu spät zurück sein wollen«, sagte er stattdessen und deutete auf die Tür.

Lilitha zog den Mantel um sich, ehe sie nickte. »Gut«, murmelte sie leise. Was würde sie jetzt dafür geben, um seine Gedanken zu erfahren? Er schien sehr abwesend, obwohl er gerade vorgeschlagen hatte, zu gehen. Hatte sie ihn vielleicht verschreckt? Oder dachte er jetzt, sie hätte ihn angelogen, als sie gesagt hatte, sie wurde noch nie von einem Mann berührt? Sie konnte nur raten. 

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