Kapitel 18 – Plan B
Die giftige Pampe an Beschimpfungen lässt sich nur daher runterschlucken, weil Rinoas Bedenken verständlich sind. Auch die Elfen werden nicht direkt kooperieren und misstrauisch bleiben. Und doch war Cassandra schon immer davon überzeugt, dass einer den ersten Schritt wagen muss.
Cassys Moralpredigten.
Der Kopf liegt im Nacken und die Mundwinkel heben sich. Samira hat zu viele Gesichter ihrer Schwester gesehen. Seit klein auf strebt Cassandra den Frieden zwischen den Elfen und Menschen an.
„Samira.“ Kaum drehen sich die Erinnerungen um die Schwester, eilt diese heran. Nie käme ihr in den Sinn, dass Cassandra nach ihr packt und sie umreißt, um sie mit Sorge zu betrachten. „Du irrst dich, wenn du glaubst, ich hege romantische Gefühle für Riley.“
Leugnung?
Der Gedanke bringt Samira zum Lächeln. Daher winkt sie grinsend ab.
„Schon gut, Cassandra. Euer Geheimnis ist in guten Händen.“
Die Augenbrauen ihrer Schwester treffen sich fast, bleich sieht sie rüber zu Riley, um sich dann vorzubeugen.
„Seit eurem ersten Treffen schwärmt Riley nur für dich, Samira.“
Sekundenspäter grinst Samira noch immer gespielt, bis die Botschaft in ihr Bewusstsein einsickert.
„WIE BITTE?“
Der Redefluss will aus ihr brechen, aber Cassandras Hände spielen den Damm. Der Schweiß perlt von der Stirn des Rotschopfs und die Augen werden zugekniffen.
„Das hast du aber nicht von mir, Samira. Er darf es nicht erfahren, ich habe es versprochen und als gute Freundin wollte ich dieses Geheimnis behüten.“
Ihre Stimme ist auffällig schrill und auch wenn Samira Atemnot bekommt, füllt sich ihre Brust mit Wärme.
Grummelnd wie eine Ava erhebt sich die Elfe und Cassandra entweicht ein mädchenhafter Aufschrei. Kaum frei gerät Samira wieder in die Fänge ihrer Schwester, diesmal aber wirft sich Cassandra ängstlich an sie. Riona schnauft laut und hebt die gefesselten Hände wieder auf Augenhöhe.
„Meine Geduld endet! Beendet dieses Theater und bringt dieses verfluchte Ritual hinter euch!“
„Ähm… das Ritual. Oh, ich habe einfach alles vergessen.“
Cassandras Kopf dampft und die Hände fahren sich durch das beneidenswerte seidige Haar. Wie gern würde Samira ihre Locken dagegen tauschen. Die jüngste Prinzessin presst die Luft zwischen die Zähne und nimmt sich an Ava ein Beispiel, indem sie ihre Schwester packt und ordentlich durchrüttelt.
„Fokussiere dich, Cassy!“
Aber ihre Schwester verzweifelt lautstark. „Unmöglich! Eigentlich sollte seine Schwärmerei für dich unbemerkt bleiben! Was bin ich nur für eine Freundin, wenn ich mich kopflos verplappere?“
Samira seufzt erschöpft, denn das sollte ihre geringste Sorge sein.
„Cassy, er wird es nicht erfahren!“
Böse wie ein Teufel beginnt Riona zu lachen. Ihre Augen funkeln bedrohlich und fixieren die Tote.
„Ich werde ihm davon berichten.“
Cassandra entweicht ein Schrei der Verzweiflung, während ihr sämtliche Farbe im Gesicht verloren geht. Temperamentvoll wie Samira ist, trifft ihre luftschneidende Hand den Schädel der Elfe. Ein Zischen entweicht Riona, als sie vorwurfsvoll aufblickt. Der leichte Schlag am Kopf scheint sie der Prinzessin wahrlich zu verübeln. Aber Samira stiert erzürnt zurück.
„Das ist nicht lustig und überhaupt nicht angebracht! Meine Schwester braucht einen Fokus! Also bitte ich um Stille!“
Aber die Elfe beweist mentale Stärke. Samiras Zorn beeindruckt sie recht wenig.
Das nagende Gewissen war schon immer Cassandras größter Feind. Schnell fühlte sich die Königstochter schuldig und erwies sich als schlechte Lügnerin. Oft zur Erheiterung der anderen, denn ihre schüchterne und zappelige Art mildert jeden Zorn. Auch ihre Schwester führt einen inneren Kampf, ernst zu bleiben. Gar nicht so leicht bei Cassandras lauten Selbstgesprächen.
„Mein Entschluss steht!“, meldet sich ihr Geist mitten im Starrwettbewerb zwischen Elf und Mensch, „Ich gehe zu Riley und beichte!“
Samira seufzt vernehmlich. Die Zeit ist Cassandras Feind und doch bevorzugt sie das klärende Gespräch. Ungeachtet der Konsequenzen. Aufhalten kann Samira ihre Schwester nicht, denn auch Cassandra kann ab und zu ein Dickschädel sein. Daher wendet sie sich vom Rotschopf ab und konzentriert sich auf Riona.
Die heutige Aufregung verlangte auch viel von Samira ab, daher setzt sich die Prinzessin erschöpft der Elfe gegenüber ins Blütenmeer. Auf einen Teppich aus Freesien. Die Schönheit und der reine Duft der Blüten verzaubert die Prinzessin kurz und lässt die eigentlichen Probleme vergessen. Bis sie ihren Gegenüber fixiert. Der Tiefpunkt ihrer Laune befindet sich auf einen gemeinsamen Nenner. Cassandra lässt sie unnötig warten. Gefährlich, denn je mehr Zeit verstreicht, desto weniger will Samira den Wunsch ihrer Schwester berücksichtigen. Ablenkung muss her! Es zeigt sich, dass Riona ähnliche Gedanken führt, denn sie kommt der Prinzessin zuvor. Unheilvoll funkeln ihre Augen, als sich die stolze Hilfe vorbeugt, um eine Prophezeiung hinein zu würfeln.
„Glaubst du, dein Reich wird deinen Idealen folgen? Sie werden gegen euren Willen agieren, die Elfen bespucken und weiter diskriminieren. Dein König wird dich des Besseren belehren! Mich erwartet eine Hinrichtung in eurem Reich! Deine Schwester bindet sich umsonst an mich. Mein Leben ist bereits verwelkt. Besser ihr tötet mich und erspart mir die Schmach, mich gegen mein eigenes Volk zu wenden.“
Alles gute Argumente und doch vertraut Samira auf das Wunschdenken der wahren Thronfolgerin. Selbstbewusst schiebt sie die Schultern nach hinten.
„Meine Schwester glaubt an eine gemeinsame Zukunft. Niemand behauptet, dass der Frieden sofort in Kraft tritt. All die Steine auf diesen Weg lassen sich gemeinsam beseitigen. Eure Hinrichtung ist wahrlich ein Problem. Ich fürchte, selbst Cassy kann diese nicht verhindern. Ginge es nach mir würde ich Euch zur Flucht verhelfen. Unter der Voraussetzung Ihr kehrt heim, sobald ich den Thorn besteige.“
Die Augen ihres Gegenübers funkeln belustigt. Mit einem spöttischen Grinsen hebt Riona die Augenbraue.
„An Naivität kaum zu übertreffen. Glaubt Ihr wahrlich, ich kehre zurück? Welchen Grund hätte ich?“
Herausfordern reckt Samira ihr Kinn. „Um Euer Werk zu vollenden. Ihr habt versagt. Euer Mordversuch ging schief. Kehrt heim und lasst Zeit verstreichen. Aber seid gewarnt, ich bleibe nicht untätig und lerne von den Besten. Ich widme mich der Lehre einer Kriegerin, um Euch in Zukunft zu trotzen. Kommt und versucht Euer Glück. Doch solltet Ihr erneut versagen, tretet Ihr in meine Dienste. Als Vertraute. Meine rechte Hand. Als Vasall. Was haltet Ihr von der Idee?“
Samiras wahrer Feind ist die Stille. Riona überdenkt jeden Schritt gründlich. Dabei platzt die Prinzessin vor Tatendrang. Nur übt sich ihr Gegenüber in Geduld. Mit einem prüfenden Blick, der Samiras ganzen Plan gefährlich ins Wanken bringt. Das mühevoll errichtete Kartenhaus verliert einen wichtigsten Grundstein und droht zu zerfallen. Erst als die Elfe den Mund öffnet und langsam ausatmet, sucht sie den Blickkontakt, um ihre Entscheidung zu verkünden. Zuerst mit einem gefassten Nicken, bis die Emotionen durchbrechen und ein lautes Seufzen ihren Frust hinausposaunt.
„Klingt nach einem Plan. Meinetwegen. Jetzt überzeuge nur deine Schwester. Willst du einen fairen Wettstreit? Dann darf sie sich nicht an mich binden! Denn sie wird mich stoppen, ehe ich dir die Kehle aufschlitzen kann.“
Samira nickt entschlossen. Denn ihr ergeht es ähnlich. Cassy mag sie nicht hergeben wollen, selbst wenn ihre Schwester zu einer Lebensversicherung werden könne. Aber der Gedanke, für immer voneinander getrennt zu sein, ist deutlich schmerzhafter, als eine mögliche Niederlage endend mit dem Tod.




























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