AdD2-Kapitel 14
»Hier habe ich Kaza gefunden«, erklärte Rhana, die ihre Mutter zu dem Ort führte, an dem sie das erste mal auf Kaza getroffen war. Ihr Lieblingsstein in der Nähe von Savrana.
Nur, weil es bereits tiefste Nacht war, konnten sie nah genug heran, sodass Rachel sogar den Stein beim Vorbeifliegen leicht berühren konnte.
»Da werden Erinnerungen wach«, lachte sie leise. »Hier habe ich damals deinen Vater kennengelernt und wir haben Kazas Drachenei hier versteckt, in der Hoffnung, es wird von jemanden gefunden, der ihrer würdig ist. Wir hätten nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet du das sein wirst«, sagte sie mit sanfter Stimme.
Rhana spürte, wie Wärme sie einnahm. Dass Kaza die Tochter von Kisa war, wusste Rhana, doch dass Kisa tatsächlich der Drache ihrer eigenen Mutter war, gab ihrer Begegnung mit der Drachin noch einmal eine ganz andere Dimension.
//Kaza hat mir dir eine sehr gute Partnerin gefunden//, bemerkte Idris, so dass es nur Rhana hören konnte.
Diese wollte am liebsten ihr Gesicht verstecken, doch es gelang ihr irgendwie, nicht zu sehr zu zeigen, wie es ihr ging.
»Wir sollten jetzt zu der Stelle, von der du gesprochen hast«, sagte sie, wobei sie direkt zu ihrer Mutter sah.
»Willst du mir nicht noch ein bisschen was erzählen?«, fragte Rachel unschuldig und in Rhana stieg die Vermutung auf, dass sie einfach Zeit schinden wollte. Als würde sie Rhana von dem Ort fernhalten, der potentiell gefährlich sein konnte.
Rhana verstand es irgendwie, aber gleichzeitig auch nicht. Sie war kein kleines Kind mehr und hatte schon sehr viel durchgemacht.
»Du musst dir wirklich keine Sorgen machen. Notfalls habe ich mein Artefakt«, sagte sie und hob die Hand zu der unscheinbaren Haarnadel in ihrem Haar.
»Und ich bin auch noch da«, warf Idris ein, der offensichtlich auf Rhanas Seite war.
Rachel kniff die Augen zusammen, als sie Idris musterte. War sie nicht begeistert davon, dass Idris ihre Seite ergriff?
»Na gut, aber du lässt mich die Umgebung zuerst erkunden«, entschied Rachel, ohne auf Rhanas Antwort zu warten.
//Ich muss ihr unbedingt abgewöhnen, dass sie mich wie ein Kind behandelt//, dachte sich Rhana, ohne zu bemerken, dass sie diese Gedanken direkt mit Idris teilte.
Sie bemerkte es erst, als sie sein tiefes Lachen in ihrem Kopf hörte. //Sie kommt noch nicht damit klar, dass du mittlerweile fast so alt bist wie sie//, erklärte er und nahm Rachel eindeutig in Schutz.
Rhana verzog trotzdem den Mund, als sie ihrer Mutter folgte. //Ich weiß. Ich gebe ihr ja Zeit//, brummte sie, denn sie wollte auch keine Wunder erwarten. Natürlich brauchte das Zeit, doch das hieß nicht, dass sie es mögen musste.
Rhana war eigentlich geduldiger, doch ihre Mutter schaffte es, sie dahingehend mehr zu reizen, als ihr lieb war. Sie wollte Rachel auch nicht drängen. Auch Rhana selbst musste erst einmal mit der Situation klarkommen.
Sie hatte sich immer vorgestellt, wie es sein würde, wenn ihre Eltern plötzlich wieder da wären, doch da hatte es die Drachenakademie noch nicht gegeben. Sie hatte stattdessen ein Leben mit Unori und Ruonir gesehen. Zusammen mit ihren Eltern, die ihr das Handwerk der Handelsgesellschaft beibrachten.
Jetzt, wo sie wieder da waren, fragte sie sich, ob das wirklich möglich war.
Würden Unori und Ruonir überhaupt damit klarkommen, dass Rachel und Giori so jung geblieben waren? Konnte man das irgendwie erklären?
Würden ihre Eltern überhaupt in der Lage sein, in ihr altes Leben zurückzukehren?
Rhana kamen plötzlich Zweifel. Sicherlich würden es ihre Eltern nicht leicht haben.
So in Gedanken versunken, bemerkte sie gar nicht, dass sie ihrem Ziel immer näher kamen.
Erst, als Idris zum Landeanflug ansetzte, wurde sie sich ihrer Umgebung wieder gewahr.
Sie befanden sich mitten in der Wüste an einem markanten Felsen, doch er sah nicht mehr aus, wie Rhana ihn in Erinnerung hatte.
Der Fels in der Gestalt eines Drachens, war zerfallen und trotzdem konnte Rhana den Kopf noch erkennen.
Hier trafen sich ab und an Karawanen, um in den Schatten der Felsen eine Pause zu machen.
Was war hier geschehen? War das der Ort, an dem ihre Eltern jahrelang versiegelt gewesen waren?
Rhanas Herz begann unruhig zu schlagen, als Idris in dem heißen Sand landete.
Sie selbst hatte diesen Felsen oft besucht. Es war der einzige Ort, bis wo hin Unori sie mitgenommen hatte. Meist war sie dann mit anderen, befreundeten Händlern zurück nach Savrana gekehrt und hatte unterwegs Kontakte geknüpft oder Verträge ausgehandelt.
Sie konnte gar nicht glauben, dass sie ihren Eltern so nah gewesen war. Warum hatte sie nie etwas bemerkt?
Die Gestalt des Felsens hatte sie immer fasziniert, doch sie wäre nie auf die Idee gekommen, dass er nicht durch die Natur, sondern vielleicht durch andere Umstände, geschaffen worden war.
»Was ist denn hier passiert?«, traute sich Rhana zu fragen, als sie von Idris Rücken rutschte und sich genauer umsah.
Der Felsen war völlig zerstört, doch die Umgebung wirkte nicht so, als wäre das durch ein Erdbeben passiert. Fast alles andere war noch intakt.
»Das ist das Siegel, das gebrochen wurde«, antwortete Rachel, als würde das Rhana irgendwas sagen. Sie konnte damit jedoch kaum etwas anfangen.
»Und wir suchen jetzt nach Hinweisen, wie das passiert ist und wer das getan haben könnte?«, fragte Rhana, denn eine richtige Aufgabe hatte sie nie bekommen. Daher hoffte sie, dass Rachel wusste, was sie hier sollten. Wenn nicht, wäre zumindest Idris noch da, den sie fragen konnte.
»Ja. Ich denke, derjenige wird Spuren hinterlassen haben.«
Bei dem Berg an zerschmetterten Felsen, fragte sich Rhana, ob der Sand nicht alle Hinweise verschluckt hatte. Mit Fußspuren oder ähnlichem, würden sie in der Wüste sowieso nicht rechnen können.
Warum hatten ihre Eltern nicht sofort nach Hinweisen gesucht, als sie aus dem Siegel gestiegen waren?
Langsam schritt Rhana über den heißen Wüstensand, wobei sie ein unangenehmes Kribbeln auf ihren Flügeln spürte. War das die Hitze? Waren sie vielleicht zu empfindlich für diese starke Sonneneinstrahlung?
Unruhig breitete Rhana diese aus, um sie auszuschütteln, bevor sie diese wieder an den Rücken legte.
Das Gefühl blieb jedoch. Es kribbelte, als hätte sie Sand zwischen ihren Schwingen, dabei hatte Idris beim Landen nicht viel aufgewirbelt. Außerdem spürte sie beim Atmen nichts dergleichen, weshalb sie auch noch kein Mundtuch trug.
»Die Magie ist noch sehr stark, wir dürfen nicht zu lange hierbleiben, sonst könnte euch das schaden«, bemerkte Idris, der noch immer in seiner Drachenform blieb, als würde er jederzeit bereit sein wollen, wieder abzuheben.
Vielleicht nutzte er seine erhöhte Position aber auch, um die Umgebung besser absuchen zu können.
Rhana dachte sogar darüber nach, ob es sinnvoller wäre, erneut auf seinen Rücken zu klettern und von dort zu versuchen, etwas zu sehen. Ihre Augen waren besser geworden, weshalb sie durchaus glaubte, dass es etwas bringen könnte.
Rhana kam jedoch nicht dazu, ihre Idee in die Tat umzusetzen, denn ihre Mutter stieß einen überraschten Laut aus, weil sie etwas gefunden hatte.
Sofort eilte Rhana zu ihr, doch als sie am Boden im Sand, Glassplitter einer Phiole entdeckte, blieb sie stehen.
Ihr Herzschlag beschleunigte sich, während ihr Atem schwerer ging. Sie konnte den Blick nicht von dem Glas wenden, das noch immer leichte Rückstände einer roten Flüssigkeit zeigte.
Die Ränder ihrer Sicht begannen zu verschwimmen, während eine unerklärliche Panik sie ergriff. Es war, als würde ihr Körper etwas verstehen, das ihr Kopf noch nicht wahrnehmen konnte.





























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