Kapitel 50

Langsam schlenderten sie die Stände entlang und ehe sich Lilitha versah, nahm die Menschenmenge immer mehr ab. Sie entfernten sich immer weiter von dem Gerede und dem Trubel.
»Wenn es etwas gäbe, was du gern tun würdest, was wäre das?«, fragte er plötzlich und wandte ihr im Gehen wieder seinen Blick zu.
Lilitha war von dieser Frage sichtlich überrumpelt und starrte Kaden daher einfach nur an, ehe sie nachdenklich die Stirn kraus legte und schließlich die Schultern zuckte. »Ich weiß nicht«, gestand sie. »Es gibt viele Dinge, die ich gern tue«, sagte sie und wusste nicht so recht, worauf er hinaus wollte.
»Du bist ja noch recht jung. Noch dazu bist du auf der Straße aufgewachsen und hattest nicht viele Möglichkeiten. Ich dachte, du möchtest dich womöglich irgendwie selbst entdecken«, erklärte er leise und betrat wieder die dunkle Straße, in der die Banditen nachts ihre Spielchen trieben.
Lilitha wirkte irritiert. »Ich weiß gar nicht, wie ich das sollte. Was gibt es denn für Möglichkeiten, mich selbst zu entdecken? Ich glaube, ich weiß gar nicht genug, um zu sagen: Das fehlt mir, oder das möchte ich mal machen«, erklärte sie ein wenig hilflos.
Kaden blickte sie ungläubig an und zog den Schal wieder runter, da sie nicht mehr inmitten von Leuten waren, die ihn womöglich erkannten. »Sobald ich Zeit finde, werde ich zusehen, dass du ein wenig mehr siehst als die Mauern. Bei den anderen Haremsfrauen ist es was anderes. Sie sind älter und schon viel rumgekommen«, erklärte er und es klang wie ein Versprechen. »Ich mache einmal im Jahr eine Rundreise durch die Reiche. Womöglich kann ich dich mitnehmen.«
Lilithas Augen funkelten Kaden an, der ihre Aufregung förmlich spüren konnte. »Das wäre wundervoll«, hauchte sie und blickte ihn an, als wäre er irgendein Heiliger, oder Ähnliches.
»Allerdings müsste ich das mit Sergej abklären, also kann ich dir erstmal nichts versprechen«, fügte er vorsichtig hinzu, aus Angst ihre Vorfreude zu erschüttern.
»Oh«, machte sie und er konnte sehen, wie sie die Sache abschätzte und tatsächlich ein wenig des Feuers erlosch. Dennoch schien sie noch immer voller Vorfreude. Allerdings mit einer leichten Vorsicht.
Ihr schien der Gedanke, dass Sergej davon wusste, nicht zu behagen. »Du magst ihn nicht?«, fragte er geradeheraus und schien sehr interessiert an ihrer Antwort.
Gerade, als sie in die Gasse einbogen, hielt er inne und stellte sich vor sie. Wieder einmal wurde ihr bewusst, wie dunkel es doch in der Gasse war, insbesondere in der Nacht, in der sie noch enger und bedrohlicher wirkte. »Ich weiß nicht. Ich kenne ihn ja nicht. Aber irgendwie wirkt er nicht so, als würde er Euch gehorchen«, versuchte sie sich zu erklären und dabei die Angst zu unterdrücken, die ihr in dieser Gegend unter die Haut fuhr.
Kaden schien ihr Verhalten zu bemerken, doch es wohl eher auf Sergej zu beziehen, da sie immerhin gerade über ihn sprachen. »Er ist mein Berater. Er soll mir ja auch nicht blind gehorchen«, erklärte er, jedoch nicht sonderlich überzeugt von seinen eigenen Worten.
Lilitha blickte Kaden nachdenklich an. Für sie war es schwer, Sergej einzuschätzen, aber sie mochte es nicht, dass er Kaden immer so drängte. Daher kam vermutlich ihre Abneigung. »Er wirkte nicht, als hätte er dich beraten. Eher, als wäre er nicht mit dem einverstanden, was du tust. Aber er gab auch keine Alternative von sich«, murmelte sie und dachte an das letzte Gespräch der beiden. »Aber ich kenne ihn nicht sonderlich gut«, fügte sie dann hinzu, um ihre Worte etwas zu relativieren. Sie wollte nicht, dass Kaden das Gefühl hatte, sie wolle ihn in irgendeiner Form belehren.
Kaden seufzte, als er wieder den Weg freigab und langsam weiterlief. »Er versucht nur, mich zu beschützen«, murmelte er grummelnd, jedoch eher so, als wäre er selbst nicht wirklich zufrieden damit.
»Solange er dich nicht versucht zu beeinflussen, ist das doch gut«, erwiderte Lilitha als Antwort und besah sich ein Geschäft, das noch offen hatte und einige schöne Pelzmäntel ausstellte. Lilitha hasste die Tatsache, dass dafür Tiere sterben mussten, doch sie wusste, dass es nötig war, denn sonst würden die Menschen erfrieren.
»Vermutlich«, seufzte er und folgte ihrem Blick zu dem Geschäft. »Brauchst du einen neuen Mantel?«, fragte er neugierig und schien sogar schon besorgt, sie könnte jetzt gerade womöglich frieren.
»Die Winterwochen sind nicht besonders lang und ich komme sowieso fast nie raus«, besänftigte sie ihn und drückte seine Hand ein wenig fester. »Für die paar Stunden reicht dieser hier völlig aus«, versicherte sie ihm. »Aber ich finde, sie sehen sehr schön und kuschelig aus.«
Kaden hob ungläubig die Augenbrauen, ehe er zu dem Laden lief und Lilitha einfach mit sich zog. »Du brauchst einen Mantel. Du weißt doch, dass Kälte für Vampire fatal enden kann«, beharrte er und blieb vor den zahlreichen, gefütterten Umhängen stehen.
Lilitha seufzte. Dieser Tonfall, zeigte ihr, dass der Highlord zurückgekehrt war. Wenn er etwas wollte, konnte er diesen befehlerischen Ton sehr schnell wieder anschlagen. Und nun schien er zu wollen, dass sie sich einen neuen Mantel aussuchte. Also betrachtete sie nachdenklich die unterschiedlichen Kleidungsstücke. Dennoch war ihr nicht wohl dabei. Sie musste ihn immerhin anprobieren und dabei würde man vielleicht ihr Halsband sehen.
»Bevorzugst du bestimmtes Fell?«, fragte er und begann einen weißen Kaninchenpelz zu befühlen. Dieser wäre jedoch sehr auffällig in der Stadt. Innerhalb der Mauern jedoch weniger. Dort konnte sie schließlich tragen, was sie wollte. Außer, dass die Frauen sicherlich fragen würden, wo sie diesen denn herhatte. Doch wieso sollte sie nicht sagen, dass der Highlord ihn ihr gekauft hatte? Kaden kannte die Antwort. Als würde Lilitha damit angeben, dass er ihn ihr gekauft hatte. Jede andere Frau hätte ihn wohl zur Schau gestellt, doch er war sich sicher, dass Lilitha stattdessen irgendeine Ausrede erfinden würde.
»Ich würde etwas Unauffälligeres bevorzugen«, erklärte sie und trat auf einen Pelzmantel zu, der aus dunklem Fell gefertigt war.
»Such dir ruhig mehrere aus«, bot er ihr an und deutete auf alle Mäntel, die zur Auswahl standen. Auch dünnere, für den kommenden Frühling waren dabei, die sicherlich hilfreich sein würden, wenn sie wieder richtig im Garten spazieren gehen konnte, sobald die Blumen wieder blühten.
Lilitha blickte Kaden an und man konnte ihr ansehen, dass sie sich, bei diesem Vorschlag, sichtlich unwohl fühlte. Zögerlich trat sie ein wenig näher und flüsterte: »Ich habe Angst mich umzuziehen«, sagte sie und deutete auf eine Verkäuferin, die auf sie zukam. Scheinbar wollte sie die beiden vermummten Gestalten unter die Lupe nehmen.
»Oh«, machte Kaden, der nun offensichtlich verstand, was sie meinte, doch da war die Verkäuferin auch schon bei ihnen.
»Kann ich Euch helfen?«, fragte diese vorsichtig und musterte misstrauisch Lilithas markante, goldene Augen. Die Rothaarige blickte hilfesuchend zu Kaden, weil sie nicht wusste, was sie sagen, oder tun sollte. Sie wollte sich nicht aus Versehen verplappern.
»Wir sehen uns nur ein wenig um«, entgegnete er höflich, als wäre nichts weiter dabei. Jedoch winkte er die Frau ein wenig näher zu sich, um ihr ins Ohr zu flüstern. »Meine Verlobte hat allerdings einige hässliche Narben, für die sie sich schämt. Habt Ihr womöglich ein separates Abteil, wo sie einige Mängel anprobieren darf?«, fragte er leise, doch Lilitha konnte jedes Wort durch ihr feines Gehör wahrnehmen.
Was für eine dreiste Lüge, doch es schien zu helfen, denn nun blickte die Verkäuferin Lilitha mit einem mitleidigen Blick an. »Natürlich. Während Eure Verlobte sich etwas aussucht, zeige ich Euch, wo sie sich umziehen kann«, erklärte die Verkäuferin und führte Kaden zu einer Art Abstellraum.
Während beide verschwanden, hatte Lilitha Mühe, wieder richtig zu atmen. Verlobte? Warum Verlobte? Warum hatte er das gesagt? War das, auf eine verquere Weise, die nur er verstand, ironisch gemeint? Oder womöglich wieder eines seiner Spielchen? Dieser Mann machte sie wirklich wahnsinnig. Aber so war er nun einmal. Wenn er spielen wollte, sollte er doch spielen!
Ohne wirklich auf die Mäntel zu achten, durchstöberte Lilitha die Felle und versuchte wieder einen klaren Gedanken zu fassen. Schließlich hatte sie einige Exemplare, die ihr gefielen. Zwei dicke für den Winter und zwei weitere für wärmere Tage und einen, dessen Fell sehr gut für Regen geeignet war. Das Fell war sehr billig und wurde eher als Arbeitskleidung verkauft, doch da es größtenteils wasserabweisend war, war es sehr praktisch und diese Verarbeitung war auch noch sehr schön.
Lilitha atmete tief durch und folgte Kaden, der in einem kleinen Durchgang auf sie wartete und sie keinen Moment aus den Augen gelassen hatte. Er schien sie vollkommen normal zu beobachten, wie es für ihn nun mal üblich war. Nicht so als hätte er sie vor einigen Sekunden als seine vermeintliche Verlobte bezeichnet. Er spielte doch mit ihr …, oder? War das womöglich ein verdeckter Hinweis darauf, dass er sie zu seiner Frau machen wollte? Vermutlich nicht. Sie bildete sich wirklich viel zu viel auf kleine Gesten ein. Gesten, die noch dazu gelogen waren.
Außerdem konnte er sie gar nicht zu seiner Frau machen, oder? Sie gehörte zu seinem Harem und somit war das nicht möglich, auch wenn sie ein Vampir war. Aber Lilitha musste sich eingestehen, die Vorstellung, er könnte mehr für sie empfinden, ließ ihren Körper vor Freude kribbeln.
Am Ende des Raumes blieb er an einer kleinen Tür stehen und öffnete die Abstellkammer, die sie offenbarte. Mit einem Kopfnicken deutete er ihr einzutreten, um dann kurz darauf zu folgen und die Tür hinter sich zu schließen.
Erleichtert seufzte Lilitha. So war es nicht ganz so schlimm und niemand würde sie sehen. Allerdings konnte Kaden sie so gut beobachten. Aber zum Glück musste sie sich nicht vollständig entkleiden, wobei er sie schon oft nackt gesehen hatte. Erst vor wenigen Momenten, bevor sie das Schloss verlassen hatten, hatte ihm Lilitha einen Einblick gewährt.
Zögerlich begann sie ihren derzeitigen Umhang und Mantel abzulegen und die anderen neuen erstmal zu befühlen. Sie waren schön kuschelig und am liebsten hätte sie erst eine Weile damit geschmust, aber stattdessen probierte sie den ersten vorsichtig an. Er war ein Stück zu groß, aber nicht unangenehm.
»Gefällt er dir?«, fragte Kaden, als er den Mantel prüfend begutachtete.
»Ich weiß nicht«, erwiderte Lilitha unschlüssig. Sie hatte nicht sonderlich viele Ansprüche. Er war warm, das reichte ihr. Allerdings wollte sie auch wissen, was Kaden davon hielt. Immerhin musste er sie darin betrachten. »Sehe ich gut darin aus?«
Kaden lächelte und senkte die Lider, als er ihr mit dem Finger deutete, sich zu drehen. Lilitha hob eine Augenbraue, tat aber wie ihr gedeutet wurde und drehte sich langsam, damit Kaden sie betrachten konnte. Noch im Drehen legte er den Kopf ein wenig schief und meinte: »Ich finde ja, du siehst ohne was besser aus, aber der Mantel steht dir auch.«
Lilitha hielt inne und verdrehte die Augen, sodass er es sehen konnte. »Natürlich. Etwas anderes hätte ich von dir auch nicht erwartet.«
Kaden lachte leise über diese Aussage und der dazugehörigen Geste. »Das ist ein Fakt, dafür kann ich nichts«, verteidigte er sich halbherzig, doch er lächelte weiterhin. »Es wundert mich sowieso, wie du auf der Straße bleiben konntest.«
»Wieso sollte ich nicht auf der Straße bleiben können?«, fragte sie, weil sie nicht wusste, worauf er hinaus wollte.
Bevor sie überhaupt den Satz fertig ausgesprochen hatte, stieß er sich von der Wand ab, um zu ihr rüber zu schlendern. Vor ihr angekommen fuhr er mit dem Arm unter ihren Mantel, um diesen um ihre Taille zu schlingen und sie an sich zu ziehen. »Selbst als Adliger oder sonst jemand, sollte man ein solch hübsches Mädchen bei sich aufnehmen«, flüsterte er leise und musterte sie intensiv.
»Ach so, das meinst du«, sagte sie und ließ es so klingen, als wäre es unbedeutend. Doch das war es nicht. Sie hatte ihre Gründe gehabt, warum sie auf der Straße geblieben war. Auch wenn sicherlich einige dazu bereit gewesen wären, ein junges Vampirkind aufzunehmen. Lilitha hatte nicht gewollt. Noch in Gedanken bei ihrer Vergangenheit spürte sie, wie Kaden ihren Kopf an seiner Brust betete und begann ihr übers Haar zu streicheln.
»Aber ich bin froh, dass du auf der Straße geblieben bist«, murmelte er und neigte den Kopf, um sein Kinn auf ihrem Scheitel abzulegen. »Sonst hätten wir uns wohl nie kennengelernt.«
Lilitha genoss diese Zärtlichkeit und ließ zu, dass ihr diese Worte das Herz wärmten, auch wenn sie wusste, dass sie wahrscheinlich nur dazu da waren, damit sie ihn an sich heranließ. Dennoch hatte sie sich entschieden, Lauras Rat zu befolgen und es zu genießen, solange es währte. Doch sie würde sich nicht der Illusion hingeben, dass er vielleicht mehr für sie empfand, als für andere. Diese Vorstellung war einfach zu weit hergeholt. Es würde nie Wirklichkeit werden und alles, worauf sie hoffen konnte, war, dass sie anderweitig ihre Liebe finden würde.
Für den unwahrscheinlichen Fall, sie würde den Harem jemals verlassen können, auch wenn sie es eigentlich nicht wollte. Andererseits brachte sie das wieder auf den Gedanken, als Kaden sie gefragt hatte, was für einen Typ Mann sie denn bevorzugte. Etwas, worüber sie sich nie Gedanken gemacht hatte. Doch es schien auch nie relevant gewesen zu sein … zumindest bis jetzt. Sie wusste die Antwort noch immer nicht. Was für einen Typ Mann bevorzugte sie? Wie musste ihr Traummann sein? Sie wusste nur eins, was sie wollte. Ihr Mann musste ihr genug Freiraum geben, damit sie sich entfalten konnte und nicht gefangen fühlte. Aber das war keine wirkliche Voraussetzung, oder? Vermutlich fiel es ihr nur ein, weil sie diesen Freiraum hier nicht hatte. Doch sollte der Highlord sie wirklich mit auf die Reise durch seine verschiedenen Reiche nehmen … sie würde mehr sehen, als sie je gesehen hatte. Vielleicht würde sie sogar in das Reich zurückkehren, in dem ihre Eltern sie aufgezogen hatten. Ihre Heimat …
Ein wenig Sehnsucht und Heimweh packte sie, doch Lilitha wusste, dass von diesem Reich nicht mehr sonderlich viel übrig war. Es war dem Krieg komplett zum Opfer gefallen. Ein trauriger Ausdruck huschte über ihr Gesicht, als sie an die Schreie und Schrecken denken musste.
»Alles in Ordnung?«, fragte Kaden plötzlich vorsichtig und riss Lilitha aus ihren Gedanken.
Ohne es zu merken, hatte sie ihre Finger in seinen Rücken gebohrt. Aus Angst vor den schrecklichen Momenten, die sie verfolgten. Sie wusste nicht einmal, wann genau sie seine Umarmung erwidert hatte. »Ich … denke schon«, murmelte sie mit leicht belegter Stimme und fragte sich, warum diese Erinnerungen jetzt wieder ans Tageslicht kamen. Sie hatte sie bisher doch so gut verdrängen können. Lilitha löste ganz langsam die Umarmung. Vielleicht war es besser, wenn sie sich etwas ablenkte und den Mantelkauf fortsetzte.
Während sie den Mantel wieder auszog, um den nächsten zu probieren, spürte sie Kadens skeptischen Blick auf sich. »Bist du sicher?«, fragte er erneut und hob ungläubig eine Braue.
Lilitha versuchte sich an einem Lächeln, das irgendwie schief aussah. Noch immer lagen ihr die Erinnerungen schwer im Magen, denn einige wenige Dinge hatten sich in ihr Gedächtnis eingebrannt. Darunter ein Feuer, das ihr Zuhause verschlang. »Ja. Nur Erinnerungen«, erklärte sie und klang kläglicher, als sie es gewollt hatte. Aber sie wollte nicht weiter daran denken. Lieber wollte sie sich darauf konzentrieren, dass sie gerade mit dem Highlord in der Stadt einkaufen war.
Bevor er weiter auf das Thema eingehen konnte, schüttelte sie den nächsten Mantel aus, bevor sie ihn sich schwungvoll umwarf. Der Highlord rollte kurz die Augen auf ihr Ausweichmanöver, doch er sprach das Thema zum Glück nicht wieder an. Stattdessen musterte er sie und deutete ihr wieder, dass sie sich drehen sollte, was sie auch schwungvoll tat. »Der steht dir besser«, meinte er. Es war der weiße Mantel, den sie nur schwer auf der Straße tragen konnte, aber er war sehr kleidsam.
Lilitha lächelte leicht, ehe sie den nächsten Mantel nahm und anprobierte.
»Wir sollten sie alle nehmen«, beharrte Kaden, als sie nach der kurzen Anprobe das Abteil wieder verließen.
Ehe sie den Raum überhaupt verlassen konnte, nahm er ihr auch schon den Haufen Stoff und Fell aus der Hand, damit sie leichter die Tür schließen konnte. »Warum?«, fragte Lilitha irritiert. Auch wenn ihre Eltern recht vermögend gewesen waren, so hatte sie doch gelernt, sparsam mit Geld umzugehen und sie kam nicht so leicht aus ihrer Haut.
»Du weißt doch nicht, wann du sie mal brauchen wirst«, warf Kaden ein und steuerte den Vorderraum an, um die Verkäuferin aufzusuchen. Scheinbar ließ er nicht gern mit sich reden. Ein klares Zeichen, dass der Highlord zurückgekehrt war.
Lilitha seufzte ergeben. »Natürlich, was auch immer Ihr sagt«, murmelte sie und betonte das Ihr besonders stark.
Plötzlich kam er ruckartig zum Stehen, wobei Lilitha beinahe gegen seinen Rücken gelaufen wäre. Jedoch konnte sie sich noch rechtzeitig halten. Er fuhr zu ihr herum und blickte sichtlich unzufrieden zu ihr herab. »Mach das nicht«, bat er fast schon gequält und blickte sie flehend an.
»Dann mach du das auch nicht«, sagte sie und blickte zu ihm nach oben. Sie konnte schon verstehen, warum ihm das nicht gefiel. Aber er gab ihr immerhin auch einen Grund.
Er verengte die Augen ein wenig, während er ihrem Blick standhielt. Es schien eine wahre Ewigkeit anzuhalten, in der ihre goldenen Augen auf seine braunen trafen. Doch letztlich seufzte er hörbar und wandte den Blick ab.
»Welche möchtest du?«, fragte er unzufrieden.
Lilitha hingegen lächelte siegreich und suchte sich drei der fünf anprobierten Mäntel aus. »Einen für Regenwetter, wenn es etwas wärmer wird und einen für den Winter«, erklärte sie zufrieden.
Skeptisch hob er eine Braue, während Lilitha erleichtert war, dass sie hatte entscheiden dürfen. »Und der Dritte?«, fragte er und blickte auf das letzte Stück Fell in ihrer Hand.
»Der gefällt mir einfach«, erklärte sie mit einem Lächeln. Sie hatte ihn extra ausgesucht, denn es war der, der Kaden am besten gefallen hatte.
»So lange du glücklich bist«, presste er mit einem aufgesetztem Lächeln hervor und betonte wie Lilitha zuvor das Ihr nun das Du.
Die Rothaarige verdrehte die Augen. »Also daran müssen wir noch arbeiten«, bemerkte sie und lächelte, ehe sie die Mäntel an Kaden weiterreichte.
Nun war er dran, die Augen zu rollen, was jedoch mit einem Lächeln untermauert wurde. Nachdem er die anderen Mäntel zurückgegeben und die Frau bezahlt hatte, machten sich beide auf den Weg, um zur Schneiderei zu gelangen.
»Scheint so, als wäre ich wirklich so viel Arbeit für dich«, bemerkte er nach einer Weile und bezog sich wohl auf ihren vorigen Satz, den sie bereits öfter benutzt hatte.
»Ach nein«, winkte Lilitha ab. »Du bist keine Arbeit für mich. Aber der Highlord schon«, sagte sie, wobei sie das Highlord extra flüsterte, um nicht noch Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Hoffentlich verstand er, was sie damit sagen wollte.
»Was meinst du damit?«, fragte er verständnislos und überzeugte sie somit doch vom Gegenteil.
Lilitha musste, ohne es zu wollen, lächeln. »Das ist schwer zu erklären. Es gibt einen Unterschied zwischen dir, wenn du einfach nur du bist und wenn du arbeitest, oder wenn du … zuhause bei deinen Frauen bist«, erklärte sie langsam und leise, während sie nach den richtigen Worten suchte.
Kaden schien nicht gerade begeistert von diesen, doch er verschnellerte trotzdem seine Schritte ein wenig, um vor ihr rückwärts zu laufen, damit er sie ansehen konnte, ohne anzuhalten. »Also erstens: Hör auf, sie so zu nennen. Und zweitens: Was genau soll das heißen, ich benehme mich anders? Ich bin doch jetzt gar nicht bei der Arbeit.«
»Richtig und wenn du nicht bei der Arbeit bist, benimmst du dich anders. Aber wenn du etwas willst, dann greifst du sehr schnell auf den Ton zurück, den du bei der Arbeit anlegst. Der, der keine Widerrede duldet und dem man gehorchen sollte. Und dabei bist du sonst scheinbar so darauf bedacht, auch andere Meinungen zu hören«, erklärte sich Lilitha langsam. Zu der Sache mit den Haremsfrauen äußerte sie sich jedoch nicht. Sie wollte es nicht wieder anschneiden, weil sie die Sache mit Chiana noch immer belastete.
»Was, du meinst mit den Mänteln?«, fragte er und machte einen skeptischen Gesichtsausdruck, als könnte er nicht verstehen, wieso sie das dachte. »Ich … das … nein!«, versuchte er sich zu verteidigen, wenn auch nicht wirklich sicher.
»Nicht nur bei den Mänteln«, beharrte Lilitha. »Aber ich komme damit zurecht. Ich glaube, dass du selten so mit jemandem umgehst und es einfach verlernt hast. Das bekommen wir schon wieder hin und dann kann ich einmal sehen, wie der richtige Kaden wirklich ist«, erklärte sie und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.
»Du bekommst mich wieder hin?«, fragte er hoffnungsvoll, mit einem sarkastischen Unterton, lächelte jedoch zurück und verlangsamte seine Schritte kurz wieder, um normal neben ihr herzulaufen. »Wie ehrenhaft von dir.«
Lilitha lachte vergnügt. »Das hat nichts mit Ehrhaftigkeit zu tun. Ich mag Kaden einfach nur lieber, als den anderen«, erklärte sie und ihre Augen schienen vor Freude zu funkeln. »Wobei das auch nicht wirklich stimmt. Ich verbringe mit beiden sehr gern Zeit.«
Aber Kaden war für sie mehr ein Freund. Der Highlord hingegen würde ihr Vorgesetzter bleiben, den sie auch weiterhin verehrte. »Könntest du bitte aufhören so zu tun, als hätte ich eine gespaltene Persönlichkeit?«, bat er augenrollend, doch er konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.
Lilitha konnte von weitem bereits das große Zelt entdecken, als ihr wieder einfiel, dass sie immer noch nicht wusste, wieso er immer dorthin ging. »Na gut, ich höre damit auf, aber nur wenn du mir verrätst, warum du immer dieses eine Schneidergeschäft besuchst«, meinte sie und versuchte zu handeln. Es machte ihr wirklich Spaß, mit Kaden durch die Stadt zu laufen und es fühlte sich so an, als wären sie gute Freunde.
Kaden lachte ein wenig verstohlen und schüttelte leicht den Kopf. »Meinetwegen …«, meinte er und seufzte ergeben. »Ich habe eine gespaltene Persönlichkeit. Zufrieden?«, fragte er und blickte grinsend zu ihr hinab.
»Was? Nein!«, machte Lilitha empört und blickte nicht begeistert zu ihm nach oben. »Das habe ich nie behauptet! Und warum willst du es mir nicht erzählen?«, fragte sie und griff nach seinem Arm, um sich daran festzuhalten und zu verhindern, dass er ausriss, bevor sie Antworten hatte.
Kaden lachte auf, als er sich zu ihr herumdrehte und sie unschuldig anblickte, als hätte er nichts Falsches getan. »Na ja, du hast mir ein Angebot gemacht und ich habe es abgelehnt. Das ist doch nicht verwerflich«, verteidigte er sich.
Lilitha zog ein wenig an seinem Arm und machte so ihr Missfallen deutlich. »Warum möchtest du es mir nicht verraten?«, fragte sie und klang schon fast quengelnd. Immer wieder rüttelte sie an dem Ärmel seiner Jacke, die unter dem Umhang verborgen lag und erinnerte schon fast an ein bockiges Kleinkind.
Kaden konnte gar nicht aufhören, über diesen Anblick zu lachen, bis er sich letztlich doch zu einem unterdrückten Grinsen zwingen musste. »Interessiert es dich denn wirklich so sehr?«
Lilitha ließ von ihm ab und blickte fast schon entschuldigend zu ihm auf. »Tut mir leid, ich wollte dich nicht nerven«, sagte sie, als hätte er sie gerade zurechtgewiesen, oder als hätte sie sich an etwas erinnert, was ihr nicht gefiel.
Leise atmete Kaden aus und zog Lilitha zu sich, um sich zu ihr runter zu neigen und sie auf den Mundwinkel zu küssen. »Das sollte nicht feindselig wirken«, flüsterte er und strich ihr aufmunternd über die Wange.
»Tut mir leid, es waren die Worte, die mein Vater immer genutzt hat, wenn er von meiner Fragerei schon genervt war und meine Mutter mich gebeten hat, ihn in Ruhe zu lassen«, erklärte Lilitha leise. »Ich möchte dich wirklich nicht nerven. Ich möchte, dass du dich in meiner Gegenwart wohlfühlst«, fügte sie leise murmelnd hinzu.
Erneut strich er ihr über die Wange, ehe er seine Hand auf diese legte und sie musterte. »Ich fühle mich immer wohl in deiner Gegenwart«, flüsterte er als Antwort und zog Lilitha ein Stück zu sich hoch, um sie diesmal richtig zu küssen. Der Schal, den sie beide vor dem Mund trugen, wurde für diesen Kuss ein Stück nach unten gezogen, denn keiner von beiden wollte, dass sie auffielen.
Was sie allerdings taten. Denn ein Kuss in aller Öffentlichkeit war nicht sonderlich oft gesehen. Es waren nur wenige Leute in diesem Teil unterwegs und so gab es nur einen empörten Ausruf, der allerdings von Kaden und Lilitha ignoriert wurde.
Sie nahmen ihre Umgebung überhaupt nicht mehr wahr. Weder, wo sie waren, noch, dass sie nicht erkannt werden durften. Oder, dass sie hier nicht allein waren.
Kaden schien sogar vergessen zu haben, wo er eigentlich hin wollte, denn er deutete nicht daraufhin, dass er von Lilitha ablassen würde. Zu gut fühlten sich ihre Lippen an und ihr Geschmack, der auf seiner Zunge lag. Er drohte sich in dem Kuss und ihrem Geruch zu verlieren, hätte sie nicht nach Luft geschnappt und ihre Finger in seinen Arm gegraben. Das brachte ihn zurück in die Realität und er hatte das Bedürfnis sie jetzt in seinem Bett auszuziehen und sich zu nehmen, was er schon die ganze Zeit haben wollte.
Und sie schien es auch zu wollen … immerhin hatte sie das schon oft angedeutet. Sie suchte seine Nähe und fühlte sich offensichtlich von ihm angezogen. Noch dazu, hatte sie ihn erst heute mit in ihr Bad genommen, wo sie nackt war und sie hatte ihn auch für sich beansprucht … also wollte sie es doch ganz offensichtlich! Aber er brachte es einfach nicht übers Herz, auch wenn er es gern würde.
Doch solange sie ihm nicht klar zu verstehen geben würde, dass sie es wollte, würde er nicht die Initiative ergreifen. Auch wenn es sich verdammt gut anfühlte, wie sie sich an ihm festhielt und ihn fast schon kratzte. Sie war ganz anders, als die anderen Frauen. Vielleicht lag es wirklich daran, dass sie noch so jung war, doch das glaubte er nicht.
Wie sie die Dinge sah, war wirklich faszinierend. Niemand hätte sich getraut, ihm vorzuwerfen, dass er eine gespaltene Persönlichkeit hatte. Und da auch noch mit einer solchen Trockenheit in der Stimme. Auch hätte niemand den Mut gehabt, ihm zu widersprechen, mit ihm zu wetten, oder gar zu handeln.
Doch auch schon vorher, als sie noch das gesichtslose Dienstmädchen war, hatte sie seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Sie war auf eine Art und Weise ehrlich, die einfach nur entwaffnend war und trotzdem schien sie Geheimnisse zu verbergen.
Widerwillig löste er sich von ihr und umfasste ihre Hand, um sie die letzten Meter ins Zelt zu ziehen. Sie war ruhig und drängte ihn nicht mehr, dass er ihr doch bitte erklären sollte, was er hier wollte. Irgendwie gefiel ihm das nicht. Er wollte keinen wunden Punkt treffen und es tat ihm leid. Er wollte, dass sie wieder lächelte und fröhlich war, denn das wärmte sein Herz. Nur wie stellte er das an? Er würde sich etwas einfallen lassen, aber er durfte nicht vergessen, dass sie noch immer spielten.
Zwischen zahlreichen Stoffen gefangen, ließ er sie dieses Mal nicht allein, sondern hielt ihre Hand umschlossen und führte sie zu einem hinteren Teil, in dem die weißhaarige Frau gerade ein zerrissenes Kleid flickte. Lilitha schien, das ein wenig zu irritieren, doch gleichzeitig war sie auch neugierig und beobachtete Kaden, als auch die Schneiderin sehr genau.
»Kümmert Ihr Euch auch mal irgendwann um Eure Kunden?«, fragte er mit einem sarkastischen Unterton, was die Frau dazu brachte aufzublicken und in ihrer Arbeit innezuhalten.
»Das hier ist für einen Kunden«, antwortete sie ebenso ironisch, als sie Lilitha bemerkte und sie musterte.
»Sie braucht eine neue Garderobe«, erklärte er und deutete mit dem Kopf auf die Rothaarige.
»Wirklich und ich dachte, die drei Kleider, die du gekauft hast, waren für sie«, meinte die Schneiderin mit einem neckenden Unterton und erhob sich. »Schaut euch um, was euch gefällt und dann ändere ich es ab, wenn es nicht passt«, sagte sie und schenkte Lilitha ein Lächeln. Diese hielt Kadens Hand ein wenig fester, denn es war ihr irgendwie unangenehm.
In einer beruhigenden Geste streichelte er mit den Fingern über ihre Hand und nickte. »Man kann nicht sein Leben lang drei Kleider tragen«, argumentierte er zurück und zog Lilitha zurück in die Kleidermenge, bevor die Frau etwas erwidern konnte.
»Und was möchtest du ihr dieses Mal für eine Ausrede auftischen, warum ich mich nicht umziehen und die Kleider anprobieren möchte? Wo sie diese doch ändern muss?«, fragte Lilitha leise, während sie sich durch die ganzen Stoffe und Kleider bewegte und sie alle neugierig musterte.
»Hat sie dein Halsband nicht schon vorher bei Anproben gesehen und es fällt dir jetzt erst auf? Mach dir darum keine Gedanken«, wiegelte er ab und besah sich eines der Kleider skeptisch.
»Aber …«, machte Lilitha und ihr fiel auf, dass er recht hatte. Warum war ihr das nicht eher eingefallen? Vielleicht, weil dieses schwarze Halsband für sie so komplett anders war. »Aber die Farbe«, murmelte sie ein wenig hilflos.
Doch Kaden zuckte bloß die Schultern und durchstöberte weiter die Stoffe. »Was soll damit sein?«, fragte er leichthin, als wäre nichts.
Lilitha verzog etwas das Gesicht und seufzte, ehe sie ein nachtblaues Kleid entdeckte, das sie fesselte. Es war wunderschön und sie konnte nicht anders, als es auf der Kleiderpuppe anzustarren.
Kaden schmunzelte leicht darüber, dass sie wohl aufgegeben hatte, ihn auszufragen. Doch als er bemerkte, wie sie das Kleid ansteuerte, folgte er ihr zögerlich und ließ von den Kleiderstangen ab. »Gefällt es dir?«, fragte er und folgte ihrem bewundernden Blick.
»Es sieht aus wie ein Sternenhimmel«, erklärte sie voller Bewunderung für das Kleidungsstück. Lilitha wusste nicht warum, aber es faszinierte sie.
Kaden lächelte bei Lilithas gefesseltem Gesichtsausdruck und nickte langsam, fast schon verträumt. »Es ist wunderschön«, stimme er ihr zu und blickte wieder zu dem dunkelblauen, aus Stoff geformten, Nachthimmel.
»Das ist eine Spezialanfertigung«, erklärte die Weißhaarige plötzlich. »Es wurde im Palast bestellt«, fügte sie hinzu und ihr Blick glitt zu Kaden, als würde er das wissen.
Dieser blickte nur eindringlich zurück, als wolle er sagen, sie solle ihn nicht so angucken. »Gefällt es dir denn?«, fragte er stattdessen und ignorierte bedacht die vorlaute Schneiderin.
»Ja natürlich, wie sollte es mir auch nicht gefallen«, meinte Lilitha noch immer begeistert, aber nicht mehr ganz so enthusiastisch. Stattdessen schenkte sie Kaden ein leichtes Lächeln. »Aber wenn es schon vergeben ist, dann ist das halt so«, fügte sie hinzu und schlenderte zu einem weiteren Kleid, das ihr gefiel.
Kaden sah ihr kurz hinterher, ehe er den Blick kurz zu der weißhaarigen Schneiderin wandte, um dieser einen undefinierbaren Blick zuzuwerfen. Kurz darauf folgte er Lilitha aber auch schon wieder und stellte sich hinter sie, um ihr über die Schulter blicken zu können. »Du kannst es trotzdem anprobieren, wenn du möchtest«, schlug er leise flüsternd vor.
»Um dann enttäuscht zu werden, dass ich es nicht bekommen kann? Oder noch schlimmer, eine andere Eurer …«, hier zögerte sie kurz, da Kaden sie gebeten hatte, die Frauen nicht so zu nennen. »… eine andere Haremsfrau damit zu sehen?«
Kaden seufzte leise und schloss kurz die Augen, um sich neben ihr gegen die Kleiderstange abzustützen. »Wir könnten es umschneidern lassen«, schlug er unschuldig vor und befühlte den Stoff eines Handschuhs.
Lilitha verengte die Augen. »Du möchtest unbedingt, dass ich es anprobiere?«, fragte sie und fragte sich gleichzeitig warum. Kaden nickte, während er sie immer noch unschuldig anblickte und Lilitha schloss ergeben die Augen. »Gut, ich werde es für dich anprobieren«, murmelte sie geschlagen.
Er lächelte zufrieden und zog blindlings ein Kleid aus einer Reihe hervor, um es sich anzusehen. »Wie wär es damit?«, fragte er und hielt das Kleid vor Lilitha gerichtet.
Von dem plötzlichen Themenwechsel war sie ein wenig irritiert und betrachtete das Kleid, das wirklich recht wahllos hervorgezogen zu sein schien. »Ja, warum nicht. Anprobieren kann man es ja mal«, murmelte sie und wusste nicht so recht, was sie von Kadens Gehabe halten sollte.
»Na, wenn du das so sagst«, meinte er schulterzuckend und deutete auf die Stoffvorhänge, hinter der die Anprobe lag. Wie Kaden ihr gedeutet hatte, machte sie sich auf den Weg.
Währenddessen pickte sich der Blonde noch einige Kleider heraus, die er ihr schließlich alle in die Umkleide reichte, was Lilitha mit einer hochgezogenen Augenbraue quittierte.
Nach einigen Sekunden wurde plötzlich wieder der Vorhang zur Seite gezogen und die Schneiderin erschien zusammen mit dem dunkelblauen Kleid. »Mir wurde überliefert, Ihr möchtet es anprobieren?«, fragte sie schmunzelnd und hängte das Kunstwerk zu den anderen Stücken.
Lilitha blinzelte überrascht, nahm es aber so hin. Wieso auch nicht? Schnell zog sie sich aus und betrachtete den Traum aus Blau, bevor sie ganz sacht danach griff und es anzog. Es schmiegte sich perfekt an ihre Rundungen und der Stoff war so wunderschön weich, dass es Lilitha ein Seufzen entlockte. Vorsichtig zog sie den Vorhang zurück und trat nach draußen. Dabei streichelte der Rock ihre Beine.
Kaden, der bis eben noch an der Wand gelehnt hatte, blickte nun auf und war fast sprachlos von ihrem Anblick.
»Du … Du siehst …«, stotterte er leise. Unfähig, einen richtigen Satz zu formulieren.
Lilitha strich mit ihren Händen über den weichen, seidigen Stoff und drehte sich etwas, damit Kaden sie von allen Seiten bewundern konnte. Ihr gefiel dieser Ausdruck in seinen Augen. Er sorgte dafür, dass sie sich weiblich fühlte. Anmutig, grazil und elegant wie ein Engel.
»Fantastisch aus?«, half die Schneiderin nun augenrollend und begutachtete kurz, wie das Kleid an Lilitha saß. Dabei achtete sie weniger auf die Schönheit an sich, sondern mehr auf die Maße und ob ihre Kurven richtig zur Geltung kamen. »Es passt wie angegossen«, meinte diese und sah vielversprechend zu Kaden, der noch immer nicht den Blick von Lilitha abwenden konnte.
»Es fühlt sich wirklich ziemlich toll an«, bemerkte Lilitha und drehte sich noch ein paar Mal, weil sie einfach das Gefühl des Kleides auf ihrer Haut so toll fand. Sie wollte es am liebsten gleich anbehalten, wobei sie sich ziemlich sicher war, dass in diesem Zelt ein Wärmezauber genutzt wurde, der die Kälte draußen hielt. Sonst könnte man, bei diesem Wetter, die Kleidungsstücke auch gar nicht anprobieren, denn die meisten Kleider hier waren definitiv nicht für den Winter gedacht und zeigten mehr Haut, als manchmal nötig war.
Teilweise war die Kleidung auch sehr gewagt. So wie auch das Tänzerkleid, welches sie getragen hatte. Dennoch waren die meisten geschmackvoll gehalten und nicht vulgär.
»Wir nehmen es mit«, erklärte Kaden noch immer abwesend und den Blick auf Lilitha gerichtet.
Die Schneiderin hielt kurz zögerlich inne, doch zuckte dann die Schultern. »In Ordnung.«
»Aber ich dachte, es wäre bestellt«, murmelte Lilitha, die sich ein wenig unsicher fühlte. Konnte sie es wirklich mitnehmen, oder würde sie es dann vielleicht jemandem wegnehmen?
»Jetzt ist es gekauft«, erklärte Kaden nur schmunzelnd, als die Weißhaarige gerade um die Ecke ging, um vermutlich Vorkehrungen für den Transport zu treffen. »Du siehst wirklich wunderschön aus«, sagte er leise und hob den Blick zu ihrem Gesicht.
Lilitha trat unruhig von einem Bein auf das andere. Sie wusste nicht, wie sie auf dieses unerwartete Kompliment reagieren sollte, noch wie sie mit der Situation umgehen sollte. »Ist das wirklich in Ordnung?«, fragte sie zögerlich. Das Kleid war schön, doch sie wollte es wirklich niemandem wegnehmen.
»Ja, mach dir keinen Kopf«, beschwichtigte er sie, als er auf sie zuschritt und ihre Taille umfasste. »Es steht dir sowieso besser«, flüsterte er, als wäre es ein Geheimnis.
Lilitha konnte nicht verhindern, dass sie rot wurde. Sie konnte nicht mit den Komplimenten umgehen, die er ihr machte, aber sie wollte, dass er sie schön fand und wenn er der Meinung war, dass ihr dieses Kleid stand, war es doch in Ordnung, oder? Sie war sich nicht ganz so sicher. Sie konnte seinen Blick nicht genau deuten.
»Möchtest du heute bei mir übernachten?«, fragte er leise murmelnd und legte seine Lippen an ihre Stirn, um ihren Duft zu genießen.
Diese Frage überraschte Lilitha, obwohl sie es nicht hätte tun dürfen. Aber es verblüffte sie, dass er fragte. Eigentlich hätte er es ihr auch einfach befehlen können. Zögerlich blickte sie ihn, so gut es ging, an. »Nur übernachten?«, fragte sie zaghaft.
»Nur übernachten«, versicherte er ihr mit einem leisen Lachen und streichelte über ihren Rücken, um sie zu beruhigen. Sie war einfach zu süß, als dass er sie dafür blöd ansehen konnte. Besonders, wenn sie rot anlief, wegen einer kleinen Bemerkung. Sie war so unschuldig und manchmal auch naiv und das wollte er nicht kaputt machen. Manchmal hatte er das Gefühl, dass er dabei war, sie zu verderben. Und dann kam wieder diese Seite an ihr zum Vorschein, die mit ihm spielte, ohne auf Grenzen oder Konventionen zu achten. Eine Seite, die ihn genauso faszinierte, wie ihre unschuldige.
»Dann gern«, nickte sie zustimmend. Auch, wenn sie sich eingestehen musste, dass sie ein wenig aufgeregt war, obwohl es nicht das erste Mal war, dass sie bei ihm schlief. Trotzdem war es doch das erste Mal, dass er sie gefragt hatte … ob das etwas zu bedeuten hatte? Vermutlich nicht …, oder?































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